Fritz Windgassen - der Vater


  • Fritz Windgassen war ein Sänger des Stimmfachs Tenor. Er wurde am 9. Februar 1883 in Lennep, jetzt zu Remscheid gehörend, geboren und starb am 17. April 1963 in Murnau. Zunächst war er Seemann und ieß sich von 1907 an als Sänger am Konservatorium in Hamburg ausbilden. Zwei Jahre später debütierte er als Manrico im "Troubadour" am Stadttheater in Hamburg. Weitere Stationen waren Bremen, Kassel, Stuttgart, wo er 1949 seinen Abschied nahm. Ein Schwerpunkt seines Wirkens war Richard Wagner. Er hatte Siegfried, Tannhäuser und Stolzing im Repertoire. Windgassen wirkte in zahlreichen Uraufführungen mit, darunter "Die Brautwahl" von Busoni, "Der Gondoliere des Dogen" von Reznick und "Michael Kohlhaas" von Klenau. Neben seiner Tätigkeit als Opernsänger pflegte er das Lied und das Oratorium. Nach Beendigung seiner Karriere übernahm er eine Professur an der Stuttgarter Musikhochschule.


    Windgassen war mit der Kultursopranistin Vally von der Osten verheiratet, die eine Schwester von Eva von der Osten, dem ersten Octavia im "Rosenkavalier" , gewesen ist. Beider Sohn war Wolfgang Windgassen, der seinerseits auch mit einer Sängerin, der Sopranistin Lore Wissmann, verehelicht gewesen ist. Die Windgassens – man könnte noch weitere Zweige auftun - sind also ein weit verzweigte Künstlerfamilie. Fritz hat einige Tonaufnahmen hinterlassen, die – wenn ich es richtig sehe – derzeit leider nicht auf Tonträgern zu haben sind. Darunter befinden sich Szenen als Tannhäuser, die 1936 in Stuttgart entstanden sind. Verblüffend ist die Ähnlichkeit mit der Stimme seines Sohnes – und umgekehrt. Facettenreich und lyrisch. Es könnte mehr Emphase sein. Insofern eigentlich das Gegenteil eines Wagner-Helden damaliger Zeit. Das Gros der Einspielungen sind Lieder, die heute weitgehend vergessen sind: "Neue Galgenlieder" von Paul Graener, "Lieder eines Lumpen" von Max Lang, ein bisschen Strauss und drei Lieder von Hugo Wolf.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Eine Frage in die Runde:


    Leider weiß ich so gar nichts darüber, wie sich Wolfgang Windgassen in der Familientradition sah. Hatten Vater und Sohn ein entspanntes, kollegiales Verhältnis? Wolfgang hat ja bekanntlich bei Fritz in Stuttgart studiert. Wie hat der Vater die Karriere des Sohnes, deren Aufstieg er ja noch über Jahre verfolgen konnte, gesehen?


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rüdiger,


    eine meiner Kindheitserinnerungen ist Fritz Windgassen als Don José im ehemaligen Stadttheater Heilbronn. Ich durfte damals im Kinderchor mitsingen. Dirigent Siegfried Köhler heute ein enger Freund von uns. So weit ich aus Erzählungen weiß, war das Verhältnis von Vater und Sohn Windgassen eng und herzlich. In einem Interview erzählte Wolfgang Windgassen, dass sein Vater seine Karriere kritisch fördernd begleitete. Interessant in diesem Zusammenhang: Fritz Windgassen hatte großen Einfluss auf die Sängerlaufbahn von Gottlob Frick. Er holte den jungen Chorsänger ans Stuttgarter Konservatorium und unterrichtete ihn dort. Er verwandte sich auch dafür, dass Frick bereits als Chorsänger solistische Aufgaben an der Stuttgarter Staatsoper bekam. Frick war Fritz Windgassen und dessen Gattin lebenslang in Dankbarkeit verbunden und betrachtete Fritz Windgassen als einen seiner wichtigsten Mentoren.
    Herzlichst
    Hans

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus, ganz herzlichen Dank für Deine Antwort auf meine Frage. Nun weiß ich mehr. Mich haben schon immer die familieren Hintergründe von Künstlern interessiert. In wieweit prägen sie Karrieren. Was ist womöglich erblich, was durch Fleiß erworben, oft auch gegen den Widerstand aus der Familie. Es gibt auch Sänger, deren Eltern ebenfalls Sänger waren, die aber den eigenen Kindern den Erfolg nicht von Herzen gönnten. Du hast Frick ins Spiel gebracht. Der hatte ja auch eine singene Frau. Das ist noch ein ganz anderes Thema. Schade, dass sie ihre Karriere nicht weiterverfolgt hat. Ich halte sie für ein großes Talent. Also viele Asypekte, die wirken können.


    Herzlich grüßt Rheingold (Rüdiger)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Da ich einige Jahrzehnte im Raum Stuttgart gelebt und viele Vorstellungen mit Wolfgang Windgassen erlebt habe, ist mir auch manches über seinen Vater zu Ohren gekommen. Mehrmals wurde dabei erwähnt, dass der Vater die voluminösere Stimme hatte und der Sohn manche stimmliche Defizite mit seiner Intelligenz überspielt hat.


    Leider habe ich Fritz Wingassen nicht mehr selber gehört, so dass ich das weder bestätigen noch dementieren kann.


    Herzlichen Gruß von Sixtus

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  • Von Fritz Windgassen besitze ich nur eine einzige Aufnahme: "Dir töne Lob" aus Wagners "Tannhäuser".

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Schade, dass die Aufnahmen von Fritz Windgassen nicht leicht zugänglich, sondern nur in privaten Archiven zu finden sind. Sie sind sehr vielseitig und lassen eine starke, ja verblüffende Ähnlichkeit mit dem Sohne erkennen, die sich ja auch in der äuß0eren Erscheinung abbildet.


    FRITZ WINDGASSEN (Tenor) (1883 -1963)
    THE COMPLETE RECORDINGS


    01) Über Nacht (Hugo Wolf / Julius Sturm) - 2:50
    Fritz Windgassen/pf-DGG 62498 [B 2125) (mx. 2099 ax) - Bertin, ca. March 1925
    02) Heimliche Aufforderung (Richard Strauss, op.27,3 / John H. Mackay) - 3:32
    Fritz Windgassen / pf - DGG 62497 [B 2123] (mx. 2100 ax) - Berlin, ca. March 1925
    03) Traum durch die Dämmerung (Richard Strauss, op.29,1 / Otto J. Bierbaum) - 2:44
    Fritz Windgassen / pf - DGG 62497 [B 2124] (mx. 2101 ax) - Berlin, ca. March 1925
    04) Der Rattenfänger (Hugo Wolf / Johann W. von Goethe) - 2:34
    Fritz Windgassen /pf- DGG 62499 [B 2127) (mx. 2103 ax) - Berlin, ca. March 1925
    05) Heimweh (Hugo Wolf / Joseph von Eichendorff) - 2:31
    Fritz Windgassen /pf- DGG 62498 [B 2126] (mx. 2104 ax) - Berlin, ca. March 1925
    06) Aennchen von Tharau (Friedrich Silcher I Johann G. von Herder) - 3:01
    Fritz Windgassen / pf-DGG 62499 [B 2128) (mx. 2105 ax) - Berlin, ca. March 1925
    07) TANNHÄUSER (Wagner), I: Dir töne Lob! Die Wunder sei'n gepriesen (Loblied der Venus) - 3:24
    Fritz Windgassen I Orchester der Stuttgarter Oper - lacquer disc - Stuttgart, 22. January 1936 [actual Performance]
    08) TANNHÄUSER (Wagner), II: O Walther, der du also sangest (Sängerkrieg) [excerpt] -1:17
    Fritz Windgassen / Orchester der Stuttgarter Oper - lacquer disc - Stuttgart, 22. January 1936 (actual Performance]
    09) TANNHÄUSER (Wagner), III: ...wie kein Büßer noch sie je gefühlt (Romerzählung) [excerpt] - 6:22
    Fritz Windgassen / Orchester der Stuttgarter Oper - lacquer disc - Stuttgart, 22. January 1936 (actual Performance]
    10) LUCIA DI LAMMERMOOR (Donizetti): Dein Stern war nur auf kurze Zeit [excerpt] - 0:51
    Fritz Windgassen / Ch / O - Reichsrundfunk disc - Stuttgart, 1936


    NEUE GALGENLIEDER (Paul Graener / Christian Morgenstern)
    Fritz Windgassen I pf: Friedericke Buchner - SDR tape E 19127 - Stuttgart, 9. May 1952
    11)1: Das Gespenst-1:51
    12) 2: Ein Seufzer läuft Schlittschuh -1:57
    13) 3: Philantropisch -1:24
    14)4: Palmström-1:49
    15) 5: Der Mond-1:02


    LIEDER EINES LUMPEN (Max Lang / Wilhelm Busch)
    Fritz Windgassen / pf: Friedericke Buchner - SDR tape Ma 140 - Stuttgart, 9. November 1952
    16) 1: Da ich ein kleiner Bube war -1:29
    17) 2: Ich hatt" einmal zehn Gulden - 3:53
    18)3: Im Karneval-1:33
    19) 4: Von einer alten Tante -1:30
    20) 5: Ich bin einmal hinausspazieit -1:19
    21) 6: Seit ich das liebe Mädchen sah -1:36
    22) 7: Was tat ich ihr zuliebe nicht -1:49
    23) 8: Doch ach, mein schönes Käferglück - 2:39
    24) 9: Den ganzen noblen Plunder -1:44
    The 1952 SDR recordings.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Schade, dass die Aufnahmen von Fritz Windgassen nicht leicht zugänglich, sondern nur in privaten Archiven zu finden sind.

    Das stimmt. Allerdings sind diese Aufnahmen ja alle vor 1962 entstanden und somit rechtefrei. Es müsste sich also nur jemand die Mühe machen, sie bei Youtube oder wo auch immer hochzuladen, und schon wären sie allgemein zugänglich und anhörbar.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Rheingold,


    wieder eine Großtat von Dir, dass Du die kompletten Aufnahmen von Fritz Windgassen einstellen konntest. Dank und Anerkennung. Ich habe ja schon darüber berichtet, dass ich mit Fritz Windgassen in "Carmen" auf der Bühne stand. Mein Kollege Fritz Windgassen sang den Don José - ich im Kinderchor. Soweit ich mich nach über 70 Jahren noch erinnern kann hatten am Heilbronner Theater alle mords Respekt vor diesem großen Sänger. Mir gefiel damals als junger Bub der Escamillo allerdings noch weit besser. Vater und Sohn Windgassen sollen immer ein gutes Verhältnis gehabt haben. Ruth-Margret Pütz erzählte mir einmal, dass Wolfgang sich bis in die reiferen Jahre Rat bei seinem Vater geholt hätte. Fritz Windgassen besuchte oft und gerne Auftritte von Gottlob Frick und erzählte dann ganz stolz, was er aus dem Lobl gemacht hätte. So klein und in den Anekdoten schön ist auch die Sängerwelt. :jubel:


    Herzlichst
    Operus

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  • Lieber m.joho, vielen herzlichen Dank dafür, dass Du die Aufnahmen für das Forum zugänglich gemacht hast. Gleich beim ersten Lied, Wolfs "Über Nacht", das ich mir gleich wieder anhören muss, wird die starke Übereinstmmung mit dem Sohne deutlich.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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