Fischer-Dieskau, Prey, Schwarzkopf und Co. - nur noch historisch bedeutsam?

  • Zugegeben - der Threadtitel ist die reine Provokation. Aber dann auch wiederum doch nicht.


    Ich erkenne zunehmend, dass ich mit der von vielen hier hochverehrten Elisabeth Schwarzkopf einfach nicht warm werden will. Da passiert einfach nichts, so zwischen ihr und mir (also, der Stimme und meinem Ohr, um genau zu sein). Vieles erscheint mir sehr - artifiziell... Also ob sich zwischen die Musik und mich eine Schule der Gesangskunst stellt, die leider aber auch Seele verloren gehen lässt. Schwer das zu beschreiben.


    Bei Prey wiederum habe ich gedacht, als ich neulich seine Mörike-Lieder gehört habe: das ist für sich genommen sehr schön, aber auch eine Sangeskultur, die einen um Jahrzehnte zurückversetzt. Also eben Mörike/Wolf, wie man ihn eben vor einigen Jahrzehnten gesungen hat. Auch das legt sich wie ein Filter dazwischen. Anders ist es, wenn ich Aufnahmen von Peter Schreier höre, das wirkt deutlich dichter vom Zeitlichen her.


    Vielleicht liegt das ja alles auch an meinen persönlichen Präferenzen und geschmacklichen Parametern, dann möge der Thread im Orkus verschwinden. Vielleicht gibt es aber auch Reibungsfläche oder andere Sichtweisen dazu.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Das Artifielle an der Schwarzkopf passt gut zur Marschallin, aber gar nicht zur Klugen, wie ein Vergleich mit Lucia Popp zeigt. Auch ihre Margiana im Barbier von Bagdad hat nicht das naive Flair, was es braucht. In den Wunderhorn-Liedern überzeugt mich Fischer-Dieskau nach wie vor, die Schwarzkopf aber nicht: künstliche Naivität. Auch mein letzter Vergleich, die vier letzten Lieder von Strauss, fällt nicht zu Gunsten der Schwarzkopf, sondern von Gundula Janowitz aus

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • ch erkenne zunehmend, dass ich mit der von vielen hier hochverehrten Elisabeth Schwarzkopf einfach nicht warm werden will. Da passiert einfach nichts, so zwischen ihr und mir (also, der Stimme und meinem Ohr, um genau zu sein). Vieles erscheint mir sehr - artifiziell... Also ob sich zwischen die Musik und mich eine Schule der Gesangskunst stellt, die leider aber auch Seele verloren gehen lässt.

    Kann ich gut nachvollziehen.


    Bei Prey wiederum habe ich gedacht, als ich neulich seine Mörike-Lieder gehört habe: das ist für sich genommen sehr schön, aber auch eine Sangeskultur, die einen um Jahrzehnte zurückversetzt.

    Kann ich partiell auch nachvollziehen.



    Das Artifielle an der Schwarzkopf passt gut zur Marschallin, aber gar nicht zur Klugen, wie ein Vergleich mit Lucia Popp zeigt.

    Richtig. Für die italienischen Mozart-Rollen erscheint sie mir durchas passend, für die Annina in der "Nacht in Venedig".


    In den Wunderhorn-Liedern überzeugt mich Fischer-Dieskau nach wie vor, die Schwarzkopf aber nicht:

    Verstehe ich auch. Für mich persönlich ist Fischer-Dieskau allerdings ein absoluter Ausnahmesänger, dessen Interpretationen mir als zeitlos erscheinen. Insofern gehört er für mich hier nicht herein und schon gar nicht an die erste Stelle der Threadrubrik.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Es ist eine Frage der Erwartungshaltung und der Lebenseinstellung.
    Wir leben in einer Zeit, wo es Verkaufsgeschäfte wagen einen in den Katalogen zu DUzen, wo man Friskonter -Imbisse als "Restaurants" bezeichnet, wo "Regietheater" gemacht wird, wo generell Machwerke von allgemeiner Hässlichkeit als "Kunst" bezeichnet werden, wo man unerzogene Fratzen (österr. Bezeichnung für unerzogene Kinder) als "starke Persönlichkeiten" bezeichnet, wo "Elite" als Schimpfwort gilt und wo man scheel angesehen wird, wenn man die Worte "Ehre", "Patriotismus" oder "bessere Gesellschaft" nur in den Mund nimmt und man gerügt wird, wenn man Gesindel als solches bezeichnet. Das was einst als "Pöbel" bezeichnet wurde, ist heute Teile unserer "Gesellschaft" und fordert "Mitspracherecht" Die Fernsehwerbung ist entlavend: Sie ist durchwegs an Personen mit der Allgemeinbildung eines 6 jährigen gerichtet.


    In solch einem Umfeld mögen die genannten Sänger durchaus als "antiquiert" wahrgenommen werden.
    Ich habe umgekehrt probiert mich an die neuen Sänger zu gewöhnen (besonders bei Schubert-Liedern)
    Timbre ist eine Geschmacksfrage - und mir gefällt kaum je etwas auf Anhieb. Also versuche ich, mich geduldig daran zu gewöhnen. Aber Vortrag, bzw Interpretation ist ein anders Paar Schuhe. Ich wurde gelegentlich dafür gerügt, daß ich Interpetationen als "ordinär" bezeichnet habe. Aber ich empfinde es nun mal so. Aus meiner Sicht sollte ein Lied den Liedcharakter behalten und sich nicht zu einer dramatischen Szene unter Verlust jeglichen Schönklangs entwickeln.
    Die Dynamik sollte nie vestörend sein, der Liedertext sollte sich der Melodie unterordnen.
    Elisabeth Schwarzkopf, die große Dame (von welcher Sängerin könnte man das heute noch sagen?) hat, ebenso wie ihre Kollegen Hermann Prey und Dietrich Fischer Dieskau einen kultivierten Vortrag über die Dramatik gestellt, sie haben die Werke quasi veredelt und für ein anspruchsvolles Publikum geniessbar gemacht.


    Ein Liedersänger brüllt nicht und geht nicht aus dramtischen Gründen an die Grenzen seiner Stimme, ebensowenig wie ein "Maestro" mit den Armen beim Dirigieren herumrudert und herumhüpft.


    Heute ist das scheinbar anders - und daher bin ich dankbar, daß diese "nur noch historisch bedeutsamen" Sänger und Dirigenten so viele Tonaufnahmen in erstklassiger Stereo-Qualität hinterlassen haben.
    Prinzipiel sind diese Sänger natürlich nur "historisch bedeutsam" , denn sie leben ja nicht mehr. Wer heute in einen Liederabend geht, der ist auf die heutigen Stimmen angewiesen. Ab er auf CD sind dies im Titel genannte Sänger bis heut für viele die erste Wahl.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • In den Wunderhorn-Liedern überzeugt mich Fischer-Dieskau nach wie vor, die Schwarzkopf aber nicht: künstliche Naivität.

    Ich finde sie grandios: besonders etwa in "Schildwaches Nachtlied" - von wegen Naivität! Das sind verschraubt-verschrobene Jugendstil-Girlanden, wo sie wahrlich zur ironisch-verführerischen Sirene wird. Wie sie das säuselt, unnachahmlich!


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Lieber Alfred,


    ich nähere mich Kunst oder Musik nicht aufgrund historischer, politischer oder soziologischer Erwägungen (und ganz sicher diskutiere ich nicht über die, die du hier äußerst, auch wenn ich manches sehr anders sehe). Es geht um Kunst, Begeisterung für sie und Zugang zu ihr. Und für mich hat Vladimir Nabokov die Trennlinie einst sehr schön in Bezug auf Literatur gezogen: "Wer Turgenjew liest, weiß, dass er Turgenjew liest. Wer Tolstoi liest, liest, weil er nicht mehr aufhören kann."


    Musik zu hören, weil man nicht mehr aufhören kann: das ist für mich der Maßstab für Musik und für eine Interpretation. Nichts sonst. Mir ist klar, dass dies subjektiv ist, stimmungs- und entwicklungsabhängig ist und auch mit Demut gegenüber der künstlerischen Leistung einher gehen muss. Und dennoch: Mit Goethe weiß ich von keiner Wahrheit als in Bezug auf den Menschen, und der bin als Hörender: Ich.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ich erwarte natürlich keine Zustimmung - aber natürlich verlange ich, daß ich die Welt so schildern darf. wie ich sie sehe. Und natürlich ist das keine Frage des Alters, sondern eine des Weltbildes. Elisabeth Schwarzkopf kann ja hier nicht nicht mehr antworten, abgesehen davon, daß sie sich vermutlich geweigert hätte in einem allgemein zugänglichen Forum zu schreiben (was wir ja ohnedies nicht sind) Vielleicht hätte sie aber gesagt, daß Kunst eben "künstlich" sei , eine "Überhöhung" der Realität. Es sei nicht anstrebenswert die Wirklichkeit darzustellen, sondern ein erhabenes Abbild von ihr.


    Besser hat es wohl Herr von Schober in Gedichtform gesagt, und Schubert hat es vertont.


    Du holde Kunst, in wieviel grauen Stunden,
    Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt,
    Hast du mein Herz zu warmer Lieb' entzunden,
    Hast mich in eine beßre Welt entrückt!


    Oft hat ein Seufzer, deiner Harf' entflossen,
    Ein süßer, heiliger Akkord von dir
    Den Himmel beßrer Zeiten mir erschlossen,
    Du holde Kunst, ich danke dir dafür!


    DIESEM Kunstverständnis haben sich die genannten Sänger verschrieben
    und IHR Publikum damit bedient.
    Sie konnten nicht ahnen, was da nachkommt.......


    Ich gestehe, daß es mir oft übel bekommt, wenn ich mit heutigen "Werten" auch musikalischen konfrontiert werde.
    Aber ich habe gelernt - nicht zuletzt durch das Internet
    mit süffisantem Blick darüber hinwegzusehen
    als ob mich das alles nichts anginge.
    Irgendwie habe ICH die Entwicklung vorausgesehen
    Und deshalb verfüge ich heute über ein Tonarchiv, das so groß ist,
    daß ich in diesem Leben daraus zwar vieles wählen, aber bestimmt nicht mehr alles hören werde können....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred :hello:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sagitt meint: welcher andere Liedersänger schaffte es auf die Titelseite des SPIEGEL? FiDi hatte eine ungeheure Bedeutung für den Liedgesang,man kann schreiben, vor FiDi und seither.
    Die Interpretationen sind teilweise schlicht zeitlos. Makellos in der Stimmführung,perfekt in der Mischung von Brust-und Oberstimme, dazu intellektuell durchdacht.
    Das gilt sicher nicht für sein gesamtes Schaffen, aber in bestimmte Bereichen, neben Lied für mich vor allem Bach-Gesang, sind Maßstäbe vorhanden, die Moden überdauern.

