Robert Schumann: Werke für Soloklavier Vol. 01 - Kinderszenen op 15

  • Dieser Thread ersetzt den alten, welcher von mir stillgelegt wird. Die letzten Beiträge (ca ab 2013) können von den Verfassern kopert und dann hier an passender Stelle – vermutlich leicht modifiziert - eingefügt werden. (Diese Testpassage wird nach einiger Zeit von mir gelöscht)


    Der Klavierzyklus „Kinderszenen“ entstand 1838


    „Es war mir ordentlich wie im Flügelkleide, und da habe ich an die dreißig kleine putzige Dinger geschrieben, von denen ich etwa zwölf ausgelesen und „Kinderszenen“ genannt habe,“


    Der Brief an Clara, in welchem Schumann diese Sätze niederschreibt stammt vom17. März 1838. Die Stücke sind nicht etwa für Kinder geschrieben, sondern, von einem Erwachsenen für Erweachsene, welche sich an ihre Kindheit erinnern, bzw Assoziationen zur Ihr herstellen möchten. Die Stücke selbsts indes haben nichts Beschreibendes, was es vielen erschwert hat sich damit zurechtzufinden. Schumann hält ausdrücklich fest, dass die „Kinderszenen keine Programmusik seien und begegnet einer Kritik des Kritikers Rellstab mit den Worten:


    Zitat

    „Ungeschickteres und Bornierteres ist mir aber nicht leicht vorgekommen, als es Rellstab über meine Kinderscenen geschrieben. Der meint wohl, ich stelle mir ein schreiendes Kind hin und suche die Töne danach. Umgekehrt ist es -: die Überschriften entstanden natürlich später und sind eigentlich nichts als feinere Fingerzeige für Vortrag und Auffassung"


    Die Kinderszenen sind „Lieder ohne Worte“, noch dazu sehr kurze. Schumann selbst hat sie sehr geliebt, ebenso wie seine spätere Frau, Clara
    Entegegen seinem Brief sind es nicht 12, sondern 13 Stücke, wobei die „Träumerei“ wohl das bekannteste und beliebteste ist.


    1. Von fremden Ländern und Menschen
    2. Curiose Geschichte
    3. Hasche-Mann
    4. Bittendes Kind
    5. Glückes genug
    6. Wichtige Begebenheit
    7. Träumerei
    8. Am Kamin
    9. Ritter vom Steckenpferd
    10. Fast zu ernst
    11. Furchtenmachen
    12. Kind im Einschlummern
    13. Der Dichter spricht


    Ich möchte über das hinausgehen, was üblicherweise in solchen Threads geschrieben wird, nämlich die bloße Aufzählung von existierenden Aufnahmen – Das gehört natürlich auch dazu – und vor allem die Aufnahme der letzen 15 Jahre sollten hier genannt werden.
    Ich rege hier aber an, dass Interessenten einzelne Nummern herausklauben und ihre emotionalen Eindrücke schildern, gleichgültig ob diese von allgemeiner Art sind, oder ob es sich um eine ganz individuelle Beschreibung einer spetierllen Interpretation der entsprechenden Nummer handelt. Vermutlich wird hier das „Paradestück des Zyklus, die „Träumerei“ am meisten erwähnt werden – umso interessanter sind Beschreibungen anderer Stücke, und der Eindrücke, die sie beim Hörer hinterlassen. Man muss sich allerdings von der Vorstellung lösen, die Titel nähmen Unmittelbaren Bezug auf die Musik, Es waren die subjektiven Eindrücke Schumanns….
    Wie dem auch sei - durch die Titelgebung des Zyklus und der einzelnen Stück ist es Schumann gelungen Aufmerksamkeit beim Hörer zu erzeugen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Hallo,
    ich verstoße 2 x gegen die aufgestellte Regel:
    Diese Aufnahme entstand 1982.
    Für mich (unabhängig wie das Schumann empfunden hat) sind Haschemann, Wichtige Begebenheit, Träumerei, Ritter vom Steckenpferd und Kind im Einschlummern eindeutig durch die Überschrift in Verbindung mit ihrer Musiksprache (Erläuterung erfolgt auf Wunsch) einzuordnen/bestimmbar.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Zweiterbass,du hast über keine Regel verstoßen, denn eine der beiden Regeln hieß lediglich:

    Zitat

    und vor allem die Aufnahmen der letzen 15 Jahre sollten hier genannt werden

    .
    Es war dies ein Wunsch, dahingehen, daß nicht lediglich die Aufnahmen aufgezählt werden, die ohnedies jeder kennt. -ohne weitere Erläuterung.
    Auch Schumann wird die Titel seiner Stücke als der Musik zugeordent empfunden haben - schliesslich hat er sie ja selbst vergenen - noch dazu NACHTRÄGLICH, er konnte sie also leicht an die Stücke anpassen und musste nicht krampfhaft zu irgendeinem vorgegebenen Titel etwas komponieren. Daß er dann etwas anderes verkündete, mag die Reaktoin aus Kreisn zeitgenössischer Kenner und Kritiker gewesen sein, denn die Mehrheit des damaligen Publikums konnte mit musikalischen "Dichtungen" zu literarischen Vorlagen wenig bis nichts anfangen was die Übereinstuimmung betrifft, so nicht ein Text das ganze untermauerte. Ich selbst bin auch kein begandeter "Ausdeuter" von nonverbalen musikalischen Inhalten, welche ein Geschehen, eine Situation oder eine Persönlichkeit darstellen sollen. Deshalb höre ich sowohl Klavierminiaturen als auch Sinfonische Dichtungen als "absolute Musik" - Das mag sich eines Tage ändern....

    Zitat

    Erläuterung erfolgt auf Wunsch


    Hiermit äußer ich öffentlich den Wunsch, daß diese Erläuterung hier folgt, sie sind ein wichtiger Kern dieses und weiterer Schumann-Klavierzyklen-Threads....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • „Es war mir ordentlich wie im Flügelkleide, und da habe ich an die dreißig kleine putzige Dinger geschrieben, von denen ich etwa zwölf ausgelesen und „Kinderszenen“ genannt habe,“
    Der Brief an Clara, in welchem Schumann diese Sätze niederschreibt stammt vom17. März 1838. Die Stücke sind nicht etwa für Kinder geschrieben, sondern, von einem Erwachsenen für Erweachsene, welche sich an ihre Kindheit erinnern, bzw Assoziationen zur Ihr herstellen möchten. Die Stücke selbsts indes haben nichts Beschreibendes, was es vielen erschwert hat sich damit zurechtzufinden. Schumann hält ausdrücklich fest, dass die „Kinderszenen keine Programmusik seien


    Man muss sich allerdings von der Vorstellung lösen, die Titel nähmen Unmittelbaren Bezug auf die Musik, Es waren die subjektiven Eindrücke Schumanns….


    Hallo,


    die folgenden Kinderszenen sind m. E. auf Tonmalerei aufgebaut und für mich keine absolute Musik; die Titel sind treffende Überschriften für die Stücke, egal (?) ob sie nun vor oder nach der Musik entstanden sind.


    Haschemann: Wie Kobolde hüpfen die 31 sec. des Stücks rasch vorbei, links eine ostinatoähnliche Figur, rechts die wiederholte und dabei stets unterbrochene Melodie - der vom Grundsatz gleichmäßige Ablauf, aber stets unterbrochen (Richtungswechsel), des Fangens/Haschens - nach 15 sec, Wiederholung bis zum Ende - im 1. Anlauf war das Fangen nicht erfolgreich.


    Wichtige Begebenheit: Die sehr markante, rhythmisch betonte linke Hand unterstützt die noch mehr bestimmende markante Rhythmik der Melodie rechts, was die Wichtigkeit der Musik verdeutlicht; dies wird nun in höherer Lage wiederholt, um die Wichtigkeit des Vorgangs wiederholend einprägsam zum machen (Wiederholungen des Textes bei Textvertonungen sind üblich, um die Bedeutsamkeit des Textes auch musikalisch zu unterstreichen – das gilt ohne Text ebenso).


    Träumerei: Die schlichte Melodie, in einfachen, einprägsamen Akkorden links begleitend, sehr legato, mit eingestreuten „Erinnerungs“-pausen – wer gerät da nicht ins Träumen, wenn die Musik so dazu verführt? (Ich verweise dazu noch auf den Text und den Chor von Brahms „Waldesnacht, du wunderkühle“ - „…träumerisch die müden Glieder berg' ich weich ins Moos…“.)


    Ritter vom Steckenpferd: Da galoppiert ein Pferd dahin (der Rhythmus ist eindeutig, wer wollte das bestreiten?). Und um dem kindlichen Charakter des Steckenpferdes gerecht zu werden, erklingen die 41 sec. in hoher Tonlage.


    Kind im Einschlummern: Anfangs leichte Ähnlichkeit im Charakter mit der Träumerei – dann kommen aber auch bewegte Momente in der Musik, auch in Moll, die Tagesereignisse (nicht nur gute) laufen in der Erinnerung vorbei, stets unterbrochen von der musikalischen Ähnlichkeit mit der Träumerei = das Einnicken des Kindes symbolisierend – die letzten 18 sec. leicht rit. in hoher Lage und pp. – das Kind entschwebt der Realität.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Man verwendet ja gerne den Begriff "Charakterstücke". Von den entsprechenden Zyklen Schumanns haben "Carnaval", "Kinderszenen", die Fantasiestücke op.12 (hier mit u.a. Abend/Nacht/Traum als "Themen") und die (deutlich später komponierten) "Waldszenen" suggestive, aber meist wenig konkrete Titel.
    Bei den Kinderszenen mag es ein paar sehr deutliche Gesten geben, wie das Reiten oder Fangen. Aber schon bei "Träumerei" sehe ich wenig konkretes. (Ist das eine "Tagträumerei" oder ein Traum im Schlafen oder...) Bei "Kind im Einschlummern" ist der erste magische Moment für mich nach ca. 35 sec. das würde ich eigentlich schon als den Moment des Entschlummerns deuten, aber die Musik des Anfangs kommt dann ja nochmal wieder und verklingt dann. Was "Der Dichter spricht" überhaupt in "Kinderszenen" zu suchen hat, ist mir nicht so ganz klar.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Bevor ich diesen Thread startete, habe ich mir überlegt ob er "tragfähig" sein würde, ob also Diskussionsstoff über das Aufzählen einzelner Interpretationen (was natürlich auch hierhergehört) vorhanden sein könne. Nach eifriger Recherche im Klaviermusikführer und diversen Booklets, kam ich zu der Ansicht, daß hier sehr wohl genügend "ideologische" oder "inhaltliche" Substanz vorhanden wäre. In einem der von mir gelesenen Texte, wurde beispielsweise behauptet, daß ausgerechnet das Stück "Der Dichter sprict" das Kernstücks des Zyklus darstelle, und nicht, wie oftmals behauptet, die "Träumerei" Es wird hier von der These ausgegangen (über die eigentlich allgemeiner Konsens zu herrschen scheint), daß die "Kinderzenen" solche aus der Erinnerung eines Erwachsenen sind der sie aus gewisser Distanz betrachtet. Der "Dichter" ist dieser Erwachsene - und in letzter Konsequenz wahrscheinlich Schumann selbst (??)
    Das wird nicht alle überzeugen, darüber könnte man aber zumindest nachdenken. Ich finde, es spricht einiges, daß "Der Dichter spricht" - er soll gewissermaßen das Resume des Ganzen sein - erst im letzten Aufenblick dem Zyklus hinzugefügt wurde, denn im Brief Schumanns an Clara spricht Robert von ZWÖLF ausgewählten Stücken (von insgesamt etwa dreissig, der Zyklus umfasst aber DREIZEHN (eher ungewöhnlich für einen Zyklus). Persönlich interessiert mich auch, ob bekannt ist, was aus den restlichen Stücken passiert ist, ob die erhalten sind oder nicht..


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bevor ich diesen Thread startete, habe ich mir überlegt ob er "tragfähig" sein würde, ob also Diskussionsstoff über das Aufzählen einzelner Interpretationen (was natürlich auch hierhergehört) vorhanden sein könne. Nach eifriger Recherche im Klaviermusikführer und diversen Booklets, kam ich zu der Ansicht, daß hier sehr wohl genügend "ideologische" oder "inhaltliche" Substanz vorhanden wäre. In einem der von mir gelesenen Texte, wurde beispielsweise behauptet, daß ausgerechnet das Stück "Der Dichter sprict" das Kernstücks des Zyklus darstelle, und nicht, wie oftmals behauptet, die "Träumerei" Es wird hier von der These ausgegangen (über die eigentlich allgemeiner Konsens zu herrschen scheint), daß die "Kinderzenen" solche aus der Erinnerung eines Erwachsenen sind der sie aus gewisser Distanz betrachtet. Der "Dichter" ist dieser Erwachsene - und in letzter Konsequenz wahrscheinlich Schumann selbst (??)
    Das wird nicht alle überzeugen, darüber könnte man aber zumindest nachdenken. Ich finde, es spricht einiges, daß "Der Dichter spricht" - er soll gewissermaßen das Resume des Ganzen sein - erst im letzten Aufenblick dem Zyklus hinzugefügt wurde, denn im Brief Schumanns an Clara spricht Robert von ZWÖLF ausgewählten Stücken (von insgesamt etwa dreissig, der Zyklus umfasst aber DREIZEHN (eher ungewöhnlich für einen Zyklus). Persönlich interessiert mich auch, ob bekannt ist, was aus den restlichen Stücken passiert ist, ob die erhalten sind oder nicht..

    Lieber Alfred,


    ich glaube auch, dass Deine Vermutung richtig sein könnte. "Der Dichter spricht" ist eine Art Epilog und Resume - so etwas gibt es ja auch in anderen Klavierwerken von Schumann, etwa der Schluß der "Davidsbündlertänze" ist ebenfalls so eine Art abschließender Kommentar des Vorherigen. Bezeichnend spricht hier der Dichter - bei Schumann ist alles "reflektiert". Die Musik ist Anlaß für eine Reflexion (eine auf "außermusikalische" Dinge, würde Hanslick sagen) aber auch umgekehrt reflektiert sie selber die poetischen Titel und Anspielungen. Wogegen sich Schumann verwahrt, ist eine programmatische Auffassung im engeren Sinne (das Zitat oben sagt das schön) - die Musik illustriert nicht irgend etwas Gemeintes, was eine Festlegung bedeuten würde, die keinem Raum mehr für das freie Reflektieren und Assoziieren lassen würde. Hier kann man einen zentralen Begriff der romantischen Musikphilosophie heranziehen, finde ich: den der Ahnung. Ahnungen haben und behalten immer etwas Unbestimmtes - und diese Unbestimmtheit läßt eben den Platz für Reflexionen. Erinnerungen haben per se etwas Unbestimmt-Ahnungshaftes (hier an die Kindheit), was dann durch die Musik weiter reflektierend ausgedeutet wird. Damit wird die Musik zu einer Art Denken in Tönen (das steht wiederum im Kontext der romantischen Musikphilosophe, von F. Schlegel stammt ja die Kennzeichnung der Musik als eine philosophische Ideenreihe). Dazu paßt auch der Titel "Der Dichter spricht" - eine abschließende Reflexion der Reflexion, eine Art Selbstbespiegelung des musikalischen Subjekts, wo Musik auch ohne alle Worte zu einem Vorgang besinnlichen Denkens wird.


    Zu den Aufnahmen: Ich finde ja, dass man ohne die "alten" von Cortot, Kempff und Horowitz (besonders die alte CBS-Aufnahme) nicht auskommt. Brendel bewundert übrigens die Cortot-Aufnahme sehr! ;) Ich bin ein ganz großer Schumann-Liebhaber! Deswegen gefällt mir Deine Idee zu einer Schumann-Reihe (nach Liszt, das solltest Du auch weiter machen!) ganz besonders gut. :hello:


    P.S. Dieses Reclam-Bändchen lohnt es sich zu haben:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Hier ein sehr eindrucksvolles Filmdokument - Alfred Cortot erklärt und interpretiert "Der Dichter spricht" (mit leider schlechter Tonqualität):



    Schöne Grüße
    Holger

  • Interessant, dank für diesen Ausschnitt. Hier wird auf verbaler Ebene verdeutlicht, warum ich mich nie so ganz mit der Cortot-Aufnahme anfreunden konnte.


    Zitat

    (von Dr. Holger Kaletha): Ich finde ja, dass man ohne die "alten" von Cortot, Kempff und Horowitz (besonders die alte CBS-Aufnahme) nicht auskommt. Brendel bewundert übrigens die Cortot-Aufnahme sehr! ;)


    In der Tat nicht überraschend. Ebenso erinnert Radu Lupu momentweise an Moiseiwitsch. Meine Zuneigung gehört besonders Martha Argerich, live in Lugano. Heute unumgänglich :) .

  • Meine Zuneigung gehört besonders Martha Argerich, live in Lugano. Heute unumgänglich :) .


    Hallo Gombert,


    ich habe von ihr leider nur die Studioaufnahme, die finde ich aber ein bisschen manieriert. Wirklich toll ist auch Horowitz hochpoetischer Vortrag in Wien - wahrlich Klavierpoesie :) :



    Schöne Grüße
    Holger


    Threadrestaurierung: Durch youtube gelöschtes Video durch ein anderes ersetzt - am 26. 10 2023 durch MOD 001 Alfred

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  • Ich bin auf diesen Thread gestossen Schumann, Robert: Kinderszenen. Leichte Stücke für das Pianoforte op. 15 (1838)

    Er wurde geschlossen, weil die Kinderszenen op. 15 diesen eigenen Thread haben. (*Die Metronomangaben kann man dort nachlesen.)


    Ich möchte darauf hinweisen, dass Andreas Staier in seinen Schumann Einspielungen sich an die schnellen Metronom Vorgaben des Komponisten hält.



    Auch in dieser Box mit 3 CD enthalten. Zum gleichen Preis übrigens, wie die Einzelaufnahme.



    Der Pianist Andreas Staier schreibt:


    "Ich habe mich von Anfang an dafür entschieden, Schumanns vieldiskutierte Metronom-Angaben zu respektieren – die für alle hier vorgelegten Werke existieren, mit Ausnahme der Nummern 4, 14, 27, 28, 30, 42 aus dem Album für die Jugend. Die Verwirrung über Schumanns Tempi setzte früh ein. Clara veröffentlichte schon 1855, also noch zu Roberts Lebzeiten, in Signale für die musikalische Welt eine Erklärung, in der sie behauptete, sein Metronom sei fehlerhaft gewesen; daher seien alle seine Metronom-Angaben „um vieles schneller, als sie in der Intention des Componisten lagen“. Neun Jahre später jedoch nahm sie in derselben Zeitschrift alles wieder zurück – um in ihren Ausgaben der Werke ihres Gatten dennoch viele Metronom-Zahlen teilweise erheblich zu ändern! In keinem Falle kann ein möglicherweise defektes Metronom gewisse Tempo-Eigentümlichkeiten erklären, denn mitunter sind in ein und demselben Werk – die Kinderszenen sind das beste Beispiel – manche Sätze erstaunlich schnell, andere erstaunlich langsam metronomisiert.


    Schumanns Musik scheint von sich aus, in ihrer grundsätzlichen Faktur, in einem labilen Verhältnis zum Tempo zu stehen. Die Musik des Barock und der Klassik besaß Tempi ordinari oder giusti, d. h. Satz-Typen, die der erfahrene Musiker auf den ersten Blick erkennen und auf der Tempo-Skala einordnen konnte. Noch für Mendelssohn gilt dies nahezu uneingeschränkt. Schumann aber ist vielleicht der erste Komponist, dessen Stücken man ihr immanentes Zeitmaß, ihren Puls oft nicht mehr ansieht. An seinem Dirigat als Düsseldorfer Musikdirektor bemängelten die Musiker vor allem seine Unzuverlässigkeit im Tempo. Allgemein wird dies heute als Symptom seiner Krankheit gesehen; ich frage mich eher, ob diese Vagheit nicht zutiefst konstituierendes Merkmal seiner Musik ist.


    Überdies hat sich Schumanns Tempo-Empfinden im Laufe seiner Schaffenszeit erheblich gewandelt. Den im allgemeinen recht lebhaften früheren Werken bis etwa 1840 stehen die sehr gemessenen Spätwerke ab 1851 gegenüber – dies wird in vorliegender Einspielung unschwer nachzuvollziehen sein. Für die opp. 32, 68 und 82 lagen meine Vorstellungen ohnehin in der Nähe von Schumanns Vorgaben. Die Kinderszenen stellten mich vor die interessante und lehrreiche Aufgabe, meine Hörgewohnheiten in diesem fast allzu bekannten Werk über den Haufen zu werfen. Inzwischen leuchten mir die originalen Metronom-Zahlen durchaus ein; sie sind dem Fragmentarischen, Sprechenden dieser kurzen Skizzen angemessener als unsere traditionelle, sentimental gedehnte Spielweise – der Hörer urteile selbst... "

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Eine zweite Aufnahme mit der flotten Metronomisierung der Kinderszenen op. 15 habe ich in meiner Sammlung. Angelika Nebel spielt unter Berücksichtigung dieser Angaben, die Schumann autorisiert hatte. Vom Hörer wird eine Um- und Eingewöhnung gefordert. Die Pianistin nähert sich den hohen Tempi mit Bedacht an. Auf die schumannschen Metronomangaben wird im Booklet-Text detailliert eingegangen.


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich habe heute die Aufnahme mit Matthias Kirschnereit gehört, die sich IMO vom Tempo her von den anderen Einspielungen nicht sehr unterscheidet. Ich habe sie allerdings als etwas "erdenschwerer" und "direkter" empfunden, als beispielsweise jene von Florian Uhlig - wobei ich keiner der Beiden den Vorzug geben möchte. Im Booklet fand ich dann den Hinweis auf die ursprünglich 30 Stück, die Schumann selbst als "30 putzige kleine Dinger" gennant hat - von denen er ZWÖLF ausgesucht habe. Im Text stand ETWA zwölf - aber an sich waren es in der Tat ZWÖLF. Es ist nicht gelungen die fehlenden 18 Stück ausfindig zu machen, bzw eindeutig zuzuordnen. Jedoch erst um 2006 (!!) - eine andere Quelle gibt 2008(!!) an - wurde EIN weiteres Stück in der Leopold-Sophien-Bibliothek in Überlingen gefunden, eine Miniatur von ca 2 Minuten Spieldauer mit dem Titel "Ahnung" Es stammt aus dem Nachlass von Julius Allgeyer (1829-1900) der das Stück relativ kurz nach Schumann Tod mit Widmung von Clara Schumann erhalten hatte.

    Nach der Uraufführung 2009 in Überlingen wurde das Werk erstmals im gleichen Jahr durch Matthias Kirschnereit auf Tonträger aufgenommen und 2010 veröffentlicht.

    Und damit ist die weiter oben gestellte Frage: Warum ausgerechnet DREIZEHN ? beantwortet...


    mfg aus Wien

    Alfred


    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !