Schubert, Franz: Klaviersonate G-dur op. 78 D 894

  • (um das zur zeit ins gerede gekommene forumsniveau zu festigen ein klassischer thread-start: )
    eine große schubert-sonate.
    komponiert vor genau 179 jahren, im oktober 1826, und seinem (schul)freund josef v. spaun gewidmet. herausgegeben ein jahr später von haslinger in wien als opus 78 aber nicht als sonate sondern unter dem titel fantasie- andante - menuetto und allegretto; als 3. und letzte zu seinen lebzeiten veröffentlichte klaviersonate. (die serie hieß „museum für klaviermusik“, nr 1 war die hammerklaviersonate vom kollegen.)
    am autograph, der sich nun in der british library befindet, mit der nummer 4 versehen. wenn man seine fragmente miteinbezieht, ist es entstehungschronologisch allerdings seine ungefähr :rolleyes: 17.
    die satzbezeichnungen:
    I molto moderato e cantabile (d960 lässt grüßen)
    II andante
    III menuetto allegro moderato
    IV allegretto


    soweit ein paar daten, formanalytisch kann ich nicht dienen -vielleicht macht das der chronisch unterbeschäftigte herr blees :baeh01:.
    ich erlaube mir aber ein paar subjektive empfindungsäußerungen zu tätigen…
    im gegensatz zu den meisten in führern und beiheften verbreiteten meinungen, finde ich im gewichtigen ersten satz keine idylle und lieblichkeit. schubert kommt mir da (ausnahmsweise) depressiv vor. das hauptthema ist mir wie ein hammer, der alles niederhaut, zumal in der durchführung, takt 73ff. und beim 2. anlauf takt 93ff. die wunderbare coda verstärkt den eindruck der trostlosen ausweglosigkeit.
    im zweiten satz gibt es eine stelle, t 30-39, die in meinen ohren sehr nach schumann klingt (war zur entstehungszeit von d894 16 jahre alt).


    auf meine mir zur verfügung stehenden aufnahmen (badura-skoda, 2x brendel, demus, endres, kempff, richter, schuchter, sokolow) könnte ich später ein bisschen eingehen, wenn mir die arbeit zeit dafür lässt.


    :hello: aus schubert-town

  • Salut,


    hast Du mich schon einmal während der üblichen Arbeitszeiten so umfangreich und detailliert Posten sehen, wie einen gewissen observator? Im übrigens bezeichne ich mich als Selbständigen: selbst und STÄNDIG!


    :baeh01:


    D894 ist eine phänomenale Sonate, vielleicht sogar wirklich meine Liebste. Ich habe - im Gegensatz zu einigen anderen hier im Forum - überhaupt gar keine Einspielung davon und habe die Sonate auch noch niemals im Konzert gehört. Dennoch - der erste Satz entspricht in etwa meinem technischen pianistischen Niveau - wenn ich mal geübt habe.


    Sehr schön ist hier der von Schubert gewählte 12/8-Takt, das zu Beginn etwas langweilig klingende Thema - lyrisch verhalten, die folgende etwas kniffelige Umspielung des 2. Themas und dann Takte 49ff. - einfach toll. Die Durchführung beginnt in g-moll - gewaltig im fortissimo [ob Schubert wusste, was das auf einem modernen Flügel bedeutet?]. Extrem sinfonische "Ausfälle", keineswegs negativ zu betrachten.


    Das Andante ist zunächst liebreizend, D-Dur. Nach der Vorstellung der Hauptthematik kommt aber der eigentliche Schubert: h-moll, sinfonisch, ab Takt 31. Rhytmisch interessant mit abwechslungsreicher Lyrik im pianissimo. Der ohnehin extrem lange Satz ist noch viel zu kurz und endet im pianpianissimo, ganz schlicht, wie er begann.


    Das Menuetto - welches keines ist, o.k. formal ja - h-moll: Ein bekanntes Schubert Thema [ich glaube aus der 'Rosamunde' ?]. Wunderbar die Vorhalte Takte 12/13 und 46/47. Molto ligato das Trio in H-Dur, so leise, dass es kaum hörbar ist.


    Das Allegretto ist phänomenal. Da soll mal noch einer behaupten, Schubert konnte kein Klavier spielen... Man benötigt zugegebener Maßen teils "große Tatzen", wenn man Arpeggieren vermeinden möchte [gleich Takt 1 nach dem Auftakt]. Das Allegretto ist ebenfalls recht sinfonisch, aber eher lyrisch.


    Ich empfinde den ersten Satz zumindest auch eher als depressiv, zumindest "nachdenklich" und "erschütternd", Lyrik kommt vor, aber ist keinesfalls überwiegend und/oder massgebend.


    LG
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    es ist noch zu ergänzen, dass der Titel "IV. Sonate" vermuten liess, dass die III. Sonate verschollen ist oder geplant war. I. und II. Sonate dieser Reihe waren D845 und850. v. Spaun übrigens nahm Schuberts Widmung "mit wahrem Vergnügen" an.


    Das Thema des Menuetto entspricht übrigens [ich habe gerade nachgeschaut] in etwa dem Entre - Act nach dem 3. Aufzug der "Rosamunde" [Nr. 5] und ebenfalls dem Impromptus D935/3, jeweils beide hier in B-Dur [natürlich wurde es für die Zwecke der Sonate in einen 3/4-Takt gequetscht].


    den 3ten 8bre 05


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Das Thema des Menuetto entspricht übrigens [ich habe gerade nachgeschaut] in etwa dem Entre - Act nach dem 3. Aufzug der "Rosamunde" [Nr. 5] und ebenfalls dem Impromptus D935/3, jeweils beide hier in B-Dur [natürlich wurde es für die Zwecke der Sonate in einen 3/4-Takt gequetscht].


    und nat. auch dem entsprechenden Streichquartett.


    habe bisher nur die Noten der Sonate... welche Interpretation wäre denn zu empfehlen?

  • Also, wenn ich mir nun eine D894 zulegen müsste, würde ich spontan zu Buchbinder greifen, falls das möglich ist.


    :D


    Brendel eher nicht, obwohl technisch brillant, vielleicht noch Badura-Skoda...


    LG
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Hallo!


    Die G-dur-Sonate von Schubert ist eine meiner allerliebsten Klaviersonaten! :yes:
    Ich höre sie auch recht häufig, habe allerdings nur die Kempff-Einspielung, mir verlangt es aber derzeit nach keiner anderen.


    Das Werk ist für mich der Prototyp, oder besser gesagt, der Idealtyp der romantischen Klaviersonate!!
    Besonders begeistert bin ich vom vierten Satz! Für mich etwas, das es eigentlich nicht gibt: Eine appollonische Ekstase!! :jubel:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Das Werk ist für mich der Prototyp, oder besser gesagt, der Idealtyp der romantischen Klaviersonate!!
    Besonders begeistert bin ich vom vierten Satz! Für mich etwas, das es eigentlich nicht gibt: Eine appollonische Ekstase!! :jubel:


    Arghh.... Was ist appollonisch? :D
    Apollinische Ekstasen gibt es m.E. in der Musik öfters, Nietzsche zum Trotz. Sorry, meine klassische Ausbildung läßt mich so etwas nicht stehen lassen. (zu den Ekstasen in D 894 kann ich aus dem Stand nichts sagen)


    nichts für ungut


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Ulli
    ...
    es ist noch zu ergänzen, dass der Titel "IV. Sonate" vermuten liess, dass die III. Sonate verschollen ist oder geplant war. I. und II. Sonate dieser Reihe waren D845 und850.
    ...


    paul badura-skoda vermutet d568 es-dur.
    "...wer -außer einem verleger- hätte schubert überreden können, die des-dur sonate d567 nach es zu transponieren, weil sie mit nur 3 b leichter verkäuflich wäre als mit 5..."


    :hello:

  • ...vor allem spart das Druckerschwärze...


    :D

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Maexl
    welche Interpretation wäre denn zu empfehlen?


    na, wenn da niemand schreiben will...
    alles muss man selbst machen -fgb hätte sicher schon vehement weissenberg gelobt... :stumm: ;)


    sodele
    wenn die exposition im ersten satz wiederholt wird, dauert er um die 18 minuten, ohne wh ca. 12. falls interpreten hier (aus balancegründen?) auf die wh verzichten, finde ich das nicht so schade wie bei d960, weil man als hörer keines taktes verlustig geht.
    ohne wh spielen:
    brendel (in seiner 1. und 3. einspielung, nicht aber in der 2.), demus, kempff, schuchter
    mit wh spielen:
    badura-skoda, endres, richter, sokolow


    der verdiente schubert-apologet brendel vermittelt "klassische", schöne interpretationen, wobei die "live"-aufnahme aus frankfurt 1998 etwas monumentaler wirkt.


    kempff brauchte 1965 knapp 11 minuten, spielt schlank, subtil, allerdings fern vom "seelendrama".


    demus ist auf seinem fortepiano noch schneller. die aufnahme ist leider verrauscht, der klang etwas entfernt, und es konnte kein aufnahmedatum eruiert werden. { erschienen bei deutsche harmonia mundi unter dem absurden reihentitel „baroque esprit“, unter welchem auch noch perotin (um 1200) und beethoven u.ä. sich versammeln müssen…}


    sein (gelegentlicher) 4-hand-mitarbeiter badura-skoda spielt auf einem graf von 1825 mit herrlichem bassklang. erschütternd der höhepunkt ab takt 73 im 1. satz. das seitenthema ist bei ihm „wiegend“, wie er überhaupt am besten das wienerische tanzelement in der linken hand darstellt, welches immer wieder als grandioser kontrast zur desolation des hauptsatzes aufblitzt (z.b. takt 97ff. und dann wieder t 108 ff.) im 3. satz spielt er das trio melancholisch-schwebend.


    schuchter auf dem bösendorfer (ohne wh 13:45 !) und endres spielen "in der mitte", zwischen depression und aufbegehren quasi. das trio des menuettos hat bei endres ein wenig spieldosenhaftes, so zierlich-zerbrechlich (durchaus positiv empfunden!)


    sokolows live-einspielung aus helsinki 1992 vermag mich leider nicht zu rühren.


    ganz anders richter. in dieser etwas dubiosen ausgabe (-mir kommt z.b. der applaus immer zugespielt vor, so wie bei diversen amerikanischen tv-sitcoms...zudem wird der aufnahmeort nie angegeben) spielt er angeblich am 3.5.78 irgendwo. richterologinnen werden wissen, ob es andere aufnahmen von d894 auch noch gibt.
    er braucht für den 1.satz unglaubliche 26:18 ! so lange wie für die 3 restlichen sätze zusammen. der ganze satz kommt so bohrend-grüblerisch daher, sogar das seitenthema -keine spur von tänzerisch, beschwingt wie bei den anderen interpreten. man versinkt geradezu in dieser depressiven welt. dann die durchführung: die akkorde werden wie felstrümmer von einem giganten aufgetürmt, der am fff gipfel wieder alles zusammenhaut! in der reprise wieder verstörendes pochen, wo bei anderen fast munteres fließen zu hören ist (–jetzt verstehe ich, warum affanasiev richter so verehrt!). die coda –ein in die länge gezogener verzweiflungsschrei…
    in den sätzen 2 und 3 bewegt sich richter übrigens völlig im zeitrahmen der kollegen, während er im letzten mit abstand der schnellste (!) ist –ohne wiederholmöglichkeit (richter 7:28, brendel 9:33).


    bei empfehlungen gibt es aus meiner sicht nun ein problem (abgesehen davon, dass ich ja nur das empfehlen möchte, was ich selber kenne -und das ist ja doch recht wenig…).
    generell sollte es a) einzeln und b) überhaupt erhältlich sein.
    und ich empfehle jetzt 3 aufnahmen, die alle nur im box-set zu kaufen sind.
    ABER: die 3 boxen sind höchst unterschiedlich.


    zuerst die umwerfendste interpretation: RICHTER.



    was müsste man mit kaufen? inhaltlich herrlichstes: beethoven op 2/3, 7, 31/2, 31/3, 90, 101, 109, 110, 111. liszt h-moll. schubert d566, 575, 915 und 960 (-mein eigentlicher grund für den kauf der box). formal teilweise entsetzliche technische qualität (-grauenhaft der beginn des 2. satzes von op101), „falls man das seitenthema zwischen dem gehuste erkennt, ist es schön gespielt“, würde rienzi :baeh01: wohl bisweilen formulieren.
    nun, der preis: 10€ bei jpc (3 pils weniger beim treffen in frankfurt ;) )


    dann die -auch klanglich- schönste, berührendste: BADURA-SKODA.



    hochpreis für hohe qualität. die 100 seiten der beilage (umgerechnet auf dinA4 und in 1 sprache) entsprechen einem buch über die klaviersonate bei schubert. ich glaube, die edition ist inzwischen aufgeteilt worden (jpc), es wäre dann die schachtel mit den mittleren sonaten. wer sich ernsthaft mit den schubertsonaten beschäftigen will, sollte darum nicht herumkommen wollen.


    allerdings: die 3. empfehlung: ENDRES.



    auch eine box mit „sämtlichen“ sonaten (zwar nur 17 und nicht 20 wie bei badura-skoda). neue aufnahme. zum preis von 1 cd! sicher keine fehlinvestition.


    :hello: aus schubert-town

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  • Übung macht den Meister...


    :jubel:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von observator
    ganz anders richter. in dieser etwas dubiosen ausgabe (-mir kommt z.b. der applaus immer zugespielt vor, so wie bei diversen amerikanischen tv-sitcoms...zudem wird der aufnahmeort nie angegeben) spielt er angeblich am 3.5.78 irgendwo. richterologinnen werden wissen, ob es andere aufnahmen von d894 auch noch gibt.


    Richter hat die Klaviersonate D 894 während seiner Karriere insgesamt 18-mal gespielt, zum ersten Mal 1948. Er nannte sie selber übrigens seine liebste Schubert-Sonate. Die Aufnahme aus der Brillant-Box wurde in Moskau aufgenommen. Auf CD soll aber leider wohl nur noch eine weitere Einspielung vom 20. März 1989 (London) existieren, die Philips herausgebracht hat. Die suche ich aber auch immer noch…


    Gruß, Cosima

  • Zitat

    Original von observator


    na, wenn da niemand schreiben will...
    alles muss man selbst machen


    vielen Dank für die Mühe, die du dir gemacht hast. :jubel:


    es werden dann wohl auch Richter und Endres. Außer ich finde noch irgedwo viel Brendel für wenig Geld. (Ich bin schließlich armer Schüler :( )

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  • nachdem ich sie am wochenende gehört habe, kann ich auch noch empfehlen:




    mit 20€ als einzel-cd aber teurer als die 2 boxen.
    jedoch sind mit d840 ("reliquie" -nur 2 sätze gespielt) und d894 beide bisher im tamino ausführlicher vorgestellten schubertsonaten auf einer cd versammelt.


    ich habe vor jahren uchida mit den letzten 3 sonaten im wiener konzerthaus erlebt und sie darauf in der typischen überheblichkeit des nur-konsumenten "ad acta gelegt". ein fehler.


    :hello:
    :beatnik:


  • so die hab ich jetzt...


    habe die tage schon mal in liszt und schubert reingehört...


    die h-moll sonate finde ich top...
    dann hab ich mir die D 960 angehört - ich finde er spielt den anfang zu klassisch - kommt dann langsam rein in den stil und spielt ein ausgezeichnetes tempo im schlusssatz
    von den anderen schubertsonaten weiss ich noch nicht so ganz, was ich von ihnen halten soll - nach dem ersten hören gefielen mir die frühen sonaten sogar besser als die späten (bis auf D 960 nat.).


    aber richter scheint bei den aufnahmen von einer husterwelle geplagt zu sein, jedenfalls sein publikum ist nicht zimperlich *grml*

  • Zitat

    Original von observator



    auch eine box mit „sämtlichen“ sonaten (zwar nur 17 und nicht 20 wie bei badura-skoda). neue aufnahme. zum preis von 1 cd! sicher keine fehlinvestition.


    So - nach meinem Kurztrip nach Freiburg in die Uni war ich noch im Rombach und hab mir die Box jetzt auch geholt - von Richter war ich nicht so begeistert - jedenfalls nicht von dieser Sonate -


    Welche Sonaten fehlen denn in der Box?


    Nach schnellem Reinhoren in D 960-Satz 1 und D 958 kann ich schon mal sagen, dass sich der Kauf rentiert hat - und nicht nur wegen des Preises.


    Gibt es eigentlich auch eine Einspielung von Ivo Pogorelich?

  • Zitat

    Original von Maexl
    Welche Sonaten fehlen denn in der Box?


    die fragmente
    e-dur d459
    fis-moll d571
    c-dur d613
    a-dur d664


    (in der endres-box sind 16 anstatt 17, wie irrtüml. von mir geschrieben)




    Zitat

    Gibt es eigentlich auch eine Einspielung von Ivo Pogorelich


    meines (begrenzten) wissens nicht.


    :hello:

  • Zitat

    Original von observator
    (in der endres-box sind 16 anstatt 17, wie irrtüml. von mir geschrieben)


    DOCH 17 :rolleyes:


    d664 ist dabei


    (ich hab die cds zuhause und bin beim posten auf das internet und seine falschen infos angewiesen -diesfalls amazon...)
    :hello:

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  • Hier vielleicht ergänzend:


    Der Name "Fantasie-Sonate" ist in der Schubertforschung gebräuchlich... Wenn man den ersten Satz der Sonate genauer betrachtet findet man den Bezug auch rasch. Bei der Dalberto-Aufnahme steht der Beiname auf der CD-Umhüllung und auch im Beiheft der Endres-GA bleibt der Beiname nicht unerwähnt.


    (Nach dem Sommerurlaub 1826 hat Schubert Gelegenheit das Klavier eines Freundes (Milhelm Rieder, Portraitist) zu benutzen, im Oktober komponiert er die Klaviersonate.)


    Zitat

    Original Hans Christoph Worbes
    Im Herbst 1826 fand Josef von Spaun seinen Freund Franz Schubert bei der Komposition der G-Dur-Sonate D 894. Als "Fantasie, Andante, Menuetto und Allegretto", als Folge einzelner Stücke also wurde dieses op. 78 im Jahr darauf von dem Verleger Tobias Haslinger im Druck vorgelegt.
    Im Eingangssatz der G-Dur-Sonate setzt Schubert keineswegs auf die thematischen Kontrastwirkungen der Sonatenform


    weiter darf Ich Arthur Hutchings Zitieren:

    Zitat

    Original Arthur Hutchings
    A few years ago the only Schubert pianoforte sonatas to find an occasional place in recital programs were the a-minor, Op. 42, and the so-called Fantasy-Sonata in G-major, Op. 78, edited by Liszt.

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Wir wollten es wissen, und verglichen sechs Aufnahmen dieses Zwitterwesens aus Fantasie und klassischer Sonaten-Architektonik, um zu sehen, welche Interpretation uns am meisten anspricht.


    Michael Endres, capriccio, 2004
    Sehr monoton und analytisch vorgetragen, ungemein bedächtig droht die Interpretation auseinander zu fallen. Sicherlich die mit Abstand schlechteste Aufnahme.


    Mitsuko Uchida, Philips, 1996
    Sehr langsam gespielt, zum Teil gar schleppend mit ungewöhnlicher Gewichtung und Manirismen. Auch Uchida konnte uns nicht begeistern.


    Andras Schiff, Decca, 1992
    Erster Satz ungemein moderato gespielt, verhalten mit romantischem Ansatz, zweiter Satz nicht mehr so sehr verhalten vorgetragen und gewinnt dadurch viel an Ausdruck, dritter Satz mit leichten Verzögerungen, die irritieren, fast zu langsam und schleppend und zu bewusst interpretiert. Recht schöne Aufnahme, jedoch ohne den letzten Biss.


    Arkadi Volodos, Sony, 2001
    Langsam aber cantabel gespielt, zweiter Satz dynamisch und differenziert, dritter Satz sehr kontrastreich vor allem durch laut-leise Spielweise. Letzter Satz zu langsam und zu schwer, fast schon emotionslos und ohne Fluss. Schöne Aufnahme mit klarsichtiger Balance und gewohnt manueller Souveränität.



    Grigory Sokolov, opus 111, 1992
    Ungemein beseelt, warm gespielt, schöne Akzentuierung, live Eingespielt, zweiter Satz wiederum beseelt und differenziert. Der dritte Satz ausgeglichen und doch spannungsreich, der vierte Satz schön singend, spannend und kontrastreich. Wunderschöne Aufnahme mit farblichen Varianten, versunken mit polyphoner Duftigkeit.


    Alfred Brendel, Philips, 1988
    Wunderschön cantabel vorgetragen, spannungsreich und sehr differenziert. Im zweiten Satz mit leichtem Phatos, dritter Satz singend gespielt, differenziert, genau, wie ein Menuett, vierter Satz sehr fliessend, wie aus einem Guss gespielt, leicht. Sehr schöne Aufnahme, innerlich bebend mit Nachdruck, ungemein cantabel.



    Alfred Brendel



    Grigory Sokolov


    Sokolov und Brendel kann man sicherlich uneingeschränkt empfehlen, der Ansatz ist verschieden, doch beide bestechen durch beseeltes Spiel.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo Romeo & Julia,


    an dieser Stelle einmal ein dickes Lob und Dankeschön für Eure "Vergleichstests" - die lese ich immer mit großem Interesse (auch wenn ich bei Eurer D.894-Beurteilung von Mitsuko Uchida anderer Meinung bin)!


    Bitte mehr davon!

    Herzliche Grüße
    Uranus


  • Hallo Observator,


    schon weit der Thread fortsetzungswürdig ist, muss ich meinen Senf dazugeben, bevor ich mich auf Dienstreise begebe.
    Für mich in der Reihe der Ernsthaftigkeit diese Sonate die erste nach den posthumen. Mich haben immer die Anfangstakte begeistert. Lieblichkeit kann ich da auch keine entdecken, eher ein ganz großes Seufzen, welches für mich auch ein wenig Resignation enthält.
    Das Hämmern bevor das zweite Thema einsetzt hat etwas sehr Schmerzliches an sich. Das zweite Thema könnte man allerdings schon als lieblich durchgehen lassen.
    Die Durchführung bereitet mir immer großes Vergnügen. Ich mag diese Oktaven, da fühl ich mich beim Spielen und Herr der Lage.
    Der zweite Satz erinnert mich in manchen Variationen an die Impromptus. Der dritte Satz ist ein absoluter Parforce-Ritt, bei dem die Synkopen zu immer nochmaliger Forcierung und Beschleunigung verleiten. Diese aufsteigenden, dahin gehuschten Dreiklänge in der Abschlussfigur haben etwas Jagendes an sich.
    Mit dem vierten Satz habe ich extreme spielerische Schwierigkeiten. Der liegt mir überhaupt nicht in der Hand, aber ich mag ihn sehr.
    Ich spiele ja alle Schubert-Sonaten zum Vergnügen und es kommt häufig vor, dass ich mir diese aussuche, weil sie eine ganz bestimmte Stimmung auf mich ausübt. Und zwar eine versöhnliche. Wenn ich sie höre oder besser noch spiele, bin ich zufrieden. Dann ist die Welt für eine kurze Dauer in Ordnung.
    Das ist bei anderen Werken nicht in diesem Umfang der Fall. Da werde ich durch manches auf Missstände aufmerksam gemacht oder die Assoziationen sind mit realen Vorstellung verknüpft. Bei der G-Dur-Sonate vermeine ich, ganz in der Musik verbleiben zu kennen, wie in einem Asyl von der Welt.
    Ich kann mir vorstellen, dass Sokolovs Aufnahme empfehlenswert ist. Brendel habe ich schon gehört. Wie schon anderwärts feststellbar, kann ich an Brendels Aufnahmen kein Manko erkennen. Doch er erscheint mir zu akademisch, zu beherrscht. (Ich habe das einmal bei DV959 erwähnt, fällt mir jetzt ein.)
    Danke, Romeo und Julia, für die Vergleichstests. Da kann man schon einiges herauslesen.


    liebe Grüße, Hans

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"

  • eine Aufnahmen fehlt hier noch:



    Valery Afanassiev spielt Schubert Sonate G-Dur
    Spielzeiten: 23:12 / 10:20 / 5:26 / 10:00
    Die Sonate ist das einzige Stück auf der CD.


    Wie mein Vorredner schon andeutete, gibt es in der G-Dur-Sonate im Gegensatz zu den drei letzten keine richtig "radikalen" Stellen. Ich denke daß auch die von Pius weiter oben erwähnte "apollinische Extase" besagen soll, daß diese ganze Sonate sich irgendwie in einem Schwebezustand befindet.
    So verwundert es nicht, daß Afanassievs Spiel - trotz seiner (ihm jedenfalls nachgesagten) oft extremen Deutungen - hier ziemlich ausgewogen erscheint. Es ergibt sich eine faszinierende Mischung (scheinbarer) klanglicher oder spielerischer Idylle mit (meist nur angedeuteter) Tagik-Melanchonik, die ihren besonderen Reiz aus Afanassievs wie immer spannenden Erzählkunst bezieht.
    Wer die Noten verfolgt, wird außerdem eine frappierend genaue Beachtung der dynamischen Abstufungen und der zahlreichen kleinen Akzente bemerken.


    Die Aufnahme ist nebenbei in einer der Denon "One Point Recording" Boxen enthalten, und zwar der mit dem Titel "Welcome to the Concert". Bei Ebay hin und wieder gesichtet (die Box kann man nachher wieder gut verkaufen...).


    Gruß,
    Khampan

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  • Zitat

    Original von steppenhund
    Brendel habe ich schon gehört. Wie schon anderwärts feststellbar, kann ich an Brendels Aufnahmen kein Manko erkennen. Doch er erscheint mir zu akademisch, zu beherrscht. (Ich habe das einmal bei DV959 erwähnt, fällt mir jetzt ein.)


    hmm wie viele verschiedene Brendel-Aufnahmen gibt es denn? ich hab auch eine aufnahme mit einem beherrschten brendel.
    letztes semester war ich hörer des seminars schuberts letzte jahre am musikwissenschaftlichen institut der heidelberger uni, bei dem wir einen tollen vortrag zu dieser sonaten bekamen. die verwendete aufnahme war auch von brendel - allerdings sehr ungestüm, wild und was das tempo betrifft am ende seines machbaren. die hätte ich sehr gerne...


    lg, Max

  • Zitat

    Original von Maexl
    hmm wie viele verschiedene Brendel-Aufnahmen gibt es denn? ich hab auch eine aufnahme mit einem beherrschten brendel.


    Ich kenne zwei Aufnahmen mit Brendel, beide Studio, beide Philips, die eine Anfang der 70er, die andere 1988 eingespielt. Die spätere habe ich nur einmal gehört und dann verschenkt, weil sie (wenn ich mich richtig erinnere) der früheren überaus ähnlich war. (Das gilt cum grano salis auch für die anderen Doppelaufnahmen von Schubert-Sonaten durch Brendel - die gleichen sich teilweise wie ein Ei dem anderen.)


    Die 70er Jahre-Einspielung mag ich nach wie vor sehr gerne - allerdings nur, was die Sätze 2, 3 und 4 anbetrifft. Besonders das Allegretto gelingt wunderschön spielerisch und gar nicht akademisch.


    Aber, aber: das Molto moderato. Nicht nur, dass Brendel erwartungsgemäß die Exposition nicht wiederholt - er verharmlost die Durchführung insbesondere dynamisch auf eine Art und Weise, die mich von Anfang an geärgert hat. Keine Spur von den vorgeschriebenen fff-Exzessen, ganz im Gegenteil: Brendel nimmt an diesen Stellen die Dynamik eher noch zurück. :no:



    Neben der von mir bei Schubert generell bevorzugten Mitsuko Uchida kann ich bei D 894 noch die wunderbar ausgewogene und differenzierte, bei Bedarf (Durchführung des Molto moderato) aber auch enorm klanggewaltige Einspielung mit Alain Planès empfehlen. Die Zeiten für die einzelnen Sätze: 17:44 (mit Exp.-Wiederholung), 8:24, 4:39, 8:40.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Maexl


    hmm wie viele verschiedene Brendel-Aufnahmen gibt es denn? ich hab auch eine aufnahme mit einem beherrschten brendel.
    letztes semester war ich hörer des seminars schuberts letzte jahre am musikwissenschaftlichen institut der heidelberger uni, bei dem wir einen tollen vortrag zu dieser sonaten bekamen. die verwendete aufnahme war auch von brendel - allerdings sehr ungestüm, wild und was das tempo betrifft am ende seines machbaren. die hätte ich sehr gerne...


    lg, Max


    Lieber Maexl,


    ich bin nur einmal mit der "beherrschten Aufnahme" in Berührung gekommen.
    liebe Grüße, Hans

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"

  • Hallo!


    Gerade habe ich die Sonate mit S. Richter gehört - eine Aufnahme aus dieser Box:



    Der Kopfsatz dauert über 26 Minuten! 8o


    Dieses Schneckentempo geht IMO gar nicht, der Satz zerfällt ja stehend auseinander. Andererseits hatte das eine fast hypnotische Wirkung.
    Weiß man, was Richter zu solchen Extremen bei Schubert bewogen hat? Wollte er eine Art Trancezustand bei sich oder dem Publikum bewirken? Anhand der Noten läßt sich das Tempo doch nicht rechtfertigen - oder doch? ?(


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Andererseits hatte das eine fast hypnotische Wirkung.


    That´s it.
    Du sprichst einen großen Satz gelassen aus.
    Es gab immer schon Interpreten, die auf solch hypnotische Wirkungen bauten - sie sind das andere Extrem zu den oft nervösen und gehetzten Interpretationen anderer Pianisten......


    In der heutigen Zeit mag das bei etlichen Befremden hervorrufen, aber früher waren solche Extreme durchaus normal....


    Wie man das beurteilt wird vermutlich sehr vom musikalischen Standpunkt des jeweiligen Hörers abhängen....


    mfg
    aus Wien



    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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