  • Für mich persönlich ist Fischer-Dieskau allerdings ein absoluter Ausnahmesänger, dessen Interpretationen mir als zeitlos erscheinen. Insofern gehört er für mich hier nicht herein und schon gar nicht an die erste Stelle der Threadrubrik.

    Sehe ich ganz genauso. Allein schon die Aufnahme sämtlicher SCHUBERT-Lieder, und noch dazu, wie genial und differenziert er diese oft so völlig unterschiedlichen Lieder singt und gestaltet, macht DIETRICH FISCHER-DIESKAU zu einer absoluten Jahrhundert-Ausnahmeerscheinung! Über den mitunter doch recht larmoyanten Gesangsstil von HERMANN PREY kann man da m. E. schon eher die Überlegung anstellen, ob dieser ähnlich zeitlos ist.


    wok

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  • Was mich am Titel ein wenig verwirrt, ist, dass m.E. Schwarzkopf, Fi-Di und Prey sehr wenig gemeinsam haben. Es ist m.E. schlicht falsch, sie als Repräsentanten eines gemeinsamen Gesangsstils einer bestimmten Zeit zusammenzufassen.


    Was ich von Schwarzkopf gehört habe, gefällt mir größtenteils nicht (ich kenne aber vermutlich auch zu wenig). Nicht nur weil es artifiziell wirkt und trotzdem/deswegen? der Text unverständlich bleibt, die Stimme per se gefällt mir nicht allzu sehr und der Ausdruck fehlt oder passt nicht. (Jedes für sich genommen, wäre vermutlich kein solches Problem, zB versteht man bei Janowitz/Karajan 4LL auch kaum etwas, aber die Stimme ist eben zum Dahinschmelzen... aber drei Negativpunkte auf einmal bedeuten für mich Vermeidung der Schwarzkopf)


    Da es genügend Sängerinnen wie Grümmer, Della Casa, Seefried, Ludwig usw. aus ungefähr derselben Zeit gibt, die nicht unter diesen Manierismen, der Kälte und der Textunverständlichkeit leiden, scheinen mir das alles schon sehr Schwarzkopfspezifische Eigenarten zu sein, keineswegs etwas, das man mit den noblen, unproletarischen 1940ern/50ern erklären könnte... ;)


    Fi-Di übertreibt ebenfalls, aber eher in eine andere Richtung, nämlich peinlich genaue Wortartikulation, Überbetonung einzelner Silben eher zulasten der musikalischen Linie, zu offensichtlich gespielten, nicht "erlebten" Figuren und Affekten. (Professor Doktor Rigoletto hat mal jemand gewitzelt; mich erinnert er oft daran, dass ein Filmkritiker in etwa behauptet haben soll, Jeremy Irons spielt einen verzweifelten Mann (exzellent), Robert de Niro IST ein verzweifelter Mann.) Das ist nicht so leicht ohne Beispiele zu erklären, aber man hört es m.E. sehr deutlich und es wäre auch leicht nachzuahmen. Er rudert nicht mit den Armen, aber umso mehr mit der Stimme. Wie man das als "kultivierte Darbietung zu Lasten des dramatischen Vortrags" bewerten kann, erschließt sich mir höchstens, wenn man mit "dramatischem Vortrag" offensichtliche Karikaturen im Blick hat.
    Für manchen ist das das Nonplusultra an intelligenter Durchdringung eines Liedes oder einer Rolle, für andere grenzt es an einen besserwisserischen Vortrag ÜBER das Lied oder die Rolle. Mich stören manchmal einzelne Dinge, aber von den besten Liedaufnahmen Fi-Dis bin ich weitestgehend sehr angetan. Meines Wissens war diese, halbwegs neutral formuliert, "extreme Mikrodifferenzierung" ebenfalls etwas Neues und von Fi-Di speziell kultiviertes, das zumindest teilweise von jüngeren Liedinterpreten aufgegriffen wird, aber für eine Generation ältere oder parallel zu Fi-Di aktive Künstler (Schlusnus, Hotter, Greindl usw.) eher nicht gilt


    Weder ES noch DFD erfüllten die Maxime "ars est celare artem", Kunst heißt, die Kunst(fertigkeit) zu verbergen. Das heißt natürlich nicht, dass es per se "schlechte" Künstler wären, zumal die Künstlichkeit ja eine bewusste Entscheidung zu sein scheint und nicht durch mangelhafte Technik bedingt sind (beides sind m.E. aber keine (überwältigend) schönen Stimmen, außer vielleicht der ganz junge Fi-Di vor 1955 oder so)


    Prey geht dagegen eher in Richtung volkstümlicher Barde oder Märchenonkel, geradezu das Gegenteil von artifiziell, sehr gut als Papageno oder Figaro (Mozart und Rossini), aber vielleicht auch etwas zu dick aufgetragen "kumpelhaft". Je nach Rolle und Tagesform nervt auch das Timbre ein wenig, aber in den drei genannten Rollen passt schon vieles sehr gut zusammen. Das wenige, was ich an Liedern gehört habe, hat mir weniger gefallen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Fi-Di übertreibt ebenfalls, aber eher in eine andere Richtung, nämlich peinlich genaue Wortartikulation, Überbetonung einzelner Silben

    Er singt manchmal ganz undeutlich und verwaschen, geradezu geschmiert - und auch das scheint mir nicht unabsichtlich zu sein. Er singt also keineswegs nicht immer nur "peinlich genau"! Höre dir mal seinen Wiener Onegin an!


    Weder ES noch DFD erfüllten die Maxime "ars est celare artem", Kunst heißt, die Kunst(fertigkeit) zu verbergen.

    Das ist wieder sehr apodiktisch formuliert, hier wird eine scheinbar objektive Wahrheit suggeriert, die ich so subjektiv nicht nachvollziehen und teilen kann. Gerade einige Aufnahmen von Dietrich Fischer-Dieskau berühren mich so stark wie von kaum einem anderen - und auch die Marschallin oder Fiordiligi der Schwarzkopf berührt mich.


    (beides sind m.E. aber keine (überwältigend) schönen Stimmen, außer vielleicht der ganz junge Fi-Di vor 1955 oder so)

    Auch da habe ich ein andere Meinung, in beiden Fällen. Beide beherrschen zum Beispiel ein Höhenpiano aus dem ff wie kaum andere Sängerinnen und Sänger. Man kann das natürlich als "artifiziell" abtun, aber die Komponisten haben solche nun mal oft genug komponiert und überhaupt viel stärker differenziert, als uns viele gestrige und heutige Durchbrüller glaubhaft machen wollen. Die strenge Befolgung dieser Vorschriften ist für mich Kunst, nicht Künstlichkeit, zumindest versperrte sie mir keinen emotionalen Zugang.


    Und die Stimme von Fischer-Dieskau empfand ich nicht immer, aber manchmal auch in seinem Alter als sehr schön, ich habe ja noch 3 Liederabende live von ihm erlebt, wovon einer eine absolute Sternstunde war.


    Ich finde zwar einige Manieriertheiten der Schwarzkopf, insbesondere grässliche Vokalverfärbungen, nicht unproblematisch (weshalb sie sie lieber auf Italienisch als auf Deutsch höre - mit Ausnahmen der wunderbar durchdrungenen Strauss-Partien: man vergleiche nur ihre "Capriccio"-Gräfin unter Sawallisch mit der der Janowitz unter Böhm, da liegt für mich wirklich eine Welt dazwischen, und zwar zugunsten der Schwarzkopf), aber ich würde ihr nie absprechen, eine Ausnahmestimme besessen zu haben (das schließt "überwältigend schön" für mich ein) und viele Menschen emotional erreicht zu haben. mir geht das wie gesagt nur bei Teilen ihres Repertoires so, aber wir wissen doch von einigen Forianern hier (zum Beispiel Rheingold1876), wie emotional überwältigt sie gerade vom Gesang der Schwarzkopf sind, und das immer noch.


    Alle drei genannten Sänger können also nicht nur historisch bedeutsam sein, solange sie mit ihrem konservierten Gesang heute immer noch Leute erreichen und berühren.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Natürlich sind Fischer-Dieskau, Schwarzkopf usw. nicht nur "historisch bedeutsam" - sie haben Maßstäbe gesetzt auch für folgende Generationen. Kein Liedsänger wird doch heute Schubert-Lieder interpretieren, ohne sich mit Fischer-Dieskau auseinandergesetzt zu haben. Das sind Aufnahmen, die zeitlos sind. Ich glaube, am Ausnahmerang von Fidi wird wohl kaum jemand rütteln wollen. Natürlich gibt es zwei Sängertypen: diejenigen mit der betörend schönen Stimme und die, welche von der Artikulation leben, der rhetorischen Sinnverdeutlichung. Wer den rhetorischen Stil nicht mag, wird immer sagen: das ist unnatürlich. Der rhetorische Stil bewegt sich eben an der Grenze zur Übertreibung, zum Manierismus. Das ist sein Wesen. Große Sänger wie Fidi schaffen es letztlich in den allermeisten Fällen, sich auf diesem schmalen Grad zu halten und nicht in den Manierismus abzustürzen. Es gibt sicher einzelne Fälle, wo ich auch sagen würde: da wäre mir eine schöne Stimme lieber. Aber das schmälert die überragende Bedeutung eines Fidi für mich in keinster Weise.


    Da ich nicht der große Sängerexperte bin, kann ich auch nichts zur Lebensleistung einer Elisabeth Schwarzkopf sagen. Es ist etwas dran: Naivität ist nicht ihre Sache. Wo es auch für mich nicht geht ist im Traum vom himmlischen Leben, dem Finale der 4. Mahler (die Aufnahme mit Klemperer). Das soll wirklich kindlich naiv sein (Mahler selbst sagt: das Kind erklärt dort, wie es mit der Welt eigentlich gemeint sei) - bei der Schwarzkopf ist das eine Dame mit einer überkomplizierten Psyche und aller erotischen Erfahrung einer reifen Frau. Dagegen finde ich sie in den Wunderhorn-Liedern (Aufnahme Szell mit Fidi) ganz großartig. Die Naivität dort ist schließlich ein hochartifizielles Konstrukt und Mahlers Vertoung entlarvt genau das. Zu dieser Doppelbödigkeit paßt ihr Stil einfach ideal. Für mich ist das eine unübertroffene Aufnahme - "Referenz" wie man so schon sagt. Auch die Richard Strauß-Lieder von ihr finde ich ganz ausgezeichnet. Ob man sie nun mag oder nicht - ich sage es einfach mal: Sie ist eine ganz große Sängerin, in diese Kategorie würde ich sie jedenfalls einordnen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Jede Zeit hat im Lied und Operngesang ihren Stil, der dem herrschenden Geschmack und Zeitgeist entspricht. Fischer-Dieskau und Elisabeth Schwarzkopf prägten über viele Jahre den Stil im Liedgesang, Hermann Prey hat diese exemplarische Bedeutung nur bedingt erreicht, obwohl er für mich in der "Schönen Müllerin" der ideale Müllerbursch ist und bleibt. Die drei erwähnten Sänger haben die großen Liederzyklen viele Jahre gesungen. Da belibt es doch bei Sängern mit dem künstlerischen Anspruch und Niveau, das besonders Schwarzkopf und Fischer-Dieskau verkörperten, nicht aus , dass beide versuchten, Gestaltungen mit neuen Auslegungen und Nuancen zu verwirklichen. Das führte dazu, dass in der Spätphase der Karriere im Ringen um das Neue bei beiden Gesangsheroen Deklamation, Überartikulation und gewisse Maniriertheiten, eine Art des überspitzten und dadurch künstlich wirkenden Gesangs hervorbrachten. Fritz Wunderlich war es dann, der wieder eine weit natürlichere, frischere, spontanere Art des Singens pflegte. Leider hat hier ein tragisches Schicksal die noch zu erwartende weitere Vollendung verhindert. Die neue Sängergeneration ringt trotz stimmlich ausgezeichneter Interpreten, im Liedgesang noch um den Weg, der eine neue Epoche einläuten und prägen könnte. Ähnliches gilt auch für Opernsänger. Überragende Langzeitkarrieren, wie sie Nilsson, Mödl, Varnay, Ludwig, Hallstein, Köth, Rothenberger,Hotter, Windgassen Schock, Metternich, Frick, Greindl, Moll im deutschsprachigen Raum hatten, sind kaum mehr möglich.Eine rühmliche Ausnahme ist die Gruberova. Wahrscheinlich ist es unsere schnelllebige Zeit, das internationale Startheater, die Personalpolitik, besonders der modernen Regisseure, und der Wegfall der Ensembles, die der Entwicklung einer großen Zahl von überragenden Sängerpersönlichkeiten entgegen stehen. Dazu kommt noch die Misere der Tonträgerindustrie durch die besonders bei großen, populären Opernwerken maßstabsetzende Neuaufnahmen verhindert. Aus all diesen Gründen werden wir also im Liedgesang und auf der Opernbühne lange darauf warten, dass sich auf breiter Basis die neue Sängergeneration neu gestaltend, maßstabsetzend und prägend durchsetzt. Deshalb werden noch lange, "Historische Aufnahmen" im Fokus des Interesses stehen. Leider oder Gott sei Dank?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Fischer-Dieskau und Elisabeth Schwarzkopf prägten über viele Jahre den Stil im Liedgesang, Hermann Prey hat diese exemplarische Bedeutung nur bedingt erreicht, obwohl er für mich in der "Schönen Müllerin" der ideale Müllerbursch ist und bleibt. Die drei erwähnten Sänger haben die großen Liederzyklen viele Jahre gesungen. Da belibt es doch bei Sängern mit dem künstlerischen Anspruch und Niveau, das besonders Schwarzkopf und Fischer-Dieskau verkörperten, nicht aus , dass beide versuchten, Gestaltungen mit neuen Auslegungen und Nuancen zu verwirklichen. Das führte dazu, dass in der Spätphase der Karriere im Ringen um das Neue bei beiden Gesangsheroen Deklamation, Überartikulation und gewisse Maniriertheiten, eine Art des überspitzten und dadurch künstlich wirkenden Gesangs hervorbrachten. Fritz Wunderlich war es dann, der wieder eine weit natürlichere, frischere, spontanere Art des Singens pflegte. Leider hat hier ein tragisches Schicksal die noch zu erwartende weitere Vollendung verhindert.

    Pardon, aber das ist mir alles viel zu sehr Schubladen-Denken! Man kann zum Beispiel dem Phänomen Dietrich Fischer-Dieskau nicht gerecht werden, wenn man seine Bedeutung immer nur parallel zu irgendeiner Sängerin (Schwarzkopf oder welcher auch immer) zu erfassen udn zu bewerten versucht. Da klappt bei ihm genauso wenig wie bei Gottlob Frick oder jedem anderen Sänger. Im Übrigen wird man auch dem Phänomen Elisabeth Schwarzkopf nicht gerecht, wenn man sie nur als weibliches Gegenüber zu Fischer-Dieskau betrachtet.
    Es gibt auch Traditionen bei der Überlieferung und Pflege von Vorurteilen: hier die bösen Manierierten, dort die natürlichen Unmanierierten. Nein, selbst ein Fritz Wunderlich hat seine Eigenarten, seinen besonderen Stil, seine "Manieren"....


    Im Übrigen hat auch ostdeutsche Sängerinnen und Sänger Langzeit-Karrieren gemacht (Adam, Schreier, Vogel, Wlaschiha und etliche andere mehr).



    Da empfinde ich den Vorbeitrag von Holger doch wesentlich überzeugender und kann ihn völlig unterschreiben, bis auf einen Satz:

    Es gibt sicher einzelne Fälle, wo ich auch sagen würde: da wäre mir eine schöne Stimme lieber.

    Fischer-Dieskau HAT eine schöne Stimme! Zumindest empfinde ich keine Stimme eines zeitgenössischen Fachkollegen als schöner, Prey nicht und Wächter auch nicht.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Er singt manchmal ganz undeutlich und verwaschen, geradezu geschmiert - und auch das scheint mir nicht unabsichtlich zu sein. Er singt also keineswegs nicht immer nur "peinlich genau"! Höre dir mal seinen Wiener Onegin an!


    Den kenne ich nicht (ich kenne auch die Oper kaum). Was das "aufgesetzte Spielen", das wohl auch so etwas wie Undeutlichkeit einschließen kann, betrifft, habe ich vage eine Szene als Graf Almaviva im Hinterkopf, bei der er so künstlich poltert, das man nicht genau weiß, ob hier mehr freiwillige oder unfreiwillige Komik am Werk ist.

    Zitat

    Das ist wieder sehr apodiktisch formuliert, hier wird eine scheinbar objektive Wahrheit suggeriert, die ich so subjektiv nicht nachvollziehen und teilen kann. Gerade einige Aufnahmen von Dietrich Fischer-Dieskau berühren mich so stark wie von kaum einem anderen - und auch die Marschallin oder Fiordiligi der Schwarzkopf berührt mich.


    Natürlich ist das holzschnittartig formuliert; es ist aber gar kein Widerspruch zu Deiner Aussage, dass Du bewegt und beeindruckt von dem Ergebnis bist.


    Zitat


    Alle drei genannten Sänger können also nicht nur historisch bedeutsam sein, solange sie mit ihrem konservierten Gesang heute immer noch Leute erreichen und berühren.


    Du findest aber vermutlich für JEDEN Sänger, der auf Tonträger festgehalten wurden, Hörer, die heute erreicht und berührt werden.*


    Mein Punkt war eigentlich gar keine Kritik an den drei genannten Sängern (von denen ich Fi-Di meistens sehr schätze und von den beiden anderen gar nicht so viel gehört habe). Sondern ich wollte darauf hinweisen, dass es sich a) um drei ziemlich unterschiedliche Sänger handelt, und b) dass man keinen von ihnen paradigmatisch als Muster eines "vergangenen Zeitalters" nehmen kann. Letzteres scheinen sowohl das Eingangsposting als auch Alfreds Reaktion ("alles Prolls seit 1980") nahezulegen.
    Die besonderen stilistischen Eigenheiten zB Schwarzkopfs ggü. sagen wir Grümmer, Seefried, Della Casa, Jurinac, Güden... und sicher noch ein paar anderen zwischen 1940 und 1965 aktiven Sopranistinnen sind selbst für mich, der alles andere als ein Sänger- und Opernexperte ist (daher kenne ich auch die mutmaßlichen Paradestücke der Schwarzkopf bei Strauss alle nicht, außer 4LL, meinen besonderen Unmut hat sie, weil sie die sonst hervorragende Aufnahme des Brahms-Requiems unter Klemperer verdirbt ;)) ziemlich deutlich zu hören.
    Man kann doch auch nicht die Eigenheiten Horowitz' herausstellen und nahelegen, das sei eben beispielhaft für diese Pianistengeneration, wenn Arrau, Serkin, Kempff u.a. in ungefähr derselben Generation einen völlig anderen Stil pflegten.


    Fischer-Dieskau ist aufgrund der ungeheuren Breite seines Repertoires ohnehin ein anderer Fall als Schwarzkopf. Meinem Eindruck nach ist ein großer Teil der jüngeren Sängergeneration (wie Gerhaher u.a.) stark von ihm beeinflusst, insofern ist der, besonders im Lied, ohne jeden Zweifel stilprägend gewesen und alles andere als ein "Fenster in die Vergangenheit".


    *Ich weiß daher gar nicht so genau, was "nur noch historisch bedeutsam" heißen soll. Doch wohl normalerweise, dass man sich Künstler X nicht anhört, wenn es einem um eine möglichst überzeugende Interpretation eines Werks geht, sondern (nur?) weil man sich für Interpretationsgeschichte o.ä. interessiert. Die naheliegendsten Kandidaten dafür wären für mich persönlich zahlreiche Aufnahmen von Barockmusik aus den 1950ern bis 1970ern, zB Brandenburgische Konzerte oder Johannespassion (auf englisch) unter Britten, aber auch da weiß ich natürlich, dass viele Hörer das vollkommen anders sehen.

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    (Bob Dylan)

  • habe ich vage eine Szene als Graf Almaviva im Hinterkopf, bei der er so künstlich poltert, das man nicht genau weiß, ob hier mehr freiwillige oder unfreiwillige Komik am Werk ist.

    Nein, an unfreiwillige Komik glaube ich da absolut nicht. Als ich erstmals Fischer-Dieskau in dem Video von der Eröffnung der Deutschen Oper Berlin als Don Giovanni gesehen habe, war ich geradezu entsetzt und empört, wie schluderig und "unkorrekt" Fischer-Dieskau da die Rezitative mehr gesprochen als gesungen hat. Dann habe ich studiert und erfahren, dass genau das der heutige Forschungsstand ist, dass Mozart genau das wollte (es gibt Dokumente, die das belegen, ich erinnere mich, dass vom Uraufführungs-Leporello diesbezüglich einiges überliefert ist: kein Rezitativ wäre in zwei Vorstellungen identisch gewesen usw.) Von anderen Aufnamen kannte ich das nicht (Ahlersmeyer singt die Rezitative unter Elmendorff noch wie Brahms), aber Fischer-Dieskau war hier wohl seiner Zeit voraus.


    Du findest aber vermutlich für JEDEN Sänger, der auf Tonträger festgehalten wurden, Hörer, die heute erreicht und berührt werden.

    Dann ist jeder, für den das gilt, dass er durch seine Aufnahmen auch noch gegenwärtig berührt, eben nicht nur historisch bedeutsam. ;)


    meinen besonderen Unmut hat sie, weil sie die sonst hervorragende Aufnahme des Brahms-Requiems unter Klemperer verdirbt ;))

    Bei mir ist es die "Matthäus"-Passion unter Klemperer und die Gretel unter Karajan. ;)
    Aber es gibt eben solche und solche Aufnahmen. :)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Pardon, aber das ist mir alles viel zu sehr Schubladen-Denken! Man kann zum Beispiel dem Phänomen Dietrich Fischer-Dieskau nicht gerecht werden, wenn man seine Bedeutung immer nur parallel zu irgendeiner Sängerin (Schwarzkopf oder welcher auch immer) zu erfassen udn zu bewerten versucht. Da klappt bei ihm genauso wenig wie bei Gottlob Frick oder jedem anderen Sänger. Im Übrigen wird man auch dem Phänomen Elisabeth Schwarzkopf nicht gerecht, wenn man sie nur als weibliches Gegenüber zu Fischer-Dieskau betrachtet.
    Es gibt auch Traditionen bei der Überlieferung und Pflege von Vorurteilen: hier die bösen Manierierten, dort die natürlichen Unmanierierten. Nein, selbst ein Fritz Wunderlich hat seine Eigenarten, seinen besonderen Stil, seine "Manieren"....


    Lieber Stimmenliebhaber,


    ich wollte gar nicht vergleichen und bewerten, weil das pauschal kaum geht. Man müßte dazu in identischen Stücken die Interpretation von verschiedenen Sängern vergleichen und analysieren. Mein Ansatz war, darauf hinzuweisen, dass es im Laufe eines langen Sängerlebens, aus künstlerischen und altersbedingten Gründen immer Neuorientierungen und Wandlungen gibt und geben muss. So sind -ohne Wertung - erhebliche Unterschiede in den Darbietungen des jungen Fischer-Dieskau und den Aufnahmen in seiner Spätphase.
    Danke, dass Du immer auf die großen Sänger der ehemaligen DDR hinweist. Die von Dir angeführten haben Langzeitkarrieren gemacht, wie sie im heutigen Opernbetriebb kaum mehr möglich sind. Das war eine richtige und wertvolle Ergänzung.


    Herzlichst
    Operus

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  • Lieber Stimmenliebhaber,


    ich wollte gar nicht vergleichen und bewerten, weil das pauschal kaum geht. Man müßte dazu in identischen Stücken die Interpretation von verschiedenen Sängern vergleichen und analysieren. Mein Ansatz war, darauf hinzuweisen, dass es im Laufe eines langen Sängerlebens, aus künstlerischen und altersbedingten Gründen immer Neuorientierungen und Wandlungen gibt und geben muss. So sind -ohne Wertung - erhebliche Unterschiede in den Darbietungen des jungen Fischer-Dieskau und den Aufnahmen in seiner Spätphase.
    Danke, dass Du immer auf die großen Sänger der ehemaligen DDR hinweist. Die von Dir angeführten haben Langzeitkarrieren gemacht, wie sie im heutigen Opernbetriebb kaum mehr möglich sind. Das war eine richtige und wertvolle Ergänzung.


    Herzlichst
    Operus


    Lieber Operus,


    danke für deine Klarstellung, vielleicht habe ich deinen ersten Beitrag in dieser Rubrik auch etwas missverstanden.


    Aber: Auch beim späten FiDi war noch viel Liebes dran, wovon ich mich glücklicherweise noch einige Male live überzeugen konnte, gerade auch ein schöner Stimmklang und ein völlig intaktes klingendes Höhenpiano. Deswegen werde ich auch relativ schnell allergisch, wenn Leute meinen, FiDi hätte um 1970 lieber abtreten sollen - damit meine ich jetzt aber nicht dich.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Als Präceptoren des Liedgesangs stehen Schwarzkopf und zumal Fischer-Dieskau durch seine enzyklopädische Einspielpraxis einer unbefangenen Rezeption oft im Wege. Da hilft, bei der Schwarzkopf, sicher der Umweg über die Fernsehauftritte in England - hier kann man denn erleben, eine wie frische, humorvolle und spontane Interpretin sie war. Nebenbei finde ich sie als Fiordiligi und Donna Elvira unerreicht und unerreichbar. Und wenn man die Originalplatten der Karajan-Ariadne besitzt, dann wird einem ihre Phrasierung von "Ein Schönes war, hieß Theseus-Ariadne" auf ewig im Gedächtnis bleiben (die CD vermittelt nichts davon).
    Dieskaus Kurwenal, sein Orest präludieren seiner unglaublichen Leistung als Barak in der Keilberth-Aufnahme. Gerade diese Rolle möchte man, möchte auch ich ihm kaum zugetraut haben. Auch sein Lear gehört in dieses Reihe. Er hat, anders als die Schwarzkopf, vielleicht gelegentlich die falschen Opern gesungen. Aber er war eben auch ein Verdi- und Wagnersänger und daher von einem ganz anderen Bühnenformat als die Schwarzkof, die ja zeitlebens eigentlich bloß fünf Rollen verkörperte (ihre Studio-Liù spricht für sich).


    So lange wie die Leistungen derartiger Sänger gültig bestehen, kann man kaum das Adjektiv "historisch" bemühen, das ja stets eine Zeitbedingtheit ins Spiel bringt.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

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  • Ich halte mich hier raus, weil mir da viel zu viele, sattsam bekannte Vorurteils-Klischees verbraten werden, - insbesondere D. Fischer-Dieskau, aber auch Elisabeth Schwarzkopf betreffend.


    Aber dieser Einwurf von hami1799, der in der von ihm so geliebt aphoristischen - und damit letztendlich dunkel bleibenden - Weise gemacht wurde, provoziert mich nun doch meinerseits zu einem Einwurf.
    Er möge sich mal anhören, wie Elisabeth Schwarzkopf Hugo Wolfs Frauenlieder aus dem "Italienischen Liederbuch" interpretiert. Da kann er vernehmen - und staunen - wie man Humor, Spott, Ironie und weibliche Koketterie sängerisch realisiert. Ich habe in bezug auf diesen Liederzyklus keine einzige Aufführung erlebt und keine einzige Aufnahme auf Tonträger kennen gelernt, die den Geist dieser Lieder auf solch tiefgreifende Weise erfasst und zum Ausdruck zu bringen vermag.


    Nur nebenbei: Ich habe das "Italienische Liederbuch" in wochenlanger Arbeit in liedanalytischer Betrachtung zu Papier gebracht und dabei insgesamt sechs Aufnahmen herangezogen. Die einzige, die mir all meine Fragen hinsichtlich des Verständnisses dieser Lieder zu beantworten vermochte, und es waren viele!, war die von Fischer-Dieskau und Elisabeth Schwarzkopf.

  • Lieber Helmut,


    natürlich hast Du Recht, wenn Du hier auf das große Gefühlsregister hinweist, das die Schwarzkopf auf der Bühne aufweisen konnte.
    Als Sängerin, und das hat natürlich auch Farinelli gemeint, beherrschte sie die Kunst, Gefühle zu vermitteln, wie kaum eine Andere.


    Was mich stört ist die enorme Diskrepanz zwischen ihrer Begabung zur Rollgestaltung und ihrer Haltung als Mensch.
    Wenn man gesehen hat, mit welcher Härte sie Menschen öffentlich hinrichten konnte, die in ihren Augen als Sänger ungeeignet waren,
    ist mir das Wort Humor in Verbindung mit Schwarzkopf ein Schlag ins Gesicht.


    Ein Gespräch unter vier Augen hätte sicher die gleiche Wirkung getan. Warum sie sich gezwungen fühlte, lauthals hinaus zu trompeten,
    mit welchen Nieten sie es zu tun hatte, ist mir ein Rätsel.
    Leider bilden sich auch viele Dirigenten ein, dass Arroganz und Härte die einzigen Mittel sind, ein Orchester zu guten Leistungen zu animieren.
    Doch denke ich, dass Bruno Walter auf ebenso hohem Niveau dirigieren konnte, wie Erich Kleiber oder George Szell.


    So sei es noch einmal gesagt, Elisabeth Schwarzkopf als Künstlerin steht hier nicht zur Debatte.

  • So sei es noch einmal gesagt, Elisabeth Schwarzkopf als Künstlerin steht hier nicht zur Debatte.

    Aber in dieser Rubrik geht es einzig und allein um Elisabeth Schwarzkopf als Künstlerin und um die Frage, ob sie als solche nur noch historisch bedeutsam sei oder nicht (und einige andere Künstler mehr).


    Vom menschlich Problematischen habe ich schon gehört, es spielt bei meiner Beantwortung der Frage, ob sie als Künstlerin nur noch historisch bedeutsam sei, allerdings keine Rolle. (Und meine Antwort auf die Frage lautet bekanntermaßen: Nein.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • So sei es noch einmal gesagt, Elisabeth Schwarzkopf als Künstlerin steht hier nicht zur Debatte.


    Ja, als was denn sonst, lieber hami? Und was erwartest Du von ihr als Mensch? Soll sie ein guter Mensch sein? Was wäre das denn? Wer kannte sie gut genug? Singen soll sie, das genügt mir. Ob sie gut war oder das, was wir in unserer Beschränktheit als Nichtkünstler darunter verstehen, ist mir völlig egal. Wer in ihre Meisterkurse gegangen ist, wusste, was ihn erwartet. Die sind nun mal öffentlich gewesen und keine Bewerbungsgespräche unter vier Augen. Was wollen wir von dieser Frau, von dieser Künstlerin, die zudem lange tot ist, denn noch?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat

    farinelli: Aber er war eben auch ein Verdi- und Wagnersänger und daher von einem ganz anderen Bühnenformat als die Schwarzkopf,


    Mein lieber farinelli!


    Ganz meine Meinung! Auch sein POSA in der Gesamtaufnahme unter Solti gehört für mich zu seinen größten Leistungen.

    W.S.

  • So sei es noch einmal gesagt, Elisabeth Schwarzkopf als Künstlerin steht hier nicht zur Debatte.


    Ich nehme an, ich habe damit meinen Beitrag gemeint. Es steht jedenfalls nichts Gegenteiliges darin.


    Ansonsten habe ich eben meine Schwierigkeiten, das Menschliche vom Künstlerischen klinisch sauber zu trennen.
    Ein George Szell steht z.B. nicht in meinen Regalen.


    Zu den Kursen der Meisterklasse. Dieskau hatte es auch mit schwächeren Sängern zu tun. Er hat das aber immer mit Anstand behandelt.
    Soviel ich mich erinnern kann, war es Anja Silja, die einmal als Zuhörerin empört eine solche Hinrichtung verließ. Und die war ja auch nicht ganz unbegabt.

  • Mein lieber farinelli!


    Ganz meine Meinung! Auch sein POSA in der Gesamtaufnahme unter Solti gehört für mich zu seinen größten Leistungen.

    Noch besser finde ich freilich seinen deutschsprachigen Posa von der Eröffnung der Städtischen Oper Berlin 1948 unter Fricsay.


    Ein George Szell steht z.B. nicht in meinen Regalen.

    Was hat der denn nun schon weder ausgefressen, wovon ich nichts weiß? Muss ich mich jetzt etwa von einigen geliebten MET-Mitschnitten mit Lauritz Melchior und Herbert Janssen trennen? ?( ;( :S

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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