DETLEF KRAUS - Nicht nur ein großer BRAHMS-Interpret

  • Nachdem ich DETLEF KRAUS in meiner Jugend häufig im Rundfunk gehört hatte, und auch sonst in Musikzeitschriften immer wieder von seinen zahlreichen Konzerten, die er in der ganzen Welt gab, gelesen hatte, war ich sehr gespannt, ihn dann endlich am 25. Februar 1966 in einem Klavierabend in Bad Pyrmont in persona zu erleben. Er spielte von BEETHOVEN die Sonate op. 31 Nr. 2
    von BRAHMS die Sonate C-Dur op. 1, von BARTOK die Suite op. 14, und von LISZT 2 Petrarca-Sonette Nr. 104 und 123.
    Ähnlich wie das sehr fachkundige Publikum war ich sehr beeindruckt von seinem introvertierten, poesievollen Spiel und seiner wunderbaren Phrasierung, die vor allem der Sonate von BRAHMS sehr zustatten kam. Nach dem Konzert erlebte ich in einem Gespräch eine äußerst bescheidene und liebenswürdige Künstlerpersönlichkeit. Eine Begegnung, an die ich mich sehr gern erinnere.


    DETLEF KRAUS wurde am 30. November 1919 in Hamburg geboren. Nach Studien in seiner Heimatstadt debütierte er mit 17 Jahren mit BACH's "Wohltemperiertem Klavier". In der Folge erhielt er ein Stipendium zum Studium bei WILHELM KEMPFF in Berlin. Es folgte schon wenig später eine schnell anwachsende Konzert- und Rundfunktätigkeit in Deutschland. Ausgedehnte Konzertreisen durch fast alle europäischen Länder, Südamerika und den Nahen Osten schlossen sich an. Ab 1945 gab er in den folgenden Jahrzehnten weit mehr als 3000 Konzerte in mehr als 50 Ländern. Er konzertierte als Solist mit vielen bekannten Orchsteren und großen Dirigenten wie z. B. VAN KEMPEN, SCHMIDT-ISSERSTEDT, FRICSAY, KEILBERTH, SAWALLISCH, RIEGER, KNAPPERTSBUSCH. 1958 spielte alle 32 BEETHOVEN-Sonaten in London, und 1970 dann auch in den USA die Einspielung dieser Sonaten für die Fernsehstation WQED. Seine Schallplatteneinspielungen erfolgten überwiegend bei Philips Musicaphon. 1957 wurde er Leiter der Meisterklasse für Klavier an der Folkwang-Hochschule in Essen. Über Jahrzehnte hinweg war DETLEF KRAUS ein gesuchter, sehr erfolgreicher Pädagoge. 1975 verlieh ihm die Stadt Hamburg die Brahms-Medaille. Von 1982 an war er Präsident, später dann Ehrenpräsident der Johannes-Brahms-Gesellschaft in Hamburg und einer der Initiatoren des Internationalen Brahms-Wettberwerbs, der von 1983 - 2002 in Hamburg ausgetragen wurde. . Er lehrte u. a. auch als Professor für Klavier am KONSERVATORIUM OSNABRÜCK, und er verfaßte zahlreiche Aussätze über BRAHMS.


    DETLEF KRAUS konzertierte bis ins hohe Alter und war als Leiter von Klavierseminaren tätig. Noch 2005 trat er beim Jubiläum zm 125-jährigen Bestehen von Steinway neben ASHKENAZY und LANG LANG auf. . Er starb am 7. Januar 2008 im Alter von 88 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes.


    DETLEF KRAUS war ein sehr ernsthafter, höchst sensibler Pianist von hoher Kompetenz, der sich selbst stets zurücknahm, und für den Werktreue oberstes Gebot war. Er liebte die kleine Form, obwohl er klaviertechnisch auch schwierigste Aufgaben meistern konnte. Sein Weg führte über Bach und Beethoven (32 Beethoven-Sonaten!) schließlich immer mehr hin zu Brahms, mit dessen Werken er sich bis ins hohe Alter auseinandersetzte. Er hatte kein Glück mit den deutschen Schallplattenfirmen, und wurde auch im Ausland wesentlich bekannter als in Deutschland.


    DETLEF KRAUS war ein Meister der leisen Töne. Besonders in späteren Jahren verfeinerte er sein Spiel immer mehr. Für
    ihn war jedes Detail wichtig, doch vermochte er auch Bögen zu spannen und Zusammenhänge plastisch herauszuarbeiten.


    Es ist eigentlich schon fast tragisch, wie wenig die Klavierkunst dieses so typisch deutschen Pianisten aus der Schule eines EDWIN FISCHER, WALTER GIESEKING und WILHELM KEMPFF im eigenen Land gewürdigt wurde. In Deutschland galt er vor allem als Anwalt der Musik JOHANNES BRAHMS. Im Ausland, und insbesondere In den USA wurde er aber auch als Interpret der Werke BEETHOVENs hoch geschätzt.


    Besonders gerne höre ich mit DETLEF KRAUS die Einspielung von BEETHOVEN's Rondo für Klavier und Orchester B-Dur op. posth. in einer Philips-Aufnahme unter dem Titel "Musik auf Villa Hügel" mit dem FOLKWANG-KAMMERORECHESTER unter der Leitung von HEINZ DRESSEL. Nie wieder habe ich dieses Werk, für das sich oft die ganz berühmten Interpreten zu schade sind, so kantabel und mit herrlich filigranem Anschlag gehört! Schließlich war er ja auch Leiter der Meisterklasse für Klavier an der Folkwang-Hochschule in Essen!


    wok

  • Lieber wok,


    ich habe auf deinen Beitrag hin mal nachgesucht und von Beethoven die Rondos op. 51 und die Bagatellen op. 119 und 126 entedeckt und von Schubert zwölf Deutsche Tänze D. 790 und die Moments musicaux D.780. Auch von Brahms habe ich Einges entdeckt und das B-dur-Konzert mit den Essener Philharmonikern unter Heinz Wallberg sowie die Aufnahmen von Beethoven und Schubert bestellt. Da ist ja schon wieder ein prachtvoller Pianist, den wir bisher völlig übersehen ahben.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Detlef Kraus war der Klavierlehrer meiner ehemaligen Dirigentin in Essen, Susanne Glauber. Persönlich kennengelernt habe ich ihn und sein differenziertes Klavierspiel 1992 - auf Schloss Elmau (damals noch bezahlbar).

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Lieber Willi,


    Schön, daß Du Dich sogleich noch spät nachts oder früh am Morgen mit DETLEF KRAUS beschäftigt hast - trotz Deiner großen Auslasstung mit so vielen anderen Themen und Beiträgen, und erstaunlich, daß es überhaupt noch Pianisten gibt, mit denen Du Dich noch nicht näher befaßt hast. DETLEF KRAUS war mehr ein Pianist der leisen Töne und des "Nachinnenhörens", wohl deshalb auch wurde er nicht so leicht von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen.


    Übrigens hatten vor längerer Zeit einige Forumsmitglieder, die offenbar nicht mehr aaktiv sind, schon auf die Qualitäten dieses Pianisten aufmerksam gemacht, z. B. Petemonova am 09.01.2008, Albus am 29.12.2005 und AcomA am 21.08.2005.


    Viele Grüße aus Málaga!


    wok

  • In der Gründerzeit des Forums bin ich mal auf diesen Pianisten gestoßen und habe mir - noch zu seinen Lebzeiten - eine Aufnahme - Schubert: Deutsche Tänze, etc - siehe Abbildung weiter unten) - gekauft, um sein Spiel in meiner Sammlung dokumentiert zu haben. Er muß zu Lebzeiten in seinem Umfeld geradezu einen legendären Ruf genossen haben, weltweit war er indes als Brahms-Interpret und -Kenner absolut anerkannt. Zu meiner Freude hat sein Label - Thorophon - seine Aufnahme weiterhin im Programm. Leider zum Hochpreis, was der Verbreitung in unseren Tagen nicht gerade förderlich sein mag.



    Solche Threads, wie der diese hier, sind gut dafür geeignet, Interpreten vor dem Vergessen zu bewahren - und so nehme ich ihn zum anlasse, meine Sammlung (ab mitte Juli) um eine weitere Aufnahme mit Detlef Kraus zu bereichern. Für "Audiophile" als Nachsatz: Die beiden hier gezeigten Aufnahmen stammen aus der ersten Hälft der 90er Jahre, sind also digital und somit rauschfrei....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Die Schubert-CD, lieber Alfred, ist auch schon zu mir unterwegs, dazu diese:



    Um nicht so tief in die Tasche greifen zu müssen, habe ich mich allerdings auf den Marketplace begeben.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Wok,


    ich erinnere mich an ein Konzert im Palais Wittgenstein in Düsseldorf, wo Detlef Kraus Bachs Wohltemperiertes Klavier spielte. Mein Lehrer war damals sehr beeindruckt - Kraus spielte den Bach nämlich komplett auswendig. Das ist wahrlich nicht einfach in den Kopf zu bekommen! Kraus - das ist die wirklich gute deutsche Pianistenschule! Die Petrarca-Sonnette von Liszt würden mich natürlich besonders interessieren! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • ch erinnere mich an ein Konzert im Palais Wittgenstein in Düsseldorf, wo Detlef Kraus Bachs Wohltemperiertes Klavier spielte. Mein Lehrer war damals sehr beeindruckt - Kraus spielte den Bach nämlich komplett auswendig. Das ist wahrlich nicht einfach in den Kopf zu bekommen! Kraus - das ist die wirklich gute deutsche Pianistenschule! Die Petrarca-Sonnette von Liszt würden mich natürlich besonders interessieren! :hello:


    Hallo Dr. Kaletha,


    Sehr interessant zu hören, daß auch Du DETLEF KRAUS im Konzert erlebt hast, und sogar mit dem Wohltemperierten Klavier! Und tatsächlich ist bekannt, und wurde mit allgemeinem Staunen registriert, daß dieser bereits mit 16 Jahren dieses schwierige Werk konzertreif beherrschte und mit 17 damit debütierte. Eine unglaubliche Leistung. Ebenso erstaunlich war seine New Yorker Einspielung von BRAHMS' Gesamtwerk in 4 Aufnahme-Zyklen, die dann auch wiederholt im amerikanischen Rundfunk gesendet wurden. Dieses Gesamtwerk spielte er bei seinen Auftritten in Tokyo, London und Berlin. Sehr populär wurde er im amerikanischen Fernsehen auch durch die Wiedergabe aller 32 BEETHOVEN-Sonaten. Sein Repertoire hatte eine unglaubliche Spannweite und reichte von BACH, HAYDN, BEETHOVEN, SCHUBERT, SCHUMANN, BRAHMS, LISZT bis hin zu den Zeitgenossen. Mit 85 Jahren trat er noch als Pianist und Lehrer in Österreich, Dänemark, Deutschland und Japan auf. Er veröffentlichte auch Schriften über BRAHMS und die Interpretation dessen Werke. Bei ihm kann man in der Tat von der guten deuschen Pianistenschule sprechen.


    Leider scheint es die Petrarca-Sonette, die er u. a. damals bei seinem Konzert in Bad Pyrmont spielte, nicht als Einspielung zu geben, zumindest konnte ich eine solche noch nicht auffinden. Leider!!


    Viele Grüße
    wok

  • Nun sind diese CD's bei mir eingetroffen, nachdem die Postgewerkschaft endlich ihren Streik beendet hat:




    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich habe vorhin aus dieser CD:



    die Moments Musicaux D.780 gehört. Mein Gott, welch ein zu Herzen gehender Vortrag, so entspannt, so präzise, so natürlich.
    Wie konnte man diesen großen Pianisten nur vergessen? Ich werde jedenfalls meinen Teil dazu beitragen, dass er, zumindest
    hier im Forum nicht vergessen bleibt.
    In dem Booklet zu dieser CD habe ich gelesen, dass Detlev Kraus 1944 zum ersten Mal den gesamten Beethovenschen Sonatenzyxklus
    aufgeführt hat und danach noch ca. 100 Mal, u. a. für das amerikanische Fenrsehen in Pittsburgh. Hat das überhaupt noch irgendein
    anderer Pianist gemacht? Wie unendlich bedauerlich, dass keinerlei Aufnahmen von diesen vielen Zyklen zur Verfügung stehen.
    Sind überhaupt welche gemacht worden?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Meiner nächtlichen Beschäftigung mit Dettlef Kraus habe ich es zu verdanken, dass ich die beiden Rondos op. 51 Nr. 1 und 2 von Ludwig van Beethoven endlich wieder mal gehört habe:



    Mir trat ein klares, natürliches Spiel entgegen, das verriet, dass der Pianist jede einzelne Note Beethovens ernst nahm und sie wunderbar spielte. Das Spiel hat mich so ergriffen, dass ich spontan die Noten bestellt und beschlossen habe, für die Rondos und eventuell auch für das Andante Favori WoO 57, das ja ursprünglich als Satz für die Waldsteinsonate vorgesehen war, einen eigenen Thread einzurichten und die mir zur Verfügung stehenden Aufnahmen zu besprechen und auch alle interessierten Taminos dazu einzuladen, sich daran zu beteiligen. Aber keine Angst, es werden keine 70 Aufnahmenw werden, wie bei der Appassionata.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Nun sind auch diese drei Brahms-CD's und die Schumann-CD bei mir eingetroffen:




    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).