Elektra - Wiener Staatsoper 1. April (Premiere 29. März) 2015

  • Schade, dass man die Harry-Kupfer-Produktion weggeworfen hat. Man hätte sie entstauben und neu installieren können, anstatt den teuren Aufwand einer langweiligen und nichtssagenden Neuproduktion zu betreiben. Bei Harry Kupfer (die Premiere von 1989 ist auf DVD zu sehen mit Eva Marton, Cheryl Studer, Brigitte Fassbaender, Claudio Abbado) gab es durchaus spannende und sogar geniale Aussagen, etwa den überlebensgroßen Agamemnon, der von Anfang an Schavernochs Bühne dominierte. Selbstverständlich schieden sich daran die Geister und Geschmäcker - Diskussion ist doch immer gut. Aber was man seit dem 29. März als Wiener "Elektra" geboten bekommt, macht wenig Lust, sich die Oper in dieser Inszenierung ein zweites Mal zu geben. Glücklich der, der sich die Aufführung vom letzten Samstag von Ö1 live aus der Wiener Staatsoper mitgeschnitten hat, denn musikalisch blieb kaum ein Wunsch offen (ich hoffe, auch am Samstag nicht - ich hatte nicht die Gelegenheit), vor allem was Dirigent, Orchester und Nina Stemme betrifft. Wenn mir als Laien in manchen Szenen auffällt, dass die Personenregie langweilig ist, frage ich mich, wie den mutmaßlich hochprofessionellen Regisseuren, Bühnen- und Kostümbildnern nicht auffallen konnte, dass es hier noch Nachbesserungsbedarf gibt. Paternoster, Duschecke und Kohlenhaufen schön und gut (ist vom Bühnenbild her ja wirklich gut gemacht), aber wenn die Protagonisten dann nur herumstehen in Szenen, in denen sich eigentlich auf der Bühne "was abspielen" sollte, und die ganze Dramatik nur aus dem Orchestergraben kommt, dann fehlt einiges. Schade um die vergeudeten Millionen. Wenn dann Etats gekürzt werden, muss man sich nicht wundern. Zum Glück gibt es die vorige Premiere auf DVD. Und für den Fall, dass jemand die folgende Rarität noch nicht kennt, möchte ich noch mal auf diese nach vielen Jahren endlich doch nachträglich von der Radio-Liveübertragung auf CDs konservierte Sternstunde hinweisen: "Elektra" in Genf 10. März 1990 mit Gwyneth Jones, Leonie Rysanek, Anne Evans. Am Pult: Jeffrey Tate. Es gab danach angeblich den längsten Applaus bzw. die meisten Vorhänge in der Geschichte des Genfer Opernhauses.


    Elektra (Wiener Staatsoper, 1. April 2015)
    Richard Strauss


    Mikko Franck | Dirigent
    Uwe Eric Laufenberg | Regie
    Rolf Glittenberg | Bühne
    Marianne Glittenberg | Kostüme
    Andreas Grüter | Licht
    Mario Ferrara | Bühnenbildassistenz
    Elke Scheuermann | Kostümassistenz

    Anna Larsson | Klytämnestra
    Nina Stemme | Elektra
    Ricarda Merbeth | Chrysothemis
    Falk Struckmann | Orest
    Norbert Ernst | Aegisth
    Wolfgang Bankl | Pfleger des Orest
    Simina Ivan | Vertraute
    Aura Twarowska | Schleppträgerin
    Thomas Ebenstein | Junger Diener
    Marcus Pelz | Alter Diener
    Donna Ellen | Aufseherin
    Monika Bohinec | 1. Magd
    Ilseyar Khayrullova | 2. Magd
    Ulrike Helzel | 3. Magd
    Caroline Wenborne | 4. Magd
    Ildikó Raimondi | 5. Magd
    Younghee Ko | 1. Dienerin
    Secil Ilker | 2. Dienerin
    Kaya Maria Last | 3. Dienerin
    Jozefina Monarcha | 4. Dienerin
    Karen Schubert | 5. Dienerin
    Zsuzsanna Szabó | 6. Dienerin


    Hier einige Rezensionen:
    http://goo.gl/osugsA
    http://goo.gl/MOaidA
    http://goo.gl/gfiohk

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Über dieRegie und das Bühnenbild wurde von meinen KollegInnen schon genug geschrieben, daher erspare ich mir das zum Großteil. Offen gesagt, finde ich die Produktion von Uwe Eric Laufenberg weitgehendst gelungen, nur der Schluss ist absolut übel und hatte meiner Meinung nach viel zur heftigen Ablehnung bei der Premiere beigetragen. Wenn ein Opernhaus noch keine Elektra im Repertoire hätte, so wäre diese Deutung (ohne den Schluss) durchaus begrüßenswert – es wird die Handlung erzählt. Allerdings erscheint es mir im Falle der Staatsoper in Wien eine Geldverschwendung, die Kupfer-Inszenierung abzusetzen und durch eine andere gefällige (wenn man bei Elektra überhaupt von „gefällig“ sprechen kann) zu ersetzen.


    Nicht sehr glücklich kann man auch mit der Deutung von Mikko Frank sein. Das Staatsopernorchester spielte ziemlich getragen – ich wünsche mir eine packendere, stringentere Interpretation.


    Nina Stemme in der Titelrolle ist zur Zeit in einer bestechenden Form. Ihre leicht abgedunkelte Stimme unterstützt sie bei ihrer Wortdeutlichkeit und sie wirkt – was doch manchmal bei anderen Künstlerinnen vorkommt – auch in exponierten Lagen niemals schrill. Es gelingt ihr ein überzeugendes Rollenporträt der griechischen Königstochter.


    Auch an diesem Abend gab es eine Umbesetzung bei der Chrysostemis. Gun-Brit Barkmin debütierte in dieser Rolle in Wien (vorher war sie unter anderem hier als Salome zu hören) und erbrachte die meiner Meinung nachbeste Leistung des Abends. Ihr passte das weiße Kleid hervorragend, sie war eine ebenbürtige „Gegenspielerin“, extrem wortdeutlich und absolut höhensicher. Für mich die überzeugendste Interpretin dieser Rolle seit vielen Jahren hier in Wien.


    Ob die Schreie der Klytämnestra dazu angehalten sein sollen das Publikum zu erheitern, das wage ich zu bezweiflen. So ist es aber geschehen. Anna Larsson „schmiss“ den zweiten Schrei ziemlich und sorgte damit für einen unfreiwilligen Gag. Auch sonst fehlte ihrer Interpretation alles Dämonische, was zum Beispiel Agnes Baltsa auszeichnete. Bis auf die gut gelungene Maske gab es nichts, was eine Aura des Wahnsinns erzeugen konnte.


    Unter den vielen kleineren weiblichen Rollen sei positiv die 5.Magd von Ildiko Raimondi herausgehoben – Raimondi gelang ein auch stimmlich überzeugendes, intensives Rollenporträt. Die Mägde (Monika Bohinec, Ilseyar Khayrullova, Ulrike Helzel, Caroline Wenborne), Vertraute (Simina Ivan), Schleppträgerin (Aura Twarowka) und Aufseherin (Donna Ellen) waren allesamt rollendeckend.


    Falk Struckmann hat sich in der letzten Zeit in Wien rar gemacht (oder je nach Interpretation „wurde er rar gemacht“). Er war schauspielerisch so intensiv wie immer, hat nach wie vor genügend Volumen, war sehr wortdeutlich. Allerdings bemerkt man, dass er schon seit vielen Jahren im Geschäft ist – ein leichtes Flackern war unüberhörbar.


    Mit etwas zu viel Druck auf der Stimme agierte Norbert Ernst als Aeghist – da wurden Erinnerungen an seinen Erik wach. Benedikt Kobel sprang kurzfristig als Junger Diener ein – auch da wurden nicht alle Erwartungen an die Rolle erfüllt. Marcus Pelz (Alter Diener) und Wolfgang Bankl (Pfleger des Orest) ergänzten.


    Die Vorstellung war ausverkauft, der Stehplatz komplett voll und das Publikum feierte die Sänger ausgiebig.

    Hear Me Roar!

  • Im Radio gab es gerade eine Übertragung der Aufführung vom 4. April. Ich fand das Orchester großartig. Nina Stemme kam im Radio mit einem zu starken Vibrato rüber. Sehr gut fand ich die Klytämnestra (viel besser als Agnes Baltsa in der jüngsten Hamburger Aufführung) und auch Ricarda Merbeth. Alles wurde sehr textverständlich übertragen.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv