Das Vogler Quartett

  • Das Vogler Quartett wird dieses Jahr 30 Jahre alt. 1985 an der der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ gegründet, spielt es seit 1986 in konstanter Besetzung


    Tim Vogler, 1. Violine
    Frank Reinecke, 2. Violine
    Stefan Fehlandt, Viola
    Stephan Forck, Cello


    Das Vogler Quartett war wohl das erste Quartett der damaligen DDR, das "hauptamtlich" als Streichquartett wirkte, vorher bildete sich Quartette üblicherweise aus Stimmführern von Sinfonieorchestern (z.b: Suske Quartett, Ulbrich Quartett). Diese Ausschließlichkeit wurde durch den ersten Preis beim berühmten Streichquartettwettbewerb in Evian ermöglicht, er machte das ostdeutsche Ensemble international bekannt. Eberhard Feltz, György Kurtág und das LaSalle Quartett, hier vor allem Walter Levin, förderten das Quartett und wurden zu prägenden Mentoren.


    Das umfangreiche Repertoire des Vogler Quartetts reicht von der klassischen Quartettliteratur von Haydn bis Bartók und der Zweiten Wiener Schule, bis hin zu weniger bekannten Werken und neuer Musik.Die Voglers führten u.a. die Werke von Karl Amadeus Hartmann sowie mehrfach das fünfstündige Quartett Nr. 2 von Morton Feldman auf und realisierten zusammen mit dem Arditti Quartett einen Rihm-Zyklus zur EXPO 2000. Zu den Uraufführungen zählen Kompositionen von Moritz Eggert, Frank Michael Beyer, Ian Wilson, Jörg Widmann, Mauricio Kagel und Erhard Grosskopf. Für Juli 2014 ist die Uraufführung eines Streichquartetts von Taner Akyol geplant.


    Von 2007 bis 2012 hatte das Quartett in Nachfolge des Melos Quartetts die Streichquartettprofessur an der Stuttgarter Musikhochschule inne. Bedauerlicherweise hat sich das kaum in Konzerten vor Ort niedergeschlagen. Ich habe das Vogler Quartett vermutlich nur einmal gehört und das bei einem eher ungewöhnlichen Anlass. Und zwar spielten sie in der Stuttgarter Kräherwaldschule die Quartett 2 und 6 von Bartok und Schüler der Abitursklasse tanzten dazu (Eurhythmie).


    Kürzlich erschien im Berenberg-Verlag ein Buch über die Voglers mit dem Titel: Eine Welt auf sechzehn Saiten. Dieses Buch enthält auf 384 Seiten die bearbeitete Niederschrift von Gesprächen, die Frank Schneider mit den Musikern geführt hat und die alle Aspekte ihrer 30jährigen Karriere berühren. Dieses Buch kann ich jedem, der sich für Streichquartette und ihre Aufführung interessiert, nur wärmstens empfehlen.


    Die Lektüre macht auch klar, dass die bisherige Diskographie des Vogler Quartetts in keinster Weise repräsentativ ist, sondern weitgehend aus Standardrepertoire besteht, das schon dutzendfach eingespielt wurde. Das ist jammerschade bei einem Quartett, dass in fast jedem Konzert auch neue Musik zu spielen scheint. Bisher legte das Quartett auch noch keine Gesamtaufnahme vor, was sich derzeit mit einer beginnenden Gesamtschau der Quartette von Dvorak ändert. Die Bemerkungen der Voglers über die frühen Quartette haben mich neugierig gemacht, mich mit diesen etwas näher zu beschäftigen. Sie stehen zwar in Einspielungen durch das Stamitz und Prager Quartett in der Sammlung, wurden aber bisher nicht aufgelegt.

  • Zitat

    Die Lektüre macht auch klar, dass die bisherige Diskographie des Vogler Quartetts in keinster Weise repräsentativ ist, sondern weitgehend aus Standardrepertoire besteht, das schon dutzendfach eingespielt wurde.


    Alles hat seine Vor- und Nachteile. Gerade durch das Standardrepertoire wird die Qualität oder besser gesagt Eigenart eines Ensembles hörbar oder erlebbar. Leider ist es allerdings so, daß man kaum dazu kommt Interpretationen miteinander zu vergleichen. Dennoch - ich nütze diese Erinnerung an das Quartett um meine - soweit ich weiss - einzige Aufnahme mit ihnen in meiner Sammlung - aufzulegen, nämlich Folge 1 einer Neuaufnahme (2010) aller Streichquartette von Dvorak. Beginnen werde ich selbstverständlich mit dem Prüfstein, dem "Amerikanischen Quartett" Das voraussichtliche Ende ist abzusehen : Ich werde die Serie fortsetzen - was nicht unbedingt in meiner Absicht lag.....

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zu den ersten CDs des Ensembles gehörten in den 1990ern drei CDs mit den kompletten Quartetten von Brahms und Schumann. Insofern gibt es also durchaus "Gesamteinspielungen". Ich habe vor zwei Jahren oder so eher zufällig auf Ebay ein Konvolut mit ca. 10 CDs des Ensembles sehr günstig erwischt und war eigentlich positiv überrascht. Wobei beim häufig eingespielten Repertoire natürlich die Konkurrenz sehr groß ist.


    Dazu kommt noch, dass Aufnahmen des Quartetts bei (4 oder 5!) unterschiedlichen Labels erschienen sind. Ich kann aber nicht ganz zustimmen, dass nur "Standardzeug" aufgenommen worden wäre, selbst wenn, wie vermutlich häufig, die Diskographie keine getreue Abbildung der Aktivitäten ist. Zu ihren ältesten CDs gehörte jedenfalls die Berg/Verdi und auch die Debussy/Schostakowitsch/Janacek. Sehr positives habe ich über ihre Reger- und Hartmann/Eisler-CDs, die ich allerdings nicht kenne, gelesen.
    Weiterhin gibt es die Kombination eines "Crossover"/Klezmer-Werks mit Mozarts Klarinettenquintett



    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich kann aber nicht ganz zustimmen, dass nur "Standardzeug" aufgenommen worden wäre, selbst wenn, wie vermutlich häufig, die Diskographie keine getreue Abbildung der Aktivitäten ist. Zu ihren ältesten CDs gehörte jedenfalls die Berg/Verdi und auch die Debussy/Schostakowitsch/Janacek.


    Lieber Johannes
    ich habe auch nicht "nur" geschrieben, sondern "weitgehend". Und die genannten Komponisten sind aus meiner - sicher nicht repräsentativen Sicht - "Standardzeug". Die Reger - Hartmann - Eisler plus ein, zwei Crossover-Projekte natürlich nicht (die werde ich mir auch zukommen lassen). Aber das Vogler Quartett hat z.B. laut Buch seinerzeit den Evianwettbewerb vor allem mit ihrer Interpretation von Ligeti 2 gewonnen. Wieso gibt es davon keine Einspielung oder von einigen Rihm Quartetten? Ich kritisiere ja nicht das Quartett, sondern die phantasielose Politik der involvierten Labels.

  • Natürlich sind Berg, Janacek oder Verdi nicht exotisch. Aber vor gut 20 Jahren m.E. schon relativ ungewöhnlich und abwechslungsreich für Beinahe-Debut-CDs eines jungen Ensembles. Mit seinen ersten Aufnahmen will sich ein Ensemble nicht zu einseitig in einer Exoten/Modernsky-Ecke positionieren. Die ersten beiden CDs 1991/92 waren anscheinend Berg/Verdi und Bartok 2/Beethoven 59/1; dann Schumann 1/Brahms 3.
    (Zum Vergleich war meines Wissens Mitte der 1980er die Hagen-Debut-CD ein reines Schubert-Programm (Rosamunde+Quartettsatz+ frühes Quartett.)


    Was dann in der Folge alles aufgenommen wurde, oder eben auch nicht, ist sicher auf alle möglichen kommerziellen u.a. Erwägungen der Labels zurückzuführen. Das Ensemble scheint hier auch etwas Pech gehabt zu haben; obwohl die Diskographie nach 30 Jahren schon ein ganz nettes Spektrum bietet, ist sie quantitativ kaum mit zB dem Leipziger Streichquartett bei MDG zu vergleichen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Die Denhoff-Doppel interessiert mich irgendwie. Die Hörproben klingen nach intellektuellem Meditativ-Minimalismus in Passions-Länge, Feldman auf deutsch.


    Ich fürchte aber, dass mir niemand weiterhelfen kann. Oder doch?


    Zitat

    Das Ensemble scheint hier auch etwas Pech gehabt zu haben; obwohl die Diskographie nach 30 Jahren schon ein ganz nettes Spektrum bietet, ist sie quantitativ kaum mit zB dem Leipziger Streichquartett bei MDG zu vergleichen.


    Allerdings hat das Leipziger Streichquartett im Moment wohl andere Sorgen ...


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • So furchtbar gerne möchte ich das hier nicht ausbreiten - und ich kann es auch nicht, weil ich die Folgevorgänge nicht beobachtet habe. Es dürfte aber völlig genügen, wenn ich Dir zum Gugeln den Namen Stefan Arzberger anbiete ... ;( Der fünfte Link - ist es erst, hätte ich beinahe gesagt - ist der richtige und es meldet sich auch gleich die richtige Stelle ... :S:thumbdown:


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zurück zum Vogler Quartett:

    Anlässlich dieses Threads habe ich mir das Amerikanische Quartett von Dvorak (Coverbild siehe Beitrag Nr 2)mit dem Vogler Quartett über Kopfhörer angehört. Ich fand die Aufnahme ganz ausgezeichnet und geradezu betörend - etwas, das mir beim Ersthören (über Lautsprecher) nicht aufgefallen war. Deshalb wird es ab Mai auch den 2. Teil der Edition in meiner Sammlung geben (Ebenfalls eine Doppel-CD - wie die Folge 1). Ähnlich überzeugend empfand ich lediglich die Aufnahme des Talich Quartetts auf Calliope.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Die Denhoff-Doppel interessiert mich irgendwie. Die Hörproben klingen nach intellektuellem Meditativ-Minimalismus in Passions-Länge, Feldman auf deutsch.


    Ich fürchte aber, dass mir niemand weiterhelfen kann. Oder doch?


    Die CD ist bestellt. Ich werde berichten.

  • Ich hatte die Denhoff-CD mal im Besitz, habe sie aber weitergegeben, weil ich damit nicht so viel anfangen konnte und die schiere Länge (wobei mir nicht so ganz klar ist, ob es sich wirklich um ein einziges Stück handelt) dagegen sprach, dass ich jemals die Geduld für nähere Beschäftigung aufbringen würde :untertauch:

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Danke, Johannes! Jetzt warte ich noch gerne auf lutgra!


    Natürlich werde ich, sollte ich mir das Werk zulegen, auch auf die richtige Stimmung warten müssen. (Schließlich könnte man sich in der gleichen Zeit eine ganze Oper zum ersten Mal anhören, was quasi einen höheren Grad an "Leistung" implizieren würde ... :P ) Indes habe ich solche Stimmungen zuhauf und es muss dann nicht immer Pettersson (oder Fernsehen) sein.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Das erste Quartett von Hartmann wurde 1934 komponiert und trägt den Untertitel "Carillion". Dies aus dem schlichten Grund, dass es 1936 bei einem gleichnamigen Wettbewerb in Genf den ersten Preis erhielt. In der Jury waren u.a. Ansermet, Malipiero und Roussel. Seine Sprache ist herb und düster. Klanglich steht das Werke Bartok nahe und weist viele Elemente auf, die wir später auch bei Schostakowitsch finden. Die suggestive Kraft des klanglichen, rhythmischen und melodischen Geschehens steht im Vordergrund. Bekenntnismusik - ein Meisterwerk des 20. Jahrhunderts, das eigentlich zum Standardrepertoire aller Quartette gehören müsste; viele spielen es inzwischen auch. Das Vogler Quartett spielt es sehr eindringlich.