Franz Schubert: Streichquartett D94 in D-dur

  • An sich ist dieses Schubert Streichquartett D 94 bereits im Thread über die frühen Streichquartette Franz Schuberts kurz behandelt worden.
    Es gilt im allgemeinen als Jugendwerk ohne größere Bedeutung. Warum widme ich diesem Streichquartett nun einen eigenen Thread ? Zum einen liegt das daran, daß es in meiner Welt kein "unbedeutendes" oder "unausgereiftes" Schubert-Streichquartett gibt, zum anderen daran, daß ich das werk heute morgens - ohne auf Feinheiten - welcher Art auf immer - zu achten, auf mich einwirken liess. Und plötzlich war ich hingerissen, schon vom ersten Satz, den ich mehrmals vergleichend gehört habe, und noch hören werde. Wir können es uns in einem Thread, der nur ein einzelnes Streichquartett behandelt, erlauben, einzelne Sätze in verschiedenen Interpretationen miteinander zu vergleichen und dann unser Schlüsse - seien sie richtig oder falsch daraus zu ziehen und hier niederzuschreiben.
    Vielleicht sollte ich bei dieser Gelegenheit festhalten, daß ich meine subjektiven Eindrücke aus der Gesamtwirkung, die das Stück in einer gewissen Interpretation macht, ziehe und mich musiktheoretische Betrachtungen nicht interessieren, also ob ein Werk ein kontapunktisches Meisterwerk ist, das von allen Fachleuten bewundert wird, aber dessen Wirkung auf die Mehrheit der Musikhörer nicht in Relation zu dessen kompositorischen Aufwand steht, daß ich persönlich auf einen hohen Wiedererkennungswert und eingängige Themen an sich setze.
    Beginnen wir mit dem Quartett D 94, welches ursprünglich auf 1814 datiert wurde, man heute aber mehrheitlich die Auffassung vertritt, das Jahr 1811 oder 1812 sei eher zutreffend. Gerne als eher einfaches Jugendwerk abgetan, hat es mich dennoch begeistert.
    Im ersten Satz stellt sich das Thema fast schüchtern vor, gewinnt dann allmählich an Selbstbewusstsein und an Tempo,
    wird dann von einem kurzen Zwischenspiel abgelöst, und tritt dann erneut zögerlich zurückhaltend auf, gewinnt an Boden und wird erneut selbstsicherer um allmählich ein erstes mal -vorsichtig noch - aufzutrumpfen. Danach verschwindet es kurzfistig um . Beharrlichkeit ist eine Tugend - erneut wiederzukehren, teilweise ziemlich verfremdet. Im letzten Drittel gerät für kurze Zeit alles ausser Rand und Band. Als das Thema alles zu beherrschen scheint hält es plötzich inne- und erscheint zum Ausklang des Satzes überraschend ein letzte Mal in seiner usprünglichen zarten Form......


    die Wirkung ist bei den einzelnen Interpretationen unterschiedlich - ich habe, während ich das hier schrieb, die Naxos Aufnahme mit dem ungarischen Kodaly Quartett im Hintergrund kaufen gehabt, die als eher klassisch ausgewogen, ohne Extreme zu bewerten sein wird.........
    Je nach Standpunkt wir man das begrüßen oder die Harmlosigkeit des Werkes bestätigt sehen....
    Den schönen Klang des Kodaly Quartett wird wohl kaum jemand in Frage stellen.........


    Mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auf CD 3 dieser Gesamtaufnahme der Schubert Streichquartette findet sich die hier zur Diskussion gestellte Nr 94 - vorerst verglichen der erste Satz. Aus meiner Sicht eine der schönsten existierenden Aufnahmen, welche sowohl die unterschwellige Melancholie als auch die motorisch bewegten Teile wunderbar ausbalanciert präsentiert. Die Dynamik ist überzeugend, aber nicht überzogen, eher fließend als sprunghaft. Insgesamt ist die Aufnahme sehr transparent - in meinen Augen auch tontechnisch ein Idealfall. Ich empfinde diesen ersten Satz als wunderbar, der Schubertforscher Walther Vetter hat ihn vor ca 80 Jahren mal als "neuartig schwebend" beschrieben, eine Beschreibung die auch ich im Hinterkopf hatte, aber nicht den richtigen Ausdruck dafür fand - zudem fehlte das das "neuartig" in meiner Beurteilung.
    Viele andere Forscher ließen an diesem Satz (und teilweise gesamten Quartett) kein gutes Haar - da sind Bezeichungen darunter wie "ungeschickt" und "verworren" - Das kann ich in keiner Weise nachvollziehen.

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die nächste - hier abgebildete Aufnahme mit dem Diogenes Quartett war eigentlich der Anlass für diesen Thread. Sie hat mir gezeigt, daß dieses Streichquartett ein vile größeres Potential besitzt, als ihm allgemein zugestanden wird.Wie bei den anderen kurzen Texten auch beziehe ich mich vorerst lediglich auf den ersten Satz, im Laufe der mächsten Wochen bis Monate sollte das dann erweitert werden.
    Auffallend an dieser Aufnahme sind für mich die großen Unterschiede in den vermittelten Stimmungen.Der Beginn etwa klingt für mich geheimnisvoll mystisch - nicht etwa melancholisch, wie bei manch anderer Aufnahme. Der Stimmungsumschwung von geheimnisvoll.verhalten auf tänzerisch-motorisch kommt sehr gut heraus, an den extremen Stellen geradezu fordernd und bestimmt. Der Klang der Instrumente ist hervorragend eingefangen, man hört den harzigen Ton. Sehr erdnah, straff und ausgeprägt dynamisch, was - und das ist IMO das Besondere an dieser Aufnahme, niemals auf Kosten des "schönen Klanges" geht.........

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Guten Morgen,


    Alfred hat mich wieder einmal neugierig gemacht - und da eine GA mir noch fehlte habe ich mir die Melos Box bestellt - und die Diogenes CD ebenso. Ich freue mich schon sehr.


    Gruss


    Kalli

  • Die nächste Aufnahme in meiner Sammlung ist jene des Leipziger Streichquartetts, ausgezeichnet mit diversen Schallplattenpreisen, darunter "5Diapson"
    Die Interpretation des ersten Satzes ist sehr ausgewogen, wird an den Stellen, wo es drauf ankommt auch energisch und drängend. Was meiner Meinung nach indes fehlt, ist das geheimnisvolle Raunen, das auf der Aufnahme mit dem Diogenes Quartett so faszinierend (für mich) ist. Das beruht vermutlich darauf, daß der Baßbereich des Quartetts weniger stark übertragen wird als bei den Münchner Kollegen. Es steht auch keineswegs fest daß dieser geheimnisvoll schwebende Ton, den man stellenweise hört, und der mich irgendwie an das Raunen einer Drehleier erinnert einein wichtigen Bestandteil der Interpretation auszumachen hat, er ist ja auf allen Einspielungen vorhanden, bei der Aufnahme des Diogenes Quartett jedoch irgendwie beeindruckender (?)


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ich muss zu meiner Schande gestehen, die frühen Schubert Quartette so gut wie nicht zu kennen :untertauch: . Das galt bis gestern auch für D94. Inzwischen habe ich das Werk zweimal gehört und kann Alfred nur beipflichten, dass es sich hier keinesfalls um ein unbedeutendes Frühwerk handelt. Das Quartett gefällt mir ausgesprochen gut, lediglich der dritte Satz ist vielleicht ein wenig "konventionell" geraten. Ich habe das Werk in der Aufnahme des Melos Quartetts gehört und werde in naher Zukunft die Aufnahme mit den Leipzigern nachschieben.