Christian Joseph Lidarti (1730 - 1795): Ein Wiener in Italien

  • Wenn ich richtig gesehen habe, hat hier ein verdienter Wiener Komponist noch keinen Thread, das muss geändert werden.
    Christian Joseph Lidarti wurde in Wien geboren, reiste mit 21 Jahren nach Italien, um seine Kenntnisse im Bereich der Komposition zu vertiefen; scheinbar gefiel ihm dieses Land, denn er blieb gleich ganz da...er bereiste Venedig und Florenz, danach blieb er mehrere Jahre als Musiklehrer und Komponist in Cortona. Weitere Stationen, die man dem knappen wikipedia-Artikel über ihn entnehmen kann:


    "(...)ab 1757 war er als Schüler von Niccolò Jommelli in Rom. Ab 1784 war Lidarti Musiker an der Kirche Santo Stefano dei Cavalieri in Pisa. 1761 wurde er Mitglied der Accademia Filarmonica in Bologna und später Mitglied der Akademie von Modena."


    Besonders im Bereich Kammermusik hat er sich hervorgetan, schrieb jedoch auch Vokal- und Sakralmusik. Christiano Giuseppe Lidarti, wie er sich folgerichtig auch nannte, erfreute sich zu Lebzeiten offensichtlich großer Wertschätzung. Ich habe diese Aufnahme mit ihm:



    Einen Eindruck gibt es auf youtube:



    Die Musik ist sehr elegant, schwungvoll und tänzerisch, wobei das Cembalo eine prominente Rolle einnimmt. Eine feinsinnig-beschwingte Aufnahme, die Freude macht.
    Weiter Werke habe ich bis dato noch nicht gehört -- vielleicht kann einer der Musikfreunde hier im Forum noch mehr dazu beitragen?

  • Irgendwie habe ich diesen Thread verschwitzt, wenngleich vermutlich er der Anlass war, mir die beiden am Markt verfügbaren Lidarti CDs zu kaufen. Ich beginne mit der hier abgebildeten CD mit Lidartis Violinkonzerten, weil sie Don Gaiferas noch nicht vorgestellt hat. Sämtliche hier enthaltenen Konzerte sind Ersteinspielungen. Sie stammen aus unterschiedlichen Epochen von Lidartis Schaffen und sind infolgedessen auch sehr unterschiedlich. Wir finden barocke Elemente einierseits und - beispielsweise im C-Dur - Konzert eine Nähe zur "Wiener Klassik" Andrerseits sind die Konzerte weit weg von (beispielsweise) Haydn und Mozart. Sie sind spröder und weniger lieblich als jene ihrer Zeitgenossen. Ich würde mir hier eine Aufnahme mit Carmignola und einem seiner Begleitorchester wünschen - aber das wird wohl nur ein Traum bleiben.


    Während ich das Violinkonzert in d- moll eher weniger ansprechend empfinde, gefallen mir die beiden anderen Konzerte durchaus, besonders der letzte Satz des C-dur Konzerts ist mir ans Herz gewachsen.


    Wenngleich am Cover nicht explizit erwähnt befindet sich auch ein dreisätziges Streichquartett in G-dur auf dieser CD, welches meiner Meinung nach absolut hörenswert ist.



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Christian Joseph Lidarti und der Maler Giovanni Battista Tempesti

    gemalt von Nathaniel Dance-Holland, 1759–60



    Spät aber doch habe ich heute die seit Beginn dieses Threads in meinem Besitz befindliche CD mit Cembalowerken von Lidarti gehört. (Leider aber inzwischen bereits gestrichen)

    Ich schliesse mich dem Urteil von Don Gaiferus an, betätige die Elegance, Leichtigkeit undEingängigkeit. Aus Heutiger Sicht vielleicht "nicht von Bedeutung" weil man ja heute von einem Komponisten ( auch posthum !!) verlangt, er müsse etwas für den "Fortschritt" in der Musik tun.

    Mein persönlicher Favorit ist das Cembalokonzert

    Der englische Musikkritiker Charles Burney hat auch diesen Komponisten in Pisa kennengelernt und schreibt (unter anderem ) über ihn:

    "Er ist ein vornehmer und intelligenter Mann und zeigte seinen Wunsch, mir zu gefallen. Wenn es mir möglich wär, hier länger zu bleiben würde er eine Akademie für mich zusammenbreingen - aus den besten Künstlern Pisas. "

    Er erwähnt auch, daßLidarti oddenbar ein belesener Bücherfreund sei, allerdings mit Schwerpunkt Musik....

    Was mir - abgesehen von der Musik - aufgefallen ist, ist das Portrait von Lidarti. Abgesehen von persönlichen Freunden von Gainsborough etc gibt es kaum Portrait von Komponisten oder Solisten jener Zeit, die so "edel" dargestellt wurden - und ich meine hier auch das Ambiente.

    Lidarti gilt in der Nachwelt nicht als besonders berühmter Komponist, das Bild vermittelt aber einen Eindruck, nicht nur von Wohlstand, sondern von Reichtung, Bedeutung und Einfluss. Schon daß er von Burney besucht wurde unterstreicht dies.

    In der deutschen Wikipedia fand ich aber eine mögliche Erklärung:

    "Lidarti war mit der aus einer adeligen Familie stammenden Anna Vettoria Scorzi verheiratet, das Paar hatte sechs Kinder."

    Das erklärt IMO die aristokratische Attitüde auf dem Bild

    Auf der italienischen Wikipedia finden wir den Hinweis, daß von Lidarti ca 200 Kompositionen erhalten sind

    "in denen eine natürliche melodische Disposition und eine einfache und flache Struktur offensichtlich sind"

    Die französische WIKIPEDIA-Seite indes schweigt sich - seltsam genug - über Lidarti aus.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !