Classicophils Schatzkiste - herausragende Klassikaufnahmen

  • Hallo liebe Taminos,


    ich möchte gern einmal einen Faden aus der Taufe heben, getreu meinem Versprechen:



    Werde mich demnächst um Beispiele bemühen.


    Dazu möchte ich euch die Perlen (wenn nicht gar: Diamanten) meiner Musiksammlung vorstellen... ausgesuchte Klassikstücke in ausgesucht bemerkenswerten Aufnahmen. Gern darf natürlich auch über Stücke und Aufnahmen diskutiert werden.


    Ich denke, diese Hörerlebnisse gehören zu dem besten, was Menschen je an klassischer Musik schufen.


    Ich beginne einmal mit dem folgenden:



    Viele Grüße, und viel Spaß und Freude beim Hören ;)
    Chris

  • Holla, Classicophil! Du machst mich neugierig und weckst eine Menge Erwartung in mir.


    "Einen Faden aus der Taufe zu heben", das ist, rein sprachlich betrachtet, allein schon ein geradezu kühnes Unterfangen, von geradezu lyrisch exzeptioneller Qualität. Und das auch noch unter der Vorgabe, mit Beispielen zu belegen, inhaltlich zu konkretisieren und musikästhetisch begreiflich werden zu lassen, was musikalische Schönheit ausmacht, .... ich bin gespannt.


    Das, was Du da aber gerade als Beleg bringst (Mendelssohns Violinkonzert), das ist mir, mit Verlaub, ein bischen zu billig, - weil nicht hinreichend. Melodieseligkeit, eine Harmonik, die sich modulatorisch im engen Raum des Quintenzirkels bewegt, jeder chromatischen Eintrübung aus dem Weg geht, und ein Orchestersatz, der Brüche wie der Teufel das Weihwasser meidet, - all das mutet zwar klanglich zwar überaus schön an, weil es einschmeichelnd ist, sich geradezu einschleicht und alles andere will, als den Hörer verstören.


    Aber mit Verlaub: Reicht das? Ist das für Dich der Inbegriff von musikalischer Schönheit? Erschöpft sie sich für Dich darin? Oder hast Du uns noch andere Beispiele dafür zu bieten, was Du unter musikalischer Schönheit verstehst?
    Gustav Mahler zum Beispiel sah ja die Aufgabe von Musik darin, das Schöne zu bewirken, indem das Hässliche gedacht werden kann. Klangliche Banalität, musikalische Umgangssprachlichkeit, Hässlichkeit oder gar Atonalität, - kann dergleichen für Dich unter den Begriff "musikalische Schönheit" subsumiert werden?


    Wie gesagt, - ich bin gespannt auf die Beispiele, die Du bringen wirst, und den Kommentar, den Du dazu gibst.

  • Der Quintenzirkel enthält doch alle Tonarten; er ist insofern kein "enger Raum". Wenn man sich nicht aus der Tonalität überhaupt hinausbegibt oder Kirchentonarten verwendet, kann man modulieren wie ein Wilder, bleibt alles "im Quintenzirkel", insofern ist das jedenfalls kein Beleg für fade Konventionalität.



    Allerdings gehört ein Thread mit einer persönlichen Auswahl "herausragender Aufnahmen", egal ob konventionell oder originell, eigentlich nicht in "Allgemeine Klassikthemen". Andererseits soll im "Unverzichtbare"-Subforum keine Diskussion stattfinden. Muss noch mal überlegen, wie man das handhabt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Danke für den Hinweis, Johannes Roehl. Ich habe mich unpräzise ausgedrückt. Es sollte heißen: "die sich modulatorisch in einem sehr eng begrenzten Raum des Quintenzirkels bewegt".
    Und Unheil wollte ich auch nicht anrichten, - im Sinne des Auslösens einer hier unangebrachten Diskussion.
    Tut mir leid! Bin schon wieder weg.

  • Nun möchte ich dazu doch bemerken, dass der Gründer dieses Threads, Classicophil, gestattet hat, "über die Stücke und Aufnahmen" zu diskutieren. Insofern sehe ich nichts Verwerfliches darin, dass Helmut sich hier dazu geäußert hat. Dass sein persönliche Ansichten über Mendelssohn und hier speziell über sein Violinkonzert andere sein mögen als Classicophils oder auch meine, steht auf einem anderen Blatt.
    Ich persönlich liebe dieses Konzert sehr, weil ich es schon sehr oft im Konzert gehört habe, u. a. von Igor Oistrach, Julia Fischer und Hilary Hahn, letztere unter dem hier auch gehörten Paavo Järvi, allerdings nicht mit seinem damaligen Frankfurter Orchester wie hier in dieser Aufnahme, sondern auf dem Schleswig Holstein Musikfestival in Kiel mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.
    Außerdem liebe ich Mendelssohn, weil ich schon Einiges von ihm gesungen habe, unter anderem einige Sätze aus dem Elias, dann "Hör mein Bitten", "Warum toben die Heiden?", "Richte mich Gott", den Psalm 42 "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser" und die "Lobgesang-Symphonie" op. 52.
    Die Frage nach der Schönheit, die Helmut hier stellt, und ob dem lieben Classicophil hier der Mendelssohn genüge, das liegt doch "im Auge des Betrachters" (oder Hörers). Ich habe vorhin noch die Sechste Mahler gehört und gesehen (unter Chailly). Sie ist Teil der vierten DVD- bzw. Blu Ray-Gesamtaufnahme die ich zur Zeit erwerbe, nach Bernstein, Abbado und Järvi. Außerdem habe ich mehr als ein Dutzend Gesamtaufnahmen mit CD's.
    Die Symphonien und Lieder Mahlers sind voll von Schönheit, aber eben auch die Symphonien und Vokalwerke Mendelssohns. Der eine ist Vollblutromantiker, und der andere verbindet die Spätromantik mit der Moderne. Es gibt Schlimmeres, als Mendelssohn zu mögen.


    Also weiter so, lieber Classicophil. Ich freue mich schon auf die nächste Perle, die du am magischen Faden aus deiner Schatzkiste ziehst.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Dass sein persönliche Ansichten über Mendeslssohn und hier speziell über sein Violinkonzert andere sein möggen als Classicophils oder auch meine, steht auf einem anderen Blatt.
    Ich persönlich liebe dieses Konzert sehr,


    Ich wundere mich, lieber Willi, einmal mehr darüber, dass auf Mendelssohn immer noch der Schatten von Wagners unsäglicher Schrift über das Judentum in der Musik liegt und Klischees von der schöntönenden Oberflächlichkeit und des "Ungenialen", der konventionellen Einfallslosigkeit, bemüht werden. Dazu hatte ich ein Schlüsselerlebnis in meiner Villigster Zeit. Im Rahmen der Sommerakademie stellte dort eine Musikwissenschaftlerin die Rezeption von Mendelssohns Komposition "Erste Walpurgisnacht" in der deutschen Musikwissenschaft vor. Erschreckend, wie da selbst von seriösen Adorno-Schülern diese Klischees aus Wagners Schrift über das Judentum in der Musik wie selbstverständlich bemüht werden.


    Mein Statement zum Violinkonzert: Das ist ein funklendes Juwel der Gattung mit seiner ehrlichen, wirklich berührenden Empfindsamkeit und musikalischen Unverwechselbarkeit. Daran irgendwie herumzumäkeln, empfinde ich als Beleidigung meiner Liebe zur Musik! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Meine Moderationsbemerkung bezog sich nicht auf Helmuts Antwort, sondern stellte die Sinnhaftigkeit eines solchen Threads überhaupt in Frage.


    Ich möchte das ungern abwürgen, aber was genau verspricht man sich davon? Wir haben schon threads zu z.B. Mendelssohns Violinkonzert, in denen unterschiedliche Aspekte des Werks und seiner Einspielungen diskutiert werden können, und selbst wenn Helmuts Anmerkung als kritisch gegenüber diesem Stück gemeint gewesen sein sollte, dürfte es insgesamt eher schwer fallen, ernsthaften Widerspruch zu der Position zu erhalten, dass es sich hier um ein großartiges und zu Recht populäres Stück handelt.


    So abgesehen von einem Einblick in Classicophils Lieblingsstücke ist mir noch nicht so ganz klar, was der Thread bewerkstelligen könnte.


    Um eine Phrase von ganz oben aufzugreifen: Manche Musik ist "schöner als andere". Also Mendelssohns e-moll-Konzert wäre z.B. "schöner" als Tschaikowskys Violinkonzert? Oder als Vivaldis "Frühling"? Oder wie genau bringt uns eine solche Nominierung dabei weiter, dass manche Musik schöner als andere ist?
    Ist das ein sinnvolles Unterfangen?

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  • Zitat

    Nun möchte ich dazu doch bemerken, dass der Gründer dieses Threads, Classicophil, gestattet hat, "über die Stücke und Aufnahmen" zu diskutieren

    So sehe ich das auch.



    Zitat

    So abgesehen von einem Einblick in Classicophils Lieblingsstücke ist mir noch nicht so ganz klar, was der Thread bewerkstelligen könnte.

    Die Anregung geben zu mehreren ähnlich gelagerten Thread - und somit neue Schwerpunkte im Forum. Selbstverständlich sollten die rein SACHLICHEN Threads weitergeführt werden. Zu beginn des Forums bestand letztlich die Gefahr, dass wir 10 Threads zu EINEM Thema haben, mit jeweils 3 oder 4 Beiträgen. Diese Gefahr sehe ich heute nicht mehr.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • So abgesehen von einem Einblick in Classicophils Lieblingsstücke ist mir noch nicht so ganz klar, was der Thread bewerkstelligen könnte.


    Hallo Johannes und classicophil,
    macht es doch gerade neuen Mitgliedern nicht so schwer mit solchen Argumenten. Sicher kann und wird der Thread interessant werden !
    Es wird sicher mit Interesse zu lesen sein, welche Werke und Aufnahmen Classicophil als seine Schatzkiste bezeichent und welche Widersprüche sich ergeben könnten.


    Zum Mendelssohn _ VC:
    Ich habe auch die Hilary Hahn - Aufnahme auf CD - zumindest die mit dem Oslo PO / Hugh Wolff (SONY). Hilary Hahn ist technisch perfekt und ihre romantische Sichtweise mag eindeutig überzeugend sein. Spielzeiten: 12:01 - 8:11 - 5:56


    Sicher habe ich eine andere Vorstellung und Hörgewohnheit für das Mendelssohn - VC als Du, Classicophil.
    Eine vollkommen andere Int, die zudem in den ersten beiden Sätzen deutlich zügiger und besonders im 2.Satz weniger romantisch aufgefasst ist, nenne ich meinen absoluten Favorit
    - die mit Zino Francescatti / Cleveland Orchestra / George Szell (CBS, 1961). Spielzeiten: 11:19 - 6:54 - 6:02
    Mit dieser Aufnahme ist das Mendelssohn - VC in meiner Gunst noch einmal deutlich gestiegen, weil Beide jeden Anflug von überromantisierendem Kitsch vermeiden.



    SONY, 1961 (Mendels.), 1965 /Tschaik.), ADD


    Mich würde von Dir (falls bekannt) und natürlich auch von allen Anderen lesen, was ihr von diesen unterschiedlichen Sichtweisen haltet und ob die für Euch angemessen sind. Ich habe jedenfalls schon andere Meinungen gelesen ... 8-) sei es drum.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Mich würde von Dir (falls bekannt) und natürlich auch von allen Anderen lesen, was ihr von diesen unterschiedlichen Sichtweisen haltet und ob die für Euch angemessen sind. Ich habe jedenfalls schon andere Meinungen gelesen ... sei es drum.


    Ich denke, wenn wir jetzt über unterschiedliche Aufnahmen diskutieren wollen, sollten wir es in dem schon existierenden thread tun. Ich vermute mal, das unser Neuling das "Unverzichtbare Aufnahmen" Subforum noch gar nicht entdeckt hat, vielleicht passt sein thread dort tatsächlich besser hin.
    Davon mal abgesehen, schätze ich sowohl die Hilary Hahn Aufnahme wie auch die von Zino Francescatti, müsste aber beide mal wieder hervorholen und vergleichen, da der letzte Hördurchgang bei beiden schon Jahre zurück liegt.

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  • Ich denke, ich sollte mich doch noch einmal hier zu Wort melden, - es wird aber garantiert das letzte Mal sein. Ich tue es, weil ich mich gewundert habe über das, was mir in einigen Beiträgen hinsichtlich meines Urteils über Mendelssohns Violinkonzert unterstellt wurde. Auf den Vorwurf, ich reproduzierte das alte - historisch in antisemitischem Kontext stehende - Klischee von der schön-tönenden Oberflächlichkeit der Musik Mendelssohns, gehe ich nicht ein. Man sollte nicht mit Abwehr auf jede Dummheit reagieren, die einem angetan wurde. Wie ich über Mendelssohns Musik denke, vor allem seine Lieder, kann man im entsprechenden Thread nachlesen.


    Aber bei Willi lese ich: " Dass sein persönliche Ansichten über Mendelssohn und hier speziell über sein Violinkonzert andere sein mögen als Classicophils oder auch meine, steht auf einem anderen Blatt."
    Wenn Du genau liest, lieber Willi, was ich geschrieben habe, dann wirst Du erkennen, dass ich diese Musik in hohem Maße schön finde. Ich bin mit Dir völlig darin eins, dass dies große, höchst bedeutende und liebenswerte Musik für die Violine ist, - eines der großen Werke der Violinliteratur. Das Finale ist vielleicht das größte Stück Musik Mendelssohns überhaupt. Das Große daran ist - aus meiner Sicht - dass die technische Brillanz des Violinsatzes in gar keiner Weise als solche in den Vordergrund tritt, weil sie in vollkommen harmonischer Weise in den Orchestersatz integriert ist. In dieser Musik ist nicht nur Schönheit, sie verströmt auch in ungewöhnlich hohem Maß den Geist des Edlen.


    Nein, mein Beitrag wollte auf etwas anderes hinaus: Er war provokativ angelegt. Ich war der Meinung , dass Classicophil es sich zu einfach macht - deshalb das Wort "billig" - , wenn er, um musikalische Schönheit an Beispielen aufzuzeigen, ausgerechnet als erstes Werk eines vorlegt, dessen musikalische Schönheit unbestreitbar ist, aber eine ist, die sich aus den gleichsam "klassischen" Bauelementen klanglicher Schönheit generiert (ich hatte auf einige dieser "Bauelemente" hingewiesen). Aus diesem Grund brachte ich Mahler ins Spiel. Bei ihm gibt es eine musikalische Schönheit, die man mit dem Begriff des "Traurig-Schönen" versehen hat und der auch das klanglich Hässliche immanent ist. Interessiert hätte mich, und darauf wollte ich mit meinem Beitrag hinaus, ob Classicophil, der ja anhand von Beispielen zeigen will, was er unter musikalischer Schönheit versteht, auch eine solche Musik in eben diese Beispiele einbeziehen würde.
    Aber das war nicht sehr klug von mir. Der Thread fängt ja gerade erst an, und ich sollte mich in Geduld üben und warten, was da noch kommt. Gespannt bin ich jedenfalls tatsächlich.

  • Mich würde von Dir (falls bekannt) und natürlich auch von allen Anderen lesen, was ihr von diesen unterschiedlichen Sichtweisen haltet und ob die für Euch angemessen sind. Ich habe jedenfalls schon andere Meinungen gelesen ... sei es drum.


    Auf die anderen Meinungen würde ich nix geben. Ich habe gerade beide Aufnahmen hintereinander gehört und würde keine missen wollen. Die Francescatti geht m.E. mehr in die klassische Richtung (Beethoven) was auch an Szell liegen mag, die mit Hilary Hahn mehr in die romantische. Was Hilary hier abruft, ist absolut sensationelles Geigenspiel, sie war bei der Aufnahme 23. Und auch Francescatti kann mit 60 noch total überzeugen. Er steht Heifetz kaum nach. Spannend wäre es, wenn wir von ihm eine 30 Jahre frühere Aufnahme hätten, aber die wäre natürlich klanglich unbefriedigend. Beide Aufnahmen gehören zum eisernen Bestand zumindest meiner Sammlung.

  • Hallo zusammen,


    danke für eure vielen Antworten... soviel Resonanz hatte ich gar nicht erwartet, und auf alle Beiträge kann ich wohl nicht im Detail eingehen, versuche aber trotzdem mal, einige Antworten zu geben.


    Ich merke selbst, dieser Faden ist in mancherlei Hinsicht vielleicht etwas seltsam angelegt, aber wenn Alfred soweit damit einverstanden ist...


    Zunächst mal: freut es mich, daß diese Aufnahme bzw. dieses Werk auch für viele von euch (und nicht nur für mich selbst) zu den liebgewonnenen und schönen Werken gehört! Ich dachte immer, ich bin mit meiner Ansicht da so ziemlich allein :rolleyes:;)


    (...) Aber mit Verlaub: Reicht das? Ist das für Dich der Inbegriff von musikalischer Schönheit? Erschöpft sie sich für Dich darin? Oder hast Du uns noch andere Beispiele dafür zu bieten, was Du unter musikalischer Schönheit verstehst?
    Gustav Mahler zum Beispiel sah ja die Aufgabe von Musik darin, das Schöne zu bewirken, indem das Hässliche gedacht werden kann. Klangliche Banalität, musikalische Umgangssprachlichkeit, Hässlichkeit oder gar Atonalität, - kann dergleichen für Dich unter den Begriff "musikalische Schönheit" subsumiert werden?


    Häßlichkeit ist für mich der Gegensatz zur Schönheit. Genaugenommen sind beide für mich sogar Feinde. Das verhält sich für meine Begriffe genauso, wie mit "Kunst" und "Kitsch". Antipoden, Gegensätze...
    Insofern bin ich sehr vorsichtig, der Häßlichkeit in Kunst oder Musik irgendetwas abgewinnen zu wollen. Stoße ich (heute) auf etwas nach meinen Begriffen häßliches, lasse ich es links liegen. Atonalität oder deren Vorläufer sind für mich jedoch nicht per se häßlich.


    Zur Aufnahme selbst: ich finde auch, Hahn zeigt Violinenspiel allerhöchster Virtuosität. Klangfarben, gestalterische Mittel, auch natürlich technische Präzision... das gehört ins alleroberste Regal. Jarvi findet ein ausgezeichnet passendes Tempo, Gestaltung, und Puls... und das Orchester läßt ebenfalls nichts an klanglicher oder sonstiger Qualität zu wünschen übrig. Mit der hohen bzw. ausreichenden Aufnahmequalität kommt all das auch ohne große Einschränkungen beim Höhrer an...


    Es ist generell immer schwierig, mich von anderen Aufnahmen zu überzeugen... diejenigen, die ich hier vorstellen möchte, haben bereits einen langen und strengen Auswahlprozeß hinter sich. Und ich habe auch nur sehr selten mehrere Aufnahmen eines Werkes in meiner Sammlung. Entweder eine Aufnahme schießt den sprichwörtlichen Vogel bei mir ab - oder das Werk findet sich eben nicht in meiner Sammlung, in Form einer Aufnahme. Und auf manche Aufnahmen mancher Werke warte ich bis heute...


