Sergej Tanejew war ein Schüler von Peter Tschaikovsky und Nikolai Rubinstein und folgte diesen auch auf ihren akademischen Posten nach. Er war ein hervorragender Pianist, der schon mit 18 Jahren Brahms' Klavierkonzert öffentlich aufführte und auch als erster Russe das 1. Klavierkonzert von Tschaikovsky spielte. Dessen 3. Klavierkonzert hat er vollendet.
Als Komponist ist er am bekanntesten für seine 4 Symphonien; dass er auch das umfangreichste Streichquartettschaffen im Russland des 19. Jahrhunderts vorlegte, ist weniger bekannt.
Will man sich mit diesem Oeuvre näher beschäftigen, stellt man erst einmal ein ziemliches Chaos was Zahl und Reihenfolge der Quartette angeht fest. In den meisten Informationsquellen ist von 9 Streichquartetten die Rede. Der "Gruhle" listet 12. Mit Opus-Nummer versehen sind aber nur sieben, sechs davon sind die Quartette 1-6, warum op. 14 keine Nummer bekam, ist unklar. Die Quartette 7-9 haben keine Opus-Nummer und entstanden vor dem Quartett Nr. 1. Auch die Reihenfolge 1-6 richtet sich nicht genau nach der Entstehungsgeschichte, so entstand auch das 3. vor dem 1., wurde aber später noch einmal überarbeitet. What a mess!
Die 9 "offiziellen" Quartette sind diskographisch zugänglich und zwar in einer Einspielung des Tanejew Quartetts aus den 70er Jahren. Derzeit bietet "Northern Flowers" diese auf 4 oder 5 einzelnen CDs an, wie lange noch, bleibt abzuwarten. Naxos hat vor einigen Jahren mit dem amerikanische Carpe Diem String Quartet eine zweite Serie begonnen; die ersten beiden Ausgaben wurden vielerorts gelobt, die dritte ziemlich verrissen, von schlecht geprobt und lustlos heruntergespielt war da die Rede. Vielleicht sollte man sich dann also doch eher an das authentischere Ensemble halten.
Ich habe aus der Tanejew Quartett Serie nur die Quartette 8 und 9, die zwischen 1880 und 1883 entstanden. Diese Aufnahme erschien bei Zyx Music, einem der vielen kurzlebigen Melodiya-Nachfolge Label. Das mit den unattraktiven schwarzen Booklets.
Selbiges ist auch inhaltlich dürftig, es enthält nur eine kurze Biografie und nichts über die Musik. Höhepunkt der Schlampigkeit ist dann, dass die Stereokanäle vertauscht wurden, die erste Geige also rechts sitzt und das Cello links.
Nun aber zur Musik, denn die ist deutlich besser als ihre Aufbereitung hier. Beide Quartette sind also Frühwerke, was man beim 8. auch noch hört. Ähnlich wie die frühen Dvorak Quartette ist es ein wenig zu lang geworden für das gebotene Material, fast 40 min gibt die Materie vielleicht doch nicht her. Trotzdem hörenswert. Das 9. ist dann m.E. schon ein echter Knüller, der es mit den wenigen bekannten russischen Quartetten seiner Zeit durchaus aufnehmen kann. Alle vier Sätze bringen jedenfalls hochattraktives Material und nichts wirkt hier wie eine Studienarbeit, der Komponist war ja auch schon 27. Die Aufnahmequalität ist abgesehen vom oben beklagten Lapsus anständig, das Spiel der Russen wirkt im Vergleich zu den heutigen Quartetten etwas "rustikal", aber das passt schon.