SCHOSTAKOWITSCH, Dmitri: Streichquartett Nr.2 op. 68

  • Sechs Jahre vertstrichen bis Schostakowitsch seinem erfolgreichen Erstling in Sachen Streichquartett ein zweites komponierte- Es wurde am 14. November 1944 in Leningrad (heute „St. Petersburg“) durch das Beethoven-Quartett erstmals aufgeführt. Schostakowitsch widmetw das Stück dem Direktor des Moskauer Konservatoriums, Wessario Schebalin, der ebenfalls Komponist war- und mit dem er befreundet war. Der erste Satz des viersätzigen Werkes ist mit Ouvertüre: Moderato con moto überschrieben- und ich finde vor allem den Beginn sehr eigenwillig, aber beeindruckend und in gewisser Weise klangschön und von hohem Wiedererkennungswert.
    Der 2. Satz, "Rezitativ und Romanze" - Adagio ist äusserst introvertiert und enwickelt sich im weiteren Verlauf zu einer Art Klagelied.
    Der 3. Satz ist mit „Valse“ (Walzer) überschrieben, aber es ist eher ein düstrer Schatten
    eines Walzers aus dem sich allmählich ein infernalischer Tanz zu entwickeln droht, aber doch vor dessen Vollendung wieder in seine Teile zerfällt und leise ausklingt
    Auch der Schlußssatz "Thema mit Variationen" – Adagio Moderato beginnt ist tendenziell leise klagend, wechselt aber während der Variationen ständig seinen Charakter von lyrisch idyllisch (mit nervösen Zweischentönen) oder schrill und gehetzt bis hin zum resiginierenden(?) Ende. Bei Schostawitsch weiß man nie woran man genau ist....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das zweite Streichquartett schätze ich sehr, besonders den 2.Satz das Klagelied, bei dem der ersten Violine breiten Raum für ausladende Sologesänge eingeräumt wird. Da braucht es einen wirklichen Solisten als Primaria/us, und den haben natürlich die heutigen Spitzenquartette auch alle. Z.b. das Pacifica Quartett, dessen Aufnahme ich heute morgen gehört habe. Simin Ganatra spielt das ganz wunderbar.

  • Während mir das 1. Quartett allzu heiter-klassizistisch vorkommt (und damit insgesamt eher untypisch für den Komponisten ist), findet man beim 2. (einem der längsten der Werkreihe) im Grunde schon alles, was für diese Quartette typisch ist. Ein kraftvoller Beginn, ein melancholischer langsamer Satz (hier eher "unquartettmäßig" beinahe ein Solo für Violine mit teils nur minimaler Begleitung), ein verzerrter Walzer. Das Variationenfinale ist (ebenso wie der Ouverture genannte Kopfsatz) ein klassizistisches Element; allerdings höchstens formal, im Ggs. zum 1. Quartett ist der Ausdruck nicht klassizistisch (wenn auch vielleicht noch nicht so extrem wie in einigen späteren Werken).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Über ein Jahr ist es her, daß ich die erste, einer auf 15 Folgen geplanten Serie, in der die Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch EINZELN vorgestellt werden sollen, eröffnet habe.Gestern kam die erste aktive Reaktion darauf, angeklickt wurde der Thread von 37 (!!) lesenden Interessenten. Dennoch habe ich mich entschlossen die Serie in loser Folge fortzusetzen, Derzeit existieren Einzelthread zu Streichquartett Nr 1 und 5.
    Sechs Jahre ließ Schotakowitsch verstreichen bis er sich wieder mit dem Thema Streichquartett befasste. Die Komposition des Streichquartetts Nr 2 in A- dur op 68 fand wärend des 2. Weltkriegs statt und war im September 1944 abgeschlossen. Der Komponist widmete sie seinem Freund Wissario Schebalin (1902-1963) einem Komponisten und damaligem Direktor des Moskauer Konservatoriums, der D.S. als Professor angestellt hatte. Die Uraufführung fand bereits am 14. November 1944 in Leningrad statt, es spielte das renommierte Beethoven.Quartett.
    Das Quartett ist 4 sätzig.


    1) Ouvertüre: Moderato con moto
    2) Rezitativ und Romanze: Adagio
    3) Valse: Allegro
    4) Thema mit Variationen


    Der erste Satz beginnt mit einem sehr markanten,Thema, das im Laufe des Satzes mehrfach varieert wird, es wird spröder und eindringlicher, stellenweise aggressiv - kehrt aber kurz vor Satzende zu seiner ursprünglichen Form zurück.


    Der zweite Satz ist klagend, melancholisch, hat aber bei etwa 3:30 einen kurzem tröstlichen Einschub, dem aber etwas später einige Ausbrüche von Verzweiflung folgen. Der Ausklang des Satzes ist von stiller Resignation gezeichnet, die Melancholie ist abgemildert.


    Der dritte Satz soll die Verzerrung eines Walzers darstellen, eines Walzers, der stellenweise ausser Rand und Band gerät, aber niemals fröhlich ist, fast wie ein Hexensabbat. Allmäählich verklingt der Spuk


    Der letzte Satz ist ein Variationssatz, der ständigen Stimmungs-Dynamik und Temposchwankungen unterworfen ist....


    Die Spieldauer des Quartetts liegt in etwa bei 34 Minuten.
    Zwei Aufnahmen, die ich beide für empfehlenswert halte, standen mir zur Verfügung....



    ..wobei das Eder Quartett sich überraschend gut schlägt. Die Aufnahme ist etwas "giftiger" als jene des Pacifica Quartetts, was ja im Falle von Schostakowisch kein Nachteil sein muß. Dazu ist sie EINZELN zu haben - ideal für Zweifler und Skeptikern die sich an eine Gesamtaufnahme nicht wagen wollen.


    Die 8 CD Box des Pacififa Quartetts von Cedille Records ist in vielerlei Beziehung ein Hammer.


    Sie ist klanglich etwas runder und wärmer, betont auch die "schönen Stellen". Der Preis ist konkurrenzlos, zudem bietet sie quasi als Zugabe Streichquartette weiterer russischer Komponisten:


    Nikolai Mjaskowski, Sergei Prokofjew, Mieczysław Weinberg und Alfred Schnittke wären hier zu nennen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es dürfte keine 10 Tage her sein, dass ich Schostakowitschs 2. Streichquartett gehört habe und zwar in der Einspielung mit dem Fitzwilliam String Quartet.


    Dieses englische Quartett wurde 1968 gegründet und existiert immer noch, allerdings in anderer Besetzung. Berühmt wurde das Quartett in den 70er Jahren als Dimitri Schostakowitsch nach York reiste, um die britische UA seines 13. Quartetts mitzuerleben. Auch die nächsten beiden Quartette wurden von dem FSQ in GB uraufgeführt. Benjamin Britten berichtete, dass Schostakowitsch ihm gegenüber geäußert hätte, das FSQ sei das von ihm am meisten geschätzte Quartett in Bezug auf seine Musik. Also weder Borodin Q noch Beethoven Q. Die Fitzwilliams waren wohl auch die ersten, die eine offizielle GA der 15 Quartette vorlegte und zwar auf dem Decca Label. Die CDs sind immer noch lieferbar. Die Vinylversion gilt unter Audiophilen als eine der klanglich besten Kammermusikaufnahmen der Analogära.

    Das 2. SQ kenne ich inzwischen recht gut und bei jedem Hören gefällt es mir besser, eines meiner Lieblingswerke von DSCH. Mit 48 Dienstjahren ist er der dienstälteste britische Kammermusiker in einem Ensemble.



    Das Bild zeigt den Komponisten 1972 mit dem Bratschisten Alan George, der als einziges Originalmitglied noch im FSQ spielt. Mit 48 Dienstjahren gilt er als dienstältester britischer Kammermusiker in einem Ensemble.

  • Alfred schrieb bereits, wem das Quartett gewidmet wurde. Zum besseren Hintergrundverständnis möchte ich noch hinzufügen, dass Schostakowitsch damit der 20jährigen Freundschaft mit Schebalin gedachte. Schebalin war ihm auch nach seiner Anstellung am Konservatorium noch häufig behilflich. Der ironische oder sarkastische Hinterton, den wir besonders in seinen sinfonischen Werken so häufig nicht überhören können, hallt auch auch in seinem Widmungsbrief wider, bei dem er sich auf das Freunschaftsjubiläum, wohl wissend, dass dies auch von staatlichen Beauftragten mitgelesen wurde, folgendermaßen bezog: "Ich mag diese (Jubiläums)Zahlen nicht sehr: Sie erinnern einen daran, wie schnell die Zeit vergeht. Man beginnt darüber nachzudenken, wie man einen solchen Zeitabschnitt verbracht hat und kommt zu dem Schluss, dass man ihn besser hätte verbringen sollen, um dem Vaterland mehr Nutzen zu bringen".


