Gedanken zum Mainstream

  • OH - bitte nicht den Kopf schütteln - das Thema ist komplexer als es im ersten Moment scheinen mag.
    ES wäre keine Kunst einige Komponistennamen hier fallen zu lassen - und damit wäre das Thema zumindest oberflächlich abgehakt. Aber da gibt es einige Fallstricke. Zum einen könnte man die scheinheilige Frage stellen ob Haydns Streichquartette Mainstream oder Nischenrepertoire seien, ob Tschaikowsky Mainstream ware, bzw wie viele Werke hier in Frage kämen, Wie es mit Sibelius oder Nielsen aussähe, bei den Opern Meyerbeer oder Lortzing. Benjamin Britten - ein bekannte Name - was wird von ihm gehört ? Und über Berg und Webern liesse sich ebenso streiten wie über Schostakowitsch oder Hindemith, Henze oder Ligeti. Da fehlen noch viele Namen. Sie sind teilweise in der Tat weltbekannt - aber nur selten wirklich geliebt...(??) Vivaldi - Eindeutig Mainstream - zumindest seit drei oder vier Jahrzehnten, vorher ein Randbereich...


    Ring frei !!!
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist ja schwer, so etwas generell in ein paar Worten zu definieren. Auch Johann Sebastian Bach wird wohl als einer der Namen für den Mainstream stehen.
    Aber wer hört denn die Bachkantaten? Vor allem diejenigen, die nicht so bekannt sind wie etwa "Ich habe genung" oder "Kreuzstab" oder "Herz und Mund" oder "Wachet auf"?
    Wer kennt z.B. "Jesus schläft was soll ich hoffen" oder "Man singet mit Freuden vom Sieg" ? Sicherlich immer noch einige, aber da wird es schon weniger.
    Auch beim Kantatenprojekt auf Tamino sind die Beiträge für die immer wieder bekannten Kantaten geschrieben worden. Bei anderen sind wir über den Eröffnungsbeitrag nicht hinausgekommen... Manchmal ist in der Musik die Unbekanntheit berechtigt, manchmal aber auch nicht.


    Schütz gilt zurecht als einer der größten deutschen Komponisten. Sein Einfallsreichtum und seine Ausdruckskraft ist sehr hoch. Aber wer kennt z.B. "Der Herr sprach zu meinem Herren" aus den Psalmen Davids? Ist das noch Mainstream? Ich denke eher nicht. In so eine Klassik-Wunschkonzert-Sendung des ZDF (gibt es wohl auch gar nicht mehr, oder) käme das nie...


    Mozart hat viel Kammermusik geschrieben. Die kleine Nachtmusik kennt jeder, aber wer kennt das Quintet in Eb-Dur, KV 452 für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott? Es qualitativ allererstes Mozartniveau, aber ich zweifle, dass so viele das Thema pfeifen könnten, wie es bei der kleinen Nachtmusik der Fall wäre.....


    So ist die Situation, was denn wirklich Mainstream ist, ständig in Bewegung. "Mainstreamig" sind im Moment wohl gerade diese Platten von Solisten wie Albrecht Mayer etc.
    Für so manchen ist das wahrscheinlich überhaupt erst einmal "anhörbare" Klassik, sozusagen Einstiegs-CDs.
    Aber es stimmt natürlich auch, dass Du nicht Barockkonzert machen kannst, wo nur Namen wie Boismortier oder Marchand stehen. Etwas von Bach sollte auf dem Programm stehen, wenn Du willst, das auch Leute in das Konzert kommen..


    Gleich spiele ich für zwei Trauungen etwas Mainstream auf der Orgel: Wagner "Lohengrin", Nordraak "Purpose", Purcell "Trumpet tune"....aber ausnahmesweise nicht Mendelssohn Hochzeitsmarsch. Ich muss dann auch los....


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • "Mainstream" muß natürlich nicht notwendigerweise "gut anhörbar " sein. Sind Mahlers Sinfonien derzeit "Mainstraim2 ?
    Ich glaube eher ja - aber - von Ausnahmen abgesehen sind sie für die Mehrheit der Klassikfreunde doch eher nicht "gut anhörbar" Pleyel ist hier wohl eher "gut anhörbar" - aber es wird wohl noch eine gewisse Zeit dauern, bis er dem "Mainstream" zugeordnet werden kann. Im Falle von Vivaldi scheint das immerhin gelungen zu sein.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • "Mainstream" bezieht sich erst einmal auf Stücke, nur mittelbar auf Komponisten. Vivaldis 4 Jahreszeiten sind ohne Zweifel Mainstream, aber wohl kaum noch weitere Werke, jedenfalls nicht viele. Aber dadurch dass Vivaldi (durch die Jahreszeiten) so bekannt ist, liegen natürlich auch von vielen anderen seiner Werke mehr (und auch gute und bequem erhältliche) Einspielungen vor als z.B. von Konzerten Veracinis oder Locatellis


    Ähnliches gilt zB für Tschaikowskys 1. ggü. dem 2. Klavierkonzert. Und wieder ist selbst das weniger bekannte 2. KK noch weit besser repräsentiert als zB ein Konzert von Anton Rubinstein.


    Ich verstehe unter Mainstream (der Ausdruck kam wohl zuerst aus dem Jazz?) auch nicht nur oder hauptsächlich Werke, die auch Hörer, die keine oder kaum Klassik hören, schon mal gehört haben. Aber natürlich gibt es weitere Abstufungen, was bestimmte Interesselagen betrifft. Für mich ist zB Mozarts Quintett für Klavier/Bläser Mainstream; wirklich abseits des Mainstream würden mir bei Mozart höchstens einige frühe oder sehr selten gespielte Werke einfallen (zB die Freimaurermusiken). Besagtes Quintett ist vermutlich das meist(ein)gespielte Stück in dieser Besetzung und auch absolut gesehen mit bestimmt 20 oder mehr Aufnahmen sehr gut vertreten (und ich könnte Dir das Hauptthema des ersten Satzes vorsingen ;)).


    So ähnlich sind zB für Klarinettisten oder die, die sich besonders für Bläsermusik interessieren, Konzerte von Spohr oder dem sonst kaum bekannten Crusell vergleichsweise gängig.
    Oder für Chorsänger sind bestimmte Stücke von Mendelssohn, Reger, Rheinberger usw., die ein aufs Sinfoniekonzert fokussierter Hörer, vielleicht nie wahrgenommen hat, Standards. Und so ähnlich auch Bach-Kantaten. Jauchzet Gott... und Ich habe genug sind selbstverständlich viel bekannter als viele andere. Aber selbst eine vergleichsweise wenig bekannte Bach-Kantate ist immer noch bekannter als zB Telemanns "Donnerode", vermute ich mal, oder gar eine Kantate eines Bach-Sohnes oder Kuhnaus (Bachs Vorgänger als Thomaskantor).


    Ich finde solche Abstufungen aber unproblematisch, solange der Kontext einigermaßen klar ist. Beethovens Pastorale ist bekannter/beliebter als alle Mahler-Sinfonien und bei den Mahlersinfonien sind die 1. oder 2. weit bekannter als die 7. oder 8., aber inzwischen ist Mahler so verbreitet populär, dass ich alle Sinfonien als Mainstream bezeichnen würde. Dagegen ist von Pleyel kein Werk auch nur annähernd so bekannt oder populär, m.E. ein ganz klarer Fall für außerhalb des Mainstream.

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    (Bob Dylan)

  • Pleyel ist ziemlich eindeutig ein Fall ausserhalb des Mainstream. Schwierig wirds bereits bei Schubert: Allenfalls die "Unvollendete" und da nur der Beginn ist einer breitere Öfffentlichkei geläufig. Die Kammermusik kann man getrost beiseite lassen - übrigens ebenso wie die Klaviersonaten. Beethovens Klaviersonaten sind dort "Mainstream" wo sie einen griffigen Titel haben, sei der nun zutreffend oder nicht. Schubert kann mit sowas nicht aufwarten. Ich weiß, es gibt die "Reliquie" - aber ich glaube kaum, daß die als "Mainstrean fungieren kann. Nun kommen wir zu einem heiklen Punkt: Nämlich den Liedern. Hier könnte man allenfalls das "Heideröslein", "die Forelle" und "Am Brunnen vor dem Tore" (letzteres Lied arrangiert für Männerchor und losgelöst aus dem Zyklus) als Meanstream bezeichnen. Der "wahre Schubert" indes ist IMO nicht mainstreamfähig...(?)


    Generell ist die Tendenz festzustellen, daß von Jahr zu Jahr der Mainstreambereich kleiner wird. Eines Tages werden wird bei 12 Komponisten und jeweils 5-8 Werken pro Person angekommen sein. "Klassik für Eilige" - vergleichbar mit Readers Digest Literatursammlungen, wo die jeweiligen Hauptwerke zudem noch gekürzt sind, um Zeit zu sparen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien

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  • Der Mainstream-Bereich wird im Gegenteil immer größer (sehr leicht anhand von Schallplattenkatalogen und Konzertprogrammen der letzten 60 Jahre zu zeigen) und außer bei den Liedern (da gibt es einfach zu viele, aber natürlich gehörten zB Winterreise, Müllerin usw. dazu) ist relativ genau zu sagen, was bei Schubert dazu gehört.

    zB ohne Zweifel die letzten drei Klaviersonaten, wohl auch D 664, 784, 845, 850 und 894, sowie natürlich die Wandererfantasie, Moments musicaux usw. Die "Reliquie" ist, da Fragment, eher ein Grenzfall. Aber von den anderen Stücken gibt es dutzende (von D 960 anscheinend über 70!) von Aufnahmen, sie werden regelmäßig im Konzert gespielt usw.
    Selbst die frühen Sonaten und Fragmente erfüllen vermutlich mein Kriterium unten, aber die würde ich, gerade auch im Vergleich mit den anderen nicht zum Mainstream zählen. Ebenso die frühen Streichquartette, die frühen Sinfonien sind dagegen inzwischen auch in zig Aufnahmen verfügbar und sehr verbreitet. Für mich klar Mainstream.


    Warum oder wofür ist es eigentlich wichtig sagen zu können, was "zum Mainstream" gehört und was nicht? Warum wird ständig ein absurd enges Verständnis ("kommt auf 100 Meisterwerke der Klassik-Samplern vor") mit einem viel weiteren ("wird regelmäßig gespielt und aufgenommen") durcheinander geworfen?
    Natürlich sind alle Beethoven-Klaviersonaten "Mainstream", es gibt selbst von den "unbekanntesten" schätzungsweise 5o Aufnahmen, von den bekannten HUNDERTE. Es gibt regelmäßig Konzertreihen, in denen ALLE Beethovensonaten gespielt werden. (Die drei Jugendsonaten ("Kurfürstensonaten") sind ein anderer Fall, die würde ich nicht Mainstream nennen.)


    Ich sage mal als Faustregel: Wenn es von einem Stück 10 Aufnahmen gibt, gehört es ziemlich sicher zum Mainstream. Wenn es 5 gibt, vermutlich auch, aber da mag es Grenzfälle geben.
    Bei Opern u.ä. muss man ggf. zusätzlich in die Aufführungsstatistik schauen.

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  • Zitat

    Warum oder wofür ist es eigentlich wichtig sagen zu können, was "zum Mainstream" gehört und was nicht?


    Diese Frage ist sowohl für Konzertveranstalter, als auch für Forenbetreiber von Klassikforen von Bedeutung. Denn irgendwann ist der "Mainstream" als Thema weitgehend abgehandelt. Und nun muss man darüber nachdenken, welche Werke als "mainstreamfähig" für die nächste Zukunft eingeschätzt werden können. Dabei erlebt man immer wieder Überraschungen. Oft ist es leider so, daß man keine Resonanz bekommt, wenn ein Werk zu "mainstreamig" daherkommt, soll heissen jeder kennt es, hat es oftmals gehört, und es wurde schon oft besprochen. Setzt man dann aber Alternativen aufs Programm, dann interessiert sich erst recht niemand dafür.
    Und wenn man es so betrachtet, dann ist es eigentlich wirklich egal zu welcher der beiden Gruppen ein Musikstück gehört....
    Dennoch segeln wir hier gegen den Wind und werden interessante Stücke suchen - zum Schreiben und zum Hören....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Naja, die meisten Künstler, die Interesse an eher ungewöhnlichen Stücken haben, werden die in ein gemischtes Programm einbinden. Jemand wie Sokolov würde vermutlich auch in ausverkauften Sälen spielen, wenn er nur Sweelinck und Rameau spielen würde. Das macht er aber nicht (und die aktuellen Programme sind auch "mainstreamig" mit Beethoven, Bach, Schubert u.ä.), sondern kombiniert etwas Ungewöhnliches wie Sweelinck auf dem modernen Klavier mit gängigen Sachen wie Chopin usw.
    Und selbst wenn es vielleicht Konzertbesucher gibt, die, sofern die Möglichkeit besteht, vorzeitig gehen, um nicht ein Stück von Boulez oder Rihm anhören zu müssen, gibt es wohl sehr wenige, die das bei Nielsen, Zemlinsky oder Copland machen, insofern ist der "Trick" solcher Mischprogramme sicher oft erfolgreich.


    Seit 50 oder mehr Jahren tragen auch Schallplatten und Radio dazu bei, das gängige Repertoire ständig zu erweitern. Im Opernbereich mögen ein paar Sachen (wie Spieloper oder auch "Tiefland") verschwunden sein, so dass nicht sicher ist, ob das Repertoire größer (durch Barockoper, Moderne u.a.) geworden ist oder sich nur verändert hat. In der Instrumentalmusik von Solo bis Orchester bin ich mir ziemlich sicher, dass es in den letzten 50-60 Jahren eine große Verbreiterung gegeben hat. Nicht nur durch die Etablierung vieler Werke der Spätromantik und klassischen Moderne und die "Wiederentdeckung" der Barockmusik, sondern auch dadurch, dass bei den schon bekannten Komponisten viele der weniger bekannter Werke weit häufiger gegeben werden.


    Ich bilde mir ja sogar ein, dass in den weniger als 30 Jahren, die ich die klassische Musikszene miterlebt habe, sich das Repertoire deutlich verbreitert hat, auch wenn manches auch an der einseitigen Wahrnehmung eines jugendlichen Anfängers gelegen haben mag. Bruckner, Mahler, erst recht Schostakowitsch empfand ich Ende der 1980er als tendenziell exotisch, heute habe ich den Eindruck, dass deren Sinfonien von vielen Hörern als zentraler empfunden werden als zB Schumanns oder sogar Brahms', aber natürlich ohne dass letztere von den Programmen verschwunden wären. Im Gegenteil scheint der lange verbreitete Vorwurf der Schwächen von Schumanns Sinfonien (oder bzgl. der Instrumentation auch Brahms') heute ebenfalls nur von einer exotische Außenseiterposition geäußert zu werden.

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  • Lieber Johannes,
    was Du schreibst ist recht interessant. Allerdings ist es - wie so oft im Leben - eine Auslegungssache:


    Zitat

    In der Instrumentalmusik von Solo bis Orchester bin ich mir ziemlich sicher, dass es in den letzten 50-60 Jahren eine große Verbreiterung gegeben hat. Nicht nur durch die Etablierung vieler Werke der Spätromantik und klassischen Moderne und die "Wiederentdeckung" der Barockmusik, sondern auch dadurch, dass bei den schon bekannten Komponisten viele der weniger bekannter Werke weit häufiger gegeben werden.

    Das mag so sein - Indes haben die "Zugpferde" der Klassik an Bedeutung verloren. Das Einzig was bis heute noch "unbeschädigt" geblieben ist sind IMO die Beethoven-Sinfonien und seine "großen" Klaviersonaten. Mozart war mehr im Blickpunkt als heute, Haydn (fast) ebenbürtig und Schubert durch seine Lieder und die "Unvollendete", sowie die große C-Dur Sinfonie im allgemeinen Bewusstsein. Brahms war nicht meins - aber er war anerkannt und oft gespielt, Tschaikowsky war ein "Renner" Mahler und Bruckner waren im Begriff an Bedeutung zu gewinnen, vor allem durch die Bruckner Einspielungen von Eugen Jochum und die Mahler Einspielungen von Kubelik (beide für Deutsche Grammophon)



    Zitat

    Und selbst wenn es vielleicht Konzertbesucher gibt, die, sofern die Möglichkeit besteht, vorzeitig gehen, um nicht ein Stück von Boulez oder Rihm anhören zu müssen, gibt es wohl sehr wenige, die das bei Nielsen, Zemlinsky oder Copland machen, insofern ist der "Trick" solcher Mischprogramme sicher oft erfolgreich.

    Der "Trick" der Mischprogramme existierte schon, als ich sehr jung war. Aber wir haben diesen Trick durchschaut und sind einfach nicht in solche Konzerte gegangen, wo wir zwar 100% bezahlen mussten, aber nur 70 % Musik bekamen, die wir wirklich hören wollten. Daraufhin verschwanden solche Konzerte für längere Zeit weitgehend von den Spielplänen.
    Zwar hätte das Publikum es zähneknirschend in Kauf genommen, wenn ein weltberühmter Mann wie Herr von Karajan solch ein Programm dirigiert hätte - aber die wirklichen Größen haben das gar nicht gemacht, zum einen, weil sie die moderne Musik selbst oft nicht mochten - zum anderen weil sie Angst hatten ihr Publikum zu verprellen und auf lange Sicht Geld dabei zu verlieren. - Natürlich gab es - wie überall - Ausnahmen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred



    PS: Copland hat mich vom ersten Augenblich an fasziniert - aber das war auf CD und nicht im Konzert - und da war ich auch schon fast Mitte 30 .....

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  • Nur eine kleine Bemerkung, bevor ich mich gleich zur Ruhe lege:


    Was für uns hier Mainstream ist, wird für den Mainstream nicht unbedingt so gelten.....


    Eines steht für mich jedoch fest: Die 5. von Beethoven ist tatsächlich überall Mainstream. Auch hier wurden über sie schon viele Postings geschrieben - und verdient hat sie das auch. Die Diskussion darüber werden immer wieder aufgenommen, nehmen ich an, spätestens, wenn neue prominente Aufnahmen herauskommen.


    Wenn mit bekannten Stücken und Komponisten das Publikum in die Konzerte geholt wird, und die Leute sich dann auch mit anderen Werken bekanntgemacht werden, finde ich das grundsätzlich gut. Allerdings sollten die unbekannten Werke es dann auch verdienen, an das Licht der Öffentlichkeit unserer Zeit geholt zu werden. Manches ist sehr unberechtigt vergessen worden, anderes hätte man vielleicht besser in den Archiven ruhen lassen sollen.


    In einigen Fällen sind Ausgrabungen von Barockleuten tatsächlich nachträglich etwas bekannter geworden, wenn auch nicht direkt Mainstream. Ich denke da an die von Harnoncourt aus dem Archiv ausgewählten "Darmstädter Ouvertüren" Telemanns, die er damals fantastisch einspielte, oder auch an Buxtehudes "Membra Jesu nostri", dass erstmalig von Koopman eingespielt wurde. Es folgten weitere Aufnahmen der üblichen Verdächtigen. Vor einiger Zeit wurde davon sogar einiges an der Hochschule in Oslo aufgeführt....



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Wie gesagt, ich mache mir gewiss nicht die Mühe einer Statistik über Konzertprogramme. Aber ich bin 100% von der "Verbreiterung" überzeugt, solange mir nicht jemand mit entsprechenden harten Zahlen das Gegenteil beweist.


    Dass Mozarts Musik deutlich an Verbreitung verloren hätte, halte ich für unhaltbar. Vor zwei Jahren oder so postete jemand eine Statistik über Konzerte in Wien und etwa die Hälfte davon war Mozart und Beethoven! (In der Oper ist es fast noch "schlimmer", im deutschsprachigen Raum sind drei oder vier Mozart-Opern seit Jahrzehnten stabil unter den 10 meistgespielten. Das einzige, was sich hier geändert hat, ist m.E., dass Idomeneo und evtl. auch Clemenza di Tito keine solchen Exoten mehr sind. Aber die drei Da Ponte, Zauberflöte und Entführung sind seit Jahrzehnten Dauerbrenner ohne große Veränderung.)
    Abgesehen davon, ist es für diesen Thread ganz unerheblich. Selbst wenn von heute auf morgen nur noch halb so viel Mozart oder Beethoven gespielt würde, wäre deren Anteil IMMER NOCH höher als fast aller anderer Komponisten, d.h. sie blieben auf alle Fälle im Mainstream fest verankert.


    Mir fällt, außer einzelnen Stücken aus Operette, Spieloper und Verismo kaum ein Werk ein, von dem ich den Eindruck habe, dass es vor 40, 50 oder 60 Jahren "Mainstream" gewesen wäre und heute nicht mehr. Aus dem Mainstream fallen bedeutet nicht, weniger gespielt werden, sondern ein "Abstieg" von sehr häufig zu ziemlich selten gespielt werden. Aber wenn jemand einen Kandidaten hat, bitte!
    Ich habe einen einzigen, bei dem ich mir aber nicht sicher bin, weil es eh ein Werk ist, das ich höchstens "am Rand des Mainstreams" einordnen würde: Webers f-moll-Konzertstück. Hier gibt es zwar auch neuere Aufnahmen (Oppitz, Pletnev, Demidenko), aber, anders als bei den zwei Klavierkonzerten, auch etliche "historische" (Arrau, Gulda, Brendel...) und ich habe den Eindruck, dass das früher präsenter gewesen sein könnte.
    Aber selbst wenn das der Fall ist, sind dafür Prokofieffs KK 1-3, Ravels und von Bartok mindestens das 3. KK Standardwerke geworden, alles Stücke, die zumindest von den Arraus, Kempffs, Guldas meines Wissens nicht gespielt wurden, auch wenn sie vor 60 Jahren vielleicht nicht mehr "exotisch" waren. D.h. wenn diese Verschiebung halbwegs stimmt, wäre ein Werk ausgeschieden und >5 dazugekommen.


    Entsprechende Tests mit Tonaufnahmen kann man durch Profi-Suche bei jpc o.ä. in ähnlicher Weise anstellen. Das mag manchmal ein wenig irreführend sein, weil seit etlichen Jahrzehnten manche Werke im Verhältnis viel häufiger eingespielt als live aufgeführt werden. Aber es liefert Tendenzen und Indizien.


    Glockenton: Bei der Barockmusik ist eine Schwierigkeit, dass hier Tonträger oft wichtiger geworden sind als Konzerte. Wobei allerdings bei Festspielen (wie Göttingen oder Halle) o.ä. sehr viel "exotisches" geboten wird. Ein frappierendes Beispiel (aus technischen Gründen noch stärker auf die Konserve zentriert), sind offensichtlich Bibers Rosenkranz-Sonaten. Zwar war vor 25 Jahren Goebels Einspielung nicht die erste (eher die dritte oder vierte), aber meinem Eindruck nach die, die das Stück einem etwas breiteren Publikum nahebrachte. Inzwischen dürfte es mehr als 20 Aufnahmen geben. Bei Telemann würde ich zB die "Hamburger Ebb' und Flut" und die Tafelmusik (aufgrund des Sammlungscharakters auch eher ein Schallplattenwerk) nennen. Von der Tafelmusik gibt es inzwischen auch 7 oder mehr Gesamteinspielungen. Von einzelnen populären Konzerten Telemanns (ein oder zwei der Oboenkonzerte und auch das für Quer- und Blockflöte e-moll) ähnlich viele oder noch mehr.

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  • Ja ja der Mainstream.... Ich verwende dieses Modewort auch ab und zu, wenn ich ein Werk hier nenne, das in Konzertprogrammen oft gespielt wird und auch in Einspielungen zahlreich vorhanden ist. Und das ist es auch, was wohl den "Mainstream" kennzeichnet. 1. die Komponisten, die häufig gespielt werden und 2. danach von diesen die immer wieder gespielten Werke. Also die großen B, wie Bach, Beethoven, Brahms und Bruckner sind allesamt natürlich "Mainstream", und dann natürlich Dvořak, Händel, Haydn, Mahler, Mozart, Mendelssohn, Schubert, Schumann, Strauss, Tschaikowsky, bei Opern natürlich Wagner, Verdi und Puccini. Auch wenn Schubert meistens nur mit der Unvollendeten und der Großen C-Dur-Sinfonie vorkommt, den Namen kennen doch wohl die meisten, auch Nicht-Klassik-Hörer. Ich würde auch Schostakowitsch hier aufführen, zumindestens in Berlin ist er in dieser und der nächsten Spielzeit vielfach mit seinen Konzerten und diversen Sinfonien vertreten. Bei anderen Komponisten muss man dann schon die Werke dazu nehmen, bei Grieg das Klavierkonzert, bei Ravel den Bolero, bei Saint-Saëns die Orgelsinfonie, bei Vivaldi die Vier Jahreszeiten, die ich mir absolut über gehört habe und dann noch vielleicht ein paar andere Werke. Dennoch gibt es immer wieder auch aufgeführte Werke abseits dieses "Mainstreams", die eben nicht so geläufig sind aus den unterschiedlichsten Gründen. Englische Komponisten haben es hierzulande z.B. schwer, deswegen finde ich es gut, wenn das DSO jetzt sich auch Vaughan Williams mehrfach widmet. Bartok ist eigentlich auch Mainstream oder nicht? Das ist doch ein wichtiger Komponist. Wer ist wichtig, wer ist "unwichtig"? Es gibt sicher fließende Übergänge und ich bin nicht für Schablonen, in die man Komponisten oder einzelne Werke steckt. Wichtig ist, gefällt mir ein Werk aus diesem oder jenem Grund oder nicht. Dann ist mir die Schublade egal.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Die Antworten zu diesem - oberflächlich betrachtet "banalen" Thema, zeigen, daß es eigentlich kompöexer ist, als es scheint - und daß es ganz nützlich ist, darüber nachzudenken, was eigentlich Mainstream ist - und was nicht.


    Zitat

    Wie gesagt, ich mache mir gewiss nicht die Mühe einer Statistik über Konzertprogramme. Aber ich bin 100% von der "Verbreiterung" überzeugt, solange mir nicht jemand mit entsprechenden harten Zahlen das Gegenteil beweist.

    Sowas wird sich nie wirklich beweisen lassen, weil ja hier einerseits die Konzertprogramme existieren, und andrerseits der Tonträgermarkt zunehmen an Bedeutung gewinnt. Dazu kommt, daß der Tonträgermarkt weiters die Statistik verfälscht weil erstens Stücke mit kleineren Besetzungen und Soloinstrumenten gerne produziert werden, einfach weil sie billiger sind, und ferner Nischenrepertoire relativ gut vertreten ist, weil jüngere Künstler, sich damit zu profilieren hoffen, oder zumindest diese Aufnanahmen von "Raritäten" verkaufen können, denn bei den "Giganten" Wie Mozart und Beethovent etc - haben die "großen Alten" einfach die besseren Karten. Daraus resultiert IMO das was Johnnes Röhl als "Verbreiterung" wahrnimmt.
    Ich nehme es als "Verwässerung" wahr. Ich erlaube mir, um das besser darstellen zu können, einen kurzen Vergleich mit der HIFI-Szene zu machen. Gegenüber vor 40 +- Jahren stellt sich mit die Situation in etwa so dar, daß der allgemeine Level etwas angehoben wurde - wirklich schlechtes ist nur mehr selten zu finden - ABER im Gegenzug dazu leider auch keine wirklich HERAUSRAGENDEN Produkte, die alles andere verblassen lassen.



    Zitat

    Dass Mozarts Musik deutlich an Verbreitung verloren hätte, halte ich für unhaltbar. Vor zwei Jahren oder so postete jemand eine Statistik über Konzerte in Wien und etwa die Hälfte davon war Mozart und Beethoven!

    Das wird so sein - Aber wie sagt schon die Werbung für den Wiener Fremdenverkehr ? "Wien ist anders"


    Das ist schon daran zu erkennen, daß ich - angeregt - durch diverse Empfehlungen im Forum - Aufnahmen mit "exotischen" Dirigenten oder Pianisten kaufen wollte. Keine Chance: Korstick - Dausgard - Norrington - Gielen: "Nicht auf Lager" -das interessiert hier niemanden - keine Nachfrage" - Natürlich fand sich dann die eine oder andere Aufnahme dennoch - aber tendenziel ist meine Aussage richtig...


    Ich kann - durch meine Anwesenheit im Forum - wo völlig andere Prioritäten gesetzt wurden - heute keine allgemein gültigen Aussagen mehr zu dem Thema treffen.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • [Vergleich mit der HIFI-Szene]: Gegenüber vor 40 +- Jahren stellt sich mit die Situation in etwa so dar, daß der allgemeine Level etwas angehoben wurde - wirklich schlechtes ist nur mehr selten zu finden - ABER im Gegenzug dazu leider auch keine wirklich HERAUSRAGENDEN Produkte, die alles andere verblassen lassen.


    Einspruch! Der allgemeine Level ist jedenfalls in den niedrigen und mittleren Preisbereichen heute deutlich schlechter. Sogenannte Einsteigeranlagen vernachlässigen den Grundtonbereich, sind dafür auf Effekt getrimmt und produzieren Pseudobass und spitze Höhen, während es früher oft so war, dass eine solche Anlage zwar nicht wirklich gut, aber doch erträglich und ohne auf Dauer zu nerven gespielt hat.