Japanische Dirigenten

  • Kürzlich wurde mir erst so richtig bewusst, wie vielfältig die japanische Klassiklandschaft eigentlich ist. Es gibt wohl weltweit kein Volk, das klassikbegeisterter ist als die Japaner. Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich zahlreiche Fan-Clubs großer Dirigenten der Vergangenheit in Japan gruppiert haben.



    Und doch: Uns Europäern sind im Großen und Ganzen nur sehr wenige japanische Dirigenten wirklich bekannt. Spitzenreiter ist ohne Frage Seiji Ozawa (geb. 1935), dessen Karriere in der 29-jährigen Amtszeit als Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra (1973—2002) und 8-jährigen Periode als Musikdirektor der Wiener Staatsoper (2002—2010) ihren Höhepunkt fand.



    Der gewiss nicht unbekannte Kent Nagano (geb. 1951), obwohl natürlich mit japanischen Wurzeln, darf streng genommen hier nicht genannt werden, ist er doch US-Amerikaner.



    Doch schon bei Namen wie Eiji Oue (geb. 1957), immerhin elf Jahre Chefdirigent der NDR Radiophilharmonie Hannover (1998—2009) und erster asiatischer Dirigent bei den Bayreuther Festspielen ("Tristan", 2005), oder Hiroshi Wakasugi (1935—2009), zwischen 1977 und 1983 Chefdirigent des Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchesters (heute WDR SO), wird man hierzulande oftmals nur Achselzucken als Erwiderung bekommen.




    Takashi Asahina (1908—2001) ist wohl in Mitteleuropa allenfalls Brucknerianern ein Begriff, gilt er doch als einer der besten Interpreten überhaupt. Hidemaro Konoye (1898—1973) und Kazuo Yamada (1912—1991) hatten bereits zu Lebzeiten Legendenstatus inne. In Europa blieben sie indes weitgehend unbeachtet.



    Akeo Watanabe (1919—1990) machte sich insbesondere als Sibelius-Interpret einen Namen und spielte 1962 tatsächlich den ersten kompletten Zyklus in Stereo ein (1981 folgte ein zweiter). Gleichwohl ist auch er hierzulande fast nur Experten ein Begriff.





    Von den derzeit aktiven japanischen Dirigenten ragen insbesondere Ken-Ichiro Kobayashi (geb. 1940), Tadaaki Otaka (geb. 1947), Kazuyoshi Akiyama (geb. 1941) und Taijiro Iimori (geb. 1940) heraus, von der jüngeren Generation besonders Kazuki Yamada (geb. 1979).



    In der Alten-Musik-Szene ist Masaaki Suzuki (geb. 1954) freilich ein Begriff und wurde auch in unserem Forum oft lobend erwähnt.


    Ein allgemeines Problem ist die in Europa oftmals schlechte Verfügbarkeit japanischer Aufnahmen. Japanische Dirigenten, die nicht bei einem auch in Europa präsenten Label vertreten sind, haben denkbar ungünstige Voraussetzungen für einen Bekanntheitsgrad, der über Japans Grenzen hinausgeht.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph II. und danke Dir für die Eröffnung dieses Fadens!


    Ich bin absolut überzeugt davon, dass man aufgrund der Internationalisierung des Musiklebens im Allgemeinen und der Musikerausbildung im Besonderen davon ausgehen kann, dass japanische Dirigenten und japanische Orchester auf dem gleichen Niveau musizieren, wie ihre europäischen oder US-amerikanischen Pendants.


    Ich habe auch den Eindruck (es mag ein positives Vorurteil sein), dass man in Japan sehr viel Wert auf (audiophile) Klangqualität, auf Detailarbeit, Perfektion und Genauigkeit legt. Meiner Auffassung alles Eigenschaften, die dem Hörvergnügen keineswegs abträglich sind.


    Dennoch hege ich gewisse Zweifel, dass es - anders herum betrachtet - wirklich lohnend ist, als Hörer und Sammler klassischer Musik in diesen "exotischen" Kosmos einzusteigen, gibt es doch allein im deutschsprachigen Raum eine so große Anzahl exzellenter und in der europäischen Musiktradition stehender Klangkörper und Dirigenten. "Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?"


    Viele Grüße
    Frank