    Es ist kaum zu überhören, dass DSCH wieder um die Verarbeitung von Tod und Trauer rang, aber auch um die Gedenken an Verstorbene. Insofern kann das 2. Quartett durchaus auch im Zusammenhang mit den kurz vorher komponierten Sinfonien, nämlich der Siebten und der Achten, die ja sehr stark von den grausamen Folgen der Kriegsgeschehen geprägt sind, quasi als Musik des Leidens gesehen werden.


    Warum auch das 2. Quartett? Einerseits entsteht beim Lesen seiner Vita der Eindruck, dass DSCH zeitlebens keineswegs grundlos Angst davor hatte, ihm liebgewonnen Menschen durch Tod (politisch motiviertem Mord) zu verlieren, was vielleicht erklärt, wie wenig selbstverständlich und dadurch wertvoll ihm diese 20 Jahre anhaltende und stets am seidenen Tuch hängende Freundschaft war, was ihm als Widmungsanlass für dieses trautige Werk wert war. Andererseits begann DSCH diese Komposition sofort nach Beendigung des Klaviertrios op. 67, welches er als direkte Folge des Todes seines Freundes und Kunsthistorikers Iwan Sollertinskis im Zustand tiefer Trauer und Depression schrieb. Unüberhörbar geht die depressive Sphäre des Trios somit auch auf die Stimmung des Quartetts über.


    Beide Werke wurden auf Wunsch von SCH an einem Konzertabend, wie Alfred bereits erwähnte u.a. vom Beethoven Quartett, nacheinander uraufgeführt, und zwar an dem Ort, an dem Sollertinski vormals künstlerischer Leiter war, dem großen Saal der Leningrader Sinfonie.


    Besonders stark hat mich in meiner Jugend die emotionale, fast als schreiend empfundene Violine im zweiten Satz ergriffen, warum ich diesen Satz häufig nacheinander aufgelegt habe. In der Jugendzeit ist man für solch starke Emotionen, die einem das Rüstzeug gegen die Auflehnung gegen Eltern, Schule und Konventionen übertragen, wohl sehr empfänglich.



    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Sechs Jahre sind seit der Komposition des Quartetts Nr 1 Vergangen - Welch ein Unterschied !

    Vor allem beim weitlichen sofortigen Hintereinander-hören wird das offenbar.

    Nr 2 (1044) klingt wesentlich düsterer, melancholischer, zugleich aber stellenweise auch aggressiver.

    Das Quertett Nr 1 wird hier fast ein wenig harmlos und bieder.

    Angeblich hat Schostakowitsch hier den Eindruck des Krieges verarbeitet.

    Ich habe diesmal das Pacific Quartett (CEDILL) als Quelle herangezogen, und danach das Brodsky Quartett in der Aufnahme von 1989 (TELDEC/WARNER)

    Beides hochwertige Aufnahmen.

    Die Aunahme mit den Brodskys wurden überigens von Fono Forum und Gramophone folgendermaßen bewertet:


    Zitat

    P. Kerbusk in FonoForum 5 / 91: »Zur Zeit konkurrenzlos. Die Cellistin und ihre drei männlichen Partner besitzen ein sehr ausgeglichenes und attraktives Timbre und verfügen über eine fulminante Spieltechnik. Dennoch sind keine sterilen Produktionen entstanden, sondern Interpretationen von großer Intensität und hohem Einfühlungsvermögen.«

    Zitat


    Gramophone 6 / 92: »Das Brodsky Quartet, ein vielversprechendes und hochrangiges junges Team, interpretiert lupenrein, akkurat und technisch ausgezeichnet. Die Musik Schostkowitschs ist vielleicht die persönlichste, die im 20sten Jahrhundert komponiert wurde.«

    Ich konnte allerdings keinen Hinweis auf die Reaktionen des zeitgenössischen Publikums auf dieses doch recht düstere Werk finden.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das 2. Streichquartett von Schostakowitsch schätze ich, eines meiner liebsten von den 15. In letzter Zeit hat mich besonders die Aufnahme mit dem Dover Quartet begeistert, die zudem noch mit den 3. Quartetten von Ullman und Laks zwei echte Raritäten enthält.


  • Lieber lutgra


    Ich danke für die Nennung der Einspielung mit dem Dover Quartett. Nicht nur wegen dem 2. Streichquartettes Dmitri Schostakowitschs. Das 3. Streichquartett Viktor Ullmanns weckt mein Interesse, denn ich habe begonnen mich für diesen Komponisten im Forum einzusetzen.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Meine Begeisterung für das Dover Quartett erstreckt sich natürlich auch auf die Einspielungen von Ullmann 3 und Laks 3. Eine einfach wunderbare CD.

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