Durch meine Tätigkeit in der Programmgestaltung des Heilbronner Sinfonie Orchesters lese und analysiere ich die Programme vieler Sinfonie Orchester, dabei fällt mir immer mehr der Trend auf: Orchester gehen raus aus den Konzertsälen, öffnen sich, gehen ans Publikum ran, spielen an neuen, ungewöhnlichen Orten. Open-Air-Konzerte sind ein Renner. Es ist fast so etwas wie eine Orchester-Event-Kultur entstanden. Die vielen Bemühungen, auch durch neue Formen der Darbietung die Jugend möglichst frühzeitig an klassische Musik heranzuführen, sind bereits gute Tradition. Dazu kommt, dass Abonnementreihen, bisher das Rückgrat besonders der Provinzorchester, bröckeln oder gar völlig zusammenbrechen. Der moderne Konzertgänger will sich offensichtlich nicht mehr verpflichtend binden. Er sucht sich aus dem breiten Musikangebot das heraus, was ihm im Moment gefällt und entscheidet spontan, ob er an diesem Abend ins Konzert gehen will oder nicht. Die ständige Verfügbarkeit von Musik aus dem Heimarchiv spielt dabei sicherlich auch eine Rolle. Ist die aufgezeigte Entwicklung überall festzustellen, ist sie einer der vielen vergänglichen Modetrends, oder zeichnet sich hier nach und nach eine grundlegende Verhaltensänderung ab? Der traditionelle Konzertgänger stirbt aus, siehe die enorme Überalterung in den Konzertsälen. Neue Musikkonsumenten kommen, die andere Bedürfnisse und Erwartungen haben und die Musikveranstalter zwingen liebgewordene, ausgetretene Pfade zu verlassen und Neues, Ungewohntes, Anderes, Moderneres zu schaffen. Entsteht auch im klassischen Bereich eine neue Musikwelt?
Herzlichst
Operus