Während einer längeren sommerlichen USA-Reise besuchten wir die Freilichtoper von Santa Fe (Romeo et Juliette von Gounod). Das Opernhaus befindet sich ca. 7 km nördlich der Innenstadt neben der Autobahn. Der jetzige Bau wurde innerhalb eines knappen Jahres 1997/98 nach Plänen des New Yorker Architektenbüros James Polshek in den Berghängen neben der Autobahn errichtet. Er verfügt im Parkett und einem Rang, beides amphitheaterartig hochgezogen, über gut 2.100 Plätze. Der Bühnen- und Orchesterteil ist überdacht, ebenso der Zuschauerraum, nur seitlich im Parkett fehlen die Wände und lassen von Rang aus den Blick in die umliegende Berglandschaft zu. Wir saßen ganz oben in der letzten, der 25. Reihe und hatten von dort freie Sicht auf das Geschehen auf der relativ kleinen Bühne (ohne Bühnenturm mit der notwendigen Technik), auch überzeugte (wegen der Überdachung und rückwärtigen Wand) die Akustik. Die Opernsaison ist allerdings kurz, nur im Juli und August wird gespielt, in dieser Saison 5 verschiedene Opern, darunter Romeo und Juliette von Gounod. Das Bühnenbild war eher schlicht, aber passend mit verschiebbaren Stellwänden, die Kostüme aufwendig, mit Ähnlichkeit zum Film „Vom Winde verweht“, denn die Regie hatte das Stück in die Zeit des US-amerikanischen Bürgerkriegs verlegt. Die Hauptrollen sind in Santa Fe oft mit international bekannten Sängern besetzt, so auch bei der von uns gesehenen Aufführung, in der Ailyn Pérez für die Juliette und Stephen Costello für den Romeo engagiert waren. Costello war leider erkrankt und wurde durch den Tenor Joshua Guerrero ersetzt. Die Koloraturen gelangen der Sopranistin nicht mehr so ganz überragend, die mehr lyrisch-dramatischen Passagen, vor allem in der Bett- sowie der Sterbeszene sang sie aber mit großer Überzeugungskraft. Guerrero war ihr ein guter, höhensicherer Partner. Die Komposition von Gounod überzeugte mich insgesamt aber nicht, mir blieb nichts im Ohr haften, das Stück war zum Teil auch überfrachtet Ballettmusik. Der entscheidende Punkt ist aber, dass Sängerinnen und Sänger mit ihren ausgewachsenen Stimmen allein schon vom Alter her die Liebes- und Todessehnsucht der ersten großen Liebe einer 14- und eines 17jährigen nicht mehr glaubwürdig über die Bühnenrampe transportieren können (anders als beim Schauspiel oder beim Ballett), es sei denn, wirkliche Spitzensänger wachsen mit ihrer Gesangskunst über das Libretto hinaus. Dem Publikum im vollbesetzten Haus hatte die Aufführung gefallen, der Schlussbeifall ebbte wegen der fortgeschrittenen Zeit (kurz vor Mitternacht) aber schnell ab. Rund um das Opernhaus herum gab es genügend Platz für die ausschließlich mit PKW oder Bussen angereisten Zuschauer. Innerhalb von 10 Minuten hatten sich die Parkplätze geleert, denn alles ging nach dem Reisverschlussverfahren, niemand scherte aus oder mit Gewalt ein. Kurz vor halb ein Uhr morgens waren wir wieder in unserem Hotel.
Bemerkenswert fand ich eine Kritik in der Lokalzeitung von Santa Fe (http://www.santafenewmexican.c…2d-83b7-fcfd7b261fd3.html), in der sich der Kritiker mit hohem Sachverstand vor allem ausführlich mit der musikalischen Seite der Aufführung auseinandersetzt. Wo gibt es in unseren Tageszeitungen noch entsprechend qualifizerte professionelle Kritik? Interessieren sich die Leser nicht mehr dafür? und wenn, warum zum Beispiel in Santa Fe?
Oper in den USA: Santa Fe im Sommer, ein Bericht (Gounod, Romeo et Juliette, 29.07.16)
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Lieber Ralf,
hab Dank für den interessanten Bericht. Er hat mich an wundervolle Aufführungen in der herrlichen Freiluft-Oper erinnert. Das ist aber schon viele Jahre her. Damals war es die Idee, jungen amerikanischen Sängern die Gelegenheit für Auftritte zu geben. Vor allem sollten Sie in Ruhe und eingehend ihre Partien einstudieren können. Mit wirklich professioneller Unterstützung!
Inzwischen gibt es ja wohl ein festes Haus? Und es singen auch mehr oder weniger etablierte Sänger.
Hoffentlich ist der Charme der Werkstatt geblieben, der Santa Fe auszeichnete. Damals sangen die Sänger übrigens alle neben ihren Partien auch im Chor. Und sie wurden auch als Bühnenarbeiter eingesetzt. Wundervoll!Beste Grüße
Caruso41 -
Lieber Caruso41, vielen Dank für den Kommentar, in dem Saisonbuch der Santa-Fe Opera wurden auch die Vorgängertheater erwähnt, jetzt ist alles wohl durchorganisierter, internationaler und auch teuer, unsere Karten in der letzten Reihe des Rangs, also die billigsten Plätze, kosteten 42 Dollar das Stück. Trotzdem ist die Athmosphäre in dem seitlich offenen Theater einmalig, auffällig war, wie guit gekleidet die Zuschauer in das Opernhaus strömten, zudem hatten viele schon lange vor der Vorstellung Picknicktische aus ihren PKW geholt und ein einigermaßne festliches Abendessen eingenommen, die Aufführung hatte ja erst um 20:30 Uhr begonnen. Wenn es möglich ist, würde ich auch ein eigenes Foto von dem Zuschauerraum des Operhauses hier einstellen, das scheint aber durchaus kompliziert zu sein, so dass ich es vorerst lasse. Mit freundlichen Grüßen, Ralf Reck