    Im Falle von Zino Francescatti / Cleveland Orchestra / George Szell meine ich deutlich: dieses Konzert verliert, wenn man es straffer, technischer, rationaler, kopforientierter durchzieht... verliert an Wirkung, Intensität, Harmonie, letztlich Schönheit. Für mich...


    So weit, so gut.


    Vielleicht dann aber als nächstes: Kontrastprogramm...



    Auch diese Aufnahme, eine meiner Lieblinge... musikalisch-kompositorisch vielleicht etwas weniger gradlinig, aber nichtsdestotrotz ;)


    Vele Grüße
    Chris

  • Lieber Chris
    das ist ja ein mächtiger Sprung von Mendelssohn's Violinkonzert zu Schönbergs spätromantischem "Schinken". Mein abschliessendes Urteil über dieses Werk steht noch aus. Ich habe es immer mal wieder gehört, mal hat es mir mehr, mal weniger gefallen. Die Chailly-Aufnahme kenne ich nicht, ich habe die von Kubelik, Boulez, Abbado und Gielen. Die Abbado gilt ja so als Referenz. Was kannst Du über die Chailly-Aufnahme berichten?


    P.S. Wie ich gerade entdeckt habe, gibt es bereits einen sehr gehaltvollen thread zu den Gurreliedern. Das alles zu lesen, habe ich gerade nicht die Zeit, aber vielleicht interessiert es Dich.

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  • Auf den Vorwurf, ich reproduzierte das alte - historisch in antisemitischem Kontext stehende - Klischee von der schön-tönenden Oberflächlichkeit der Musik Mendelssohns, gehe ich nicht ein. Man sollte nicht mit Abwehr auf jede Dummheit reagieren, die einem angetan wurde.

    Dummheit?


    Dazu s.u.!



    Dazu hatte ich ein Schlüsselerlebnis in meiner Villigster Zeit. Im Rahmen der Sommerakademie stellte dort eine Musikwissenschaftlerin die Rezeption von Mendelssohns Komposition "Erste Walpurgisnacht" in der deutschen Musikwissenschaft vor. Erschreckend, wie da selbst von seriösen Adorno-Schülern diese Klischees aus Wagners Schrift über das Judentum in der Musik wie selbstverständlich bemüht werden.

    Ein wirkungsgeschichtlicher Zusammenhang muß überhaupt nicht bewußt sein und ist es in diesem Falle auch nicht. Natürlich würden sich alle diese Autoren von Wagners Schrift distanzieren, was daran aber nichts ändert.



    Nein, mein Beitrag wollte auf etwas anderes hinaus: Er war provokativ angelegt. Ich war der Meinung , dass Classicophil es sich zu einfach macht - deshalb das Wort "billig" - , wenn er, um musikalische Schönheit an Beispielen aufzuzeigen, ausgerechnet als erstes Werk eines vorlegt, dessen musikalische Schönheit unbestreitbar ist, aber eine ist, die sich aus den gleichsam "klassischen" Bauelementen klanglicher Schönheit generiert (ich hatte auf einige dieser "Bauelemente" hingewiesen).

    Das ist natürlich akzeptabel und verständlich!



    Aus diesem Grund brachte ich Mahler ins Spiel. Bei ihm gibt es eine musikalische Schönheit, die man mit dem Begriff des "Traurig-Schönen" versehen hat und der auch das klanglich Hässliche immanent ist.

    Dem Traurig-Schönen bei Mahler soll das Häßliche immanent sein? Das Hässliche ist nun mal der konträre Gegensatz des Schönen - und gehört nach traditionellem Verständnis deshalb nicht zur Ästhetik des Schönen, sondern zur Ästhetik des Erhabenen.



    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo Holger,


    Ein wirkungsgeschichtlicher Zusammenhang muß überhaupt nicht bewußt sein und ist es in diesem Falle auch nicht. Natürlich würden sich alle diese Autoren von Wagners Schrift distanzieren, was daran aber nichts ändert.

    solche Dinge sind übrigens mit ein Grund, warum ich nie besonders viel darüber wissen möchte, was berühmte Leute über Musikstücke sagen oder sagten. Ich will mich Musikwerken immer weitgehend unbelastet und vorurteilsfrei nähern können. Sie sollen auf mich hauptsächlich durch sich selbst, und nicht beeinflusst durch Neben- oder Randinformationen, wirken.


    Viele Grüße
    Chris

  • solche Dinge sind übrigens mit ein Grund, warum ich nie besonders viel darüber wissen möchte, was berühmte Leute über Musikstücke sagen oder sagten. Ich will mich Musikwerken immer weitgehend unbelastet und vorurteilsfrei nähern können. Sie sollen auf mich hauptsächlich durch sich selbst, und nicht beeinflusst durch Neben- oder Randinformationen, wirken.

    Lieber Chris,


    Dein Bemühen um Vorurteilsfreiheit in Ehren, aber wenn ich mir z.B. Deine Auslassungen über Neue Musik anschaue, entdecke ich da jede Menge wirkungsgeschichtlich entstandener Vorurteile! :D Deshalb halte ich es lieber mit der Hermeneutik - statt der Illusion der Vorurteilslosigkeit nachzujagen folge ich der Maxime: Vorurteile kann man nicht vermeiden, was man allerdings kann, ist sie sich bewußt zu machen. Und dazu braucht man eben auch Literatur - sprich ein bisschen Bildung.


    Noch als Nachtrag: Warum sich Wagners Mendelssohn-Bild so hartnäckig hält in der Wirkungsgeschichte, liegt nicht zuletzt darin, dass er den (natürlich kläglich gescheiterten) Versuch macht, das "Judentum in der Musik" ästhetisch zu begründen. Die ästhetischen Argumente gegen Mendelssohn lassen sich deshalb auch so gut wirkungsgeschichtlich aus diesem Kontext von Wagners Antisemitismus herauslösen und ihre Quelle damit verschleiern. Dann entsteht eben als Folgeerscheinung die groteske Situation, dass selbst an Adorno geschulte "kritische" Musikwissenschaftler Wagners Mendelssohn-Klischees benutzen, ohne es zu wissen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo Holger,


    Dein Bemühen um Vorurteilsfreiheit in Ehren, aber wenn ich mir z.B. Deine Auslassungen über Neue Musik anschaue, entdecke ich da jede Menge wirklungsgeschichtlich entstandener Vorurteile!

    Frage: woher willst Du wissen, ob ich irgendwelche Vorurteile habe, und woher willst Du (noch dazu) wissen, wie diese entstanden sein könnten...? ;) Mein einziger Fehler bisher war (vielleicht), daß ich mich mit der späteren Neuen Musik nicht gründlich genug beschäftigt habe. Wenn man sich allerdings viele entsprechende Musikstücke anhört, und fast keine passen in ein Raster, das ich als "angenehme" oder "schöne" (bzw. attraktive) Musik empfinden könnte - dann könnte man schon gewisse Vorurteile aufbauen. Ich versuche aber, mich davon frei zu halten. Bisher bin ich aus Zeitgründen aber kaum dazu gekommen, mich mit der Neuen Musik weiter hörenderweise zu beschäftigen.



    Zitat

    Deshalb halte ich es lieber mit der Hermeneutik - statt der Illusion der Vorurteilslosigkeit nachzujagen folge ich der Maxime: Vorurteile kann man nicht vermeiden, was man allerdings kann, ist sie sich bewußt zu machen. Und dazu braucht man eben auch Literatur - sprich ein bisschen Bildung.

    Mit dem Begriff "Bildung" wäre ich übrigens vorsichtig. Was vor Jahrzehnten vielleicht noch als solche betrachtet wurde, stimmt heute nicht mehr unbedingt. Ich habe den Eindruck, daß Bildung sich heutzutage hauptsächlich auf zum Leben wirklich nützliche und wichtige Dinge erstreckt. Früher war man eher mit Wissen über Literatur, Philosophie, alte Sprachen und berühmte Persönlichkeiten ganz allgemein "gebildet".


    Viele Grüße
    Chris

  • das ist ja ein mächtiger Sprung von Mendelssohn's Violinkonzert zu Schönbergs spätromantischem "Schinken".


    Machen wir nochmal einen weiten Sprung - zum Barock ;)



    Der Meister (Bach) mit einem seiner Meisterwerke, in einer wahrlich meisterhaften Aufnahme.


    Tja, und das zweite, das ich verlinken wollte, ist auf YT leider nicht mehr zu finden... dann nochmal Bach:



    Die einzige Aufnahme von Karajan bisher in meiner Sammlung... :rolleyes::D das hier macht er m.E. allerdings perfekt...


    Zitat

    Was kannst Du über die Chailly-Aufnahme berichten?


    Nicht viel, außer daß sie mir eben ausgesprochen gut gefällt. Der Sprecher macht seine Arbeit phantastisch. Die schwierige Aufgabe, den Text ausdrucksvoll, kunstvoll, klanglich angenehm und trotzdem auch noch mit einer gewissen Natürlichkeit zu sprechen, wird mit Bravour gelöst.


    Zitat

    P.S. Wie ich gerade entdeckt habe, gibt es bereits einen sehr gehaltvollen thread zu den Gurreliedern. Das alles zu lesen, habe ich gerade nicht die Zeit, aber vielleicht interessiert es Dich.


    Danke... mir wird klar, daß es auf Tamino wohl kaum etwas gibt, das es (noch) nicht gibt. Muß meine Prioritäten bei der Beschäftigung mit Musik allerdings aus Zeitgründen anders setzen, als viel im Forum zu lesen.
    Und das Hören ist und war mir sowieso immer sehr viel wichtiger, als das Lesen. Es geht ja schließlich um Musik, und nicht um Literatur... ;)


    Viele Grüße
    Chris

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  • Nachschub... das Sibelius Violinkonzert.



    ... eine phantastische Aufnahme, höchste Virtuosität in Chang's Violinspiel, ein geradezu unglaubliches Spektrum an Klangfarben und Facetten.


    Viel Spaß beim Hören
    Chris

  • Hallo zusammen... :)


    eigentlich wollte ich diese Tradition gerne fortsetzen, und hier vielleicht jede Woche einmal eine Aufnahme aus meiner Musiksammlung einstellen. Wenn ich daran denke... irgendwann ist die "Schatzkiste" dann leer, aber bis dahin: wünsche ich (allseits) viel Freude beim Hören... :love:


    (und vielleicht werde ich auch die eine oder andere Diskussion hier wieder aufgreifen, mal sehen)


    Viele Grüße
    Euer Chris


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    Jauw; Spiel des Solisten: Klasse, Outfit: absolut gewöhnungsbedürftig … :stumm:

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Jauw; Spiel des Solisten: Klasse

    Das sehe ich auch so. Virtuos, und phantastische Klangfarben...


    Zitat

    Outfit: absolut gewöhnungsbedürftig … :stumm:

    ich muss sagen, an Bühnenbild, Outfit etc., stört mich persönlich nichts... auch Schnitt und Kameraführung finde ich gut. Darauf kommt's zwar nicht so an... macht aber mehr Spass beim Zugucken...


    Nebenbei: weiss eigentlich jemand, wer dieser Geiger ist...? Oder auch die Dirigentin...?

  • Nebenbei: weiss eigentlich jemand, wer dieser Geiger ist...? Oder auch die Dirigentin...?


    Dachte, dass Du uns das verraten würdest … habe diesen Musiker hier zum ersten Mal gesehen … :?:

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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