Sibelius - Die Tondichtungen und Orchestersuiten

  • Die Sinfonischen Dichtungen und teils die Orchestersuiten zu Schauspielmusiken sind nicht weniger interessante und wichtige Werke von Sibelius, als seine Sinfonien.


    Dieser Thread soll in Folge so nach und nach alle diese Sinfonischen Werke einbeziehen. Für die grösste dieser Sinfonischen Dichtungen Tapiola haben wir bereits ein separaten Thread.


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    Ich fange unüblich heute mal mit einem Ärgernis (als Kaufabschreckung) an:


    In dieser 3CD-Brillant-Box mit Sinaiski / Moskau Philharmonic Orchestra sind soweit alle Tondichtungen enthalten (ausser der wenig eingespielten Waldnymphe);
    diese habe ich seit wenigen Tagen als Geschenk vorliegen.



    Brillant, 1991, DDD



    Ich habe neben anderem Inhalt die Lämminkäinen-Suite op.22, die aus den Sinfonischen Dichtungen
    1. Lämminkäinen und die Mädchen auf Saari
    2. Der Schwan von Tuonella
    3. Lemminkäinen in Tuonella
    4. Lemminkäinen zieht heimwärs
    verglichen.


    ;( Das was das (heutige) oder bei Brillant so genannte Moskau Philharmonic Orchestra da von sich gibt, hat nicht in Ansätzen etwas mit den grossen Aufnahmen der Moskauer PH unter Roshdestwensky, Fedossejew u.a. zu tun. Ein allerhöchstes Niveau kann ich da wirklich kaum erkennen. Das Orchester ist zudem viel zu dünn besetzt; es fehlen mit total die Spannungsbögen um wirkliche Spannung zu erzeugen; die Höhepunkte strahlen gar keine Emotion aus, dazu ist der gebotene Klangkörper gar nicht in der Lage. Das klingt teils, wie vom Blatt gespielt, irgendwie leihenhaft dargeboten ohne Seele. "Wie vom Blatt gespielt" bedeutet in diesem Falle: Die Musiker dieses "Moskauer Ensembles" haben von Sibelius´s Ausdruckswelt keine Ahnung und spielen nur die Noten stur vom Blatt, statt Herzblut reinzustecken!
    Der Klang für 1991 ist mehr als lausig - über KH hört man nach lauten Stellen ein seltsames abklingen im räumlichen Panorama (als wenn eine automatische Aussteuerungskontrolle im Aufnahmezweig verwendet wird).
    :!: Das ist auf jeden Fall ein anderes Orchester, das nichts mit der fabelhaften Moskauer PH zu tun hat - im dünnen CD-Heft steht auch: Recorded in Mosfilm Studios, 1991.
    Ich hatte mir Aufnahmen mit Biss versprochen, so wie man es von den grossen russischen Orchestern gewohnt ist. Totale Enttäuschung!


    Meine wirklich guten Vergleichsaufnahmen der Lemminkäinen - Suite; insbesondere die Sätze 3 und 4 mit der Hammeraufnahme Segerstam (Ondine) , oder der ebenfalls guten "aus dem Geist der Spätromantik" kommenden Aufnahme mit Ormandy (EMI), sowie Neeme Järvi /Gothenborg SO (DG).
    :thumbdown: Was Sinaiski liefert ist ein lauer Aufguss.


    :thumbup: Der absolute Hammer für den 4.Satz Lemminkainens Heimkehr ist übrigens Barbirolli/Halle Orchestra (EMI), der sich in der entsprechenden Sinfonien-GA (EMI) befindet.




    *** Wenn es um eine GA der Sinfonischen Dichtungen geht, so empfehle ich diese ordentliche GA, in der auch alle Tondichtungen und einige Orchestersuiten enthalten sind - mit Neeme Järvi und dem Gothenburg SO - in der Sibelius´s Ausdruckswelt gut eingefangen wurde:


    ...
    DG, 1996 - 2005, DDD


    :hello: Zum Inhalt demnächst mehr!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Nachdem ich in Beitrag 1 erst einmal zwei GA der Sinfonischen Dichtungen (eine die ich für unzulänglich halte und eine anständige GA) vorgestellt hatte - nun zum Inhalt der GA.


    Die Sinfonischen Dichtungen:


    Kullervo-Sinfonie op.7 (1892)


    En saga op.9 (1892/endgültige Fassung 1902)


    Die Waldnymphe op. 15 (1895)


    Frühlingslied op.16


    Läminkäinen-Suite op.22 (1893 - 1895)
    - 1. Lämminkäinen und die Mädchen auf Saari
    - 2. Der Schwan von Tuonella
    - 3. Lemminkäinen in Tuonella
    - 4. Lemminkäinen zieht heimwärs


    Finlandia op.26 (1899)


    Die Dryade op.45,1


    Pohjohlas Tochter op.49 (1906)


    Nächlicher Ritt und Sonnenaufgang op.55


    Der Barde op.64 (1913/14)


    Luonnotar für Sopran und Orchester op. 70 (1913)


    Die Okeaniden op.73


    Tapiola op.112 (1926)


    Tiera (1898)
    - diese ist mir vollkommen unbekannt.


    Von einigen Sinfonischen Dichtungen finden sich noch eindrucksvollere und der Ausdruckswelt Sibelius näher stehende Aufnahmen auf CD, als allgemein betrachtet in der wirklich gut gelungenen GA mit Neeme Järvi (DG).
    *** Auf die mir bekannten weiteren Aufnahmen und ggf kurz zum Programm der Tondichtungen, komme ich in folgenden Beiträgen. (Die Orchestersuiten zu Schauspielmusiken dann später.)



    :hello: Ich würde mich freuen hier von den Sibelius - Liebhabern unterstützt zu werden, welche Aufnahmen der Tondichtungen bei Euch ebenfalls als "lohnenswert" eingestuft werden.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Eine Aufnahme, die an emotionaler Ausdruckskraft alle anderen bisher gehörten in den Schatten stellt, bleibt bei mir unvergessen: :angel:
    Es ist die knapp viertelstündige Sinfonische Dichtung


    *** Pohjohlas Tochter op.49 mit Bernstein / New Yorker PH (SONY)


    Die Aufnahme findet sich bei mir in der wunderbaren Bernstein-GA:
    - Spieldauer 12:40

    SONY, 1964 (Poh.Tochter), ADD


    Dies Aufnahme packt mich sofort und lässt auch klanglich keine Wünsche offen.



    *** Eine weitere sehr gute Aufnahme ist die Barbirolli-Aufnahme/Halle SO, die sich ebenfalls in seiner Sinfonien-GA befindet (EMI)
    Der grosse Sibelius-Dirigent John Barbirolli wartet (wie gewohnt) mit grossartigen Spannungsbögen auf. Nur das Halle SO steht eben den New Yorkern etwas nach, aber spielt ebenfalls mit Herzblut. Die musikalische Reise durch das Werk ist aber bei Barbirolli ebenfalls mit voller Leidenschaft garantiert.
    - Spieldauer 14:13

    EMI, 1966, ADD



    *** Horst Stein / Orchestre de la Suisse Romande (Decca) legte bereits vor Jahrzehnten diese (lückenfüllende) CD mit 5 Tondichtungen vor.
    Horst Stein, etwas nüchterner und unterkühlter als die Vorgenannten; dafür analytisch sauber Aufgefächert mit gutem Klang.
    - Spieldauer 13:09
    Meine CD aus der Decca-Serie Weekend-Classics gibt es nicht mehr - dafür findet sich die Aufnahme auf CD2 dieser Doppel-CD:

    Decca, 1972 (PT), ADD



    Programm:
    Väinämöinen hört auf seinem Weg, wie die junge Frau von (Pohjolas Tochter) Pohja mit ihrem Spinnrad einen goldenen Faden im Himmel spinnt. Väinämöinen bittet die junge Frau, vom Himmel zu ihm herunterzukommen. Aber sie verlangt von ihm zuerst Heldentaten. Väinämöinen schaffte es nicht, die Aufgaben zu lösen und so musste er davonziehen.
    (Quelle: CD-Booklet meiner Aufnahmen)


    Das Programm muss sich für den Hörer nicht unbedingt gleich erschliessen, sodass man mit diesem Hintergrundwissen das Werk genau so gerne einfach als absolute Musik geniessen kann.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich danke für die Eröffnung dieses lange überfälligen Threads, der sich allgemein mit den Tondichtungen und sonstigen Orchesterwerken von Jean Sibelius beschäftigt.


    Sibelius selbst meinte einmal, er habe eigentlich neun Symphonien komponiert, nicht nur sieben. Er zählte nämlich Kullervo und die Vier Legenden von Kalevala (Lemminkäinen-Suite) dazu. Kullervo wird sogar ausdrücklich als Symphonie bezeichnet. Und Lemminkäinen kommt der klassischen Form einer Symphonie sehr nahe: Es gibt den ersten Satz in Sonatenform, den langsamen Satz, das Scherzo und das feurige Finale. Die endgültige Reihenfolge legte Sibelius übrigens erst 1947 fest. Deswegen bringt u. a. Leif Segerstam den "Schwan von Tuonela" erst an dritter Stelle.



    Den Aufnahmeempfehlungen von Wolfgang folge ich im Falle der Lemminkäinen-Suite (1895—1897; endgültig 1900 und 1939). Von den "klassischen" Aufnahmen ist unbedingt jene von Eugene Ormandy mit dem Philadelphia Orchestra (EMI, 1978) hervorzuheben. Leider wurden lange Zeit nur der berühmte "Schwan von Tuonela" und allenfalls "Lemminkäinens Heimkehr" überhaupt aufgenommen. Dabei enthalten gerade auch das volksliedhafte "Lemminkäinen und die Mädchen auf der Insel" und das düstere "Lemminkäinen in Tuonela" großartige Musik. Hier stand dem Komponisten wieder einmal seine Selbstkritik im Wege. Glücklicherweise ist es mittlerweile üblich geworden, die kompletten vier Legenden zu spielen. Die Ormandy-Aufnahme ist z. Zt. nur gebraucht erhältlich; da sie für EMI entstand, wird sie dummerweise auch nicht in der bald erscheinenden Sibelius/Ormandy-Box enthalten sein.



    Unter den neueren Aufnahmen ist ganz zuvörderst Leif Segerstam mit dem Philharmonischen Orchester Helsinki (Ondine, 1995) hervorzuheben. Bei der Kombination Sibelius/Segerstam kann man gewissermaßen blind zugreifen, was auch in diesem Falle ohne Einschränkungen zutrifft. Einzig und allein die Tatsache, dass Segerstam mit demselben Orchester beim Sibelius Festival 2015 in Lahti eine noch beeindruckendere und ausgefeiltere Live-Interpretation zustande gebracht hat (derzeit auf NPO Radio 4 abhörbar), darf man hier anbringen.



    Eine bemerkenswerte Aufnahme des "Schwan von Tuonela" machte übrigens Leopold Stokowski, damals 94-jährig, mit dem National Philharmonic Orchestra (Columbia/Sony, 1976).


    Um nun zu Kullervo zu kommen, einer Symphonie für Mezzosopran, Bariton, Männerchor und Orchester (1892). Hierbei handelt es sich um eines der monumentalsten Chorwerke der Spätromantik. Megalomanischer war der Komponist nie. Sibelius war einmal mehr von der Qualität seines Frühwerkes später nicht mehr vollkommen überzeugt, so dass das Werk Jahrzehnte lang in Vergessenheit geriet. Kurz vor seinem Tod entstand noch eine Neuinstrumentation für Bariton und Orchester "Kullervos Wehruf/Kullervos Klage" (1957).


    Das Werk gliedert sich in:


    1. Einleitung
    2. Kullervos Jugend
    3. Kullervo und seine Schwester
    4. Kullervo zieht in den Kampf
    5. Kullervos Tod


    Bzgl. empfehlenswerter Aufnahmen sei besonders auf die folgenden drei verwiesen:



    Bournemouth Symphony Orchestra/Paavo Berglund (EMI, 1970) (Weltersteinspielung)


    Immer noch eine Pionierleistung, die als Referenz für jede spätere Aufnahme gelten muss.



    Königliches Philharmonisches Orchester Stockholm/Paavo Järvi (Virgin, 1997)


    Eine besonders energische und vorwärtsdrängende, sozusagen: moderne Deutung.



    Philharmonisches Orchester Helsinki/Leif Segerstam (Ondine, 2007)


    Nebulöser wurde das Werk wohl kaum jemals interpretiert. Insofern ganz der Spätromantik verpflichtet.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Der Preis für die am längsten in Vergessenheit geratene Tondichtung von Sibelius gebührt wohl op. 15: Die Waldnymphe (1894). Zwar gibt es hierzu bereits einen eigenen Thread, aber doch auch an dieser Stelle einige Worte dazu.


    Bei der Waldnymphe handelt es sich vermutlich um das Paradebeispiel für den Höhepunkt der wagnerischen Phase des Komponisten Sibelius. Sie ähnelt im Stil seinen frühen Meisterwerken wie En Saga, Lemminkäinen und der Karelia-Musik. Es handelt sich um eine sehr vorwärtsdrängende Komposition, die bereits fulminant und geradezu heroisch beginnt und uns die tragische Geschichte eines Helden erzählt, der auf die geheimnisvolle Waldnymphe trifft, sich in diese verliebt, fortan seine eigene Frau nicht mehr lieben kann und am Ende daran, vielleicht durch Suizid, zugrunde geht. Vom ersten bis zum letzten Takt nimmt einen dieses Werk gefangen.


    Umso erstaunlicher ist es, dass diese anfangs beliebte Tondichtung nach einer letzten Aufführung 1936 sage und schreibe über ein halbes Jahrhundert komplett in Vergessenheit geriet. Hierzu mag wieder einmal die selbstkritische Haltung von Sibelius beigetragen haben, der die Partitur am Ende seines Lebens gleichsam unter Verschluss hielt. Erst 1995 wurde sie, auch aufgrund der Bemühungen des Dirigenten Osmo Vänskä, aus ihrem Dornröschenschlaf geholt und kurz darauf das erste Mal eingespielt.



    Hinsichtlich der Aufnahmen sieht es mittlerweile ein wenig besser aus als noch vor wenigen Jahren, als es eigentlich nur die Weltersteinspielung von Vänskä gab. Diese Einspielung durch die Sinfonia Lahti unter Osmo Vänskä (BIS, 1996) darf noch heute unter den offiziell auf Tonträger erschienen Aufnahmen einen vorderen Platz für sich beanspruchen. Sie ist m. E. gelungener als die Neuauflage von 2007.



    An ihre Seite gesellt sich seit einer Weile die Einspielung von John Storgårds mit dem Philharmonsichen Orchester Helsinki (Ondine, 2010). Storgårds nimmt sich mehr Zeit und gestaltet das Werk vielleicht noch geheimnisvoller.


    Leider sind die allerbesten Aufnahmen der Waldnymphe nicht auf Tonträger erschienen und werden vermutlich auch nicht mehr folgen. Es handelt sich hier um eine Live-Aufnahme des Russischen Staatlichen Symphonieorchesters unter Gennadij Roschdestwenskij (2009) sowie um eine Live-Aufnahme der Sinfonia Lahti unter Osmo Vänskä vom diesjährigen Sibelius Festival (2015).



    Bei Roschdestwenskij ist das ganze Stück eine einzige Steigerung. Hat man diese Aufnahme einmal gehört, merkt man erst, was in anderen Interpretationen abgeht. Die russische Dirigentenlegende holt alles aus der Partitur heraus und schreckt auch nicht davor zurück, die Schroffheit aufzuzeigen. Betörung und Beklommenheit sind hier eng miteinander verwoben. Die Steigerung am Ende ist in ihrer Intensität kaum zu ertragen.


    Hervorragend auch die ganz aktuelle Live-Darbietung von Vänskä. Man merkt die zwanzigjährige Beschäftigung des Dirigenten mit dem Werk. Vänskä als der Wiederentdecker der Waldnymphe kennt diese vielleicht so gut wie niemand sonst. Das Orchester spielt deutlich engagierter als im Studio, geht mehr Wagnisse ein und bringt bislang ungehörte Details zum Vorschein. Derzeit ist die Aufnahme via NPO Radio 4 abhörbar.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Um nun zu Kullervo zu kommen, einer Symphonie für Mezzosopran, Bariton, Männerchor und Orchester (1892).


    Paavo Berglund hat Kullervo tatsächlich sogar zweimal eingespielt, die zweite etwas später entstandene Aufnahme wurde mit dem Helsinki PO und anderen Sängern (Saarinen + Hynninen) eingespielt (kein Bild). Diverse Reviews sagen, dass der 2. Einspielung der Vorzug zu geben ist. Obwohl ich beide habe, kann ich das derzeit nicht bestätigen, da ich sie nur in großem Zeitabstand gehört habe. Die 2. Aufnahme kann ich jedenfalls sehr empfehlen, ebenso wie die aus einer eher unerwarteten Quelle, die aber interpretatorisch und klanglich vom Feinsten ist.


  • Josef und Lutgra haben ja schon einige wichtige und wegweisende Aufnahmen genannt. Wobei ich mir Segerstam als genau den Passenden vorstellen könnte, denn auch die Läminkäinen-Suite und Tapiola liefern mit Segerstam ein glaubhaftes finnisches Sibelius-Bild.


    Ich habe als erste die Salonen-Aufnahme mit dem Los Angeles PO (SONY, 1992, DDD) angeschafft. Mit Aufnahme (trotz der TOP-Klangqualität) und Werk bin ich ( ;) warscheinlich aber auch wegen der solistischen Besetzungen (ich meine nicht die Solisten)) nie richtig warm geworden.


    Atmosphärischer und dem Sibelius-Bild (tiefe grosse finnische Wälder ...) entspricht eindeutig mehr die Paavo Järvi - Aufnahme mit dem Royal Stockholm PO (Virgin).
    Gerade wegen der ungewohnt langen Spielzeit vermag seine tiefe Auffassung dem Nationalepos Kalevala den angemessenen Ton zu verleihen.
    - Spielzeit 14:00 - 15:56 - 24:19 - 9:38 - 14:32



    Vigin, 1997, DDD


    :!: Keine Frage - diese Aufnahme ist besser und IMO angemessener als die seines Vaters Neeme in der GA (DG) in Beitrag 1.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Sibelius hat neben den Sinfonischen Dichtungen mehrere Schauspielmusiken geschrieben, die hauptsächlich im ersten Jahrzehnt des 20.Jhd entstanden:


    König Christian II (King Kristian), Suite aus der Bühnenmusik für Orchester op. 27 (1898)


    Kuolema (Der Tod) - Bühnenmusik mit 6Szenen nach Järnefeld (1903-4)


    Pelleas und Melisande, Suite aus der Bühnenmusik für Orchester op. 46 (1905)


    Schwanweiß (Svanevit ), Suite aus der Bühnenmusik für Orchester op. 54 (1908)


    Der Sturm (Stormen), 35-teilige Bühnenmusik zum gleichnamigen Schauspiel von William Shakespeare für Orchester, Singstimmen und Chor op. 109 (1925)



    Hier möchte ich einige Aufnahmen kurz beleuchten:
    Diese Musiken (ausser Pelleas und Melisande) befinden sich auf der abgebildeten Decca-Doppel-CD mit Hungarian State Orchestra / Jussi Jalas.
    ;) Wenn ich ehrlich sein soll, ist das eine der wenigsten ansprechenden Sibelius-CD´s die ich habe. Und das, obwohl Jussi Jalas als Verwandter von Sibelius autentisch sein sollte. Ich führe das aber auf die orchestrale Leistung und den "nicht-Decca-typischen Klang" zurück. Unter Hörspass verstehe ich etwas anderes.


    Alle Einzelaufnahmen die ich von König Christian II = Segerstam (Ondine) und (Naxos) und P. Järvi (DG);
    Der Sturm = Segerstam/Dänisches RSO (Brillant - in der Sinfonien_GA)
    sind diesen Jalas-Aufnahmen vorzuziehen.



    Decca, 1972-75, ADD



    Jetzt habe ich eine brandneue Naxos-CD mit Segerstam C2015 gekauft, auf der die noch unbekannte Ouvertüre a-moll (1902) = fröhliche unbeschwerte Ouvertüre = nett an zu hören, Kuolema - 6Szenen (1903) und König Christian II op. 27 (1898) enthalten sind.


    Ich war etwas überrascht unter Kuolema eben die 6 Szenen auf der Naxos-CD vorzufinden ... unter KUOLEMA kann man aber auch eine andere Zusammenstellung verstehen - nämlich die auf der Jalas-Doppel-CD (Decca) in der die 4 verschieden Opus als Bühnenmusik zusamengefasst sind (darunter auch das berühmte Valse Triste):
    Valse romantique, op.62b
    Canzonetta, op.62a
    Kranichszene (Kurkikohtaus), op.44,2
    Valse Triste, op.44,1


    Na ja, überzeugt hat mich die CD rein geschmacklich nur eingeschränkt, denn besonders interessant habe ich das Programm nicht empfunden, wenn es auch von Segerstam sehr überzeugend dargeboten wird. Bei Kuolema sind bei einigen Sätzen Gesangsolisten dabei.
    Bei König Christian II konnte ich auch keine Vorteile gegenüber der BIS-CD mit Vänskä entdecken ...



    Naxos, 2014, DDD



    Weit interessanter fand ich immer schon Pelleas und Melisande, op.46 (1905)
    Die seit jahrzehnten in meiner Sammlung befindliche DG-CD mit Karajan fand ich schon immer sehr angemessen interpretiert. Karajan präsentiert die 9Sätze der Schauspielmusik ohne Solisten.
    Die später (zufällig auf den Flohmarkt) erworbene BIS-CD mit dem Lathi SO/Osmo Vänskä präsentiert als Erstaufnahme die Original-Version noch einen 10.Satz Prelude dazwischen und hat im Satz Die drei blinden Schwestern eine Sopransolistin dabei. Vänskä präsentiert das Stück sehr geheimnisvoll; aber auch zugleich weniger ansprechend (um nicht zu sagen langweilig).
    Mir gefällt Karajan´s interessanter Ansatz deutlich besser !



    DG, 1983, DDD



    BIS, 1997-98, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo teleton, schön, dass Du auf die Theatermusiken von Sibelius zu sprechen kommst. Sie hätten fast schon einen eigenen Thread verdient. Ich finde sie auch sehr interessant, weil sie so kraftvoll und farbig sind. Und sie sind ein ganz spannendes aber auch verwirrendes Kapitel im Gesamtwerk. Auf jeden Fall bezeugen die sein starkes dramatisches Talent. In seiner kürzlich erschienen Biographie, die ich gern gelesen habe, vertritt Volker Tarnow sogar die Auffassung (Seite 82, Henschel), dass Sibelius der größte Opernkomponist Finnland hätte werden können. Was herausgekommen ist, wissen wir ja. Nach meiner Überzeugung können die Theatermusiken meist auch ohne den direkten Bezug zu den Stücken, für die sie komponiert wurden, bestehen. Die sind ohnehin hierzulande wenig bekannt, abgesehen mal von "Jedermann" oder "Pelléas". Wenn ich mich nicht irre, hat Sibelius sogar einige Suiten daraus zusammengestellt, die ein ganz eigenständiges Leben führen.


    Du wunderst Dich genauso wie ich über "Kuolema". Das gleichnamige Schauspiel hatte Arvid Järnefelt geschrieben, mit dem Sibelius befreundet gewesen ist. Nach meinen Informationen bestand diese Schauspielmusik zunächst aus den sechs Teilen, die Segerstam bei Naxos spielen lässt. Mich faszinieren besonders die zwölf Schläge der Glocke am Schluss. Darauf muss man erst mal kommen. Valse romantique, Canzonetta, die Kranichszene und Valse trist sind weiterführende Bearbeitungen der "Kuolema"-Musik. Besonders deutlich wird das bei Valse trist, wo die Übereinstimmungen mit der ersten Nummer der Theatermusik (Tempo die valse lente) überwältigend sind. Wenn Jussi Lajas bei Decca die vier Stücke unter dem Titel "Kuolema" spielen lässt, ist das nach meiner Auffassung nicht ganz korrekt. Alle vier Stücke haben ja andere Opus-Zahlen als "Kuolema", in der ursprünglichen Form op. 44. Das Album kenne ich nicht. Obwohl Du es kritisch bewertest, hast Du mich auch wieder neugierig darauf gemacht. So ist das ja oft, dass die Vorbehalte auf der einen, Begehren auf der anderen Seite wecken. ;)


    Nochmals Dank für Deine Anregungen! Es grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Jussi Lajas


    Da muss ich mich mal schnell selbst korrigieren! Der Mann heißt Jussi Jalas!

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • "Pelléas". Wenn ich mich nicht irre, hat Sibelius sogar einige Suiten daraus zusammengestellt, die ein ganz eigenständiges Leben führen.


    Hallo Rheingold,


    es ist so das Pelleas und Melisande gleich als Suite in 10 Sätzen (in der Originalversion) konzipiert wurde. Daraus werden dann von Dirigenten auch viele Ausschnitte für Konzertaufführungen ausgewählt.
    Karajan (DG) ist quasi komplett, bietet 9 Sätze und lässt auch ( ;) dankenswerterweise) das Sopransolo weg. Den zusätzlichen Satz in der Originalversion (mit Vänskä auf BIS) halte ich für entbehrlich.
    Barbirolli (EMI) in seiner Sinfonien-GA (Abb in Beitrag 3) liefert nur 4 wichtige Sätze in seiner Suitenfassung - auch OK - und zudem ebenfalls gut interpretiert.


    Aber ich fand es interessant, dass Du bei Kuolema genau so wie ich verwundert bist über das Wirrwar, welche Sätze insgesamt Kuolema zuzuordnen sind.
    Nicht nur Jussi Jalas (DEcca), sondern auch N.Järvi (DG) liefert im Rahmen seiner GA mit Sinfonien und Sinf.Dichtungen nicht die 6Szenen, sondern eben die 4 genannten verschiedene Opus als Kuolema !
    Ja, die 12 Glockenschläge in Finalsatz gefallen mir auch sehr gut und lassen diesen Satz der 6 Szenen so ziemlich als den interessantesten Satz der gesamten Naxos-CD übrig ....



    Die Decca-Doppel-CD mit Jussi Jalas gehört bei mir zu den entbehrlichsten CD-Beständen (unfassbar, obwohl Decca!). Ich habe diese Doppel-CD nur noch der Vollständigkeit halber behalten. Habe aber versucht alle enthaltenen Werke in anderen Aufnahmen zu bekommen.
    Leider ist da immer noch "so´n Schiet" drauf, wie die Scenes Historiques - Suiten Nr. 1 und 2 und Schwanenweiss-Suite, sodass ich ohne Alternative dastehe und die Doppel-CD gar nicht abgeben kann.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Leider ist da immer noch "so´n Schiet" drauf, wie die Scenes Historiques - Suiten Nr. 1 und 2


    Ich muss gestehen, ich kenne diese beiden Suiten noch nicht, aber sind die wirklich so schlecht bzw. kann irgendjemand dazu etwas mehr sagen als nur "so'n Schiet"? Würde mich wirklich interessieren! Danke!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hallo Strimmenliebhaber,
    nein, nicht diese Suiten als Werke sind damit gemeint, sondern das bezieht sich auf die Jalas-Aufnahmen, die absolut nicht den Rang haben auch nur im mindesten überzeugen zu können.


    Gut, die Scenes Historiques - Suiten 1 und 2 sind jetzt nicht das, was man bezüglich der Sinfonien und Sinfonischen Dichtungen erwarten würde, aber absolut hörenswerte besinnliche Musik des Nordens.
    Jede der beiden Suiten hat drei Sätze mit einer Spieldauer je von ~16Minuten:
    Suite Nr.1 op.25
    1. All Ouvertura
    2. Scene
    3. Festivo


    Suite Nr.2 op.66
    1. La Chasse - Ouvertüre
    2. Chant d´amour
    3. Pres du pont-levis


    Auch hier, wie bei Kuolema gibt es Ungereimtheiten mit den Sätzen:
    In der Aufnahme mit Barbirolli (EMI) im Rahmen seiner Sinfonien_GA steht auf dem Cover
    Scenes Historiques - Suiten Nr. 1 und 2 und es sind nur drei Sätze (offenbar aus beiden Suiten) eingespielt ->
    1. All Ouvertura
    2. The hunt
    3. Scene

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Du hast ja gewisse Ungereimtheiten bei den "Scénes historiques" schon festgestellt, lieber teleton. Ich auch. Wir sind uns bestimmt einig, dass es sich lohnt, genau hinzuschauen und hinzuhören, soweit es die Literatur überhaupt zulässt. Offenbar ist noch nicht alles erforscht. Diese Szenen, von denen ich nicht genau weiß, ob sie auch eine eigene Opuszahl haben, werden im Werkverzeichnis mit dem für uns unaussprechlichen Namen "Musiikkia Sanomalehdistön päivien juhlanäytäntöön" (Musik zu den Pressefeiern) geführt. Diese Feiern hatten sehr wohl einen patriotischen Hintergrund. Mehr weiß ich nicht. In sechs Szenen, denen eine Ouvertüre vorangestellt ist, wurden historische Ereignisse auf der Bühne dargestellt. Die Musik diente der Untermalung. Sibelius leitete die Uraufführung 1899 im Schwedischen Theater in Helsinki selbst. Die Finnen, damals noch zu Russland gehörend, besannen sich auf ihre eigenen Wurzeln. Aus dem letzten Tableau mit dem Titel "Finnland erwacht", ging die eigenständige Tondichtung "Finlandia als Opus 26 hervor. Die Unterschiede zwischen der Urfassung und der Bearbeitung treten im Finale am deutlichsten hervor. In "Finlandia" ist es klarer, entschlossener und nicht so endlos ausufernd wie man das von Tschaikowski kennt. Das verbleibende Material arbeitete Sibelius zu den beiden Suiten I (op. 25) und II (op. 66), die jeweils aus drei Teilen bestehen, um. In dieser Form – natürlich einschließlich "Finlandia" - hat die Musik zu den Pressefeiern überlebt. Sibelius, bediente sich also auch bei sich selbst. Ich kenne nur eine Aufnahme der Urfassung, nämlich mit dem Lahti Symphony Orchestra unter Osmo Vänskä. Gibt es noch weitere?



    In der Sibelius-Edition von Sir John Barbirolli bei der EMI ist nun die Angabe für CD 5 mit "Scénes historiques – Suites I & II" in der Tat sehr frei und damit nicht ganz korrekt. Er spielt nur drei der insgesamt sechs Nummern aus beiden Suiten, nämlich All’overtura und The Hunt aus der ersten und Scena aus der zweiten. Bei dem zuletzt genannten Stück ist die Nähe zur "Waldnymphe", die uns Joseph II. hier und in einem eigenen Thread nahe brachte, ganz verblüffend. Bei Barbirolli nach meinem Reindruck noch stärker als beispielsweise bei Neeme Järvi mit dem Gothenburg Symphony Orchestra aus der großen BIS-Edition. Es ist und bleibt für mich ein Jammer, dass Barbirolli die "Waldnymphe" nicht aufgenommen hat. Das wird mir gerade jetzt wieder bewusst, nachdem ich mir einiges andere mit Barbirolli angehört haben, auch "Finlandia" mit dem unglaublich kraftvollen Beginn. Der haut mich immer wieder um. Wie macht Barbirolli das? Er hat doch auch "nur" ein Orchester vor sich. In der ursprünglichen Fassung ist die "Scena" das Tableau vier mit dem Titel "Die Finnen im Dreißigjährigen Krieg".


    Beste Grüße an die Sibelius-Gemeinde von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Auf den Tipp von Rheingold hin höre ich gerade in die besagte "Scena Op. 25, No. 2" mit dem Hallé Orchestra unter Sir John Barbirolli hinein. Schon die dezent vernehmbare Anteilnahme des Dirigenten weist sie als waschechte Barbirolli-Aufnahme aus (das hört man tatsächlich in zahlreichen seiner Aufnahmen). Barbirolli muss, gleich Bernstein, ein sehr emotionaler Dirigent gewesen sein. Es sind tatsächlich diverse Anklänge an "Die Waldnymphe" hörbar. Allein die zeitliche Nähe der Entstehung könnte ein Grund hierfür sein.


    Es ist schon wirklich ein Jammer, dass ausgerechnet "Die Waldnymphe" erst 1995 wiederentdeckt wurde. Das schließt frühere Aufnahmen schon per se praktisch aus, sie war ja 60 Jahre lang gewissermaßen in Vergessenheit geraten. Sibelius, maßlos selbstkritisch, hat sie offenbar aus seinem offiziellen Œuvre getilgt. Vergleicht man den späten Sibelius-Klang der 1920er Jahre, dann hat das wirklich sehr wenig mehr gemein mit dieser frühen Tondichtung und auch den "Scènes historiques". Es liegen auch etwa 30 Jahre dazwischen.


    Immerhin gibt es "Pohjolas Tochter" unter "Glorious John" (Aufnahme 1966). Eine der schönsten Tondichtungen von Sibelius, auch relativ im Schatten anderer stehend. Man wünschte sich da noch so einiges mehr von Barbirolli: Das fängt bei der kompletten "Lemminkäinen"-Suite an (er nahm nur die beiden populärsten Dichtungen auf: "Der Schwan von Tuonela" und "Lemminkäinens Heimkehr") und geht über "Die Okeaniden" bis hin zu "Nächtlicher Ritt und Sonnenaufgang", ein ebenfalls sträflich vernachlässigtes Meisterwerk. Sir John war ohne Frage einer der Sibelius-Interpreten. Seine Gesamtaufnahme der Symphonien ist für mich bis heute die überzeugendste unter den "historischen".


    Überhaupt erscheinen mir "Finlandia" und "En Saga" vergleichsweise zu populär. Da halten andere Symphonische Dichtungen von Sibelius durchaus mit! Barbirolli nahm "En Saga" seltsamerweise nicht einmal auf, was fast verwundert. Vielleicht fehlte ihm schlichtweg die Zeit: Die Einspielung der 6. Symphonie datiert von Ende Mai 1970. Gott sei Dank konnte er wenigstens die noch aufnehmen. Kurz darauf starb der Sir, gezeichnet von den Folgen seiner Liebe zu Whisky und Tabak.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Überhaupt erscheinen mir "Finlandia" und "En Saga" vergleichsweise zu populär.


    Das hast Du sehr gut auf den Punkt gebracht, lieber Joseph. Ich habe mir eben wieder den "Schwan von Tuonela" aus den Lemminkäinen-Legenden angehört und bin tief erschüttert, wie Barbirolli diese dem Leben abgewandte Musik aus dem Totenreich zum Klingen bringt. Obwohl auch nicht eben gänzlich unbekannt, ist es eines meiner liebsten Stücke unter seiner Leitung. Schon wegen des Englischhorns, das eines meiner bevorzugten Instrumente ist.


    Grüsse voin Reingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • "Der Schwan von Tuonela" ist wirklich "ein Meisterwerk innerhalb eines Meisterwerkes" (um seine Stellung nochmal zu betonen). Es hat sicher seinen Grund, wieso diese als einzige der vier Legenden bereits in der Frühzeit der Tonaufzeichnung eingespielt wurde. Es ist das tiefdüstere Adagio der inoffiziellen "Lemminkäinen-Symphonie", kann aber auch alleine bestehen.


    Barbirolli, heute von manch einem ein wenig als einer unter vielen tollen Sibelius-Interpreten angesehen, scheint eine tiefe Affinität zu diesem Komponisten besessen zu haben. Das bezeugt u. a. schon eine uralte Aufnahme der 2. Symphonie aus seiner New Yorker Zeit von 1940. Bereits in den 50er Jahren hat er dann mit dem Hallé Orchestra einige Symphonien und Orchesterwerke aufgenommen, im Falle der 5. Symphonie sogar schon in Stereo. 1962 erschien eine Einspielung der Zweiten mit dem Royal Philharmonic Orchestra. Zwischen 1966 und 1970 dann die heute oft als "die" Barbirolli-Aufnahmen angesehenen Einspielungen für EMI.


    Auch wenn es ein wenig vom Thema des Threads abweicht, muss ich in diesem Zusammenhang eine Lanze brechen für das vielfach als mittelmäßig verschriene Hallé Orchestra. Die Anteilnahme, die die Truppe aus Manchester aufbringt, wurde kaum jemals wieder erreicht im Bezug auf Sibelius. Allein wenn ich etwa an die Einleitung der Coda des Finales der 2. Symphonie in der EMI-Aufnahme denke. Diese frostige Stimmung, die nach finnischem Winter klingt, habe ich in dieser Intensität nirgendwo sonst vernommen. Und wie es Barbirolli dann in unnachahmlicher Weise versteht, den Klimax immer mehr zu steigern, die Blechbläser, die immer lauter werden, zu Höchstleistungen anzuspornen, das ist schon ganz große Kunst. Immer, wenn man glaubt, mehr ginge nicht, legt Barbirolli noch einen Zahn zu. Wie beliebig das dagegen in Rattles neuer Aufnahme klingt! Was hilft einem das "weltbeste Orchester", wenn es nicht einmal annähernd diese Wirkung erzielen kann? Und diese Beobachtung bzgl. Barbirollis Meisterschaft trifft auch auf die Tondichtungen und sonstigen Orchesterwerke zu.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Rheingold, lieber Josef,


    über die Ausnahmestellung die Barbirolli bei Sibelius hat sind wir uns einig. :angel: Das ist der positive Wahnsinn, was er aus den Sibelius - Werken heraus zu holen vermag.
    Ich habe gestern die Sätze aus den Suten 1 und 2 der Scenes Historiques u.a. gehört.
    Ich war platt wie packend er auch diese wenig gespielte Musik zur Sidehitze anheizen kann. Er hat sich dazu die kurzweiligsten Sätze herausgepickt, ;) was ja auch schonmal vorteilhaft ist, weil man dann seine wertvolle Zeit gleich sinnvoll verbringen kann, als mit "weniger wichtigen Sätzen". Das sind Welten der Int zwischen Jalas und Barbirolli!


    Leider sind sind einige dieser Werkreihen mit Barbirolli nicht komplett vorhanden und nur auszugweise eingespielt worden. Die sinfonischen Werke sind ja in der Sinfonien-GA mit dem Halle Orchestra enthalten:
    So auch die leider nur aus der, von Dir angesprochenen Lemminkäinen-Suite nur die Sätze 2. Der Schwan von Tusnelda und 4. Lemminkäinens Heimkehr -- aber wie, besser als alle die ich kenne (auch besser als Ormandy (EMI)).
    Weiterhin Finlandia (ähnlich packend wie unter Ashkenazy), Valse Triste, Karelia - Suite (mal komplett) und Pohjohlas Tochter, wo er 14Min benötig aber trotzdem am Ende so umwerfend wie Bernstein bleibt. Rakastava für Streicher hat mich bisher nie besonders "angefixt", aber selbst da ist es der Wahnsinn, wie spannend Barbirolli auch dieses Stück meistert.


    Pelleas und Melisande halte ich mit Karajan (DG) wirklich für meine Favoritenaufnahme (komplett, ohne Sopran, kurzweilig und wo angebracht mit nordischer Tiefe) - was will man mehr ? Aber auch hier gibt es nichts besseres als Barbirolli, der leider nur die Sätze 1-2-7-9 aufgenommen hat - gleich den Kopfsatz weis er mit emotionaler Spannung und Leben zu füllen.
    Wie Josef schon mit anderen Worten sagte - das Hallé Orchestra ist mit absolutem Herzblut dabei -


    Auch wenn oft nur Ausschnitte bei den sinf. Werken eingespielt sind - aber das ist neben den Sinfonien eine der grössten und wichtigsten Sibelius-CD-Boxen:
    - ich habe noch die schöne EMI-Ausgabe -



    EMI, 1966-1970, 5CD, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • ich höre gerade zum ersten mal (kann mich nicht erinnern, das schon mal gehört zu haben!)

    En saga op. 9

    in einer Liveraufnahme vom SWR Symphonieorchester unter Ingo Metzmacher vom 27. Oktober 2023 in Freiburg, die ich vom Radio mitgeschnitten habe. (bei Interesse versuchen sich bei mir zu melden)

    Wunderschöne, stimmungsvolle Musik !!