Franz Liszt: Sinfonische Dichtung Nr 2 - Tasso S96

  • Man findet in den diversen Konzertführern nur wenig Text über Listzs Sinfonische Dichtungen, und das ist kaum verwunderlich. Denn vermutlich konnten die Verfasser mit den Titeln und den musikalischen Bezügen dazu nur wenig anfangen. Der Titel von Liszts Sinfonischer Dichtung Nr 2 bezieht sich auf den italienischen Dichter Torquato Tasso, der, bei aller Genialität geisteskrank (vermutlich schizophrene Schübe) war, aber trotz seines dadurch mißtrauischen und aufbrausenden Wesens durchaus anerkannt war. Wenn Liszt also behauptet, es ginge in seinem Werk auch darum daß der Dichter zeitlebens verkannt und erst kurz vor dessen Tod Anerkennung fand, dann entspricht das nicht den historischen Tatsachen. Es wird vermutet, daß Liszt sich in gewisser Weise mit Tasso verwandt fühlte, was ja irgendwo an der Realität vorbeigeht, denn Lissz war Zeit seines Lebens eher über- als unterschätzt, erst nach seinem Tod begann die Person weitgehend in Vergessenheit zu geraten.
    Zurück zur Sinfonischen Dischtung: Sie wurde 1849 komponiert und bei einer Veranstaltung zu Goethes 100. Geburtstag gepielt, Sie war als Ouvertüre zu Goethes "Torquato Tasso" gedacht. Auch das Gedicht von Lord Byron wird geschickt damit verknüpft - das Stück wird dadurch, wenn schon nicht bedeutender, so doch interessanter. 1854 überarbeitet Liszt das Werk zur endgültigen Form.
    Ich finde die 20 minütige Dichtung als durchaus hörenswert, wenn auch nicht genial. Sie ist blendend und effektvoll orchestriert (hat hier Raff Hand angelegt ?), ich meine ab Minute 10 ganz kurz Anklänge an Wagners "Fliegenden Holländer zu hören.Auch das Vorbild (?) Berlioz und auch Saint Saens (Orgelsinfonie) schimmert gelegentlich ein wenig durch (?), wenngleich ich das erst bei mehrmaligem Hören bemerkt habe. Besonders beeindrucken sind die triumpierenden Fanfaren im Finale, was mancher vielleicht als schon ein wenig bombastisch empfinden wird.


    Ergänzungen, Pro und Kontra werden gern gelesen


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Sinfonische Dichtuing Nr.2 heisst ja, wenn man es genau betrachtet auch nicht Tasso, sondern nach dem Gedicht von Lord Byron Tasso, Lamento e Trionfo.
    Diese ist neben Les Preludes, nach meinem Geschmack, die herausragenste Tondichtung von Liszt.


    Das Werk ist in genau diese 2 Abschnitte gegliedert:
    Der erste Teil Lamento stellt "die Leiden, das trotzige Aufbegehren und das werk Tassos dar.
    Der zweite Teil Trionfo "den Sieg Tassos und seine Verherrlichung durch das Volk."


    Die Aufnahmen:
    Ich schwanke in meiner Gunst ja immer besonders zwischen den Aufnahmen mit Masur (EMI) und Haitink (Philips).
    Aber hier bei Tasso, Lamento e Trionfo muss ich mich klar zu Gunsten von Haitink aussprechen, denn kaum einer trifft den düsteren lamentosen Ton so eindrücklich, wie Haitink in seiner (durchaus perfekten) Aufnahme mit dem London SO. Masur ist auch gut, wirkt mir hier aber zu verspielt und stahlt auch im 2.Teil nicht so deutlich das Niveau von Grösse aus.
    Dass hier meine frühe Prägung durch Haitink eine Rolle spielt, möchte ich gar nicht mal ausschliessen.



    Philips, 1968-70, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Tasso ist eine der fünf sinfonischen Dichtungen, die Georg Solti eingespielt hat und seine Lisztaufnahmen waren für mich immer die überzeugendsten. Ich werde sie mal wieder hören müssen.


    “wildly fiery, pressing things to their utmost limit when the music seems to warrant that, yet not at all without response to the more romantic episodes. [Solti] also has the power to make an orchestra sound like the best in the world and the Orchestre de Paris — this is his first recording with them—play as I have never heard them play before. The Mephisto Waltz No. 1 is given for all it is worth… This is a stunning performance. … this is certainly very exciting record and I commend it without reservation.” Gramophone Magazine (Solti)

  • Tasso ist eine der fünf sinfonischen Dichtungen, die Georg Solti eingespielt hat und seine Lisztaufnahmen waren für mich immer die überzeugendsten.


    Leider habe ich nicht diese Decca-Ausgabe mit Tasso , lamento e Trionfo;
    sondern eine weitere mit Nr.3(Les Preludes), 5 (Promentheus), 7(Festklänge), 13(Von der Wiege bis zum Grabe) und dem Mephisto-Walzer Nr.1.


    - keine Abb verfügbar -

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Nachdem ich mir Liszts "Tasso" in der letzten Zeit in zahlreichen Interpretationen angehört habe (auf der Suche nach der für mich "perfekten"), muss ich zumindest im Falle dieser Tondichtung tatsächlich auf einen Dirigenten verweisen, den ich gar nicht bedachte, weil er mir wohl zu offensichtlich erschien, so dass ich seine Aufnahme lange vernachlässigte: Herbert von Karajan.


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    Wie ich an anderer Stelle schilderte, spielte Karajan in den späten 50er Jahren eine vorzügliche Aufnahme von "Les Préludes" mit dem Philharmonia Orchestra ein, die er in seinen späteren Einspielungen mit den Berlinern (ja, es gibt sogar zwei) nicht mehr erreichte. Diejenige von 1967 ist für sich genommen durchaus gut, die digitale von 1983 aber ein Totalausfall und erfüllt wirklich so ziemlich jedes Klischee von spätem Karajan und früher Digitalaufnahme (lustlos heruntergespielt, verwaschener Klang).


    Aber zurück zum "Tasso". Diesem Werk widmete sich Karajan erst relativ spät in seiner Dirigentenkarriere. Eingespielt wurde er nämlich erst im November 1975 in der Berliner Philharmonie (zusammen mit den Ungarischen Rhapsodien Nr. 4 und 5). Klanglich gibt es nichts zu beanstanden, eben eine Aufnahme der ausgereiften analogen Spätzeit. Das wirklich Interessante ist, dass sich Karajan für diese Symphonische Dichtung mehr Zeit lässt als alle anderen: Fast 23 Minuten, womit er zwei bis vier Minuten langsamer ist als üblich. Aber diese Zeit weiß er mit Leben zu füllen. Großartig verinnerlicht die ohrwurmartige "venezianische Melodie", die den nagenden Schmerz Tassos widerspiegelt. Den triumphalen Abschluss lässt Karajan als pompöse Krönung des Ganzen mit voller Hingabe spielen. Die Berliner Philharmoniker hatten hörbar einen guten Tag bei den Aufnahmesitzungen. Fazit: Eine von Karajans besten Liszt-Aufnahmen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões