Beethoven: Klaviersonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3, CD-Rezensionen und Vergleiche (2015)

  • Einführungstext zur Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3


    Die Sonate ist die Dritte mit der Opuszahl 10 und ist wie die beiden anderen der Gräfin Anna-Margarete von Browne gewidmet. Sie entstand ebenfalls zwischen 1796 und 1798.
    Sie hat 4 Sätze und gehört ebenfalls zu den Längeren:


    1. Satz: Presto, D-dur, 4/4-Takt alla breve, 344 Takte (m. Wh. der Exposition + 127 T. = 471 Takte);
    2. Satz: Largo e mesto, d-moll, 6/8-Takt, 87 Takte;
    3. Satz: Menuetto/Trio Allegro, D-dur/G-dur, 3/4 Takt, 86 Takte (m. Wh. + 54T. + Menuetto Da Capo + 54 T. = 162 Takte);
    4. Satz: Rondo Allegro D-dur, 4/4-Takt, 113 Takte


    Gesamtlänge: 630 (833) Takte;


    Die Sonate hat im Gegensatz zu den beiden f-moll-Sonaten op. 2 Nr. 1 und op. 57 sowie der A-dur-Sonate op. 2 Nr. 2 im Kopfsatz "konventionelle" Wiederholungsvorschriften, d. h. im Kopfsatz wird nur die Exposition wiederholt.
    Dafür hat sie ähnlich wie die Sonate Es-dur op. 7 eine ausladende Exposition, die ebenfalls Durchführungselemente beinhaltet, wie weiter unten noch vorgetragen wird. Demzufolge ist auch hier die Durchführung verkürzt. Am längsten ist jedoch die Reprise mit 143 Takten, der eine 17-taktige Kurzcoda folgt.
    Die Sonate ist trotz des gewaltigen Kontrasts des zweiten Satzes ein sehr agiles, mitreißendes Stück Musik und durchaus virtuosen Elementen, jedoch auch in entspanntem Legato fließenden Abschnitten, wie ich im April live in einem Recital in Köln durch Grigory Sokolov erleben konnte und weshalb ich diese Sonate auch jetzt auf die Agenda gesetzt habe.
    Zitat: Und warum wirkt die D-dur-Sonate op. 10 Nr. 3 so lebendig unverwechselbar? Vielleicht darum, weil der erste Satz keinerlei Differenz mehr erkennen lässt zwischen relativ neutralem, konventionellem Material und spezifisch Beethovenscher Gebärde. Prestoenergie und ein Einheit stiftendes Konstruktionsgeheimnis prägen den Kopfsatz. Das large e mesto ist große, schwarze Bekenntnismusik, ein manchmal melancholisch fahles, manchmal grell auffahrendes, zum Phantasietrauermarsch sich verdichtendes Stück, etwas Neues in der Geschichte der Sonate. Dem Menuett glückt es fast, die Largoverzweiflung in milde, flüchtig süße Empfindsamkeit zu transponieren. Menuett-Trio und das geistvoll mutwillig bunte Rondo setzen der expressiven Kraft der ersten beiden Sätze zarten, bizarr verspielten Esprit entgegen. Keine Apotheose". Zitat Ende


    Das Largo e mesto gehört m. E. zu einer zweiten Gruppe von langsamen Sätzen, die nach den beiden gigantischen Adagios aus der Hammerklaviersonate: Adagio sostenuto und der Arietta aus der Sonate Nr. 32 folgen.
    Dazu zähle ich das Largo con gran espressione aus der Sonate Nr. 4, das Adagio aus der Sonate Nr. 3, das Adagio molto aus der Sonate Nr. 5, das Adagio con molto espressione aus der Sonate Nr. 11 sowie das Adagio grazioso aus der Sonate Nr. 16 und das Adagio aus der Sonate Nr. 17. Interessant ist, dass diese langsamen, ausladenden Sätze schon in dieser Häufung in den frühen Sonaten auftauchen.


    Die einzelnen Sätze sind wie folgt unterteilt:


    Erster Satz:
    Exposition: Takt 1 bis 127 (127 Takte)
    Durchführung: Takt 128 bis 183 (56 Takt)
    Reprise: Takt 184 bis 326 (143 Takte)
    Coda: Takt 327 bis 344 (17 Takte)



    Zweiter Satz:
    Takt 1 bis 8= dicht, dunkel; (8 Takte)
    Takt 9 bis17= hell, transparent; (9 Takte)
    Takt 18 bis 25= dicht, dunkel; (8 Takte)
    Takt 26 bis 29= hell, transparent; (4 Takte)
    Diesen ganzen ersten Abschnitt könnte man auch als expositionsartig bezeichnen.
    Takt 30 bis 43= durchführungsartig; (14 Takte)
    Takt 44 bis 64= reprisenförmig; (21 Takte)
    Takt 65 bis 87= Coda (23 Takte)


    Dritter Satz:
    Allegro I: Takt 1 bis 16; (16 Takte)
    Allegro II: Takt 17 bis 54; (38 Takte) Allegro I und II werden wiederholt.
    Trio: Takt 55bis 86; (32 Takte)
    Menuetto Da Capo: Takt 1 bis 51 (54 Takte)


    Vierter Satz:
    Allegro: 1. Motiv mit Schlusswendung, Takt 1 bis 8 (8 Takte)
    Überleitung mit Thema ( Erster Zwischensatz): Takt 9 bis 16 (8 Takte)
    Zweiter Teil des Zwischensatzes: Takt 17 bis 32 (16 Takte)
    Zweiter Zwischensatz: Takt 33 bis 45 (13 Takte)
    Wiederholung Hauptthema: Takt 46 bis 55 (10 Takte)
    Dritter Themaauftritt: Takt 56 bis 83 (28 Takte)
    Vierter Themaauftritt: Takt 84 bis 99 (16 Takte)
    Coda: Takt 100 bis 113 (14 Takte)


    Wir sehen also, dass die 7. Sonate so gebaut ist, dass es gar nicht so einfach ist, sich da durch zu wurschteln. Aber, wie heißt es doch so schön:
    Mit Musik (und Noten) geht alles besser.
    Wie sagt Jürgen Uhde doch am Ende des Schlusskapitels seiner Ausführungen so schön:
    "...Somit kann op. 10 Nr. 3 als sehr bedeutendes Werk, als eine Art Chef d'oeuvre gelten".


    (Quellen: Jürgen Uhde, S. 191 bis 222, Joachim Kaiser, S. 140, Wikipedia)


    Viel Spaß mit dieser prachtvollen Sonate!


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Im Einführungstext ist mir im ersten Teil ein Fehler unterlaufen.


    Es muss natürlich bei der Addition der Takte in Nr. 3 heißen:


    3. Menuetto/Trio Allegro, D-dur/G-dur, 3/4- Takt, 86 Takte (mit Wh: + 54 T. + Menuetto Da Capo + 54 T. = 194 Takte). Es fehlte in der Gesamtzahl das Trio (32 Takte). Eine Freudsche Fehlleistung, sorry).


    Dann muss es heißen:


    Gesamtlänge: 630 (865 Takte).


    Liebe Grüße


    Willi :hail:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    die Sonate op. 10 Nr. 3 mag ich ganz besonders! :) Erlebt habe ich sie im Konzert mit Emil Gilels und dann später auch mit Vladimir Ashkenazy. Zwei ganz besondere Ereignisse. Zum Glück gibt es einen Konzertmitschnitt von Gilels (BBC) aus dem Jahr, wo ich ihn in Düsseldorf noch erleben durfte (sein letzter Solo-Klavierabend dort). Beide begannen den Abend mit dieser Sonate - unterschiedlicher konnte der Konzertauftakt aber nicht sein. Gilels "stürzte" sich in den Beethoven regelrecht hinein (die Oktaven zu Beginn sind ja auch eher eine Bewegung als ein festgefügtes Thema). Ganz anders Ashkenazy. Er betrat das Podium der Düsseldorfer Tonhalle mit seinem typischen Outfit - weißer Rollkragenpulli und blauer Bläser. Er machte seine eckigen Verbeugungen, die immer etwas komisch wirken. Er ist ja sehr klein! Dann aber passiert das Unglaubliche. Er nimmt am Flügel Platz und setzt die Oktaven zu Beginn mit einer solchen unerhörten Konzentration und Tonschönheit in die Tasten, dass der große Saal auf einen Schlag in gebannter Stille erstarrte. So etwas habe ich bei keinem anderen Konzertauftakt erlebt. Ein wirklich magischer Moment! :) :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holgrer,


    von Gilels habe ich insgesamt drei Aufnahmen der 7. Sonate, und auch über Ashkenazy gibt es ja normalerweise keine zwei Meinungen. Für die heutige erste Besprechung habe ich mir allerdings Grigory Sokolov ausgesucht, der allerdings diese Sonate schon 1974 aufgenommen hat. Temporal hat sich kaum was geändert zur Live-Aufnahme dieses Jahres. Dennoch finde ich, und das habe ich jetzt schon bei vielen Pianisten kennengelernt, dass die wirklich Großen in jedem Konzert den "Ritt über den Bodensee" wagen und dass Sokolov dabei nicht einmal ein Risiko eingeht, denn er steht von seiner Pianistik her wie ein Fels in der Brandung. In meiner gleich folgenden ersten Besprechung werde ich noch das eine oder ander über mein Live-Erlebnis sagen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr.7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Grigory Sokolov, Klavier
    AD: 1974
    Spielzeiten: 7:02 - 11:49 - 3:02 - 3:56 -- 25:49 min.


    Grigory Sokolov trägt im Hauptsatz das zweiteilige Hauptthema, in den ersten vier Takten in Vierteln staccato und in den zweiten vier Takte legato, sehr klar und natürlich und im Legatoteil dynamisch leicht angehoben vor. Dann wiederholt er den zweiten Thementeil, variiert in äußerst kräftigen Achtelintervallen in der rechten Hand und ebenso kräftigen Viertel-Oktaven in der ganz tiefen Lage.
    Dann wiederholt er den ersten Teil, nun in Achtel-Oktaven in der rechten Hand, begleitet von Vierteloktaven in der linken Hand, in einem grandiosen Crescendo. Dabei führt Sokolov die beiden Fermaten in Takt 4 und 22 sehr akzentuiert aus, dass die aufwärts strebenden Viertel und in der Wiederholung Achtel wirklich wie Anläufe wirken.
    Den nun folgenden Abschnitt, ein "richtiges" 8-taktiges Thema mit den folgenden musikalischen Formen, hauptsächlich aus Achteln in der oberen und unteren Oktave bestehend , trägt er sehr agil, fast elegant vor und führt am Ende große dynamische Steigerungen und Abschwünge aus. Beendet wird dieser Abschnitt mit einem kraftvollen Triller in der oberen Oktave. Im nun folgenden, eher flüchtigen Thema, in dem die Fahrt wieder etwas herausgenommen wird, geht es ab Takt 71 in einen Abschnitt der bereits durchführungsähnliche Züge aufweist, ähnlich, wie Beethoven es auch in der Sonate Nr. 4 gemacht hat. Dieser Abschnitt ist weitgehend im Legato in kleinen Vierergruppen angeordnet, sich zu Sforzandoketten ausbauend und in einem machtvollen Crescendo in Sforzando- und fortissimo-Akkorden endend.
    Die sich unmittelbar anschließende Schlussgruppe ab Takt 94 mit Auftakt gestaltet Sokolov dynamisch, aber auch temporal äußerst kontrastreich, wiederum größtenteils im Legato. Die Funktion der Fermate übernimmt hier ein Pausentakt (124), nach dem die Exposition wiederholt wird (sicherlich nicht von Wilhelm Backhaus). Am Ende der Wiederholung sind drei überleitende Takte angefügt, bevor die Durchführung beginnt.
    Die Durchführung ist wie in der Sonate Nr. 4 recht kurz und misst ohne die überführenden Takte nur 53 Takte. Sie ist dynamisch sehr hochstehend, und Sokolov spielt sie mit äußerster dynamischer Konsequenz, meistens im Fortissimo, wobei er am Ende die Sforzandi in den Riesenintervall-Sprüngen beinahe explosionsartig hervortreten lässt hervor treten lässt, ein verschwenderischer Umgang mit der Dynamik, der von Beethoven durchaus so gewollt war und von Sokolov kongenial umgesetzt wird. Als er das in Köln 41 Jahre nach der Plattenaufnahme genauso, ja vielleicht angesichts des Livemoments, noch etwas eindringlicher spielt, ist das Publikum am Ende der Sonate kaum noch zu halten, und das zu Recht.
    In der Reprise ist es, wie so oft bei Beethoven, dass die musikalischen Figuren nicht eins zu eins wiederholt, sondern durchaus auch variiert werden. Und der dynamische Furor und die Spannung nehmen noch zu. Schon im Thema lässt Sokolov in der ganz tiefen Bassoktave sich bedrohlich steigern. Auch den nächste hochdynamischen Abschnitt, der aus dem durchführungsartigen Teil der Exposition stammt, wiederholt Sokolov mit machtvollen Ganzen-Oktaven (Takt 268 bis 271, dann Dreiviertel- und Vierteloktaven, ebenfalls mit Fortissimo), bevor noch einmal die Schlussgruppe auftaucht mit ihren vielfältigen dynamischen Kontrasten und unterschiedlichen musikalischen Figuren (ab Takt 275 mit Auftakt) und nach einer langen Sforzandokette abgeschlossen wird von der leise beginnenden, dann lange crescendierenden und in die ganz hohe Oktave aufsteigenden Kurzcoda, die von Sokolov wie der ganze Satz grandios vorgetragen wird.


    Das Largo e mesto nimmt Sokolov getreu der Satzbezeichnung sehr breit und wirklich erschütternd traurig, wobei er etwas lauter beginnt als vorgeschrieben, was aber die Wirkung noch erhöht, und ab Takt 4 spielt er die dynamischen Akzente aus und ist bei den Portatonoten in Takt 5 bei einem berückenden Piano, wobei bei ihm die musikalische Dichte der teilweise achtstimmigen Akkorde, die er aber in Takt 8 gebrochen spielt, diesen dunklen traurigen Eindruck noch verstärken.
    Dementsprechend groß gestaltet er auch den stimmungsmäßigen und klanglichen Kontrast des ersten transparenten und hellen Abschnittes, der durch die von Beethoven häufig angewendete Oktavierung (in Takt 15 und 16) noch verstärkt wird.
    Im zweiten dicht/dunklen Abschnitt ab Takt 18nimmt die dynamische Höhe und Dramatik zu, besonders deutlich an den drei ffp-Akkorden in Takt 23 und 24, die Sokolov im Konzert noch markerschütternder setzte als in dieser Aufnahme, aber immerhin hatte ich mich ja bis in Reihe 2, Mitte vorgewagt, und da bekam ich natürlich die volle Breitseite ab, aber eben auch die volle emotionale Wirkung- eine grandiose Schlüsselstelle, die sich aber am Ende der Reprise (Takt 62 und 63) wiederholt.
    Der kurze, nur viertaktige zweite helle, transparente Abschnitt schließt den expositionsartigen ersten Teil des Largos ab und macht ab Takt 30 dem durchführungsartigen Teil Platz.
    Hier taucht am Anfang ein neues choralartiges Thema auf, das friedlichere Zeiten verheißt. Doch schon nach vier Takten macht der fünfte mit einem kräftigen Crescendo diese Hoffnungen schon wieder zunichte, den ab Takt 35 fährt ein düster dräuendes schwer schreitendes Fortissimo dazwischen (die ersten 9 Takte der Durchführung sind komplett im Bass notiert), das sich allerdings in Takt 36 und ab Takt 38 bis 40 mit einem wieder "helleren" Thema abwechselt und in einem "Smorzando" (so ähnlich wie "Morendo" = verlöschend, vergehend, ersterbend) und anschließenden f und Decrescendo endend. Von Sokolov ist das absolut überragend gespielt.
    Die Reprise ist verkürzt, wobei der erste dichte, dunkle Teil 8 Takte misst, der zweite, helle jedoch verkürzt ist,. Er beginnt sofort mit dem oktavierten Thema und hat demzufolge nur 4 Takte. Der zweite dicht Abschnitt hat 9 Takte und ist tiefer transponiert als die entsprechende Stelle aus der Exposition. Hier tauchen am Ende die drei ffp-Akkorde wieder auf, von Sokolov abermals äußerst kraftvoll mit greller Schärfe gespielt.
    Nun folgt die Coda, in der die ersten 11 Takte (65 bis 75) in der rechten Hand zuerst aus Zweiunddreißigsteln (4 Takte), dann gemischt mit Vierundsechzigsteln (2 Takte), dann Vierundsechzigstel (1 Takt) und abschließend Zweiunddreißigsteln (4 Takte) besteht. Dadurch wird in der oberen Oktaven in den Takten 65 bis 71 der Eindruck einer permanenten Tempoverschärfung erweckt mit ständigem Anstieg von der Bassoktave bis in die ganz hohe Oktave- ein unglaublicher Effekt, von Sokolov abermals grandios gespielt, während ab Takt 72 eine Verlangsamung eintritt und die Linie wieder Absteigt von der hohen Oktave in den Bass. Der dramatische Anstieg ist durch die Gegenbewegung zum Erliegen gekommen. Die letzten zwölf Takte mit moderaten dynamischen Akzenten sind in der Art eines Morendo gesetzt und gestatten einen Rückblick auf das Thema, von Sokolov abermals überragend gespielt.


    Das Menuetto Allegro spielt Grigory Sokolov im ersten Teil in vollkommener Entspannung. Das ist wunderbarer Gesang. Auch den zweiten Teil, der im Bass beginnt, und über eine dreifach oktavierte Figur nach oben zum Staccato-a'' und einen berauschenden Triller führt, hält er trotz der dynamischen Erhebungen in diesem pastoral anmutigen Rahmen. Auf das ff in Takt 31 verzichtet er allerdings zu Gunsten seines dynamischen Gesamtkonzeptes, wie ich finde, aus gutem Grund.
    Das Trio ist allerdings dynamisch hochstehender, ist aber, wie auch der zweite Menuetto-Teil, nicht so bedeutungsvoll wie der himmlische erste Teil des Menuettos. Es ist alt nur ein Trio, und Sokolov spielt es grandios, wobei besonders die riesigen Intervallsprünge der Forte-Oktaven ab Takt 62/63 beeindrucken. Grigory Sokolov wiederholt natürlich das Menuetto Da Capo.


    Das Rondo Allegro ist ähnlich vielteilig wie dasjenige aus der Sonate Nr. 2. Grigory Sokolov beginnt es ähnlich vorwärtsdrängend wie den Kopfsatz. vor allem beeindruckt im ersten Zwischensatz ab Takt9 die scheinbare Tempoverschärfung durch die Sechzehntel zuerst in der unteren und dann in der oberen Oktave. Auch die dynamischen Kontraste sind nach wie vor enorm. Im zweiten Zwischensatz nimmt er das Tempo wieder auf und spielt rauschend die großen Legatobögen. Der hochdynamische, aber helle Satz setzt sich auch im zweiten Zwischensatz ab Takt 33 fort, wobei die großen, sprunghaften Intervalle auffallen. Nach einer energischen Hatz in den Sechzehnteln in den Takten 41 bis 44, von Sokolov kongenial umgesetzt, folgt ab Takt 46 mit Auftakt, die Wiederholung des Hauptthemas, der fast wie ein Vorspiel zum neuerlichen Themenauftritt wirkt und mit einem Riesenbogen über vier Takte aus der tiefen Oktave und ein Crescendo in die zweite Themenwiederholung führt. Auch hier verändert sich die musikalische Struktur wieder und führt in einen Abschnitt, den ich früher schon so grandios fand, die Unisono-Terzen ab Takt 74 auf der Zwei zu Sexten erweitern und in Takt 79 auf der Zwei zu Septimen. Welch eine kinetische Energie steckt in dieser Passage und ihrer Umsetzung durch Sokolov. Diese Abschnitt hat m. E. fast durchführungsartige Züge. Jedenfalls ist es eine grandiose Passage ein einem grandiosen Satz. Auch die nächsten vier Takte, die an den vierten themenauftritt anschließen, sind eigentlich mehr als eine Überleitung. Sie halten diese Passage auf dem hohen temporalen und dynamischen Impetus.
    Im vierten Themenauftritt ab Takt 84, in dem sich wieder die musikalischen Strukturen vor allem in der Begleitung ändern, was Sokolov vollkommen organisch abbildet und nach dem "Anlauf" auf die Anhöhe der Fermate das höchst kontrastreiche Spiel mit weiteren Änderungen in der musikalischen Faktur fortsetzt, erreicht er in Takt 100 mit der Coda einen typisch Beethovenschen Geniestreich: ein fast maschineller Ablauf, aber mit welch genialen Hebungen und Senkungen- und welch ein genialer Schluss.


    Diese Sonate gehört ganz sicher zu den großen in seinem Sonatenoeuvre, und sie hat in Grigory Sokolov sicherlich einen grandiosen Interpreten gefunden, und das nicht erst seit Neuestem, denn die vorliegende Aufnahme hat er ja, wie schon gesagt, schon vor 41 Jahren gefertigt.
    Weil die Sonate so viel zu sagen hat und auch über den nötigen Umfang verfügt, ist auch diese erste
    Besprechung so lang ausgefallen. Die weiteren werden hoffentlich kürzer.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Zitat

    William B.A.: Von Gilels habe ich insgesamt drei Aufnahmen der 7. Sonate...


    Lieber Holger,


    ich habe die Aufnahmen nochmal nachgesehen. Interessanterweise sind alle drei Aufnahmen innerhalb von gut 4 Wochen 1980 entstanden. Interessant sind die Satzzeiten, deswegen führ ich sie hier mal mit auf:


    1. Berlin, 9/1980:............... 6:58 - 10:49 - 2:49 - 4:14 -- 24:50 min.;
    2. Ludwigsburg: 21. 9. 1980: 7:07 - 9:47 - 2:49 - 4:16 -- 23:49 min.;
    3. Moskau 1980:.................. 6:54 - 9:05 - 2:46 - 3:53 -- 22:38 min.;


    Bei den Zeiten des Menuettos ist ja nun gar nichts einzuwenden, und auch die Ecksätze sind im Rahmen, aber beim Largo gibt es die großen Unterschiede, zwischen Moskau und Berlin immerhin 1 3/4 Minuten, und kürzen kann man da nicht. Woran also lag es? Bei Sokolow sind die Unterschiede ziwschen der Aufnahme von 1974 und dem Livekonzert von 2015 marginal, beim Kopfsatz, Menuetto und Rondo faktisch nicht vorhanden, lediglich das Largo spielt er in Köln etwas rascher als 41 Jahre zuvor in der Aufnahme, aber auch nur eine gute halbe Minute. Allerdings war auch Gilels live schneller als im Studio, aber die Unterschiede waren größer.
    Intersssant wäre ja auch, von dir zu erfahren, wie Gilels Zeiten in Düsseldorf waren, oder ist das BBC-Konzert noch ein anderes. Ich ahbe auch eine BBC-Aufnahme von ihm, allerdings mit der Waldstein-Sonate.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Intersssant wäre ja auch, von dir zu erfahren, wie Gilels Zeiten in Düsseldorf waren, oder ist das BBC-Konzert noch ein anderes. Ich ahbe auch eine BBC-Aufnahme von ihm, allerdings mit der Waldstein-Sonate.

    Lieber Willi,


    das Gilels-Konzert in Düsseldorf ist über 30 Jahre her! :D Er begann mit op. 10 Nr. 3, dann folgten die Eroica-Variationen. Er spielte außerdem "Les Adieux" und dann zum Schluß op. 90. Es könnte 1980 gewesen sein. Ich muß mal schauen, ob ich das alte Programm noch habe in meiner speziellen Kiste. Einige von den alten habe ich aufbewahrt!


    Die BBC-Aufnahme ist vom 20. November 1980 Sheltenham Town Hall. Er spielt dort zu Beginn wie in Düsseldorf op. 10 Nr. 3 und dann die Eroica-Variationen. Danach gibt es noch ein atemberaubendes Programm mit Scriabin und Ravel - "Alborada del gracioso" ist wirklich unglaublich und belegt eindrucksvoll, dass Gilels sehr viel Sinn auch für die dämonischen Seiten von Musik hatte. Das ist eine der CDs, die man als "Original" unbedingt im Schrank stehen haben muß!



    Interessant sind die Zeiten:


    1. Presto 7.16
    2. Largo e mesto 9.24
    3. Menuetto: Allegro 2.52
    4. Rondo-Allegro 4.20


    Wenn die Zeitangaben von der Moskauer Aufnahme, aus Ludwigsburg und aus Berlin stimmen, dann sind das erstaunlich große (die Mitschnitte sind tatsächlich alle aus demselben Jahr 1980, ein seltener Fall!) Abweichungen. Bei Gilels gibt es auch das andere Extrem. Ich habe zwei Mitschnitte von Chopins op. 35, da spielt er den ersten Satz trotz Jahren Abstandes dazwischen auf die Sekunde genau im selben Tempo! Sehr spannend, den Gründen dafür nachzugehen. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Ich werde es bei der Besprechung dann ja genau merken, wie lang die Sätze sind und ob man die Unterschiede hören kann. Bis dahin wird die BBC-Aufnahme auch bei mir sein, so dss Gilels dann vierfach in meiner Sammlung ist (natürlich mit diser Sonate). Schönen Dank übrigens für die Satzzeiten. Die BBC-Aufnahme war dann ja wohl die letzte aus 1980.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: 1958-59
    Spielzeiten: 6:46 - 10:17 - 2:54 - 3:56 -- 23:53 min.;


    Auch Claudio Arraus Spiel ist schon in dieser ersten Stereoaufnahme von 1958/59 sehr klar und die Umsetzung der Partitur wie immer ein Gedicht. Er ist etwas schneller als Sokolov und dynamisch auch sehr überzeugend, auch wenn er im ersten Forte (Takt 11ff mit Auftakt). Sein Crescendo am Ende des Hauptsatzes ab Takt 18 ist ebenfalls sehr überzeugend und endet in drei veritablen Fortissimo-Akkorden.
    Auch das folgende "richtige" achttaktige Thema mit seinen Erweiterungen trägt er in seinem natürlichen Spiel sehr fließend vor mit kräftigen Sforzandi am Ende und nach dem Decrescendo in der Gegenbewegung ab Takt 49 ein schönes Crescendo mit dem abschließenden Triller.
    Das zweite Thema spielt er sehr alert, wobei ihm die raschen Wechsel zwischen Staccato und Legato ganz organisch von der Hand gehen. Auch Arrau betrachtet ja die Virtuosität nicht als Selbstzweck, sondern als willkommenes Mittel, um sein Ziel möglichst nahe an der Vollkommenheit zu erreichen. Den nächsten, durchführungsartigen Abschnitt vor der Schlussgruppe spielt er wieder dynamisch sehr kontrastreich zwischen den Piani und den Sforzandi, die er stark akzentuiert, und ab Takt 86 lässt er ein famoses Crescendo folgen.
    Auch in der Schlussgruppe besticht seine Dynamik, in der er die beiden Blöcke; das Crescendo mit dem Fortissimo-Abschnitt und den folgenden reinen Legatoabschnitt im Pianissimo natürlich gegenüberstellt. Natürlich wiederholt auch er die Exposition.
    Zu Beginn der kurzen Durchführung, die trotz ihrer Kürze dynamisch eine weitere Steigerung bedeutet, stellt er im ersten Aufwärtsgang der Oktaven den Unterschied zur Exposition schon mit einem kraftvollen Fortissimo auf der Fermate heraus. Auch das folgende Wechselspiel zwischen Achteln und Vierteln in der oberen und unteren Oktave mit dem zumeist im ff-Modus befindliche Dynamiklevel spielt er grandios und beendet auch diesen Abschnitt mit einer machtvollen Fermate.
    Auch in der Reprise hält er nicht nur das dynamische Niveau, sonder geht hier und da noch darüber hinaus, wodurch auch die zahlreichen , sich teilweise blockförmig gegenüberstehenden dynamischen Kontraste noch zunehmen, z. B. Takt 294 bis 298 cresc-forte--ab Takt 299 mit Auftakt pp und ab Takt 318 mit Auftakt wieder dynamisch ansteigende Sforzandokette bis zur Kurzcoda, die noch einmal dynamisch das ganze Spektrum aufweist von pp bis ff, wobei auch er das machtvolle Schlusscrescendo hinreißend spielt.


    Das Largo e mesto spielt Arrau schneller als Sokolov, aber in dem dicht/dunklen ersten Abschnitt dynamisch sehr sorgfältig und von der Stimmung her dunkel bis düster. Und welche musikalische Tiefe und von innen leuchtende Schönheit entfaltet er im ersten transparent/hellen Teil- grandios!
    Im zweiten dichten Teil schiebt er die dynamische Grenze weit nach oben, Zwar spielt er die drei Fortissimo-Piani nicht ganz so markerschütternd wie Sokolov, aber beklemmend sind sie allemal.
    Der kurze zweite helle Teil verbleibt stimmungsmäßig im Moll und Arrau betont dies auch.
    Im nächsten durchführungsartigen Abschnitt spielt Arrau wieder sehr ausdrucksstark und im Crescendo ab Takt 34 erreicht auch er markerschütternde Fortissimi, die herrlich mit den hohen Zweiunddreißigsteln kontrastieren. Sein Smorzando ist atemberaubend.
    Die Reprise gestaltet er zu Beginn tieffinster, dynamisch sehr pointiert und, wie schon in der Exposition, die sechs Portatoachtel (Takt 48) im Pianissimo und den anschließenden verkürzten hellen Abschnitt, in dem das Thema nur in der hohen Oktave gespielt wird, ist atemberaubend gespielt. Auch im letzten dunklen Abschnitt der Reprise spielt Arrau wieder dynamisch äußerst hochstehend, und was an den drei ffp an letztem Sokolovschem "Wumm" fehlt, gleicht er durch die grelle Tongebung wieder aus.
    Die wundersame Coda spielt auch er rauschend berauschend, wobei der Höhepunkt zweifellos der Takt 71, wonach die Bewegung langsam zurück und noch ein Fortepiano und ein Forte auftauchen, sowie zwei Rinforzandi, und dann kommt das Ganze zum Stehen.


    Das Menuetto spielt er im ersten Teil in natürlichem pastoralen Ton, nur unwesentlich schneller als Sokolov. Im zweiten Teil, der mehr als doppelt so lang ist, nimmt die Dynamik etwas zu aber Arrau versteht es, das pastorale Gesamtgebilde zu erhalten.
    Im Trio mit den bis auf zwei Ausnahmen in der Begleitung durchlaufenden Achteltriolen, die humorvoll mit den Forte-Intervallen kontrastieren, setzt Arrau dieses entspannte fröhliche Musizieren fort.. Er spielt dann natürlich auch das Menuetto Da Capo.


    Im Rondo ist er temporal gleich mit Sokolov. Nach dem ersten Motiv geht auch bei Arrau die dynamisch äußerst kontrastreiche "Post ab". Auch in dieser frühen Aufnahme breitet er die musikalische Struktur schon wie ein offenes Buch vor dem Hörer aus, so klar ist der Klang.
    Im zweiten Zwischensatz ab Takt 33 entfesselt Arrau ein wahres Bassgewitter in der Begleitung.
    Auch er beeindruckt am Ende des Zwischensatzes mit den vier Legatobögen in den Takten 41 bis 44 vom Fortissimo über das Decrescendo bis zum Pianissimo- wunderbar. Sehr schön, etwas geheimnisvoll, gestaltet er den großen Legatobogen über 50 bis 54.
    Faszinierend spielt er die Unisonoakkorde von Takt 74 bis 79, die sich terrassenförmig höher schwingen. Auch den Übergang zum vierten Themenauftritt spielt Arrau dynamisch wieder mitreißend. Großartig ist der Aufschwung in Takt 92 bis 97 mit der abschließenden Zweiunddreißigstel-Bewegung in Takt 98.
    Auch das manchmal stockende Auf und Ab der Coda spielt er sicherlich so partiturgetreu, dass Beethoven seine helle Freude daran gehabt hätte.


    Ebenfalls eine herausragende Aufnahme, in der sich Arrau naturgemäß keine Freiheiten dynamsicher Art erlaubt, aber auch (oder gerade) das ist eine hohe Kunst, wenn man es so spielt wie Claudio Arrau.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Die D-Dur Sonate war ein Paradestück von Arrau, das er bis ins hohe Alter spielte. Es gibt zwei Live-Aufnahmen von ihm, bin schon gespannt, ob du sie besprechen wirst. Ich hatte das Glück, Arrau wenige Jahre vor seinem Tod einmal live zu erleben - unter anderem mit op. 10/3. Es war ein Erlebnis! Noch nie hatte ich diese ersten Akkorde so sinnhaft gehört. Und das Largo lotete er aus wie kaum ein anderer, da wagte niemand einen Mucks zu machen. Ich denke, dass op. 10/3 in seinem zweiten Zyklus zusammen mit op. 106 eine seiner besten Aufnahme ist. Freue mich schon auf Deine weiteren Besprechungen, Willi!


    Viele Grüße,
    Christian

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  • Du kannst dich darauf verlassen, lieber Christian, dass ich sie besprechen werde, denn ich habe nicht nur die drei Studio-Aufnahmen von ihm, 1958/59, 1964 und 1985, sondern auch diese beiden Live-Aufnahmen 1973 aus Schwetzingen und 1985 aus Santiago di Chile. Als nächste kommt wahrscheinlich Sonntag die Studio-Aufnahme von 1964 dran, denn morgen fahre ich nach Köln zum Konzert (Beethovenn KK5 mit Buchbinder, Sinf. Nr. 1 und 2 Stücke von Webern, alles mit dem WDR-Sinfonie-Orchester unter Jukka Pekka Saraste), und Samstag haben wir den zweiten Event meines Stammchores zum 125. Jubiläum. Da bin ich dann Sonntag Nachmittag wieder einsatzbereit.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo Willi,


    Apropos Aufnahmedaten generell: Ich wollte Dich schon immer einmal fragen, wo Du diese immer von jeder Aufnahme herbekommst. Zumindest früher stand kaum jemals auf einer LP das Aufnahmedatum, was ja so wichtig ist. Hast Du da einen Geheimtipp, wie man zu man den Daten auch der älteren Aufnahmen kommt?


    Gruß
    wok

  • Die D-Dur Sonate war eine Paradestück von Arrau, das er bis ins hohe Alter spielte.

    Lieber Christian,


    ich habe ihn sogar mit ihr in der Düsseldorfer Tonhalle erlebt - ich glaube 1986. Das habe ich wieder entdeckt, als ich vor einiger Zeit das alte Programmheft aus meiner speziellen "Kiste" fischte! :)


    Schöne gute Nacht Grüße
    Holger

  • Zitat

    wok:Apropos Aufnahmedaten generell: Ich wollte Dich schon immer einmal fragen, wo Du diese immer von jeder Aufnahme herbekommst. Zumindest früher stand kaum jemals auf einer LP das Aufnahmedatum, was ja so wichtig ist. Hast Du da einen Geheimtipp, wie man zu man den Daten auch der älteren Aufnahmen kommt?


    Lieber wok,


    bei den allermeisten Aufnahmen, um jetzt mal bei den Beethovensonaten zu bleiben, sind die Aufnahmedaten, zumindest das Aufnahmejahr, auf der Rückseite, manchmal auf der Vorderseite der CD-Schatulle vermerkt, meistens sogar die genauen Daten im Beiheft. Ich habe allerdings in meiner Beethoven-Sonaten-Sammlung einen Pianisten, bei dem ich beim besten Willen die Aufnahmedaten seiner Sonateneinspielungen nicht herausgefunden habe, und das ist John Lill, der bei seinen bisher von mir besprochenen Aufnahmen fast durchweg (mit) an der Spitze lag.
    Um nochmal in diesem Thread auf Claudio Arrau zurückzukommen, da liegen mit in der Tat nicht nur von den fünf Einspielungen der Sonate Nr. 7 alle Aufnahmedaten vor, sondern im Grunde genommen von allen seinen Aufnahmen. Da er sie früher überwiegend bei der Deutschen Philips, aber auch bei der EMI aufgenommen hat, sind die Aufnahmedaten eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sowie auch zumindest bei der Philips auch immer ein ausführliches Beiheft (Neudeutsch: Booklet).
    Schade nur, dass uns von der Sonate Nr. 7 keine Aufnahme von Jakob Lateiner vorliegt. Ich bin davon überzeugt, dass er mit seiner tiefen künstlerischen Ernsthaftigkeit und seiner mit Arrau vergleichcbaren Ansicht, die Partituranweisungen Beethovens auf jeden Fall zu befolgen, auch hier in diesem Thread in der Spitzengruppe gelandet wäre.


    Off topic: wenn die Aufnahmen von Detlef Kraus bei mir eingetroffen sind, werde ich sie mal nachhören und darüber in deinem Thread schreiben. Denn ich glaube, er hat es verdient, dass man ihn dem Vergessen entreißt. Detlef Kraus scheint mir nach Jakob Lateiner schon der zweite funkelnde Stern am Pianistenhimmel zu sein, den man bisher auf dem CD-Markt ziemlich übersehen hat, oder er hatte nicht die richtigen Berater, wie übrigens auch Jakob Lateiner.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: 9-1964
    Spielzeiten: 6:46 - 10:26 - 2:58 - 4:10 -- 24:20 min.;


    In der 4 bis 5 Jahr später entstandenen zweiten Stereoaufnahme ist Claudio Arrau im Presto gleich schnell und im Largo etwas langsamer. Auch im Menuetto herrscht Übereinstimmung. Im Rondo wiederum ist er etwas langsamer.
    Dynamisch ist sein Beginn im Hauptsatu durchaus vergleichbar mit seiner ersten Aufnahme, wobei er diesmal das erste Forte in Takt 11 mit Auftakt hier doch durchaus kraftvoll spielt. Auch die zweite Doppeloktav-Steigerung ab Takt 18 ist wieder grandios. Wie schon in der ersten Aufnahme akzentuiert er die Fermaten (Takt 4 und 22) besonders stark. Der Klang ist klar und transparent, und Staccato und Legato laufen problemlos nebeneinander her und ineinander, was auch im zweiten Thema ab Takt 53 noch mal schön deutlich wird. Auch hier ist die "Durchführung" in der Exposition rhythmisch fließend und dynamisch exzellent. Auch die Schlussgruppen mit den beiden dynamisch so unterschiedlichen Blöcken (Takt 94 bis 104 f-ff) und (Takt 105 bis 124) fügt er organisch aneinander.
    Selbstverständlich wiederholt er auch die Exposition. Auch unbedingt erwähnenswert ist, seine überaus starke Behandlung der Begleitung.
    In der grandiosen kurzen Durchführung klingen die ffp und ff-Akkorde wie dunkle Glockenschläge. Auch die großen Bassintervalle sind sehr akzentuiert und die Durchführung endet wieder auf einer kraftvollen Fermate.
    Auch die dynamisch eher noch gesteigerte Reprise spielt er sehr hochstehend und auch sehr kontrastreich. Auch rhythmisch ist sein Spiel hervorragend, wie wieder einmal in der langen Sforzandokette ab Takt 257 mit Auftakt sehr schön deutlich wird. Auch die sich gegenüberstehenden dynamischen Blöcke stellt er wieder vorbildlich gegenüber.
    Auch die zwar kurze aber intensivst gesteigerte Coda spielt er sehr organisch und dynamisch herausragend.


    Seine jetzige Lesart des Largo ist wieder im ersten dichten Teil erfüllt von dunklem Ernst und Trauer, dynamisch sehr exakt gespielt. Der gegenüberstehend erste lichte Abschnitt ist von erschütternder , erfüllender musikalischen Tiefe sowie dynamischem Kontrastreichtum.
    Im zweiten dunklen Abschnitt steigert er den dramatischen Impetus weiter und in die drei ffp-Akkorde bringt er nun eine dynamische Steigerung, verbunden mit zunehmender Grellheit und Schärfe der Akkorde, hinein. Der kurze zweite transparente Abschnitt lichtet das Geschehen ein wenig, bleibt aber im Moll und leitet zum Durchführungsteil.
    Diesen lässt er im ersten Teil in der Begleitung wunderbar wie tiefe Glockenschläge erklingen und vor der Zweiunddreißigstel-Passage in einer machtvollen Steigerung ausklingen. Diese lässt er, wie ich meine, etwas rascher laufen, auch im Smorzando, das er mit einem kräftigen dynamischen Kontrast beendet, indem er die Dreierfigur aus Takt 42 (pp) in Takt 43 mit einem f/ff gegenüberstellt und in den reprisenförmigen Teil überleitet.
    In der Reprise steigert er die Dynamik weiter und spielt nach dem bewegten dunklen Teil eine sehr anrührende transparente Antwort, die sofort in der hohen Oktave stattfindet. Auch hier arbeitet er wieder wunderbare Kontraste heraus. Wiederum sind die drei ffp-Akkorde nicht ganz so explosiv wie bei Sokolov, aber äußerst scharf und grell.
    Die Zweiunddreißigstel-Sextolen in der Coda, die in den zwischenzeitlichen Vierundsechzigsteln zu Septolen werden, entwickelt er wieder eine wunderbar dunklen Klang, der durch den Aufstieg in der Oktave langsam heller wird., bevor die Zweiunddreißigstel wieder nach unten wandern und er im letzten Abschnitt diesen grandios gespielten Satz in mäßiger dynamischer Bewegung langsam zum Stillstand bringt.


    Das Menuetto beginnt er in einem durchaus vernehmbaren Piano, fast mp, wieder im pastoralen heiteren und klaren, natürlichen Ton, im zweiten Abschnitt dynamisch wieder kräftig zunehmend, aber in der Stimmung gleich bleibend.
    Das durchaus hochdynamische Trio ist in der Stimmung m. E. durchaus ähnlich dem dritten Satz aus der Sinfonie Nr. 6, im Gegensatz zu der Stimmung der dort vorausgegangenen Sätze. Auch hier ist alles dynamisch und rhythmisch wieder hervorragend. Dann folgt das Menuetto Da Capo.


    Im Rondo ist er etwas langsamer als in der ersten Aufnahme und auch als Sokolov. Ansonsten lässt er es im ersten Zwischensatz ab Takt 9 auch agil sausen, bestes Legatospiel! Nach der Wiederholung des ersten Motivs geht es im zweiten Zwischensatz wieder in eine Richtung: nach vorne, auch hier wieder hervorzuheben: die vier hochtemporalen Legatotakte 41 bis 44. und im zweiten Themenauftritt der große Legatobogen 50 bis 54. Sehr souverän gestaltet er auch den dritten Themenauftritt ab Takt 56 über die treibenden Sechzehntel in die faszinierenden Achtelterzen, Sexten und Oktaven (Takt 74 bis 79 übergehen, die sich dann ab Takt 80 in auf- und ab führende Sechzehntelfiguren verwandeln, von Achteln mit großen Intervallsprüngen.
    Der vierte Themenauftritt, wieder mit kleinen Varianten in den musikalischen Figuren, wird von Arrau wieder höchst kontrastreich vorgetragen, hin zur großen Steigerung zum Fortissimo vor der Coda- grandios!
    Dann die Coda, ich weiß beim besten Willen nicht, welche besser ist, auch diese ist wieder grandios gespielt, wie die ganze Sonate.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: 20. 5. 1973
    Spielzeiten: 6:54-11:12-2:56-3:44 -- 24:46 min.;


    Claudio Arrau nimmt in dieser Live-Aufnahme 1973 in Schwetzingen den Kopfsatz geringfügig schneller als Sokolov, aber etwas langsamer als in der Studioaufnahme von 1964. Dynamisch wie rhythmisch ist er wie immer sehr partiturgetreu. Sein klares und ausdrucksstarkes Spiel besticht auch hier.
    Das zweite Thema spielt er sehr verhalten in schönem Piano. Wie aus dem "durchführenden" Teil der Exposition hervorgeht, scheint diese Aufnahme nicht so hoch ausgesteuert zu sein wie die Studioaufnahmen. Aus dem Grund sind die beiden letzten dynamisch sich diametral gegenüberstehenden Blöcke nicht so kontrastreich wie in den Studioaufnahmen, wenngleich auch diese sehr fließend und ausdrucksstark vorgetragen sind. Natürlich wiederholt Arrau auch hier die Exposition.
    Auch hier legt er in der kurzen Durchführung dynamisch noch etwas zu. Auch hier ist wieder zu erkennen, wie präzise sein Staccatospiel sich mit dem Legatospiel abwechselt.
    Die Reprise spielt er auch dynamisch sehr hochstehend und kontrastreich. Es sei auch noch einmal bemerkt, wie genau er die strukturierenden Sforzandi setzt. Auch die beiden dynamischen Blöcke in der Schlussgruppe setzt er wieder schön gegenüber. Auch die Kurzcoda spielt er aus dem pp heraus in einer wunderbaren Steigerung zum Fortissimo als würdigen Abschluss dieses formidablen Satzes.


    Im Largo e mesto nähert er sich temporal Sokolov an. Man bedenke, dass diese Aufnahme nur ein Jahr vor der Sokolovs entstand.
    Den ersten dunklen Teil spielt er sehr erdenschwer und voller Trauer. Den ersten hellen Teil spielt er abermals grandios, voller musikalischer Tiefe.
    Im zweiten dunklen Teil spielt er nicht mehr mit diesem dynamischen Impetus wie neun Jahre zuvor, möglicherweise ein Anzeichen von altersweiser dynamischer Zurückhaltung (ähnlich wie Brendel). Die emotionale Wirkung ist dennoch ungebrochen.
    Der zweite helle Abschnitt, im Moll verbleibend, ist dynamisch und expressiv unter dem gleichen Blickwinkel zu betrachten.
    Der durchführende Abschnitt in seinem Beginn in der tiefen Oktave ist sehr ausdrucksvoll und bedachtsam musiziert, und die absteigenden Zweiunddreißigstel sind bestrickend, auch das Smorzando.
    Auch die Reprise findet auf diesem sehr hohen Niveau statt, und es sei noch einmal auf die sechs Portatonoten hingewiesen (hier in Takt 48), die er grandios spielt. Die hohe Oktave in dem verkürzten hellen Abschnitt spielt er atemberaubend, überleitend zum nächsten dunklen Abschnitt, der dem zweiten mit dem dynamischen Höhepunkt gleichzusetzen ist. Auch hier fällt auf, wie schon in den beiden ersten Aufnahmen, dass er den letzten dynamischen Impuls ersetzt durch ein grelles Klangbild.
    Die Coda ist abermals grandios mit den zweiunddreißigstel-Quintolen und den Vierundsechzigstel-Septolen, die er wunderbar im Fluss hält, bis die Vorwärtsbewegung in Takt 7e mit den kurzen Zweiunddreißigstel-Figuren und in Takt 76 mit den Achteln langsam zum Erliegen kommt-grandios!


    Im Menuetto ist er temporal gleich mit der früheren Aufnahme und dynamisch und rhythmisch ist es einfach grandios musiziert und ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie man richtig staccato und legato spielt, gleichzeitig und abwechselnd.


    Auch das Rondo, in dem er wieder etwas schneller ist als Sokolov, spielt er in den fragend-zögerlichen Teilen wie in den wunderbaren langen Bögen wunderbar heiter und fließend mit ganz natürlicher Tongebung.
    Auch im etwas sperrigen zweiten Zwischensatz ab Takt 33 lässt er es wunderbar laufen und erhebt auch den Legatoabschnitt Takt 41 bis 44 zu einem Höhepunkt des Finales und er ganzen Sonate, ebenso den langen Bogen in Takt 50 bis 54.
    Auch der dritte Themenauftritt, der ja dynamisch wiederum sehr bewegt ist, gerät zu einem weiteren Höhepunkt, beinahe unnachahmlich die Terzen, Sexten und Oktaven in dem durchführungsartigen Abschnitt ab Takt 74- rhythmisch wie dynamisch und in einem kühnen Übergang in den Sechzehnteln ab Takt 80 zum vierten Themenauftritt geleitet werden. Auch hier legt er wieder, wie das seit der ersten Aufnahme seine Art ist, großen Wert auf die abschließende Fermate.
    Im abschließenden vierten Themenabschnitt, in dem die begleitenden Sechzehntel wieder in die untere Oktave wandern, lässt er die Achtel in der hohen Oktave stärker hervortreten und hält die Sechzehntel etwas zurück, auch eine durchaus akzeptable Lösung.
    In dieser dritten Coda in der Reihenfolge seiner Aufnahme übt er auch hier dynamische Zurückhaltung, was den überraschenden humorigen Effekt noch erhöht.


    Auch dies eine große Aufnahme, mit der Einsicht, dass auch ein weniger an Dynamik durchaus große Wirkungen erzielen kann und das vor allen Dingen diese Sonate auch hergibt. Es wird sicherlich im weiteren Verlauf meiner Betrachtungen noch Dinge geben, die diese Sonate nicht verzeiht.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ich habe gerade Arrau (EMI und Philips) gehört sowie Gilels (DGG und BBC (1980). Arrau spielt den ersten Satz (EMI) mit sehr kernigem, irdischen Ton. Zupackend, mehr den großen Bogen betonend. Die Gegensätze der Themencharaktere werden von ihm zurückgedrängt. Deutlich wird das bei der Figur mit den Vorschlägen Takt 53 ff. - keine Zartheit, es geht im sleben Duktus weiter! Die Philips-Aufnahme ist da auf der ersten Seite klassisch-entspannter, die dynamischen Abstufungen kommen hier deutlicher heraus. Die große Stärke von Arrau ist zweifellos der langsame Satz. Schon in der EMI Aufnahme "wühlt" er mit lastenden Akkorden (mit hört ihn schnaufen dabei :D ) Hier erscheint dann die Philips-Aufnahme noch gewichtiger - das ist dann wirklich eine meöancholisch-schwermütige Stimmung und der textgenaue Arrau ist hier sogar noch genauer.


    Höre ich dann die DGG-Studioaufnahme von Gilels, dann merke ich, was mir bei Arrau fehlt: die "Dynamik". Das Bestürzende einer Bewegungsdynamik, welche die Themenkonturen aufgelöst hat und sie überspült, dieser aufrührerische Gestus, der die Formen sprengt, den vernimmt man bei Gilels. Beeindruckend auch die Dramaturgie, die dynamische Entwicklung, die Gilels ungemein schlüssig aufzeigt. Das wirkt bei Arrau bei aller burschikosen Kraft dann doch mehr "klassisch" gediegen. Es fehlt irgendwie der "Stachel". Schön auch, wie Gilels dann die Zartheit der Vorschagsmotive (mit dem leicht irritierenden "Einfall", so habe ich das auch aus dem Konzert noch in Erinnerung) zur Geltung bringt. Die Themengruppen kontrastieren bei ihm deutlicher im Charakter als bei Arrau. Merkwürdig dann, dass der BBC-Konzertmitschnitt da viel weniger dynamisch, sondern klassisch ausgewogener ist! Das ist unglaublich schön gespielt, aber dieser dynamisch-aufrüttelnd "freche" Gestus aus der Studioaufnahme ist weg. Im langsamen Satz vermeidet Gilels anders als Arrau jede Art von Stimmungsmalerei - macht statt dessen ungemein subtil die Figuren "beredt". Das wiederum wirkt "klassizistischer" als bei Arrau. Das Scherzo bei Gilels ist sehr dynamisch flüssig und das Rondo-Finale feiner. zarter, entspannter. Da hat er wohl selbst in den verschiedenen Auftritten unterschiedliche "Sichtweisen" ausprobiert! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Diese unterschiedliche Dynamik, die die schilderst, lieber Holger, war mir ja bei Arrau auch aufgefallen, und zwar im Vergleich mit Sokolov. Dabei hatte ich natürlich auch noch das Live-Erlebnis mit Sokolov im Ohr. Unglaublich, welche Kräfte er entfesselte. Aber das hatten wir ja schon öfter, wenn die gleichen Werke von Pianisten aus der ostlichen und der westlichen Hemisphäre interpretiert wurden. Ich denke dabei nur an die Appassionata zurück.
    Den Unterschied in der Dynamik hatte ich vor allem im zweiten Satz in den drei ffp in den Takten 23/24 und 62/63 festgemacht, wobei Arrau m. E. im zweiten Taktpaar die etwas fehlende Dynamik durch schärfere (grellere) Tongebung wieder gutmachte. Im Ganzen hatte ich aber für mich festgestellt, dass die Sonate offenbar solche Unterschiede in der Dynamik verzeiht.
    Ich hatte in meinen Rezensionen auch über die Fermaten gesprochen und habe eben nochmal die Schwetzinger Aufnahme Arraus mit der ein Jahr später entstandenen Aufnahme Sokolovs verglichen. Sie beginnen beide etwa in der gleichen Lautstärke, wobei in den Oktavgängen Arrau etwas dunkler klingt als Sokolov, aber dann ist ein eminenter Unterscheid in der Dynamik festzustellen. Sokolov akzentuiert zwar sehr deutlich aber nicht mit der Dynamik wie Arrau. Arrau spielt das mindestens eine Lautstärkestufe, eher zwei lauter als Sokolov und verleiht dadurch der Fermate, wie ich finde, noch mehr Bedeutung.
    So hatten m. E. die beiden unterschiedlichen Herangehensweisen, vor allem in der Dynamik nicht den Effekt des Qualitätsunterschiedes, solange sie einen bestimmten Rahmen nicht verließen, und das taten sie m. E. nicht. Aber wer wei0, was alles noch kommt. Ich habe bis jetzt 47 Aufnahmen dieser Sonate, aber es sind je noch eine von Gilels und Arrau zu mir unterwegs.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: Mai 1984 (Santiago, live, DVD)
    Spielzeiten: 6:59 - 8:56 - 2:43 - 3:28 -- 22:06 min.;


    Claudio Arrau spielt dieses Konzert in Santiago di Chile mit 81 Jahren. Von seiner Technik und Dynamik scheint er noch nichts verlernt zu haben. Über das Tempo kann ich erst am Satzende etwas sagen, weil ich die Satzzeiten genau ablesen muss. Sie sind bei DVD's oft sehr ungenau.
    Wie schon in den ersten drei gehörten Aufnahmen stellt er auch hier wieder die -fermate als Abschluss des ersten Teils des Hauptthemas sehr stark her aus. Auch die erste Steigerung im zweiten Teilsatz ab Takt 18 führt er bis zu einem veritablen Fortissimo. In der Verlängerung des "richtigen" Themas, das in Takt 23 beginnt, erreicht er dieses in Takt 45 nicht ganz, aber meiner Erinnerung nach hat er diese Stelle immer etwas moderater gespielt.
    Das zweite Thema ab Takt 53 spielt lyrisch und wechselt dabei gekonnt die Legato- und Staccato-Abschnitte ab. Am Ende dieses Abschnittes, der auch den kurzen durchführungsartigen Einschub enthält, steigert er das letzte Crescendo doch, wie ich finde, grandios zum satten Fortissimo hin.
    Die Schlussgruppe ist auch großartig mit den beiden dynamisch entgegengesetzten Blöcken.
    Die Durchführung spielt er auch hier dynamisch sehr kontrastreich, wobei er aber auch an einigen Stellen nicht immer das Fortissimo erreicht.
    In der Reprise hingegen erreicht er die Fortissimi in Takt 225 und 231 durchaus. und am Ende des zweiten Themas nach der Sforzandokette spielt er wieder eine sehr beeindruckende Fortissimo-Steigerung mit vollstem Live-Risiko. Temporal ist er nur wenige Sekunden langsamer als 11 Jahre zuvor und ganze drei Sekunden schneller als Sokolov 10 Jahre zuvor (für Sokolov 2015 hatte ich allerdings 9 Minuten notiert!!).


    Das Largo scheint mir interessanterweise flotter als 11 Jahre zuvor, aber dynamisch getreu der Partitur, zumindest im ersten dunklen Teil. Den zweiten Teil spielt er mitreißend ausdrucksvoll und zum Niederknien schön. Im zweiten dunklen Teil spielt er wie schon in seinen bisherigen Aufnahmen die ffp-Akkorde nicht bis zum Anschlag, so dass man nicht, wie bei Sokolov, blitzartig aufrecht sitzt.
    Auch im sich anschließenden kurzen lichten Teil spielt er das ff in den Zweiunddreißigsteln nicht. Vielleich hielt er es in seiner Altersweisheit für zu extrovertiert.
    Den Durchführungsabschnitt spielt er sehr bedachtsam und mit wunderbarer dunkler Tongebung. Hier steigert er ab Takt 34 wesentlich mehr und die anschließenden Zweiunddreißigstel-Läufe spielt er grandios, einschließlich des Smorzando und abschließenden Decrescendo.
    Die Reprise spielt er sehr aufmerksam in ihrem dynamisch geänderten und abwechslungsreichem Beginn. Die sechs Portato-Noten spielt er, wie schon zu Beginn, beinahe unnachahmlich und schließt eine atemberaubende hohe Oktave im lichten Abschnitt an. Im nachfolgenden dunklen Abschnitt spielt er die ffp-Akkorde wiederum nicht ff, aber wiederum sehr grell.
    Die Coda spielt er atemberaubend. Am Ende zeigt mein DCD-Zählwerk kaum glaubliche 8:56 min. an. So schnell war es mir gar nicht vorgekommen. Im Beiblatt waren 10:12 min angegeben.


    Das Menuetto spielt Arrau zügig in eher lyrischem, pastoralen Ton, und er spielt auch das ff in Takt 31 nicht, bestenfalls hier ein mf. Aber das stört mich nicht wirklich. Vor eindreiviertel Jahren sah das noch anders aus. Das Trio spielt er dynamisch etwas hochstehender, wenngleich er am Ende auch wiederum das ff nicht erreicht. Er wiederholt natürlich auch das Menuetto Da Capo.


    Auch das Rondo spielt Arrau mit viel Schwung und auch dynamisch wieder hochstehender als das Menuetto. Auch das Wechselspiel zwischen stockendem und fließenden Fortgang gelingt immer noch hervorragend. Den zweiten Zwischensatz ab Takt 33 spielt er sehr dynamisch und auch die 4 Legato-Sechzehnteltakte sind grandios gespielt, ebenso wie der lange Bogen von Takt 50 bis 54. Auch der dritte Themenauftritt ist bestrickend, wie nach den fragenden Auftakt-Abschnitten, dann in Takt 64 "die Post abgeht" und flugs auf die wunderbare Sequenz der Unisonoterzen, -sexten und -oktaven zustreben, die er ebenfalls herausragend spielt. Auch der intervallreiche Übergang zum vierten Themenauftritt besticht. Hier in diesem Live-Auftritt kann ich auch die Begleitsechzehntel im vierten Themenauftritt besser vernehmen, weil er sie hier stärker hervorhebt als 11 Jahre zuvor.- herrlich auch der Abwärtsgang in den Zweiunddreißigsteln vor der Coda, die er abschließend auch grandios spielt. Wie sich herausstellt, ist auch das Schlussrondo auch wieder am schnellsten von allen bisher gehörten Aufnahmen.


    Auch dies ist m. E. eine große Aufnahme, bei der man den einen oder anderen Verspieler bei dieser riskanten Spielweise sicherlich verzeihen kann. Dynamisch ist in der Tat noch etwas Luft nach oben. Aber ich habe ja noch zwei Aufnahmen von Arrau zu besprechen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Diese unterschiedliche Dynamik, die die schilderst, lieber Holger, war mir ja bei Arrau auch aufgefallen, und zwar im Vergleich mit Sokolov. Dabei hatte ich natürlich auch noch das Live-Erlebnis mit Sokolov im Ohr. Unglaublich, welche Kräfte er entfesselte. Aber das hatten wir ja schon öfter, wenn die gleichen Werke von Pianisten aus der ostlichen und der westlichen Hemisphäre interpretiert wurden. Ich denke dabei nur an die Appassionata zurück.


    Lieber Willi,


    das ist die russische Pianistenschule, welche die dynamischen "Extreme" ausreizt! :D Natürlich ist die Arrau-Aufnahme toll - er spielt sie wirklich "zupackend" und mit Kraft. Es gibt immer verschiedene Wege - wie man eben die "Bewegung" zum Ausdruck bringt. Was ich bei der DGG-Aufnahme von Gilels so packend finde ist nicht nur seine Dynamikspanne, sondern dass die Dynamik die Dinge immer etwas ins Ungleichgewicht bringt, sozusagen eine subversive Kraft sich äußert, welche sich "weigert" in solche in sich ruhenden Formen gegossen zu werden. Die "reine" ungebändigte Bewegung sozusagen als "Formzertrümmerer". Im Finale wird dann ja auch mit solchen "Bruchstücken" humoristisch gespielt. Sokolov hätte ich auch gerne gehört gerade mit dieser Sonate! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

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  • Das ist für mich die stärkste frühe Beethovensonate (mit leichten Abstrichen beim auch sehr schwierig umzusetzenden Finale), erst op. 27/2 und op.28 sehe ich wieder auf diesem Niveau. Der langsame Satz ist einer der beeindruckendsten aller Beethovensonaten, selbst wenn man das nahezu opernhafte Pathos übertrieben finden mag. Eine der besten Aufnahmen ist meiner Erinnerung nach Gilels/DG.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich freue mich ja jetzt auch schon auf die dann 4 Gilels-Aufnahmen, lieber Holger, während bei Richter wohl ein ganz anderes Largo-Tempo zu besprechen sein wird, aber jetzt ist erst die 85er-Arrau-Aufnahme (Philips) an der Reihe, während ich die sechste Arrauaufnahme von 1969 aus Brescia vermutlich nachschieben muss.
    Gilels ist ja in seine Studio-Aufnahme ähnlich mit Arraus letzter Studio-Aufnahme im Largo. Über die Tempi der anderen Aufnahmen hatten wir ja schon gesprochen.


    @ Johannes: Sicher hast du Recht, lieber Johannes. Gilels gehört in nahezu allen Sonatenaufnahmen Beethovens zu den Besten.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo Willi,


    Apropos Aufnahmedaten generell: Ich wollte Dich schon immer einmal fragen, wo Du diese immer von jeder Aufnahme herbekommst. Zumindest früher stand kaum jemals auf einer LP das Aufnahmedatum, was ja so wichtig ist. Hast Du da einen Geheimtipp, wie man zu man den Daten auch der älteren Aufnahmen kommt?


    Gruß
    wok

    Hallo Willi,


    Könntst Du mir vielleicht noch diese Frage beantworten. Ich staune immer wieder, daß Du offenbar auch von älteren Schallplatten-Aufnahmen immer die jeweiligen Aufnahmedaten kennst. Woher? Auf dem Platten-Cover oder der Platte selbst ist dies ja nur ganz selten vermerkt. Kannst Du mir dies verraten?


    Gruß
    wok

  • Lieber wok, ich hatte dir diese Frage schon an der Stelle beantwortet, an der du sie gestellt hattest. Aber ich will es gerne noch einmal tun:


    Ich habe alle Aufnahmen, die ich hier bespreche, auf CD oder DVD. Und da ist die Datenerfassung, auch älterer, neu aufgelegter Aufnahmen, viel besser geworden. Ich hatte auch gesagt, dass ich eine Ausnaahme in meiner Sammlung habe, und das sind die Beethoven-Sonaten, gespielt von John Lill. Davon liegen mir keine Aufnahmedaten vor, und deswegen erscheint bei den Besrpechungen in dieser Rubrik immer ein Fragezeichen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber wok, ich hatte dir diese Frage schon an der Stelle beantwortet, an der du sie gestellt hattest. Aber ich will es gerne noch einmal tun:


    Hallo Willi,


    Deinen früheren Beitrag Nr 14, und damit Deine Antwort auf meine Frage, hatte ich doch tatsächlich übersehen. Pardon!! Ich hatte mich bei Deiner bewundernswerten Gründlichkeit in diesen Dingen schon etwas gewundert. Meine Frage ist damit beantwortet - vielen Dank! - d.h. bei alten Schallplattenaufnahmen hast Du also auch keinen Geheimtipp wie man zu den jeweiligen Aufnahmedaten kommen könnte, sofern diese Aufnahmen später nicht auch als CD mit den entsprechenden Angaben erschienen. Schade, daß man diese so wichtigen Angaben nicht schon immer früher gemacht hat.


    Ja, sehr schade auch, daß JACOB LATEINER offenbar BEETHOVEN's Sonate Nr. 7 nicht aufgenommen hat! Ich könnte mir vorstellen, daß diese ihm besonders gelegen hätte.


    Toll, daß Du meinen Thread über DETLEF KRAUS sogleich zum Anlaß genommen hast, Dir Aufnahmen von ihm zu bestellen.
    Bei diesem Pianisten ist es gewiß nicht die unglaubliche Virtuosität eines JACOB LATEINER, die für sich einnimmt, sondern die Introvertiertheit seines Spiels und die Bögen, die er spannt, besonders bei den Romantikern.


    Sehr interessiert hätte mich auch Deine Meinung über ADRIAN AESCHBACHER, der für mich allerdings vor allem ein wunderbarer SCHUBERT-Interpret ist. Dein Besprechungsschwerpunkt liegt ja derzeit bei BEETHOVEN, und was Du hier an Umfang und Inhalt leistest ist schier unglaublich!


    Viele Grüße
    wok

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  • Lieber wok,


    die Aufnahmen von Detlef Kraus hätten mich wahrscheinlich schon erreicht, wenn die Post nicht streikte. Kommt so etwas auch auf Mallorca vor? Übrigens, wenn ich aml Zeit ahbe, werde ich mir auch mal etwas von Adrian Aeschbacher anhören.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: Oktober 1985
    Spielzeiten: 7:14 - 11:16 - 3:06 - 4:08 -- 25:44 min.


    Claudio Arrau ist in dieser seiner letzten Aufnahme der Sonate Nr. 7 auch im Presto etwas langsamer geworden, sogar ein wenig langsamer als Sokolov. Nichtsdestoweniger geht er nach wie vor mit ordentlicher dynamischer Verve zu werke. Wiederum betont er auch die Fermaten als Schnittstellen in besonderer Weise.
    Auch spielt er das (richtige) Thema ab Takt er als rhythmischen, aber auch als stimmungsmäßigen Kontrast zum Hauptthema. Auch meine ich, dass er jetzt, sozusagen "im Alter", auch das Fortissimo in Takt 45 erreicht.
    Sehr schön spielt er auch wieder das zweiten Thema ab Takt 53 mit den gegensätzlich Rhythmen, wie er es deutlicher kaum machen könnte. Auch der durchführungsartige Abschnitt ab Takt 71 bis zum Beginn der Schlussgruppe spielt er rhythmisch und dynamisch sehr kontrastreich und endet in einer veritablen Fortissimo-Steigerung. In der Schlussgruppe selbst stellt er die beiden Dynamikblöcke organisch gegenüber. Selbstverständlich wiederholt er die Exposition.
    Beim zweiten Hören fällt mir zusätzlich auf, wie deutlich er die Begleitung spielt und aus ihr eben mehr als eine Begleitung macht.
    Auch die kurze Durchführung ist in ihrem Vorwärtsdrang in den Achteln und den ihnen gegenüberstehenden Vierteln in der Begleitung sehr kontrastreich gespielt. Vor allem gefallen mir wieder die großen Intervalle in der Begleitung, die zwischen Forte und Fortissimo changieren.
    In der Reprise legt er auch dieses Mal dynamisch noch zu, sehr schön auch wieder das zweite Thema ab Takt 233, genau 180 Takte nach seinem ersten Erscheinen in der Exposition, wiederum ein Indiz dafür, dass Beethovens musikalische Architektur seiner Sonatensätze immer auch eine mathematische Komponente hat. Sehr überzeugend gestaltet Arrau auch hier die große ff-Steigerung zur Schlussgruppe hin, die am Ende, zur Kurzcoda hin, wieder gekennzeichnet ist von den herrlichen Oktavwechseln, hier ab Takt 306. In der Kurzcoda spielt er wieder eine mitreißende Schlusssteigerung.


    Das Largo e mesto ist hier eklatant langsamer als in dem 1984er-Video aus Santiago (über 2 Minuten). Ich muss sagen, es gefällt mir besser, weil er des hier mit einer lastenden tristen Schwere spielt und schon im ersten dunklen Abschnitt jede dynamische Regung aufgreift und stark akzentuiert. Den kontrastierenden zweiten, hellen Abschnitt spielt er schlichtweg grandios, wiederum dynamisch durchaus bewegt.
    Auch der zweite dunkle Abschnitt gefällt mir dynamisch sehr gut, auch wenn die drei ffp-Akkorde wieder nicht mit jenem slawischen Wumm kommen, wie wir sie von den russischen Pianisten kennen. Aber er erreicht ins einem Ausdruck ungeahnte Tiefen. Auch der zweite helle Teil überzeugt, wenngleich der Kontrast sich weniger auf das Tongeschlechts als vielmehr auf die lichte Struktur bezieht.
    Auch den durchführenden Teil spielt Arrau grandios, wobei er hier die Besonderheit des Kontrastes, hier rhythmischer Natur sehr deutlich herausarbeitet und die schreitenden Achtel den schwerelosen Zweiunddreißigstel besonders gelungen gegenüberstellt. Auch das Smorzando ist vom Feinsten.
    Im reprisenförmigen Teil ist die Dynamik , wie auch schon im ersten Satz, noch höher stehend, was vor alle, den ersten dunklen Abschnitt betrifft. Fantastisch spielt er wieder die 6 Portatonoten.
    Den genialen Übergang zum hellen Teil ab dem Fortepiano in Takt 52 auf der Eins spielt er mit erschütternder Klarheit und musikalischer Tiefe.
    Den dynamisch herausragenden zweiten dunklen Abschnitt spiel er dynamisch genau so wie in seinen ersten vier Aufnahmen, aber durch das langsamere, gleichwohl spannungsgeladene Tempo noch überzeugender.
    Ebenfalls grandios spielt er die Coda. Die Altersweisheit führt in zu noch tieferen Einsichten, wobei seine Technik um keinen Jota nachgelassen hat, und diesen Bogen vom Schnellen zum Langsamen, quasi Morendo spannt er wie kaum ein Zweiter- überragend!!


    Claudio Arrau spielt den ersten Teil des Menuetto wirklich sehr "dolce", etwas langsamer als in seinen bisherigen Aufnahmen, sehr entspannt und fließend- wunderbar! Im zweiten Teil bleibt dieser ungeheuer friedliche, pastorale Charakter vollkommen erhalten. Auch die Sforzandi sind "friedlich" und wiegen sich mit im Dreiertakt. Auch das Trio ist nicht wirklich ein scharfer Kontrakt. Es ist nur herrlich. Natürlich schließt Claudio Arrau diesen wunderbaren Satz mit dem Menuetto Da Capo ab.
    Dieses Menuetto gefällt mir von allen Menuettos, die Arrau gespielt hat, am besten.


    Auch das Rondo beginnt in völlig entspanntem Modus. Auch die ist langsamer als alle seine Vorgänger, und vor allem, er spielt das mit 82 Jahren so souverän, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, im Alter immer besser zu werden. Schlechter ist er jedenfalls auf keinen Fall. Aber das habe ich ja auch bei Alfred Brendel in vielen Jahren der Besuche seiner Konzerte live erlebt, dass seine Interpretationen eine ganz andere Qualität gewannen (er wurde von der Kritik vielleicht in zu verallgemeinernden Weise als der "Philosoph am Klavier" bezeichnet). Wenn nur die Dynamik eine Rolle spielte, dann wäre es ja mit den Pianisten wie mit den Sportlern. Gott sei Dank ist es nicht so.
    Arrau beweist aber spätestens ab Takt 9 in den begleitenden Sechzehnteln, dass er pianistisch noch keinerlei Defizite zu beklagen hat. Das beweist er auch im weiteren Verlauf, da ja die Sechzehntel nahezu durchlaufen, oder im Zwischensatz, der ja pianistisch ziemlich heikel ist, aber ihm nicht das Geringste ausmacht. Auch die vier Takte 41 bis 44 mit Sechzehnteln allüberall sind vom Feinsten, oder auch die Takte 50 bis 54, die Beethoven unter einen Bogen gestellt hat, der sich aber über mehrere Oktaven erstreckt. Auch die dynamischen Ausschläge beachtet er nach wie vor sehr gewissenhaft und gekonnt.
    Grandios auch die fast durchführungsartigen Züge des Abschnitts mit den Unisonoterzen, -sexten und -oktaven. Im vierten Themenauftritt hebt noch einmal ein gesteigerte Dynamik an, bevor es in die zauberhafte, humorvolle, grandiose Coda an, die er am Schluss auch noch grandios spielt.


    meines Erachtens seine beste Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber wok,


    die Aufnahmen von Detlef Kraus hätten mich wahrscheinlich schon erreicht, wenn die Post nicht streikte. Kommt so etwas auch auf Mallorca vor? Übrigens, wenn ich aml Zeit ahbe, werde ich mir auch mal etwas von Adrian Aeschbacher anhören.


    Lieber Willi,


    Ich weiß jetzt nicht genau, was Du von ADRIAN AESCHBACHER bestellt bzw. schon erhalten hast. Wenn Du mal Zeit hast, solltest Du Dir von ihm vor allem SCHUBERT und SCHUMANN anhören, von SCHUBERT z. B die Moments musicaux op. 94, oder die Wandererfantasie und die große B-Dur Sonate D 960, von SCHUMANN z. B. die "Toccata" oder die "Waldszenen", die "Arabeske", aber auch seine Interpretation von BEETHOVEN's "Sturm"-Sonate Nr. 17 wurde allgemein sehr hoch eingeschätzt.


    Übrigens wohne ich nicht in Mallorca, sondern nahe Málaga, und in Spanien wird eigentlich wenig gestreikt, man ist hier, besonders in Andalusien, noch viel fleißiger als im z. T. sehr bequem gewordenen Deutschland, es gibt auch weniger offizielle Feiertage, keinen 2. Weihnachtsfeiertag, keinen Pfingstmontag, keinen Fronleichnam, und an einen Poststreik kann ich mich in den 14 Jahren, die ich hier schon wohne, nicht erinnern. Die Post aus Deutschland dauert - falls Deutschland nicht streikt - 2 bis 3 Tage!
    Die Handwerker hier scheuen keine Mühe, ihnen wird nichts zuviel und sie arbeiten auch schon mal bis es dunkel wird, z. T. auch am Samstag.


    Ergo, viele Grüße aus dem heißen Málaga!


    wok

  • Lieber Willi,
    Ich weiß jetzt nicht genau, was Du von ADRIAN AESCHBACHER bestellt bzw. schon erhalten hast. Wenn Du mal Zeit hast, solltest Du Dir von ihm vor allem SCHUBERT und SCHUMANN anhören, von SCHUBERT z. B die Moments musicaux op. 94, oder die Wandererfantasie und die große B-Dur Sonate D 960, von SCHUMANN z. B. die "Toccata" oder die "Waldszenen", die "Arabeske", aber auch seine Interpretation von BEETHOVEN's "Sturm"-Sonate Nr. 17 wurde allgemein sehr hoch eingeschätzt.


    Nochmals ganz kurz: Bestellt hast Du ja Aufnahmen von DETLEF KRAUS und nicht von ADRIAN AESCHBACHER, von dem Du nur einmal etwas anhören wolltest. Das habe ich nun etwas verwechselt. Pardon! Doch wenn Du also mal etwas Zeit zum Hören hast, dann sollte dies vielleicht eines der von mir genannten Werke sein, die ich für besonders hörenswert halte.


    Gruß
    wok

  • meines Erachtens seine beste Aufnahme!


    ... ich ärgere mich mal wieder bei dieser Gelegenheit, lieber Willi, dass ich diese Philips-France-Box damals bei 2001 nicht habe mitgehen lassen! Das sind die verpaßten Chancen!


    Herzlich grüßend
    Holger

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