Lieber Besucher, herzlich willkommen bei: Tamino Klassikforum. Falls dies Ihr erster Besuch auf dieser Seite ist, lesen Sie sich bitte die Hilfe durch. Dort wird Ihnen die Bedienung dieser Seite näher erläutert. Darüber hinaus sollten Sie sich registrieren, um alle Funktionen dieser Seite nutzen zu können. Benutzen Sie das Registrierungsformular, um sich zu registrieren oder informieren Sie sich ausführlich über den Registrierungsvorgang. Falls Sie sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt registriert haben, können Sie sich hier anmelden.
Hallo Holger,Deswegen dürfen ihn die Hunde auch ruhig fortbellen.
Die Monotonie charakterisiert den gefühllosen Zustand des Winterreisenden und das "Bild" der Stadt soll als Gleichnis diese Gefühllosigkeit verständlich machen.Durch Schuberts Vertonung wird allerdings genau das vollzogen: Auch die ersten beiden Strophen bekommen eine emotionelle Stellungnahme und subjektive Erlebnisperspektive. Die von Schubert gewählte Musiksprache ist für meine Ohren höchst ungewöhnlich und befremdlich. Es lassen sich jedoch Anhaltspunkte finden, welche ihre Aussage zu entschlüsseln helfen. Auffallend ist einmal das Pendelmotiv der Singstimme, welches in ihrer monotonen Mechanik an das Lied von der Erde erinnert, wo das Pendeln die einschlafende Welt in Töne fasst als Sinnbild des Stillstandes von Zeit, von Erstarrung.
Ich meine, die ersten beiden Strophen (bei Schubert!) sind die Beschreibung eines emotionslos gesehenen/vorgestellten Zustandes.Bei Schubert meint man die höchst schmerzliche Anstrengung eines Menschen zu vernehmen, der auf das, was er vor Augen hat, eigentlich gar nicht hinschauen möchte, dies quasi in Not geraten gepresst und gezwungen tut.
Wenn sich der Interpret mit der Aussage des Gedichts befasst, "ihr wachen Hunde, lasst mich nicht ruh'n - zu Ende mit allen Träumen..." hat er wenig Auslegungsfreiheit.Oder bezieht es sich statt dessen auf das Gesehene, das in ihm so etwas wie Abscheu und Ekel erzeugt? Oder mischt sich in diese Verzerrung Spott und Ironie? Über all das gibt es letztlich keine normativ-verbindliche Antwort – es unterliegt der Auslegungsfreiheit des Interpreten.
Wahrscheinlich können wir alle an so einem abgründigen Werk wie der Winterreise sowieso nur im unendlichen Bemühen um Sinnverstehen jeder auf seine Weise scheitern. Also dürfen wir auch ruhig mal etwas riskieren ohne Netz und doppelten Boden - wenn es uns in der gemeinsamen, ehrlichen Anstrengung um das Verstehen weiterbringt.
Hallo Horst,für mich liegt das Gewicht auf den wachen Hunden.
Das ist letztlich eine Frage der Deutung und Deutungsphantasie. In der Beschreibung werden keine "Gefühle" geäußert - allein das ist Fakt. Aber warum das so ist?Die Monotonie charakterisiert den gefühllosen Zustand des Winterreisenden und das "Bild" der Stadt soll als Gleichnis diese Gefühllosigkeit verständlich machen.
Naja, dazu müßte man die Motive analysieren auch in ihrem historischen Kontext - ob und gegebenfalls welche "Emotionen" ein zeitgenössischer Hörer damit verbunden hat.Ich meine, die ersten beiden Strophen (bei Schubert!) sind die Beschreibung eines emotionslos gesehenen/vorgestellten Zustandes.
Das sehe ich an dieser Stelle auch so. Da ist der Spielraum enger.Wenn sich der Interpret mit der Aussage des Gedichts befasst, "ihr wachen Hunde, lasst mich nicht ruh'n - zu Ende mit allen Träumen..." hat er wenig Auslegungsfreiheit.
So was ist in einem Forum halt schwierig zu realisieren weil die Zugänge und Interessen zu verschiedenUm so mehr halte ich den 1. Thread zu diesem Thema zwar sehr viel mehr als eine Plauderstunde - da werden ernsthaft qualitative Argumente vorgetragen - aber die Komplexität des Themas "schreit" nach einer Struktur.
Der Traum jedenfalls wird hier zum Zufluchtsort, wo die empfindsame Seele sich hinüberrettet, um nicht von der klirrenden Kälte des Winters getötet zu werden. ...Letztlich geht es nicht mehr oder weniger darum, das eigene Selbst angesichts des Scheiterns und Versagens nicht zu verlieren, ein Unzerstörbares in sich zu behalten, wie Franz Kafka es mal ausdrückte.
Leider kann man das von Elsacker/Beghin nicht sagen! Das wirkt wie ein betont „barockisierender“ Gesang mit der sehr manierierten Imitation eines barocken Schwelltons auf jeder Silbe – was Geraerts, der wie Elsacker auch ein Spezialist für Alte Musik ist, wohltuend vermeidet. So etwas kann man bei einem Romantiker wie Schubert einfach nicht machen! Und über den Zustand des Hammerflügels vermag man nur den Kopf zu schütteln. Da klirren und scheppern die Seiten, als ob das Instrument defekt wäre.
Ich meine auch, lieber Glockenton, dass man an die Sache ganz sachlich und "musikalisch" herangehen sollte, ohne ideologische Konstrukte. Man muß das Hammerklavier ja keineswegs verteufeln. Wie mir zu Ohren kam, hat Andras Schiff mal beim Klavierfestival Rhein-Ruhr Schubert auf einem Hammerflügel gespielt und die Hörer regelrecht verzaubert. Meine Erfahrung mit Aufnahmen dieser Instrumente: Ihre Stärke sind die tonmalerischen Effekte, ihre Schwäche ist die Unausgewogenheit, dass man nicht leise spielen kann und vor allem der Diskant nicht trägt. Wenn z.B. bei Chopin die Melodie über dem Baß "schweben" soll, dann ist dieser hierarchische Tonsatz auf dem Instrument einfach unreallsierbar. Da greifen dann die - hervorragenden - Musiker, die mit solchen Instrumenten wirklich umzugehen wissen, zu kreativen Lösungen, die aber der Semantik der Komposition und dem Notentext ganz offensichtlich widersprechen. Das sollte man einfach ohne Verklärung so sehen wie es ist, finde ich. Anders als eine historische Geige ist ein Hammerklavier nun mal ein unausgereiftes Instrument, wo bestimmte maßgebliche bautechnische Entwicklungen wie die Duplex-Skala einfach noch fehlten. Als Farbtupfer sind solche Aufnahmen eine Bereicherung, aber natürlich nicht als Alternative zu den großen Tastenkünstlern auf dem modernen Flügel. Letztlich neigen diese Instrumente zu einer eindimensionalen "naturalistischen" Ästhetik. Chopin klingt dann aufgewühlt und bizarr wie Berlioz´ fantastische Symphonie - und das ist auch historisch nicht gerade unbedenklich.Ich frage mich manchmal, was aus einer eigentlich einst sehr segensreichen und Impulse setzenden Bewegung wie der historisch informierten Aufführungspraxis noch werden soll, wenn man sie offensichtlich um ihrer selbst willen betreibt. Hörerseitig habe ich von Leuten gehört und gelesen, die z.B. den Schubert (und die anderen "alten" Komponisten) mit einem mittelmäßigen oder sogar schlechtem Klavierspieler am Hammerflügel trotzdem einer hochmusikalischen Version eines Top-Pianisten auf einem Steinway vorziehen, und das auch noch sehr.....![]()
Deine Meinung. Ich lese dagegen eher – auch von Leuten, von denen ich annehmen muss, dass auch sie wissen, wovon sie reden –, dass ein Hammerklavier eben kein »unfertiges« modernes Klavier ist, sondern ein eigenständiges Instrument, mit ganz eigenen Eigenschaften und Stärken, die ein heutiges Klavier nicht hat, und dass es eigentlich zwei völlig verschiedene Instrumente sind, die man so wenig miteinander vergleichen kann wie eine Block- oder eine Querflöte oder wie eine Gambe und ein Violoncello.Anders als eine historische Geige ist ein Hammerklavier nun mal ein unausgereiftes Instrument, wo bestimmte maßgebliche bautechnische Entwicklungen wie die Duplex-Skala einfach noch fehlten.
Zitat
Dieter Stockert. Ein Hammerklaviersoieler wird dir eben sagen, dass er vieles auf dem modernen Klavier nicht adäquat darstellen kann.
Ich vermute eher, das liegt daran, dass für die Mehrheit des Klassikpublikums der moderne Flügel auch für ältere Musik immer noch »normal« ist. Den hat man im Ohr, von daher empfindet man ihn als »richtig«, alles andere ist eher ungewohnt.Das glaube ich eher weniger, weil dann Aufnahmen wie die meiner Ansicht nach heute immer noch referenzwürdige Einspielung des "Wohltemperierten Klaviers" von J. S. Bach durch Swjatoslaw Richter nicht diese Bedeutung erlangt hätte, denn, wenn ich mich nicht irre, hat er sie auf einem Steinway eingespielt.
Ja, das ist sicher ein Problem, aber zuallererst einmal kein instrumententechnisches. Ich kann keine Oper in meinem Wohnzimmer aufführen, und ich kann kein Konzert, das dem Hammerklavier gerecht wird, in einem riesigen Konzertsaal spielen. Dass es dennoch gemacht wird, dafür kann das Instrument ja nichts.Das Problem ist, so glaube ich, ein anderes. Der Brodmann-Flügel stammt aus dem Jahr 1820. Und zu der Zeit fanden Klavierabende nicht in Konzertsälen mit 2000 Plätzen statt. Für die Säle, und die Stücke war ein Hammerklavier zu der Zeit völlig ausreichend.
Deinen Einspruch habe ich natürlich erwartet, lieber Dieter!Deine Meinung. Ich lese dagegen eher – auch von Leuten, von denen ich annehmen muss, dass auch sie wissen, wovon sie reden –, dass ein Hammerklavier eben kein »unfertiges« modernes Klavier ist, sondern ein eigenständiges Instrument, mit ganz eigenen Eigenschaften und Stärken, die ein heutiges Klavier nicht hat, und dass es eigentlich zwei völlig verschiedene Instrumente sind, die man so wenig miteinander vergleichen kann wie eine Block- oder eine Querflöte oder wie eine Gambe und ein Violoncello.
Auch das alles ist nicht haltbar. Die Kompositionen des 18. Jhd. haben überhaupt nicht für ein bestimmtes Tasteninstrument komponiert. Mozart spielte sowohl auf dem Klavier als auch dem Cembalo. Und wenn man behauptet, es ließe sich etwas auf dem modernen Klavier nicht adäquat darstellen, muß man es hieb und stichfest beweisen. Die Wahrheit ist: Das moderne Klavier kann alles, was ein Hammerklavier auch kann, nur erheblich besser: Tonfülle, Ausgewogenheit, Nachschwingverhalten, Obertonsprektrum, mechanische Präzision. Die technischen Daten dieser historischen Instrumente liegen im Niveau noch unter dem, was Billiginstrumente aus Fernost auf der Messe heute bieten. Und auch beim Ensemblespiel ist der moderne Flügel überlegen. Man kann auf ihm nämlich leise spielen bzw. ein kleineres Instrument verwenden - nicht den Steinway D für große Säle, sondern einen B oder C-Flügel.Dazu kommt ja noch, dass ein Schubert oder Chopin nur die Instrumente seiner Zeit im Ohr hatte. Und natürlich wird ein Komponist seine Werke in der Regel so geschrieben haben, dass sie für die Instrumente seiner Zeit »passen«. Ein Hammerklavierspieler wird Dir eben sagen, dass er vieles auf dem modernen Klavier nicht adäquat darstellen kann. Und das gilt erst recht für das Ensemblespiel, wo etwa beim Klaviertrio ein moderner Flügel beim Forte immer in Gefahr ist, die Streicher zuzudecken, wenn man nicht mit etwas angezogener Handbremse spielt. Da stimmt die Balance auf den historischen Instrumenten bzw. deren Nachbauten einfach besser.
Ein "topfiger" Klang ist ein ästhetischer Mangel. Welcher Spitzengeiger würde auf einer Geige spielen, die spitz, scharf und gläsern klingt? Beethoven hat übrigens über die Instrumente, die er zur Verfügung hatte, regelmäßig geflucht. Er war nie zufrieden damit. Was Du sagst, trifft auf das Cembalo zu, aber nicht das Hammerklavier.Ob einem der Klang – der je nach Instrument für heutige ungewohnte Ohren manchmal »topfig« klingen mag – nun gefällt oder nicht, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Er ist weder falsch noch richtig, weder schlechter noch besser, sondern einfach anders. Man muss auch die Schalmei nicht mögen, aber zu ihrer Zeit war das eben normal.
Wenn Du in die Aufnahme Pregardien/Staier reinhörst, lieber Wili, wirst Du auch sagen: Dieser Hammerflügel klingt von allen drei Aufnahmen am besten und einem modernen Instrument schon relativ ähnlich. Der Grund dafür ist derselbe wie bei Schiff: Er hat in Wahrheit gar kein Instrument von 1820 gespielt, sondern einen Nachbau von heute. Der hat aber eine moderne Saitenbespannung, die es damals noch gar nicht gab. Auch das ist schon eine klangliche "Modernisierung", die von Originalklang-Verfechtern einfach vornehm verschwiegen wird. Würde ein Andreas Staier, ein Spezialist auf diesem Gebiet, auf solchen historischen Instrumenten spielen wie sie in der Aufnahme Elsacker/Beghin verwendet werden, dann müßte er zwei Drittel seiner Konzerte oder mehr regelmäßig absagen wegen technischer Probleme.Andererseitss glaube ich auch nicht, dass ein Hammerklavier ein "unausgereiftes Instrument" ist, wie Holger sagt. Meiner Ansicht nach klang der Brodmann-Flügel, auf dem András Schiff vor einigen Jahren einen fabelhaften Schubert-Abend beim Klavierfestival Ruhr gespielt hat (u. a. D.960), sehr ausgereift.
Das Problem ist, so glaube ich, ein anderes. Der Brodmann-Flügel stammt aus dem Jahr 1820.
Dazu kommt ja noch, dass ein Schubert oder Chopin nur die Instrumente seiner Zeit im Ohr hatte.
Zitat
Dr. Holger Kaletha: Wenn du in die Aufnahme Prégardien/Staiaer hineinhörst, lieber Willi, wirst du auch sagen: Dieser Hammerflügel klingt von allen drei Aufnahmen am besten...
Wenn ich mal zwischendurch Zeit habe, werde ich mal einige Eindrücke schildern.
... erklärt, was ich bei diesem Lied empfinde.meine zugegebener Weise etwas kompliziert-lange Interpretation des Leiermanns
Was hier sprachlich wie musikalisch geschildert wird ist die in sich erstarrte Welt von schlafenden und ihren illusionären Träumen ergebenen Spießern und Philistern mit all ihrer Engstirnigkeit, die ihren kläglichen Besitz mit Zäunen und Ketten rasselnden Hunden abschotten gegenüber der für sie bedrohlichen „Bewegung“ des Wanderers, der von der Moderne und ihrer Tendenz zur Veränderung kündet.
Wunschbilder entstehen in der Identifikation mit dem Objekt des Begehrens. Die Begegnung der dörflichen Lebenswelt in der Winterreise zeichnet sich dem entgegen nachweislich durch eine mehrfache, Identifikation unterbindende Distanznahme aus – sowohl auf sprachlicher als auch musikalischer Ebene, was sich in einer detaillierten Analyse zeigen ließe.
Ich kenne Schuberts Biografie zu wenig um ausschließen zu können, dass er gesellschaftskritisch dachte, gegen das Spießertum aufbegehrte usw.
Ist es nicht so, dass Schuberts Musik sich an die offensichtliche Bedeutungsebene des Textes ganz unmittelbar hält?
Wenn ich mir dann z.B. "Im Dorfe" anschaue, dann sehe ich einen aus der Bahn geworfenen Mann, der nicht mehr dazugehört, der dem Treiben der Leute von außen zusieht.
Die vorherigen Hinweise des Textes gehen für mich in die Richtung, dass er eigentlich gerne auch in so einem Haus und in so einem Bett wäre, allerdings natürlich im Glück mit jener Frau, von der er sich schon im ersten Lied auf nimmer Wiedersehen verabschiedete, ohne sich wirklich persönlich zu verabschieden.
Ich sehe darin auch dieses romantische "die oder keine", die Auschließlichkeit.
Lieber Glockenton,Heine war ja auch ein politisch denkender Dichter. Wenn Schubert diese Lieder z.B. im Schwanengesang vertonte, dann höre ich diese Ebenen bei ihm nicht, sondern eigentlich nur die direkte, persönliche und tragisch-romantische Bedeutung des Textes. Ich vermute deshalb, dass es hier, bei der Winterreise, auch nicht viel anders sein wird, d.h. dass Schubert nicht alle vorhandenen Aspekte dieser Texte ansprach oder sich für sie interessierte, sondern nur diejenigen, mit denen er sich persönlich identifizierte.
Als Kind seiner Zeit sah er vielleicht mehr als wir! In romantischer Dichtung z.B. sind Höfe mit Zäunen und Gärten durchaus nicht positiv, sondern stehen für die Philisterexistenz, die keinen Blick für das Unendliche hat, was keine Zäune und Grenzen kennt. D.h. was die Bilder evozieren, ist auch historisch variabel.Allerdings bin ich mir unsicher, ob Schubert diese Dinge, die man in Müllers Texten entdecken kann (wenn man will) auch so sah, bzw. das überhaupt so erkennen wollte.
Schön, dass Du das Beispiel "Gute Nacht" bringst. Da gibt es einen wahrlich anrührenden Stimmungswechsel nach Dur, womit Schubert das Liebesglück musikalisch in Töne umsetzt. Aber in "Im Dorfe" fehlt das eben. Das Motiv des Abweisenden und Feindlichen, die rasselnden Ketten, zieht sich durch, d.h. auch dann, wenn von den Schläfern die Rede ist. Es ist natürlich denkbar, dass dieser ruhelose Wanderer Sehnsucht nach Bettruhe hat. Aber so hat das Schubert gerade nicht vertont. Statt dessen kommt dann ein Ton des Bedauerns "Auch, diese armen Menschen..." deren Träume nichtiger Schaum sind. Und am Schluß - das ist das Entscheidende - identifiziert er sich mit seiner Außenseiterrolle: Ich, als Desillusionierter, habe diese Träume nicht nötig, durchschaue sie. Die Welt dieser Schläfer ist nicht mehr seine Welt. Schubert hat das sehr adäuat umgesetzt. Ein süßliches Traumbild bei den Schläfern wäre ein semantischer Bruch!Wenn ich mir dann z.B. "Im Dorfe" anschaue, dann sehe ich einen aus der Bahn geworfenen Mann, der nicht mehr dazugehört, der dem Treiben der Leute von außen zusieht.
Die vorherigen Hinweise des Textes gehen für mich in die Richtung, dass er eigentlich gerne auch in so einem Haus und in so einem Bett wäre, allerdings natürlich im Glück mit jener Frau, von der er sich schon im ersten Lied auf nimmer Wiedersehen verabschiedete, ohne sich wirklich persönlich zu verabschieden.
Ich sehe darin auch dieses romantische "die oder keine", die Auschließlichkeit.
Und am Schluß - das ist das Entscheidende - identifiziert er sich mit seiner Außenseiterrolle: Ich, als Desillusionierter, habe diese Träume nicht nötig, durchschaue sie. Die Welt dieser Schläfer ist nicht mehr seine Welt. Schubert hat das sehr adäuat umgesetzt. Ein süßliches Traumbild bei den Schläfern wäre ein semantischer Bruch!
Indem aber das erste Bild tonmalerisch für die ganze Strophe zur einheitlichen Grundstimmung wird, erscheint das Bedrohlich-Abweisende als der Grundzug des strophischen Ganzen, in das sich so auch das Bild der Schläfer und Träumer als dessen Schattierung einfügt.
Schubert setzt hier wiederholend die typische Rufterz, die ja gerne auch von spielenden Kindern auf dem Schulhof verwendet wird 5 - 3 (von der Quint auf die Terz) um die so alltägliche wie abweisende sichtbare Szenerie mit den in Ketten bellenden Hunden auszudeuten. Das ganze Lied könnte wie ein Singsang mit diesen Tönen so weitergehen (man könnte ja die Begleitung durch harmonische Änderungen variieren), doch Schubert unterbricht dieses So-Mi-Spielchen durch eine wesentlich ausdruckstärkere Melodieführung. Die Terz (der letzte, untere Ton der Drehfigur) wird auftaktig zu einem Sextsprung nach "schlafen" verwendet, so dass die Melodielinie von der Terzlage hin zur Oktavlage einen weichen Bedeutungsakzent bekommt. Von dort oben geht es hinunter auf die 2te Stufe der unterliegenden diatonischen Skala, sodass der Sänger hier das sehr ausdrucksstarke Intervall der kleinen Septime bewältigen muss (Melodieverlauf 8 ->2). Sowohl melodisch also auch textlich kann man hier durchaus einen leichte Affektverschiebung erkennen, wenn man will. Harmonisch geschieht auf "Menschen" in Takt 9 ja auch mehr, als in den Takten 7-8 ( mit den Worten Hunde und Ketten auf der jeweiligen Takteins).
Dort verharrt die Musik nur in der Tonika T, und wechselt am Figurende jeweils zur Tonika mit Terz im Bass T / 3.
So könnte es noch sehr lange weitergehen. Doch in Takt 9 setzt Schubert die Subdominante als vermollten Quintsextakkord in einem sehr schönen Voicing mit der 5 und der 6 nebeneinander in Sekundreibung und der Mollterz in Sopranlage ohne Dopplung des Grundtons. Eigentlich könnte man einen normalen S 5/6 erwarten, aber Schubert bevorzugt den ausdruckstärkeren, leicht irritierenden und größere harmonische Zusammenhänge schaffenden Mollstellvertreter des Quintsextakkords. Beim figurativ analogen Aufstieg der Bassmelodie zur Mollterz verzichtet Schubert auf den eigentlich zu erwartenden Grundton im Tenor, was die Figur eleganter klingen, aber auch vom harmonischen Eindruck her etwas dissonanter macht, weil ja nur noch die Sekundreibung Quintsext in der rechten Hand übrigbleibt.
Eine solche emotionale Annäherung unterbindet die hintergründig durchtönende Präsenz des Klaviers, das penetrante Rasselmotiv, welches in permanenter Wiederholung fühlbare, nicht zu überbrückende Distanz von Anfang bis Ende aufrecht erhält.
1 Besucher