Mein persönlicher Zugang zur Musik des 20. Jahrhunderts - und mehr ........

  • Aus gegebenenm Anlass bekommt diese Threadreihe Zuwachs - und zwar aus gegebenem Anlass und ausserdem in modifizierter Weise.
    Modifiziert insofern, weil wir uns heute nicht mit dem persönlichen Zugang zu einem Komponisten befassen, sonder zu einer Epoche überhaupt. Auch der Begriff Epoche ist hier vermutlich falsch gewählt, denn innerhalb des 20. Jahrhundert gab es einige Epochen und Stilrichtungen. Die Gegener können es sich einfach machen: Sie werfen das alles in einen Topf.


    Auslöser für diesen Thread war die Aussage von "teleton" im Thread


    Witold Lutoslawski - Klassiker der Moderne


    wo er über eine Aufnahme von Lutoskawski, wo dieser seine Werke selbst dirigierte, schrieb:

    Zitat

    Ich finde ausser den Konzert für Orchester und der Sinfonie Nr.3 wenig bis gar nichts darin vor, was wirklich das Ohr erfreut und als "voll genießbar" eingestuft werden kann. :untertauch:
    :S Man mag mich des Gegenteils überzeugen ... das wird für denjenigen schwierig werden !


    Da muß man sich natürlich die Frage stellen, inwieweit mag der Betreffende Lutiskawsi überhaupt, bzw, wie ist sein Zugang zur Musik des 20. Jahrhunderts überhaupt ? ("Moderne" kann man ja nicht generell sagen, "zeitgenössische Musik" ebensowenig)


    Und genau das ist die Frage an Euch: Habt Ihr Zugang zur Musik des 20. Jahrhunderts - und wenn ja zu welcher ?
    zu welchen Komponisten, zu welchem Genre ?


    Dieser Thread mag im ersten Augenblick als Parallelthread zu dem hier verlinkten erscheinen - imdes ist die Themenstellung doch eine erheblich andere. Lediglich die Klientel ist bei beiden Threads vermutlich die gleiche....


    Wer hat Angst vor Neuer Musik ?


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich finde 20. Jhd. zu diffus.


    Musik des 20. Jahrhunderts:
    Madama Butterfly, Turandot, Rosenkavalier, Alpensinfonie, Rachmaninoffs Klavierkonzerte 2-4, Mahlers Sinfonien 3-10, Sibelius' Violinkonzert...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Musik des 20. Jahrhunderts:
    Madama Butterfly, Turandot, Rosenkavalier, Alpensinfonie, Rachmaninoffs Klavierkonzerte 2-4, Mahlers Sinfonien 3-10, Sibelius' Violinkonzert...


    Du machst Dich hier lustig. So geht das nicht! :thumbsup:


    Und die Zehnte von Mahler - das geht endgültig zu weit!


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Auf die Musik des 20. Jhdts hab ich mich eingelassen, nachdem mir die des 19. Jhdts immer weniger neues gebracht hat.
    Das erste waren die Schostakowitsch-Sinfonien unter Barschai, gefolgt von einer Aufnahme von Starwinskis Violinkonzert mit Oistrach als Solisten und den Bartok-Konzerten unter Solti. Und jetzt dürften es an die 400 Scheiben sein, Tendenz steigend, mit einem deutlichen Schwerpunkt auf die Sowjetunion und die ersten 2/3 des 20. Jhdts., wobei ich immer noch das Gefühl habe, erst am Anfang zu stehen.


    Was ich am 20.Jhdt. schätze? Die absolute Vielfalt der Stile und die Tatsache, dass ich vieles schon mit meinen Lebensdaten synchronisieren und damit auch das Zeitgefühl nachempfinden kann, unter dem das ein oder andere Werk entstanden ist.


    Komponisten, die ich gerne höre: Strawinski, Schostakowitsch, Prokofiew, Chatschaturian, aber auch Villa Lobos, Piazzolla und Rodrigo.


    John Doe
    :jubel:

  • Ich höre in den letzten Jahren vermutlich mehr Musik aus dem 20. Jahrhundert als aus allen anderen Epochen zusammen. Mich spricht diese Musik emotional mehr an und sie fordert mich auch mehr. Dabei gibt es aber Grenzen. Ich brauche bei einem Musikstück einen Anker, eine Art Kern, auf den sich das musikalische Geschehen in irgendeiner Form bezieht. Finde ich diesen Anker nicht, so wirkt die Musik auf mich grau und leblos. Bei Vielem was nach 1945 geschrieben wurde, finde ich den Anker nicht. Mit dieser Musik kann ich nichts anfangen. Bisher jedenfalls. Was nicht heissen muss, dass das immer so bleibt. Aber mit fortschreitendem Alter wird die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass ich den Anker nochmal suche und finde. Deshalb werde ich vermutlich eines Tages die Erde verlassen, ohne ein Musikstück von Boulez oder Stockhausen durchgehört zu haben. Denn es gibt viel zu viel andere Musik, die ich noch nicht kenne und warum dann seine Zeit verschwenden mit etwas, was einem überhaupt nicht gefällt


    Der Anker, den ich brauche, hat meist etwas mit Resten von Tonalität zu tun. Da muss etwas sein, dass ich als geformte Musik wahrnehme. Wo ich das Gefühl habe, ja, das hat der Komponist ganz bewusst so und nicht anders gemacht. Interessanterweise gibt es eine Gattung, wo ich bereit bin, Dinge zu hören, die ich bei Orchester-, Klavier- oder Vokalmusik ablehnen würde: das Streichquartett. Auch hier bitte nicht Boulez oder Stockhausen, aber Xenakis, Lachenmann und Ferneyhough gehen schon, gelegentlich. Es muss daran liegen, dass ich den Klang von den vier Streichinstrumenten so mag, dass ich hier auch Gekratze, Geschabe und sonstige Geräusche zumindest "interessant" finde.

  • Ich glaube, pauschal über die Musik des 20. Jahrhunderts zu urteilen, dürfte kaum möglich sein, weil es zu viele Stilrichtungen gibt: Spätromantik, Impressionismus, Expressionismus, Neoklassizismus, aber auch atonale Musik, Zwölftonmusik, serielle Musik, Minimalmusik usw.
    Bei der ersten Gruppe habe ich zu vielen - nicht zu allen - Werken durchaus Zugang gefunden, die zweite Gruppe empfinde ich nicht mehr als Musik, sondern eher nur als störendes, teilweise schrilles Geräusch. Manche der Werke aus der erstgenannten Gruppe gefielen mir schon beim ersten Hören, einige manchmal erst beim zweiten Hören
    Bei einer Reihe der Komponisten fallen einige Werke, bei anderen alle ins 20. Jahrhundert. Als Beispiele nenne ich Mahler, dessen Sinfonien ab der 4. im 20. Jahrhundert entstanden sind, auf dem Gebiet der Oper Puccini ab Madame Butterfly, wobei bei Puccini mir die späten Opern besonders gefallen.
    Ich kann hier nur eine Reihe von Komponisten, deren Werke ins 20. Jahrhundert hineinragen oder ganz dem 20.Jahrhundert angehören, die ich in meiner Sammlung (CD oder DVD) habe und immer wieder einmal höre, aufzählen: Prokofjew, Rachmaninow, Skriabin, Schostakowitsch, Sibelius, Satie, Debussy, Ravel, Elgar, Bax, Strauss.
    Ich möchte hier nicht meine ganze Sammlung aufzählen, aber da ist vieles aus dem 20 Jahrhundert drin, was ich mir - je nach Stimmung - immer wieder einmal vornehme.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Da ich schon mit dem späten 19 Jahrhundert meine Schwierigkeiten hatte, die Sinfonien wurden immer spröder und länger, war mein Weg zur Musik des 20. Jahrhunderts ein eher dorniger. Man mag sich die Frage stellen, wieso ich dann überhaupt diese Musik höre. Zum Teil war es "historische Neugier" zum Teil waren es "Brückenwerke", also Werke an denen man nicht vorbei konnte, weil deren Themen immer wieder in der Werbung oder vor allem als Kennmelodien von Rundfunksendungen auftauchten. Auch missbrauchte ich gelegentlich solche Musik, wenn ich meine selbstgebauten Lautspreche bei der Endabstimmung testen wollte, da hier oft sehr komplexe Klangkiombinationen vorkamen. Meist waren es aber nur "Einzelstücke" die meine Zustimmung fanden. Das ist bis heute so geblieben. Dennoch hat sich inzwischen eine Menge mit Aufnahmen "moderner" Musik bei mir angesammelt. Ich bin nämlich in der Zwischenzeit draufgekommen, daß Musik - auch wenn sie einem nicht wirklich gefällt - zumindest "interessant" klingen kann. Das ist doch schon was. Allersdings ist es eher die "Klassische Moderne" die ich höre. Strawinsky - Schostakowitsch - Sibelius - Orff - Mahler - Rott - Weingartner - Peterson-Berger - Tovey - Milhaud - Prokoffieff - Rachmaninoff - Martinu - Bloch - Schreker - Holbrooke - L.Nielsen - Weinberg - Copland - Gershwin - Hindemith - Zemlinsky - Braunfels. Sie alle sind meist relativ gut vertreten in meiner Sammlung. Und wie ich sehe - ist das nur ein kleiner Teil. In letzter Zeit kamen etliche Briten, Skandinavier und Russen in meine Sammlung moderner Musik und zahlreiches auf dem Gebiet der Kammermusik.
    Das Forum bringt es mit sich, daß ich diese Aufnahmen auch gelegentlich höre - in letzter Zeit mehr als mein "Lieblingsrepertoire".... Generell kann man sagen, daß das Forum einen sehr starken Einfluß auf meine Hörgewohnheiten genommen hat.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das 20. Jahrhundert stellt ohne jeden Zweifel die unterhaltsamste Epoche der Musikgeschichte der letzten hundert Jahre dar. Niemand, der sich mit Komponisten wie


    Zitat

    Lutiskawsi


    oder gar


    Zitat

    Starwinski


    auseinandersetzt, könnte dies ernsthaft in Frage stellen.

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  • Lieber Gombert,


    Ich dachte, wenigstens die Namen der Komponisten des 20.Jahrhunderts schon einmal gehört zu haben, aber ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich Lutiskawski und Starwinski noch nie gehört habe. Wo gibt es über diese Komponisten etwas zu lesen. Kennst du Aufnahmen ihrer Werke?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Schönbergs Streichquartette gingen mir sozusagen von Anfang an ins »ins Ohr«, während ich mit seinem Pierrot Lunaire überhaupt nichts anfangen konnte. Für jemand, der weder Noten lesen kann noch sonst viel von Musik versteht, dürfte das ja ein recht üblicher Zugang sein. Dieser Zugang hat mir dann allerdings bei Lachenmanns »Chambers Music« (mit dem Allegro sostenuto für Klavier, Klarinette und Violoncello, Dal Diente für einen Klarinettisten, dem Kinderspiel für Klavier und Pression für Violoncello), die ich mir aufgrund einer sehr lobenden Besprechung in FonoForum gekauft hatte, völlig gefehlt – ich konnte überhaupt nichts damit anfangen. Anders war es wieder mit Elliott Carter. Zu Lachenmann und anderen zeitgenössischen Komponisten habe ich später dann doch noch gefunden, und das kam fast von selbst. Ich hatte mir vorgenommen, alle meine klassischen CDs einmal den Geburtsdaten der einzelnen Komponisten nach chronologisch durchzuhören (damals hatte ich erst vielleicht hundertfünfzig CDs in meiner Sammlung). Und in diesem knappen Jahr war der Übergang in die Moderne dann wohl so sanft, dass mir plötzlich auch Stücke wie die von Lachenmann gefallen haben.

  • Es ist ja seit Jahren aus diversen beiträgen bei Tamino bekannt, dass ich mich zu den Komponisten des 20.Jhd eher hingezogen fühle (auch dem 21.Jhd, wenn es "anständige " Musik ist).
    Warum ? Lutgra hat es sehr schön ausgedrückt - genau so ist es :

    Mich spricht diese Musik emotional mehr an und sie fordert mich auch mehr. Dabei gibt es aber Grenzen. Ich brauche bei einem Musikstück einen Anker, eine Art Kern, auf den sich das musikalische Geschehen in irgendeiner Form bezieht. Finde ich diesen Anker nicht, so wirkt die Musik auf mich grau und leblos.


    Das Beispiel Lutoslawski, der Auslöser dieses Threads ist ja nun auch für das Thema 20.Jhd schlecht gewählt, weil das ein "Ausreisser" aus dem 20ten ist, der zum grossen Teil extreem schwierige Musik komponiert hat. :!: Genau die, bei dem mir der von Lutgra angesprochene Anker fehlt.


    Mit ist auch bewusst, das Lutoslawski ein sehr guter Komponist war, der recht wertvolle und sehr komplexe Werke mit einer schöpferischen Entwicklung geschrieben hat. Ich werde mit mit diesen auch zukünftig weiter beschäftigen.
    Einige Werke von Lutoslawski schätze ich sehr:
    Darunter das Konzert für Orchester - in der Dohnanyi-Aufnahme (Decca) u.a. ein "Hammerstück", oder die Paganini-Variationen für 2Klaviere. Schon diese alleine das machen ihn zu einem grossen des 20.Jhd.
    Bezeichnend für Lutoslawski, dass er das KfO selber gar nicht so hoch geschätzt hat, ja schon verwerfen wollte ! Dazu antworte ich aus meiner Sicht: "Endlich mal was Zugänglicheres von ihm !"


    Ich habe noch eine Lutoslawsi-CD mit seinem Klavierkonzert (1988), Chain 3 und Novelette. Werke, die ebenfalls nicht einfach zu hören sind:

    DG, 1992, DDD


    Das KK in 4 kurzen Sätzen ist zwar interessant, aber es fehlt mir über lange Strecken Emotion und Gefühl - ;) es fehlt mein Anker !
    Ich höre viel lahmes Geklimper neben wenigem, was mich wirklich anspricht (im 3.Satz und auch 4.Satz zum Schluss hin mal eine gute Passage, wo es zur Sache geht) - es packt mich letztendlich nicht - der Hörspass kommt nicht auf !
    Es ist sicher vom Kompositionstechnischen her ein Meisterstück ...
    Im LIVE-Konzert stelle ich mir für das Stück auch nur einen Höflichkeitsapplaus vor, denn mit der Meinung stehe ich nicht alleine. Es bleibt ein Interessant und ganz nett ... reicht mir nicht.
    (Die CD (das KK) habe ich nach vielen Jahren gerade gehört.)


    Da gibt es massig modernere Werke des späten 20./21.Jhd, denen ich weit mehr abgewinnen kann - weil die den Anker haben !



    Ich habe den Thread erst heute entdeckt, sonst hätte ich schon früher geantwortet.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang