Neben vielem anderen höre ich mich gerade durch die Streichquartette von Zemlinsky durch, die ich noch nicht gut kenne.
Nach klassischer Zählung hat er vier geschrieben, allerdings ist inzwischen ein "Nulltes" aufgetaucht, d.h. eine Studienarbeit. Ähnliches kennen wir von Arnold Schönberg. Nur das Brodsky Quartett hat dieses Quartett m.W. bisher eingespielt. Deren GA kenne ich allerdings nicht. Ich höre mich gerade durch die sehr gute und kompetente Aufnahme des holländischen Schönberg Quartetts durch, die sich ja auf die Musik der 2. Wiener Schule spezialisiert hatten.
Zemlinsky's vier nummerierte Quartette decken praktisch seine gesamte kompositorische Entwicklung ab.
Streichquartett Nr. 1 A-Dur op. 4 (1896; UA Wien 1896)
Streichquartett Nr. 2 op. 15 (1913–15; UA Wien 1918)
Streichquartett Nr. 3 op. 19 (1924; UA Leipzig 1924)
Streichquartett Nr. 4 (Suite) op. 25 (1936; UA Wien 1967)
Die ersten drei Quartette wurden noch zu Lebzeiten des Komponisten aufgeführt, das letzte dann erst 1967. Die Wiederentdeckung dieses Kammermusikschaffens ist vor allem ein Verdienst von Walter Levin, der mit seinem Quartett die erste GA bei der DGG zu verantworten hat. Ursprünglich wollte das dort niemand aufnehmen, weil man glaubte, der Flop sei vorprogrammiert. Aber der unerwartete Erfolg der Kassette mit den Quartetten der 2. Wiener Schule führte dann zum Einlenken. Besonders vehement wehrte sich der amerikanische DGG-Ableger und sagte voraus, von der Einzel-LP mit dem 2. Quartett in den USA keine 10 Exemplare verkaufen zu können. Ende des Jahres war die Platte dort auf Platz 2 der Jazz- und Klassik-Hitparade. Warum, weiss bis heute niemand, es war die mit Abstand meistverkaufte Platte des Quartetts. Levin erzählt in seinem Buch, dass es Jazzläden in New York gab, die eine ganze Wand nur mit dieser Platte dekoriert hatten.
Das ist wirklich erstaunlich, denn so ganz leicht verdaulich ist dieses auch lange 2. Quartett nun nicht. Während das erste noch klar ein Nachklang der Romantik speziell der Musik von Brahms ist, ist das 2. schon deutlich avancierter, vielleicht vergleichbar mit dem 1. von Schönberg, dass einige Jahre zuvor entstanden war. Den Schritt zur Atonalität vollzog Zemlinsky nicht, aber an einigen Stellen, ist sein 2. schon recht dissonant. Daneben gibt es aber zauberhafte lyrische Passagen, die eher an die "Verklärte Nacht" von Schönberg erinnern.
Beide Quartette sind wunderbare Musikstücke, die nach wie vor zu selten auf dem Konzertplan stehen, auch wenn es inzwischen genügend sehr gute Aufnahmen gibt: Lasalle Q, Artis Q, Escher Q auf Naxos und eben Schönberg Q auf Chandos.
Ich habe auf Vinyl die von Lasalle und dann eben die Schönberg-Aufnahme.
G. Schubert in FonoForum 11 / 02: "Dass das Schönberg- Quartett sich dieser Werke engagiert annimmt, war zu erwarten. Es spielt die Werke jedoch nicht nur technisch makellos, sondern mit einer überwältigenden Ausdrucksdynamik, die dieser Musik einzigartige Züge gibt. Das ist ein Zemlinsky-Plädoyer, das zweifellos Wirkungen zeitigen wird."