Richard Strauss: Festliches Präludium — Viel Lärm um nichts


  • Festliches Präludium für großes Orchester und Orgel, op. 61
    Uraufführung: 19. Oktober 1913 zur Eröffnung des Wiener Konzerthauses



    Das Shakespeare'sche "Viel Lärm um nichts" bezieht sich keineswegs auf eine mangelhafte Qualität dieser Schöpfung, sondern um den Wirbel, den ein bereits vor dem Ersten Weltkrieg entstandenes Werk noch im 21. Jahrhundert anrichten kann. Doch von vorne.


    Zur Einweihung des Wiener Konzerthauses im Jahre 1913 komponierte Richard Strauss, damals vermutlich der berühmteste lebende deutsche Tondichter, dieses Werk. Es bot den feierlichen Rahmen für diesen Anlass, mit welchem dem altehrwürdigen Wiener Musikverein ebenbürtige Konkurrenz erwuchs. Freilich, das Festliche Präludium ist ein Kind seiner Zeit. Aus ihm atmet gewissermaßen der Geist des Wilhelminismus zu seiner Hochblüte, kurz vor dem abrupten Niedergang. Gigantomanisch wird man op. 61 durchaus nennen dürfen: Neben einem gewaltigen Orchester von 150 Musikern setzte Strauss eine Orgel höchst effektvoll ein und verwies damit die zur Eröffnung ebenfalls aufgeführten 9. Symphonie von Beethoven durch pompöse Klangmalerei durchaus auf die Ränge.


    Das Werk entstand also zur Eröffnung des bürgerlichen Pedants zum Musikverein in der Musikstadt Wien. Wieso also die ganze Aufregung? Nun, das hat wiederum historische Gründe, die indes deutlich nach der Entstehungszeit liegen. Leider Gottes erklang das besagte Festliche Präludium nämlich ziemlich häufig im Dritten Reich. Nicht nur, dass ein Video existiert, das den Komponisten auch als Dirigenten seines eigenen Werkes in typischer Nazi-Filmästhetik zeigt, auch erklang das Werk zur Feierstunde anlässlich des 54. Geburtstages des "Führers" am 18. April 1943 mit dem Berliner Philharmonischen Orchester unter der Stabführung von Hans Knappertsbusch. Dass letzterer einer der schärfsten Kritiker Hitlers war, interessierte die Aufschreier, um die es im Folgenden gehen wird, natürlich mitnichten.


    Als nämlich Christian Thielemann dieses Werk (zusammen mit weiteren Kompositionen von Richard Strauss) im Mai 2011 bei einem Gastspiel mit den Berliner Philharmonikern aufs Programm setzte, ging ein Raunen durch die deutsche Presselandschaft. Geradezu skandalös sei das Ganze, noch dazu handle es sich um einen "eher unverdaulichen Brocken", der in seiner Mittelmäßigkeit nicht "in ein teures Konzert eines deutschen Spitzenorchesters" gehöre (oper-aktuell.info).


    Noch weiter ging Manuel Brug in der "Welt": Es handle sich um "politisch äußerst anrüchige Kompositionen", "Nazi-Musik", einen "orgelumtoste[n] C-Dur-Lärm", ein "Machwerk". Dann kommen noch (obligatorische) Verweise auf den "einst dem 'Kampfbund für deutsche Kultur' angehörenden Karl Böhm" und auf das "einstige[...] NSDAP-Mitglied Herbert von Karajan", die sie erdreistet hätten, das Werk mit den Berliner Philharmonikern ebenfalls aufgeführt zu haben. Böhm habe das Ganze sogar 1966 eingespielt.


    Nun: Wenn man schon solch schweres Geschütz auffährt, sollte man wenigstens genauer recherchieren: Böhm nahm das Werk bereits im April 1963 für die Deutsche Grammophon auf. Und auch die Behauptung, es habe "Buhs am Ende der Konzerte" gegeben, geht aus den Mitschnitten nicht hervor. Die Verleumdung des Großteils des Publikums, das offenbar sehrwohl Gefallen an dem Werk fand, als "Siegelringträgerfraktion", ist dann freilich der Gipfel der Entgleisung.


    Doch widmen wir uns wieder dem Festlichen Präludium selbst. Entgegen meiner ersten Befürchtung, gibt es durchaus etliche Aufnahmen. Sogar der Jude Eugene Ormandy führte es 1964 mit seinem Philadelphia Orchestra auf.


    Die Referenzaufnahme scheint m. E. die bereits genannte von Karl Böhm zu sein, die von der Überlegenheit der Berliner Philharmoniker profitiert und noch dazu klangtechnisch trotz des hohen Alters überzeugen kann:




    Eine neuere Einspielung gibt es vom Tonhalle-Orchester Zürich unter David Zinman (der übrigens auch jüdische Wurzeln hat):



    Es bleibt dabei: Viel Lärm um nichts.


    Abschließend noch zwei Aufnahmen zum Reinhören. Einmal das bereits erwähnte Video mit Richard Strauss selbst:



    Und hier noch das komplette Werk unter Neeme Järvi mit dem NHK Symphony Orchestra:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hans Knappertsbusch. Dass letzterer einer der schärfsten Kritiker Hitlers war

    Nunmal bitte nicht übertreiben! Die "schärfsten Kritiker Hitlers" durften damals ihren Beruf nicht mehr ausüben (Kna in Wien schon), sondern saßen im KZ, wenn sie nicht längst ermordet worden waren.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hallo Josef,


    sehr aufschlussreich was Du über den geschichtlichen Hintergrund zum Festlichen Präludium schreibst.
    Ich habe dem Stück bisher nicht grosse Bedeutung beigemessen. Da es mir fehlte und auch in der Kempe - Box (EMI) nicht enthalten ist, hatte ich mir mal irgendwann die abgebildete Arte - CD zugelegt:



    ARTE NOVA; 1999, DDD


    Der Feierliche Einzug und das Festliche Präludium für Orgel und Orchester sind allerdings die einzigen "brauchbaren" Stücke auf der CD. (Ist natürlich relativ und gilt für mich.)
    Es spielen die Münchener Symphoniker unter dem schleswig-holsteinischen Organisten und Dirigenten Hayko Siemens. Anständige Digital-Aufnahme !


    Ein Stück, dass man ruhig mal als "Aufputscher" ins Konzertprogramm einfügen kann ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe noch einen Juden gefunden, der es aufgeführt hat:



    Liebe Grüße


    Willi ^^

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Sehr schön, dieser Thread! Man nimmt manchen Themen auch dadurch die angebliche Brisanz, indem man sachlich darüber schreibt. Warum sich ein Berliner Musikkritiker über eine Aufführung des "Festlichen Preludium" durch Thielemann so aufregt, konnte ich aus seinem Bericht, der im Netz in Gänze nachzulesen ist, nicht nachvollziehbar entnehmen. Die Argumente sind dürftig - politisch, nicht künstlerisch. :no: Na gut! So ist das leider oft in Deutschland. Vergangenheit tut weh. Wir kommen da nicht raus.


    Die Strauss-Literatur macht nach meinem Eindruck einen gewissen Bogen um das Stück. Als hafte ihm etwas Peinliches an. Ich finde es höchst eindrucksvoll und höre es gelegentlich gern. Es ist auf seine Weise ein typischer Strauss, weil dieser darin alle Registier seiner Kunst zieht, aus relativ dünnen Einfällen diese orchestrale Pracht zu entfalten. Die Form triumphiert über die Idee. Das halte ich für eine Möglichkeit. Zumal bei Strauss, der im Gesamtwerk bis an sein Ende mit dieser gewaltigen Fülle von Einfällen aufwarten konnte. Bei ihm kommt mir das immer als eine List vor, und er verdiente bekanntlich auch sehr gern Geld. Die Böhm-Einspielung schätze ich auch sehr.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Weiß eigentlich jemand, welches Orchester und wo Richard Strauss in dem kurzen Videoausschnitt dirigiert? Das Entstehungsjahr wäre auch spannend. Ich tippe mal auf den 30er Jahre.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Von Brahms gibt es ja auch so ein "Ding": Triumpflied op. 55 :D


    Musik von der Art: "Es gibt keine Musik ja nicht auf Erden, die unsrer verglichen kann werden" - nur ohne Narrenschelle und mit pompösem, zum Narzismus neigenden Ernst. Wenn man das eben nicht so ganz Ernst nimmt, ist das sehr lehrreich, ein wirklich interessantes Zeitdokument. :D :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Von Brahms gibt es ja auch so ein "Ding": Triumpflied op. 55 :D


    Musik von der Art: "Es gibt keine Musik ja nicht auf Erden, die unsrer verglichen kann werden" - nur ohne Narrenschelle und mit pompösem, zum Narzismus neigenden Ernst. Wenn man das eben nicht so ganz Ernst nimmt, ist das sehr lehrreich, ein wirklich interessantes Zeitdokument. :D :hello:


    Schöne Grüße
    Holger


    Das "Triumphlied" (sic) ist so ein wilhelminisches Machwerk. Außerdem meine ich, dass Brahms auch die Akademische Festouvertüre hätte verbrennen können, wie er das ja mit einigen seiner Werke gemacht hat. Auf der anderen Seite gibt es sicher bei jedem Komponisten solche Werke, die man eher als Machwerke bezeichnen kann. Selbst Bachs Kantaten sind ja nicht alles Meisterwerke.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Auf der anderen Seite gibt es sicher bei jedem Komponisten solche Werke, die man eher als Machwerke bezeichnen kann. Selbst Bachs Kantaten sind ja nicht alles Meisterwerke.


    Wohl wahr, Wellingtons Sieg und die Ouverture solennelle "1812" sind auch nicht gerade die allerbesten Werke ihrer Komponisten.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Weiß eigentlich jemand, welches Orchester und wo Richard Strauss in dem kurzen Videoausschnitt dirigiert? Das Entstehungsjahr wäre auch spannend. Ich tippe mal auf den 30er Jahre.


    Das wüsste ich auch gern. In den Büchern über Strauss, die mir zur Verfügung stehen und die ich konkret bereits mehrfach in diese Richtung befragte, gibt es keinen Hinweis. Das Kapitel der Filmaufnahmen wird immer nur sehr allgemein abgehandelt. Dabei gibt es sehr viele davon. Sie wären einer eigenen Betrachtung und Archivierung wert. Strauss suchte gern diese Form der Öffentlichkeit. Er war ein Medienstar. Was will man erwarten, da es nicht einmal eine Biographie über den Komponisten gibt, die diesen Namen verdient. Auch ich tippe auf die 30er Jahre. Ehr auf die späten als die frühen. Der Saal? Er zeichnet sich ja durch allerhand Besonderheiten aus - die markante dreigeteilte Orgel, die relativ steil ansteigenden Sitzreihen, die nach oben strebende runde Kuppel. Was zu sehen ist, wirkt auf den ersten Blick relativ primitiv, als handele es sich um eine für diesen Zweck aufgebaute Kulisse. Genau angesehen, könnte die Kuppel sogar golden eingefärbt gewesen sein. Es könnte sich um einen Zweckbau handeln, der auch als Kino diente. Dafür spricht einiges im Vergleich mit ähnlichen Bauten aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Orgeln wurde ja mitunter sogar aus der Versenkung nach oben gefahren. Wenn es sich also um ein realen Saal handelt, was ich dann doch annehme, dürfte er im Krieg zerstört worden sein. Wo befand er sich? Berlin, München oder Wien?


    Bleiben wir also dran.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Ja, diese Architektur wirkt sehr zeittypisch (die Architektur des Nationalsozialismus ist ohnehin ein spannendes Feld*). Erinnert beinahe ein wenig an einen Tempel.


    Wikipedia schreibt dazu übrigens mit Verweis auf Dümling/Girth (Hrsg.), Entartete Musik. Zur Düsseldorfer Ausstellung von 1938. Eine kommentierte Rekonstruktion, Düsseldorf 1988, S. 9:


    "Bei einer kulturpolitischen Kundgebung während der Reichsmusiktage in Düsseldorf am 28. Mai 1938 dirigierte Richard Strauss sein bereits 1913 komponiertes Festliches Präludium."


    Könnte es am Ende genau dieser Anlass sein?


    Dann stieß ich noch auf einen Ausschnitt aus der "Deutschen Wochenschau", wo am Anfang ebenfalls der Schluss des Werkes erklingt. Da kurz danach die Neunte von Beethoven unter Knappertsbusch vom 18. April 1943 kommt und er am selben Tag auch das Festliche Präludiun dirigierte, gehe ich davon aus, dass das genau dieser Aufführung entspringt:



    Übrigens: Knappertsbusch dirigierte dieses Werk laut Konzertregister nur zu diesem einzigen Anlass. Auch die Neunte war ihm danach so zuwider, dass er sie in seinem restlichen Leben nur noch ein einziges Mal dirigierte (1950 in Wien).


    * Um etwaigen Spitzfindigkeiten vorzubeugen: Das bedeutet für mich eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wikipedia schreibt dazu übrigens mit Verweis auf Dümling/Girth (Hrsg.), Entartete Musik. Zur Düsseldorfer Ausstellung von 1938. Eine kommentierte Rekonstruktion, Düsseldorf 1988, S. 9:


    "Bei einer kulturpolitischen Kundgebung während der Reichsmusiktage in Düsseldorf am 28. Mai 1938 dirigierte Richard Strauss sein bereits 1913 komponiertes Festliches Präludium."


    Könnte es am Ende genau dieser Anlass sein?

    Dann müßte der Saal wohl die alte Tonhalle gewesen sein (Anmerkung eines geborenen Düsseldorfers ;) ):


    https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Tonhalle


    Schöne Grüße
    Holger

  • Wikipedia schreibt dazu übrigens mit Verweis auf Dümling/Girth (Hrsg.), Entartete Musik. Zur Düsseldorfer Ausstellung von 1938. Eine kommentierte Rekonstruktion, Düsseldorf 1988, S. 9:


    "Bei einer kulturpolitischen Kundgebung während der Reichsmusiktage in Düsseldorf am 28. Mai 1938 dirigierte Richard Strauss sein bereits 1913 komponiertes Festliches Präludium."

    Die Seitenangabe ist jedenfalls falsch. Ich habe den Band - dort findet sich das Zitat nicht. Dokumentiert ist auch das vollständige Konzert- und Veranstaltungsprogramm der Reichsmusiktage von 1938. Da ist aber kein Konzert mit Strauss verzeichnet.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Danke, lieber Holger. Das ist tatsächlich erhellend! Es könnte sogar wirklich die Alte Tonhalle sein, den Photos nach zu urteilen.


    Ich fand noch ein weiteres:



    Richard Strauss dirigiert die Düsseldorfer Symphoniker (Das Städtische Orchester Düsseldorf) anlässlich der "Reichsmusiktage 1938: Festliches Präludium op. 61 und Beethovens "Leonore III" op. 72a.
    Die Aufnahme stammt vom 28.5.1938 aus dem Kaisersaal der alten Tonhalle.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Richard Strauss dirigiert die Düsseldorfer Symphoniker (Das Städtische Orchester Düsseldorf) anlässlich der "Reichsmusiktage 1938: Festliches Präludium op. 61 und Beethovens "Leonore III" op. 72a.
    Die Aufnahme stammt vom 28.5.1938 aus dem Kaisersaal der alten Tonhalle.

    Hoch interessant, lieber Joseph. Am 28.5. ist dieses Konzert damals nicht angekündigt, vielleicht kurzfristig ins Programm aufgenommen worden. Ich werde den Aufsatz dazu nochmals durchlesen, ob da etwas über das Strauss-Konzert steht! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich habe es gefunden, S. 112 im Band (Werner Schwerter: Heerschau und Selektion):


    "Offizieller Höhepunkt der Reichsmusiktage war die Kulturpolitische Kundgebung mit Reichsminister Dr. Goebbels am 28. Mai in der Tonhalle, eingeleitet durch ein von Richard Strauss komponiertes und dirigiertes Festliches Vorspiel."


    Jetzt wird alles klar: Es gab das Programm der Stadt Düsseldorf. Diese Kundgebung war jedoch eine davon unabhängige NSDAP-Veranstaltung "auf höherer Ebene" initiiert von Goebbels. Dazu hat man dann Richard Strauss eingeladen. Das ist natürlich nicht gerade ein Ruhmesblatt für Strauss. Beim Programm der Düsseldorfer taucht z.B. auch ein Walter Gieseking als Mitwirkender auf, aber das ist immer noch ein "normales" Konzertprogramm (Strauss ist dort bezeichnend auch nicht angekündigt). Hier ist es eindeutig eine Propagandaveranstaltung der Partei außerhalb des Konzert-Rahmenprogramms. Und dass Strauss ausgerechnet dort sein Werk dirigert, was ursprünglich für einen ganz anderen Anlaß geschaffen war, gibt auch zu denken. Seine Musik nun als "Festliches Vorspiel" zu einer Goebbels-Rede, zur Verherrlichung der NS-Ideologie. Einfach schrecklich - also nicht nur "Lärm um Nichts"!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat

    Und dass Strauss ausgerechnet dort sein Werk dirigert, was ursprünglich für einen ganz anderen Anlaß geschaffen war, gibt auch zu denken. Seine Musik nun als "Festliches Vorspiel" zu einer Goebbels-Rede, zur Verherrlichung der NS-Ideologie. Einfach schrecklich - also nicht nur "Lärm um Nichts"!


    Man sollte dazu wissen daß Richard Strauß Dr. Goebbels in mehrfacher Hinsicht verpflichtet war. Zum einen ermöglichte er die Uraufführung der "schweigsamen Frau" - trotz Zweig als Librettist. (Die Oper wurde zwar rasch abgesetzt - aber allein daß drei Wiederholungen überhaupt möglich waren zeigt von einer "schützenden Hand" auf höchster Ebene.
    Zum andern war Strauß' Schwiegertochter Jüdin, sein Enkel somit ebenfalls nicht rein arisch. Er konnte also nicht frei walten und schalten. Der Rückzug von Richard Strauß als Präsident der Reichsmusikkammer war eher freiwillig als erzwungen. Immerhin wurde ein Brief von Strauß an Stefan Zweig abgefangen, in dem Strauß spöttisch schrieb, er "mime den Präsidenten der Reichsmusikkammer" Dr Goebbels war klar, daß inter diesen Umständen Strauß die Position nicht weiter bekleiden konnte - allerdings brauchte er den Komponisten Richard Strauß als "Aushängeschild" So kamen er, der Politstratege mit klarem Blick für reale Verhältnisse und Strauß, der seine Berühmtheit und seinen Wohlstand durchaus genoss, überein, daß man den Schein wahren werde; Strauß tritt aus "gesundgeitlichen Gründen" als Präsident der Reichsmusikkammer zurück, bleibt aber als "gefeierter deutscher Komponist" im Lande und unterstützt auf diese Weise Goebbels Propagandsstrategie. Und natürlich wird er seine Werke dirigieren, wenn dies verlangt wird - er gibt ja Tantiemen.........



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der Rückzug von Richard Strauß als Präsident der Reichsmusikkammer war eher freiwillig als erzwungen.

    Das erinnert mich an den Fall Heidegger - auch er trat freiwillig von seinem Rektorat zurück. Ich kenne die Strauss-Geschichte zwar nicht, aber typisch für das Verhalten der "Elite" damals war diese oft groteske Mischung aus Anhängerschaft und Distanz (Hannah Arendt hat das ungemein treffend analysiert) - man war zugleich Nazi und fühlte sich als etwas Besseres, meinte die "wahren" Ziele des NS besser zu kennen als die Nazis selber. Dann konnte man sich eben einerseits von Erscheinungen des NS als "vulgär" distanzieren, andererseits die Ziele des NS voll und ganz mittragen. Heidegger glaubte ja im Ernst, es sei seine Aufgabe, "den Führer zu führen", eine Ambition, die natürlich unbeschreiblich naiv und totaler Größenwahn war. Wenn ich die Rede von Richard Strauss von 1934 zur Eröffnung der ersten Reichsmusikkammer-Tagung lese, dann zitiert er nicht nur Goebbels, sondern bejaht voll und ganz die totalitäre politische Ideologie hinter dieser Institution. Die Mischung aus Überzeugung, illusionären Ambitionen, Opportonismus, Eitelkeit und Ruhmsucht ist wahrscheinlich schwer zu entwirren und gibt den Biographen, die so etwas bewerten, natürlich Spielräume. Wenn Strauss so ein Stück bei diesem Anlaß spielt, dann ist das natürlich ein Politikum und man fragt sich nach dem "Geist", der da eine Verbindung ist. Und wenn man dieses Stück nicht irgendwo, sondern in der ehemaligen Reichshauptstadt Berlin heute wieder aufführt, kommt man natürlich nicht umhin, sich diese Historie zu vergegenwärtigen und irgendwie dazu Stellung zu nehmen, warum man ausgerechnet diesen musikalischen schweren Öl-"Schinken", dem der Komponist selbst damals einen braunen Protz- und Prunk-Rahmen verpaßt und im Nazi-Wohnzimmer aufgehängt hat, denn unbedingt aufführen möchte.


    Schöne Sonntagsgrüße
    Holger

  • Warum "Strauß", Alfred? Sicher wird sich jetzt die eine oder andere Ausnahme finden lassen, wo er "Strauß" geschrieben wurde, aber in der Regel wurde er "Strauss" geschrieben und schrieb sich auch selbst so. In diesem Falle ist die Schreibweise deutlich eindeutiger als in der Strauß-Familie, wo die telweise von Familienmitglied zu Familienmitglied wechselte und teilweise auch nicht 100%ig sicher zu entschlüsseln ist (ein langes scharfes s gefolgt von einem kurzen runden s sieht eben viel eher aus wie ein ß als wie Doppel-s, auch wenn es das ß damals noch nicht gab).

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die von Richard Strauss persönlich dirigierte Aufnahme von 1938 aus Düsseldorf ist mittlerweile bei YT aufgetaucht:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Als Strauss-Liebhaber muß ich gestehen, das "festliche Präludium" bisher nicht zu kennen. Ich schäme mich in Grund und Boden und kann als Entschuldigung nur anführen, daß dieses Stück doch relativ selten im Konzertsaal und auch im TV oder Radio (was ich kaum höre) gespielt wird. Sicher ist der hohe Aufwand für ein relativ kurzes Stück auch einer der Gründe. Politische Aspekte für dieses vor dem 1. Weltkrieg entstandene Stück sind für mich nicht ausschlaggebend. Durch diesen Thread aufmerksam geworden, habe ich mir gestern diese Aufnahme angehört:



    Schon die Eröffnung mit der voll klingenden Orgel schärfte meine Aufmerksamkeit. Und der komplette Rest ist das, was man als beeindruckendes Erlebnis bezeichnen könnte. Ich mag es gigantisch, und ich mag zarte Passagen. Ich mag es melodiös, und habe auch gegen dissonante Passagen nichts. All das kann man bei Strauss finden, auch in diesem "Vorspiel". Der phantastische Orchesterklang läßt jederzeit den Komponisten erkennen, es ist nie langweilig. Das Orchester (BBC???) ist in glänzender Verfassung, dem Dirigenten ist die Freude am Musizieren anzumerken.


    Für mich ein Gewinn! Übrigens habe ich anschließend den Taillefer mit Cebotari, Hotter und Walther Ludwig (den ich anfang der 60-er live mit einem Arienabend mit Orchester in Gera erleben durfte) und verdammt viel Chor konsumiert, fast noch beeindruckender für den, der es gelegentlich gigantisch mag.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.