Carl August Bünte — im Schatten Furtwänglers und Karajans

  • Wer kennt heute noch den Dirigenten Carl August Bünte, der in diesem Jahre 90 wird? Eigentlich seltsam, prägte er das Berliner Musikleben zwischen 1949 und 1973 doch, wie ich erfahren durfte, mehr als man es für möglich hielte. Im Schatten des Berliner Philharmonischen Orchesters unter den Pultgöttern Furtwängler und Karajan hat er die Grundlagen für die heutigen Berliner Symphoniker gelegt. Sein Stil erinnert wirklich ein wenig an den großen Wilhelm Furtwängler (siehe Videobeispiel ganz unten)!



    Carl August Bünte, geboren am 23. September 1925 in Berlin, ist ein deutscher Dirigent und Hochschullehrer.


    Der Sohn des Pianisten und Komponisten Charles Bünte (1880—1943) studierte 1946—1949 in einer Meisterklasse bei Sergiu Celibidache am Internationalen Musikinstitut Berlin Dirigieren sowie bei Paul Höffer Komposition.


    1949—1967 war Bünte Chefdirigent des Berliner Symphonischen Orchesters, das ab 1967, nach dem Zusammenschluss mit dem (damaligen) Deutschen Symphonieorchester, jetzt Symphonisches Orchester Berlin hieß (ab 1990 Berliner Symphoniker). Diesem Orchester stand Bünte noch bis 1973 als Chefdirigent vor.


    Mit seinem Berliner Orchester absolvierte Bünte zahlreiche Konzertreisen, u. a. nach Hamburg, Bremen, Oldenburg, Hannover, Hildesheim, Köln, Düsseldorf, Speyer, Nürnberg, Stuttgart und München. Zudem gastierte er bei den Berliner Festwochen.


    Nach seiner Abschied 1973 war er als Gastdirigent in verschiedenen europäischen Ländern wie auch in Japan und Südamerika tätig. Er gastierte zudem bei solch bedeutenden Orchester wie den Berliner Philharmonikern und den Münchner Philharmonikern.


    Ab 1978 war Bünte für einige Jahre Gastprofessor für Dirigieren und Orchesterleitung an der Staatlichen Universität für Bildende Künste und Musik in Tokio tätig. 1987—1999 lehrte er an der Hochschule der Künste Berlin (Honorarprofessor ab 1998).


    1962 wurde ihm der Deutsche Kritikerpreis in der Sparte Musik zuerkannt. 1982 wurde er zum Ehrendirigenten des Kansai Philharmonic Orchestra Osaka berufen. Ebenfalls 1982 wurde er Ehrenprofessor der Tokyo National University of Fine Arts and Music.


    Bünte ist in dritter Ehe verheiratet.


    Wie ich soeben feststellte, ist mittlerweile doch einiges auf CD greifbar:



    Historischer Mitschnitt 1952:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Majestät sei bedankt! Wieder einmal hat sie einen Namen aus der Versenkung ans Tageslicht geholt - wie so oft in den letzten Tagen. Das muss ich loben.


    Ich bin auch erstaunt und überrascht über die von Tamino-Josephus eingestellten Aufnahmen. Aber eine ist nicht dabei, die ich noch irgendwo stehen haben müsste (wenn ich momentan nur wüsste, wo?), die möglicherweise aber nicht mehr im Handel erhältlich ist: Die Aufnahme von Beethovens WoO-Klavierkonzert Es-Dur, gekoppelt mit einem einsätzigen KK, das man lange Zeit Beethoven zuschrieb, das jedoch tatsächlich von Rosetti stammt...


    Der Solist ist mir entfallen...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Herr Professor Bünte hat unseren Thread gelesen und mir dazu einen Brief plus Anhang geschrieben. Ich habe heute mit Ihm ca eine halbe Stunde telefoniert und er hat mir die Einwilligung gegeben, den Brief hier zu veröffentlichen - was im Folgebeitrag geschehen wird. Heikle Daten, wie Adresse, Tel. Nr und Internetadresse wurden von mir allerdings entfernt.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Donnerwetter! Was für eine Überraschung! Jedenfalls freue ich mich sehr über das Lob, das unserem Joseph II. für seinen verdienstvollen Thread gebührt. Danke auch Alfred für das Einstellen.


    Jedenfalls ist dies ein großartiger Nachweis dafür, dass auch Künstler wahrnehmen, was hier im Forum geschrieben wird; von daher möchte ich Prof. Bünte an dieser Stelle herzlich grüßen und für seine Zeilen danken.


    Hier möchte ich die 9. Symphonie von Beethoven in einer Videoaufnahme zeigen, da sie in dem Brief erwähnt worden ist:


  • Ich bin ganz gerührt und sprachlos, was ein kleiner Thread hier auszulösen vermag.


    Herrn Professor Bünte kann man nur danken für seine Reaktion. Ich glaube, dergleichen kam selbst beim Tamino Klassikforum noch nicht vor, dass sich ein berühmter Dirigent hier selbst zu Wort meldet.


    Ich meine auch sagen zu dürfen, dass die Beschäftigung mit den Aufnahmen von Herrn Professor Bünte wirklich mehr als lohnenswert sind. Dies ist weit mehr als eine bloße Ergebenheitsadresse, sondern meine tiefe Überzeugung. Es ist völlig unverständlich, wieso er auch hier bisher so selten genannt wurde.


    Dass Karajan weitere Auftritte dieses begnadeten Dirigenten vor "seinem" Orchester verhinderte, sagt mehr über ihn aus als über Professor Bünte, der sich da in illustrer Gesellschaft mit dem großen Hans Knappertsbusch befindet, dem Karajan bekanntlich auch weitere Auftritte mit den Berliner Philharmonikern unmöglich machte.


    Ganz herzliche Grüße an Herrn Professor Bünte mit den besten Wünschen und noch viele weitere Jahre bei guter Gesundheit!


    P.S. Hier noch eine Verlinkung zur erwähnten Autobiographie:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eine wunderbare Anerkennung für Joseph II., der sich hier seit Jahren so sachkundig, gelassen und nachhaltig um die Dokumentation von Orchestern und ihrer Dirigenten verdient macht. Ich bin darob sehr beeindruckt und partizipiere davon. :):hello:


    Interessant finde ich an dem Brief von Bünte den Seitenhieb auf Karajan. Wie richtig bemerkt wird, ist dieser Dirigent ja nicht sein einziges "Opfer". Auch etliche Sänger haben ja schmerzhaft erfahren, wie sie von ihrem einstigen Meister links liegen gelassen wurden. Er duldete eben nur sich selbst. Dabei hätte er das gar nicht nötig gehabt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Bei der im Brief erwähnte Aufnahme handelt es sich um einen Konzertmitschnitt aus der Symphony Hall Osaka vom 28 12 1989 unter starker Einbeziehung der Raumakustik. Es wurde die Original Handschrift der Staatsbibliothek Berlin verwendet, die von den späteren Fassungen in einigen Punkten abweicht. Carl A. Bünte dirigiert das Kansai Philharmonic Orchestra.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das dürfte dann folgende Aufnahme sein:



    Übrigens findet man bei Spotify unter "Berliner Symphonisches Orchester" einige der oben gezeigten Aufnahmen zumindest ausschnittsweise.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Obwohl ich auch schon Ähnliches erlebt habe - eine Resonanz auf einen meiner Beiträge von einer Mitleserin außerhalb des Forums - war ich auch in diesem Fall wieder berührt und angenehm überrascht. Es ist tatsächlich ein Beweis für die Außenwirkung von Tamino. Zusätzlich möchte ich mich Rheingold an die Seite stellen und sein Lob für Josephus II. gelungene Arbeiten voll unterstützen.


    :jubel:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Danke, liebe Freunde, doch lobt nicht mich, sondern denjenigen, dem dieses Thema gewidmet ist.


    Man findet bei YouTube in der Tat zahlreiche Aufnahmen von Carl August Bünte, darunter etwa Schuberts "Große" von 1956:



    Wenn ein Kommentator unter dem Video meint: "Perfect - reminds of Furtwängler!", kann ich mich dem nur anschließen. Solch eine expressive Kraftentfaltung in diesem Finalsatz kenne ich ansonsten nur in der Aufnahme von Knappertsbusch mit den Wiener Philharmonikern von 1957, die seinerzeit zurecht in der Jubiläumsedition "150 Jahre Wiener Philharmoniker" erschien.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wieder einmal ist der enorme Wert unseres Tamino-Klassik-Forums eindrucksvoll unter Beweis gestellt worden. Obwohl ich den Namen Bünte schon gehört hatte, wenn mich jemand in einer Rätselsendung gefragt hätte. Ich hätte geantwortet: Ein Tee Hersteller.
    Lieber Josef, man bewundert den Schatz. Ähnliche Bewunderung gehört jedoch auch dem Schatzgräber. Du hast so viele längst vergessene Schätze gefunden und ausgegraben, dass Dir dafür wirklich ehrliche Anerkennung gebührt. "Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr". Es ist ein Zeichen eines gefestigten Selbstvertrauens, wenn man Lob annehmen und souverän damit umgehen kann. Siehe Brief Bünte. Also nehme das verdiente Lob an und genieße es. Bitte nicht böse sein, wegen dieses unerbetenen Ratschlags.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Wieder hat mich ein Brief von Herrn Prof Bünte erreicht, der sich natürlich freut, daß er noch so gut im Bewusstsein des Klassikpublikums von einst verankert ist. Und natürlich kann er uns einiges aus erster Hand erzählen


    Ich werde den Brief auszugsweise zitieren.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dieses jetzt Symphonisches Orchester Berlin genannte Orchester beging nach meiner Meinung eines Tages den großen Fehler sich in Berliner Symphoniker umzubenennen.


    Die Folge war eine Einstellung der Subventionen nach der Wiedervereinigung


    Das die Einstellung der Subventionen maßgeblich die Umbenennung des Orchesters zur Ursache hatte, ist natürlich Unsinn! Hätte sich das Orchester nicht umbenannt, hätte das gar nichts verändert!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • ES gibt da noch eine Kleinigkeit, die ich nicht geschrieben habe - und nicht schreiben sollte ....
    dann wäre das natürlich wieder logisch .....


    LG
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ES gibt da noch eine Kleinigkeit, die ich nicht geschrieben habe - und nicht schreiben sollte ....
    dann wäre das natürlich wieder logisch .....


    Aha. So, wie es jetzt da steht, ist dieser enge Zusammenhang zwischen Umbenennung und Subventionskürzung jedenfalls nicht plausibel.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich habe ihn vorgestern leider vergessen, weil ich meine Datenbank nicht aufmerksam genug durch geschaut habe, denn er hatte runden Geburtstag, zu dem ich diese Aufnahme gefunden habe:





    Vorgestern wurde Carl August Bünte 90 Jahre alt.


    Herzlichen Glückwunsch!


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Er wird sich freuen - denn er liest hier mit.......
    Die allerbesten Wünsche auch aus Wien - und vor allem Gesundheit


    Alfred Schmidt

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Professor Bünte,


    ich möchte mich nomals persönlich bei Ihnen für meine Nachlässigkeit entschuldigen, wünsche Ihnen ebenfalls Gesundheit und alles Gute und verspreche Ihnen, bei Ihrem 91. Geburtstag aufmerksamer zu sein.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich möchte mich da gerne anschließen und dem Neunzigjährigen alles erdenklich Gute wünschen. Neben der Gesundheit, derer Sie, sehr geehrter Herr Prof. Bünte, sich hoffentlich erfreuen dürfen, mögen sich auch alle Wünsche, die Sie haben, erfüllen.


    :jubel::jubel::jubel:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Ob sich seine Wünsche erfüllt haben, das weiß ich nicht. Es gab - durch diesen Thread ausgelöst - einen sehr losen Briefwechsel zwischen ihm und mir. Es waren nur mehr zwei Briefe, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, und er schenkte mir einige CDs mit Aufnahmen von ihm.
    Heute habe ich ernweut ein wenig recherchiert und dabei die traurige Tatsache ermittelt, daß Carl August Bünte am 6. Juni 2018 verstorben ist und in aller Stille beerdigt wurde.


    https://www.tagesspiegel.de/ku…und-zurueck/22729856.html


    RIP


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vielen Dank für diese Info, die mir nicht bekannt war. Wenn ein bedeutender Künstler die Lebenden verlässt, ist das immer traurig. In seinem Fall darf man sich aber mit der Tatsache trösten, dass er wirklich ein gesegnetes Alter erreicht hat.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Erst durch die bedauerliche Todesnachricht habe ich die tollen Beiträge aus dem Jahr 2015 entdeckt. Meines Wissens wurde das SOB früher auch Bünte-Orchester genannt, auch als dieser schon lange nicht mehr Chefdirigent war. Bei der weiteren Recherche habe ich heute außerdem gelesen, dass der mir persönlich bekannte langjährige Trompeter und Intendant des Orchester im letzten Jahr gestorben ist.