Oswald von Wolkenstein

  • Oswald von Wolkenstein


    Geboren auf Schloß Schöneck (?) Südtirol 1376/78
    Gestorben in Meran/Südtirol 1445



    Dies ist die beinahe wörtliche Übernahme eines Beitrags, den ich 2005 im Thread über die Minnesänger verfasst habe.
    Da ich mich derzeit ein wenig mit mittelalterlicher Musik, sowie jener der Renaissance befassen möchte, und auch ein diesbezügliches Interesse feststellen konnte halte ich diesen Text für einen guten Einstig für einen Thread über diese interessante Persönlichkeit. Im Originalthread bleibt er indes unverändert


    Die Minnesänger und ihre Zeit



    Über den Minnesänger Oswald von Wolkenstein gibt es vergleichsweise viele Informationen. Er stammt aus dem Adelsgeschlecht der Villander (Tirol) und hat viele seine Erlebnisse und Eindrücke, die er Zeit seines bewegen Lebens hatte in seinen Liedern bzw Dichtungen realitätsnah geschildert. Sein Werk ist also sowohl von musikhistorischer, als auch historischer Sicht von Bedeutung - ein Zeitzeuge ersten Ranges.
    Schon als Knappe bereiste er viele Länder des damaligen Europa. war 1409 auf Pilgerfahrt im Heiligen Land, war im Gefolge von Herzog Friedrich IV beim Konzil von Konstanz, ab 1411 im Dienst von König Sigmund.
    1427 endgültig Besitzer von Burg Hauenstein, die er sich 1418 widerrechtlich "angeeignet" hatte. In diesem Zusammenhang war er auch längere Zeit inhaftiert.
    Oswald war ein Grenzgänger zwischen höfischem und bürgerlichem Milieu, jedoch überall eher direkt und derb als geziert.


    Ich han gelebt wol vierzig jar leicht minner zwai
    mit toben, wüeten, tichten, singen mangerlai;
    es wär wol zeit, das ich meins aigen kinds geschrai
    elichen hört in ainer wiegen gellen.
    So kan ich der vergessen nimmer ewikleich,
    die mir hat geben muet auff disem ertereich;
    in all der welt kund ich nicht vinden iren gleich.
    auch fürcht ich ser elicher weibe pellen.
    In urtail, rat vil weiser hat geschätzet mich,
    dem ich gevallen han mit schallen liederlich.
    ich Wolkenstain leb sicher klain vernünftiklich,
    das ich der welt also lang beginn zu hellen.


    Dennoch ist er über sein Dichter- Sängertum hinaus eine bekannte Persönlichkeit immer wieder in damalige Politik verstrickt


    Von Oswald von Wolkenstein sind 126 Lieder zumeist weltlichen Inhalts, und ein zeitgenössisches Portrait erhalten.



    Es gab alternativ dazu eine Aufnahme in der Serie EMI Reflexe, vom "Studio der Frühen Musik" unter Thomas Binkley, die aber, wenn überhaupt nur mehr bei Abnahme des gesamten Paketes erhältlich zu sein scheint.


    Seit dem ersten Erscheinen dieses Textes sind doch einige Aufnahmen erschienen, die interessant sein könnten. Wir werden uns im Laufe der Zeit ein wenig mit ihnen befassen.......


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das nenne ich prompt, lieber Alfred! Ich empfehle hier zunächst die Biographie Oswalds von Dieter Kühn. Bei jpc finde ich sie nicht, aber bei Amazon gibt es jede Menge Ausgaben, sogar eine gebundene dabei (unter 1 €!). Eine Bestellnummer habe ich nicht gefunden.
    Dann, vielleicht für Einsteiger, die CD von Andreas Scholl, in der er auch Bariton singt!


    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich darf auch hier noch einmal das Cover der Box einstellen, die ich schon im Eichhörnchen-Thread (Beitrag 61) eingestellt hatte. CD Nr. 8 ist komplett Oswald von Wolkenstein gewidmet:


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich empfehle hier zunächst die Biographie Oswalds von Dieter Kühn. Bei jpc finde ich sie nicht, aber bei Amazon gibt es jede Menge Ausgaben, sogar eine gebundene dabei (unter 1 €!). Eine Bestellnummer habe ich nicht gefunden.


    So sieht eine aktuell verfügbare Ausgabe aus:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Quasi der Methusalem unter den verfügbaren Wolkenstein-Einspielungen und vermutlich auch die beste.
    Sehr stimmen- und textbetetont, und - soweit ich mich erinnere - in weitgehender Übereinstimmung mit der nicht mehr erhältlichen Aufnahme mit dem Ensemble "Studio der frühen Musik" unter Thomas Binkley für die EMI -Serie "Reflexe", wobei letztere für mich die unübertroffene Referenz bleibt. Ich habe als Kostproben von beiden Produktionen Links zu youtube gesetzt. Wie lange die allerdings aktuell bleiben, dafür kann ich nicht garantieren.

    Ensemble für frühe Musik Augsburg (Christophorus)


    Studio der frühen Musik - Thomas binkley (EMI)


    mit freundlichen grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • In Beitrag Nr 3 hat WilliamBA bereits auf die Sequentia-Box hingewieen, welche seit heute in meinem Besitz ist und folgende CD enthält. Sie enthält folgende Lieder:


    1) Wes mich mein bül
    2) Es seusst dort her
    3) Do fraig amors
    4) Es fuegt sich
    5) Wer ist, die da durchleuchtet
    6) Instrumentalstück
    7) O snöde werlt
    8) durch Barbarei, Arabia
    9 Vil lieber geüsse


    Natürlich fehlen die sonst üblicherweise beigegebenen Texte und ihre Übersetzungen, aber das ist im Zeitalter des Internets bedeutungslos. Man sollte aber UNBEDINGT BEIDE Teste, der originalen und den übsrsetzten mit Aufmerksamkeit durchlesen, nur dann kommt man in den Genuss, es ging ja hier in erster linie um den Transport von Inhalten und nur in letzter um schöne Melodik.....
    Besonders interessant bei Oswald von Wolkenstein sind die autobiographischen Texte...Ein gutes Beispiel ist die bekannte Nummer "Es füegt sich", die man fast auf jeder Wolkenstein-CD vorfindet...

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Alfred weist zu Recht auf die Texte in ihrem Originalgewand und in der Übersetzung hin. Um hier ein wenig weiterzuhelfen, habe iich mal gegoogelt und folgende Homepage gefunden, die durch diesen Link zu erreichen ist:


    http://www.wolkenstein-gesellschaft.com/texte_oswald.php#Kl1


    Von den 134 dort erfassten Liedern habe ich hier mal den Orginaltext des ersten Liedes. Es finden sich auch Hinweise zu weiterführenden Links:


    1. Ain anefangk


    I
    Ain anefangk
    an göttlich forcht die leng und kranker gwissen,
    und der von sünden swanger ist,
    das sich all maister flissen,
    an got, allain mit hohem list,
    noch möchten si das end nicht machen güt.
    Des bin ich kranck
    an meiner sel, zwar ich verklag mein sterben
    und bitt dich, junckfrau Sant Kathrein,
    tü mir genad erwerben
    dort zu Marie kindelein,
    das es mich haben well in seiner hüt.
    Ich danckh dem herren lobesan,
    das er mich also grüsst,
    mit der ich mich versündet han,
    das mich die selber büsst.
    bei dem ain jeder sol versten,
    das lieb an laid die leng nicht mag ergen.


    II
    Ain frauen pild,
    mit der ich han mein zeit so lang vertriben,
    wol dreuzen jar und dennocht mer
    in treuen stet beliben
    zu willen nach irs herzen ger,
    das mir auf erd kain mensch nie liebers ward.
    Perg, holz, gevild
    in manchem land, des ich vil hab erritten,
    und ich der güten nie vergass,
    mein leib hat vil erlitten
    nach ir mit seinklichem hass,
    ir rotter mund hett mir das herz verschart.
    Durch si so han ich vil betracht
    vil lieber hendlin los,
    in freuden si mir manig nacht
    verlech ir ermlin blos.
    mit trauren ich das überwind,
    seid mir die bain und arm beslagen sind.


    III
    Von liebe zwar
    hab wir uns offt dick laides nicht erlassen,
    und ward die lieb nie recht entrant,
    seid das ich lig unmassen
    gevangen ser in irem band,
    nu stet mein leben krenklich auf der wag.
    Mit haut und här,
    so hat mich got swerlich durch si gevellet
    von meiner grossen sünden schein,
    des pin ich übersnellet.
    si geit mir büss und senlich pein,
    das ich mein not nicht halb betichten mag.
    Vor ir lig ich gebunden vast
    mit eisen und mit sail,
    durch manchen grossen überlast
    emphrembt si mir die gail.
    o herr, du kanst wol richten sain,
    die zeit ist hie, das du mich büssest rain.


    IV
    Kain weiser man
    mag sprechen icht, er sei dann unvernünftig,
    das er den weg icht wandern well,
    der im sol werden künftig;
    wann die zeit bringt glück und ungevell,
    und bschaffen ding für war ward nie gewant.
    Des sünders pan,
    die ist so aubenteurlichen verrichtet
    mit mangen hübschen, klügen latz;
    kain maister das voltichtet
    wann got, der jedem sein gesatz
    wäglichen misst mit seiner heilgen hand.
    Er eifert man und freuelein,
    auch alle creatur,
    er wil der liebst gehalden sein
    in seiner höchsten kur.
    wer das versaumpt, des sünd gereifft,
    er hengt im nach, bis in ain latz ergreifft.


    V
    Lieb ist ain wort
    ob allem schatz, wer lieb nutzlich volbringet,
    lieb uberwintet alle sach,
    lieb got den herren twinget,
    das er dem sünder ungemach
    verwennt und geit im aller freuden trost.
    Lieb, süsser hort,
    wie hastu mich unlieplichen geplendet,
    das ich mit lieb dem nie vergalt,
    der seinen tod volendet
    durch mich und mangen sünder kalt;
    des wart ich hie in grosser sorgen rost.
    Hett ich mein lieb mit halbem füg
    got nutzlich nach verzert,
    die ich der frauen zärtlichen trüg,
    die mir ist also hert,
    so für ich wol an alle sünd.
    o wertlich lieb, wie swer sind deine pünt.


    VI
    Erst reut mich ser,
    das ich den hab so frävelich erzürnet,
    der mir so lang gebitten hat,
    und ich mich nie enthürnet
    von meiner grossen missetat;
    des wurden mir fünf eisni lätz berait.
    Nach seiner ger
    so viel ich in die zwen mit baiden füssen,
    in ainen mit dem tengken arm,
    mein daumen müssten büssen,
    ain stahel ring den hals erwarb;
    der wurden fünf, als ichs vor hab gesait.
    Also hiels mich mein frau zu fleiss
    mit manchem herten druck,
    ach husch, der kalten ermlin weiss,
    unlieplich was ir smuck.
    was ich ir klagt meins herzen laid,
    ir parmung was mit klainem trost berait.


    VII
    Mein herz das swindt
    in meinem leib und bricht von grossen sorgen,
    wenn ich bedenck den bittern tod
    den dag, die nacht, den morgen –
    ach we der engestlichen not! –
    und waiss nicht, wo mein arme sel hin fert.
    O Maria kind!
    so ste mir Wolkensteiner bei in nöten,
    da mit ich var in deiner huld;
    hilf allen, die mich tötten,
    das si gebüssen hie ir schuld,
    die si an mir begangen haben hert.
    Ich nim es auf mein sterben swer,
    so swer ichs doch genüg,
    das ich der frauen nie gever
    von ganzem herzen trüg.
    schaid ich also von diser werlt,
    so bitt ich got, das si mein nicht engelt.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    clck197

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Und hier nun die bekannte Nummer "Es fuegt sich..." im Originaltexxt und in der modernern Übersetzung. Oswald von Wolkenstein erzählt hier in monotonem Sprechgesang aus seinem interessanten Leben. Es ist eigentlich wie bei Schubert- Liedern: Viele Texte hättem nicht überdauert, hätte man sie nicht durch Gesang "konserviert" und für die Nachwelt interessant gemacht.



    http://www.pinselpark.de/liter…/oswald/poem/esfuegt.html


    Wieder habe ich 3 Beispiele eingestellt, an Hand derer man einerseits die Bandbreite der Interpretationsmöglichkeiten erkennen kann, andrerseits das originale Werk zumindest duchschimmern sehen kann. Wie man im Beispiel 3 sieht kann man das Stück auch cantabler dartellen, ob allerdings die Interpretation durch einen Countertenor authentisch ist? - Ich hab da so meine Zweifel





    Beste Grüße aus Wien und gute Nacht
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Oswalt von Wolkenstein war eine schillernde Persönlichkeit, streitbar, aufmüpfig gegen die Obrigkeit und eigenwillig bei der WAhl seiner Themen. So verwendet er sehr viel autobiographisches in seinen Liedern, wa du seinen Lebzeiten durchaus unüblich war, speziell im Minnegesang. sodass diese Lieder eigentlich nicht dazugezählt werden dürfen. So wie das unlängst vorgestellte Lied "Es fuegt sich" ist auch das diesmal hier verlinkte Lied autobiographischen Ursprungs. Die inhalte dieser Lieder haben zu Lebzeiten Oswald eigentlich wenig Anklang gefunden, sie waren gegen die "Regeln" Heute sind wir indes dankbar dafür. Allerdings fragt man sich inwieweit hier Realität sich mit dichterischer Freiheit mischt. Hat er die vielen Länder, über die er schreibt wirklich alle bereist und gesehen? Man kann davon ausgehen, dass dies zumindest mehrheitlich der Fall ist. Er war unter anderem Diplomat in Diensten Kaiser Sigismunds, in dessen Auftrag und /oder Gefolge er mehrere Reisen absolvierte. Darüber hinaus sind zahlreiche andere dokumentiert.


    Hier haben wir wiederum eine Beschreibung seiner Reisen, nebst Seitenhiebe auf seine Obrigkeit
    "Durch Barbarei, Arabia"


    Ich habe wiederun ZWEI verschiedene Clips verlinkt, damit man sich ein Bild davon machen kann, wie unterschiedlich die üverlieferten Noten interpretiert werden können...





    mfg aus Wien
    Alfred



    clck 295

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Immer wieder entdecke ich bei meiner Recherche Dinge, die ich noch nicht wusste. Ich werde sie gelegentlich hier einflechten. Das hat vielleicht sogar den Vorteil, daß der interessierte Leser sie wahrnimmt, besser als bei einem ausufernden Einführungsbeitrag, der die Geduld der meisten überbeansprucht. Somit korrigiere ich meinen Satz im Einführungsbeitrag wo von EINEM zeitgenössischen Bild Wolkensteins die Rede ist. Es gibt zumindest VIER. Zum einen, das allseits Bekannte von 1432 aus der Innsbrucker Liederhandschrift B, dann jenes aus der Liederhandschrift A- dann die hier verlinkte Rekonstruktion einer Kopie, das Original ist sehr schlecht erhalten (Bildquelle: WIKIPEDIA)


    Die beiden anderen Portraits, ebenfalls zu Lebzeiten Oswalds entstanden, werde ich im LAufe des Threads gelegentlich vorstellen.
    In wieweit sie eine reale Vorstellung vom Aussehen des Dichters vermitteln überlasse ich der Einschätzung jedes Einzelnen.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Die Vielfalt an Themen ist bei Oswald von Wolkenstein schier unüberschaubar, und eigentlich handelt es sich bei vielen seiner Lieder gar nicht mehr um Minnesang. Hier präsentiere ich Euch ein Trinklied, wie sie im Mittelalter (siehe Carmina Burana: In Taberna) scheinbar weit verbreitet waren. "Her Wiert uns dürstet gar zu sehr" ist als dreistimmiger Canon konzipiert. Diesmal bringe ich DREI Klangbeispiele, welche zeigen sollen, wie unterschiedlich man die Lieder interpretieren kann. Zusätzlich die Verlinkung auf eine Seite mit dem vollständigen Text des Liedes in mittelhochdeutsch (spätmittelhochdeutsch ?) und einer Übersetzung der ersten 4 Strophen in heutiges Hochdeutsch.
    http://www.oswald-von-wolkenstein.de/lied_03.htm


    Achtung, der Clip beginnt ganz leise und gewinnt dann an Lautstärke




    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !