Im Schatten Bachs - Hörenswerte Zeitgenossen deutscher Abstammung

  • Liebe Forianer,


    Johann Sebastian Bach wird landläufig als der Komponist benannt, wenn über Barock gesprochen wird. Das ist schon insofern nicht richtig, weil Bach eigentlich lediglich ein Vertreter des Spätbarock war. Aber das eigentliche Thema sollte ja sein: Bachs Zeitgenossen, heute ein wenig in seinen Schatten gedrängt, aber das war nicht immer so, zeitlebens waren es durchaus geschätzte Komponisten, bzw gab man Ihnen vereinzelt sogar den Vorzug vor ihm.



    Natürlich wäre es interessanter, diese Bach-Zeitgenossen einzeln zu besprechen (ich hoffe, das wird einst möglich sein, wenn die Mitgliederzahl gestiegen , bzw der Kreis der Freunde alter Musik hier angewachsen ist !!), aber im Moment halte ich das nicht für ein erfolgversprechendes Unternehmen, und so starte ich halt diesen etwas allgemeiner gehaltenen Thread. Vielleicht lockt er neue Mitglieder an, die bisher zwar schon mitgelesen haben (wir haben viele Mitleser, Tendenz steigend) aber sich zum Mitmachen bisher nicht entschließen konnte, weil ihr Spezialgebiet einfach noch nicht behandelt wurde, bzw unterrepräsentiert ist.
    Wie gesagt, gab es neben Bach noch Händel, Heinichen, Buxtehude,Telemann, Graupner,Pisendel und Molter um nur einige zu nennen, beinahe hätte ich Fasch vergessen.
    Englischen (obwohl man Händel dazuzählen könnte), französischen und italienischen Barock möchte ich lieber demnächst gesondert behandeln.
    Österreichischer Barock, so überhaupt wahrgenommen, könnte man IMO dem deutschen anhängen, vor allem deshalb, weil er, allein für sich betrachtet, lediglich von Spezialisten besprochen werden könnte.


    Die Frage des Threads zielt auf Empfehlungen von Aufnahmen, die Werke von Bachs Zeitgenossen betreffen, im Idealfall mit eine kurzen Beschreibung (wer sich damit schwer tut, es genügt schon die Empfehlung alleine)


    Da als Hintergedanke die Idee steht, es mögen Interessenten zum Kennenlernen angeregt werden, wäre es kein Fehler, wenn die empfohlenen Werke gelegentlich auch "Ohrwurmqaulitäten" aufwiesen.


    Und nun los:


    Grabt in Euren Archiven


    und lasst uns über Eure Schätze wissen



    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    nun ja, da gäbe es einige zu nennen...


    z.B. den lange nicht beachteten, aber seinerzeit äußerst bekannten Johann Adolph Hasse...




    ...Heinrich Ignaz Biber mit dem Requiem oder den Rosenkranz-Sonaten, oder, natürlich, Telemann mit (nicht nur der Tafelmusik) sondern vielerlei anderen Werken.


    Gruß
    Uwe

  • Johann David Heinichen (1683-1729) wurde vor etwa 2 Jahrzehnten der klassikinteressierten Öffentlichkeit als neue Ausgrabung vorgestellt.
    Das war gar nicht so einfach, befanden sich doch die Autographe im Osten Deutschlands. Aber Musikwissenschafter haben solche Grenzen stets so gut es ging negiert......


    Nun wären Heinichens Noten relativ leicht zu für weitere Projekte zu bekommen, jedoch irgendwie dürfte die erste Begeisterung verpufft sein.



    Zu Unrecht wie ich meine, denn zeigen sich doch die Concerti Grossi als hervorragende Exemplare ihres Genres, voll Lebensfreude und ganz und gar nicht trocken .


    Immerhin sind dieser ersten Ausgabe noch einige wenige bei verschiedenen Labels gefolgt.



    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Alfred schrieb:


    Zitat

    Immerhin sind dieser ersten Ausgabe noch einige wenige bei verschiedenen Labels gefolgt.


    Also die komplette Einspielung von Heinichens überlieferten Messen
    mit dem dem Dresdner Kammerchor unter H.-Chr. Rademann würde ich nicht eben als "wenig" bezeichnen. Um soviel zu erreichen, hat man im Falle von Heinichens damaligem Stellvertreter in Dresden, J.D. Zelenka, fast 30 Jahre gebraucht. Musika Antiqua Köln spielet auch sein schönes Passionsoratorium ein, eine Aufnahme, die leider ganz schnell wieder aus dem Katalog verschwand. Viel mehr wird sich allerdings da in nächster Zeit auch nicht tun, denn etliche der noch als Manuskripte überleiferten Werke sind leider unvollständig erhalten und anhand des vorliegenden Materials derzeit wohl auch kaum ergänzbar. Hier nur einige "Glanzlichter" der Heinichen-Diskografie:





    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat von Alfred:
    Natürlich wäre es interessanter, diese Bach-Zeitgenossen einzeln zu besprechen


    Ein Zeitgenosse von Bach war Christoph Graupner (1683 - 1760)


    Von einer "Graupner-Renaissance" sprechen zu wollen, wäre vielleicht etwas hoch gegriffen. Aber in den letzten Jahren ist immerhin ein wachsendes Interesse an dem Bach-Zeitgenossen Christoph Graupner zu erkennen, die Zahl der Einspielungen wächst.


    Der 1683 im sächsischen Kirchberg geborene Cembalist und Komponist Christoph Graupner hat fast sein ganzes Leben in Darmstadt verbracht, am Hof des hessischen Landgrafen Ernst Ludwig.


    Graupner war unmittelbar vor J.S. Bach erfolgreicher Kandidat für den Posten des Thomaskantors in Leipzig im Jahre 1722/23.


    Kurz nach Händel war Graupner Anfang des 18. Jahrhunderts ein paar Jahre lang Cembalist im Hamburger Opernorchester unter Reinhard Keiser. Wenig später berief ihn der Landgraf Ernst Ludwig schon zum Hofkapellmeister in Darmstadt. Diesem scheinbar sehr kundigen Mann ist es eigentlich zu verdanken, dass Johann Sebastian Bach Thomaskantor in Leipzig wurde, denn Graupner hatte vor Bach den Zuschlag für die illustre Stelle, da ließ Ernst Ludwig ihn nicht ziehen.
    Bis zu seinem Tod 1760 blieb Graupner in Darmstadt


    Seine Werke zeichnen sich durch ihre vielfältige und lebendige Instrumentierung aus, unter häufiger
    Verwendung selten vorkommender Instrumente, wie Viola d'amore, Flauto d'amore.


    Warum er noch immer so etwas wie ein Geheimtip in der Szene ist, hat vielleicht einen ganz einfachen Grund: Graupner wollte eigentlich sein Werk nach seinem Tod vernichtet wissen. Aber seine Opern, über hundert Sinfonien, Konzerte und Ouvertüren, außerdem weit über 1000 Kirchenkantaten und Kammermusik, wurden zum Streitobjekt zwischen seinen Erben und dem Landgrafen. Der Rechtsstreit zog sich hin, die Werke kamen unter Verschluss, gerieten in Vergessenheit - und blieben erhalten.


    Heute liegt der Nachlass in der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt.





    Mit ihrer 2. Graupner-Cd legt "Nova stravaganza" in altbewährter Qualität einen weiteren Schritt zur Rehabilitierung eines musikalischen Großmeisters vor! Telemann und Händel in nichts an Einfallsreichtum, Klangpracht und satztechnischer Rafinesse nachstehend, erfreut uns Graupner mit überraschenden, frappierenden und ungewohnten Klangeffekten. Interessant ist hierbei, wie sein Ausdrucksspektrum je nach Bedarf zwischen hochbarocker Klangpacht "a la francaise" und frühklassischer Galanterie abwechselt. Besonders hervorzuheben ist der phänomenale Naturhornsolist des 1. Stückes, der die geradezu aberwitzigen Schwierigkeiten seiner Partie bravurös meistert. Eine helle Freude.


    Die CD ist sehr empfehlenswert und ein exelenter Hörgenuss ist vorgegeben.


    Grüße aus Spenge
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

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  • Hallo


    Etliche male hab ich die nun empfohlene CD in der Hand gehabt, und dann wieder weggelegt, Telemann war nicht das was ich damals suchte..........



    Aber dann hat der Schwung, der Esprit, die Originalität dieser Werke, ebenso, wie die hervorragende Interpretation der Akademie für Alte Musik Berlin alle Bedenken und Einwände beiseite gewischt und ich hab diese CD erstanden, diesen Born barocker Lebenfreude.....



    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • also ich würde (gleich wird man mich lünchen) Georg Philipp Telemann jederzeit Johann Sebastian Bach vorziehen.


    Aber das hängt eher mit meinem eher französisch geprägtem Geschmack zusammen, deshalb möchte ich hier auch auf die deutschen Lullisten hinweisen:


    Johann Caspar Ferdinand Fischer 1665?-1746
    Man findet von ihm hauptsächlich Cembalowerke in französischer Manier.
    Im übrigen war er Hofkomponist des "Türkenlouis" in Rastatt.


    Johann Sigismund Kusser 1660-1727
    Six Ouvertures de Théâtre
    interpretiert von der Musica Aeterna und Les Menus Plaisirs / Zajicek
    erschienen bei K617
    Absolut schöne Orchestersuiten.


    Johann Joseph Fux 1660-1741
    Hofkapellmeister am kaiserlichen Hof in Wien
    Concentus Musico Instrumentalis
    interpretiert von Armonico Tributo Austria / Duftschmid
    erschienen bei CPO


    Benedikt Anton Aufschnaiter 1665-1742
    Serenades
    L'Orfeo Barockorchester / Gaigg
    eine Endeckung!
    erschienen bei CPO


    Georg Muffat 1635-1704
    Nobilis Juventus Suites & Concertos
    Armonico Tributo / Duftschmid


    Es sind hauptsächlich Orchestersuiten auf den Aufnahmen vertreten sowie sie Telemann, Händel und Bach auch komponierten.


    Zu nennen wäre natürlich noch Johann Friedrich Fasch 1688-1758 er war mit Bach befreundet und soll neben Telemann der fähigste Komponist von Ouverturen im französischen Stil gewesen sein.

  • Sagitt meint:


    Im Schatten Bachs sind auch die anderen Bach´s, nicht nur die Söhne, sondern die gesamte Verwandschaft, mit dem Ur-Johann angefangen..unser Leben ist ein Schatten....( eine wunderbare Barockmusik..ach wie flüchtig, auch wie nichtig....), der eher pietistische Johann Michael Bach mit seinen herrlichen protestantischen Doppelchor-Motetten,u.a. Jesu meine Freude, der aufmüpfige Johann Christoph Bach, der vielleicht nebem dem großen Johann Sebastian die musikalisch interessantesten Stücke geschrieben hat..Fürchte die nicht..ich lasse Dich nicht und manche andere.Aber auch der Johann Ludwig aus einer anderen Linie, den Hermann Max ausgegraben hat. Ein Lieblingsstück von mir ist eine Missa brevis von Johann Nikolaus Bach- leider nur einer suboptimalen älteren Rillingaufnahme vorhanden. Diese Sippe war insgesamt ein musikalisches Hochgebirge mit eben dem Everest Johann Sebastian.

  • Hallo Sagitt, Hallo allerseite,


    wenngleich der Gedankenansatz richtig ist, so wird dann IMO doch "falsch" argumentiert, ader besser gesagt, es werden Namen genannt, auf die das "Im Schatten" einfach nicht, oder kaum zutrifft.


    Johann Christian Bach würde ich als wichtigen Vorläufer Mozarts bezeichen, mag er im Lauge der Jahrhunderte verschiedene Berwertungen erfahren haben: Zu Lebzeiten war er berühmt und heute ist er es wieder. Carl Phillipp Emanuel Bach war zu Lebzeiten vielleicht der Bach schlechthin, aber Du hast recht, heute ist er es nicht.
    Auf jeden Fall ist es eine gute Idee, die langsam versickernden Bäche frei zu legen, und sie so vor dem "Austrocknen zu bewahren.


    Mal sehen wer sich beteiligt.



    Gruß aus Wien



    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie schon in einigen vorherigen Beiträgen erwähnt, bin ich von jeglichen Bachsöhnen oder -verwandten nicht so überzeugt.
    Diese Musik erreicht mich einfach (noch) nicht, auch wenn sie sicherlich Großartiges geleistet haben und für die Musikgeschichte sehr wichtig waren.
    Der einzige "Bach", der mir neben JS zusagt, ist ein sogenannter P. D. Q. Bach (1742-1807).



    Er soll der 21. Sohn von JS Bach sein und in Sachen Musik völlig unbegabt gewesen sein. Das hinderte ihn aber nicht am Komponieren und so schuf er einige seltsame Werke wie beispielsweise das "Pervertimento für Dudelsack, Fahrrad, Ballons und Streicher in G-Stur", das "Schleptet in Es-Dur", die "Erotica-Variationen für geächtete Instrumente und Klavier" (wo auch P.D.Q.´s Erfindung, das Kazoo, zum Einsatz kommt) oder die Oper "in einem widernatürlichen Akt", "Hänsel und Gretel und Ted und Alice".
    Ein ähnliches Stück habe ich mal im Radio gehört und war begeistert über den Witz in dieser Musik.
    Wer hat von diesem Ausnahmekomponisten schon mal was gehört?



    Gruß, Peter.

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  • Der Lullist schrieb:


    Zitat

    also ich würde (gleich wird man mich lünchen) Georg Philipp Telemann jederzeit Johann Sebastian Bach vorziehen.


    Lynchjustiz hat es bisher im Forum noch nicht gegeben, aber persönlich kann ich mit der Aussage durchaus Leben. Ich befasse mich erst seit relativ kurzer Zeit mit näher mit Telemann, aber ich glaube sagen zu können, daß er im "weltlichen Bereich" Bach wahrscheinlich überlegen ist, bzw "leichter verdaulich"


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    ich hatte mich gerade nicht auf Söhne bezogen, bei denen wir keinesfalls den Friedemann übersehen sollten, sondern auf die weitläufige Verwandschaft, die teilweise zu seiner -JSB- Zeit lebte, von denen wir aber kaum Stücke kennen und schon gar keine, wenn nicht Menschen wie Hermann Max und andere solche ausgraben würden.


    Wenn man Johann Sebstian immer im Ohr hat, kann man diese gar nicht würdigen,obwohl die älteren Bache wohl eher mit Schütz in Vergleich geraten könnten.


    Wenn man aber diesen Maßstab beiseite lassen kann, nimmt man deren Eigenständigkeit wahr und auch die Qualität dieser Musik.


    Wie ich schon schrieb: die Bachs waren ein Musik-Hochland mit einem Everst darin


    Schöne Grüße


    Sagitt

  • Bei Hyperion gibt es eine ganze Serie von CDs, die den Zeitgenossen Bachs gewidmet ist:





    Auf der Homepage von Hyperion habe ich keine Zusammenfassung der Serie gefunden. Wer kann sagen, welche CDs zu der Serie gehören?


    Ich kenne Kuhnau, Schelle und Knüpfer.

  • Hallo Robert,


    die Serie von Hyperion scheint sich auf geistliche Musik zu beschränken. So sind, wenn mich nicht alles täuscht, bisher vier Titel erschienen. Die drei von Dir bereits genannten inkl.



    sowie




    Grüße,
    Gentilhombre

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Danke, die Zelenka-CD hatte ich nirgends mehr angeboten gesehen. Ich hatte vor kurzem über Ebay die Schelle-CD ergattert. Sie ist aber noch unterwegs. Bin gespannt, wie sie mir gefällt.

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  • Hallo Robert, hallo Gentilhombre,


    bisher sind die vier genannten Aufnahmen in dieser Serie erschienen, als letztes die Zelenka-CD 2003. Da die ersten vier in zeitlich recht engem Abstand produziert wurden, steht zu befürchten, dass es das schon war. ;( Lohnenswert sind die Aufnahmen auf jeden Fall! Bei mir haben sie sogar Eingang in meine Unverzichtbaren gefunden.


    Hier noch der Hinweis auf weitere Threads zum Thema:
    Thomaskantoren vor Bach
    Sebastian Knüpfer (1633-1676)



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Liebe Forianer,


    Johann Sebastian Bach wird landläufig als der Komponist benannt, wenn über Barock gesprochen wird.


    Zitat


    Wie gesagt, gab es neben Bach noch Händel, Heinichen, Buxtehude,Telemann, Graupner,Pisendel und Molter um nur einige zu nennen, beinahe hätte ich Fasch vergessen.



    Lieber Alfred,


    ist zwar schon eine Weile her, diese Deine Aussagen, aber mit Verlaub: welcher Teufel hat Dich denn da geritten????
    SIcher gilt vielen Bach als das "Nonplusultra", aber kein Mensch wird wohl Bach einzig und allein als den Represäntanten des Barock bezeichnen. Händel in einem Atemzug mit Molter oder Fasch zu nennen - ich weiß nicht. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung ist doch Händel noch mehr als präsent. Du tust ja gerade so, als ob er zu den vergessenen "Nebenmeistern" gehört. Aber das ist in weder in meinen Augen richtig, noch in den Augen vieler anderer Musikliebhaber als auch Musikwissenschaftler.
    Vielmehr werden Bach und Händel in einem Atemzug genannt, was IMO eher berechtigt erscheint. Oder??


    LG
    Wulf.

  • Zitat

    Original von petemonova
    Wer hat von diesem Ausnahmekomponisten schon mal was gehört?


    Recht bekannt ist auch das "Menuet militaire" und das Bläserstück "La Pucelle de New Orleans" ;)


    Viele Grüsse von Fugato

  • Zitat

    Original von der Lullist
    also ich würde (gleich wird man mich lünchen) Georg Philipp Telemann jederzeit Johann Sebastian Bach vorziehen.


    Genau das haben Bachs und Telemanns Zeitgenossen auch getan. Bei Besetzung der Thomaskantorenstelle wollte der Leipziger Rat eigenlich Telemann haben, dessen Anstellung schon einstimmig beschlossen war. Telemann entschied sich dann aber, in Hamburg zu bleiben. Der nächste Kandidat war Graupner, Hofkapellmeister in Darmstadt, der aber von seinem Dienstherrn, dem Landgrafen von Hessen, nicht freigegeben wurde. Also kam man auf Bach zurück, dessen Anstellung Graupner nachdrücklich empfahl. Die Anstellung Bachs wurde mit den unsterblichen Worten beschlossen: "Da man die besten nicht bekommen könne, müsse man mittlere nehmen."


    Diese kleine Episode macht deutlich, welches Ansehen Bach als Komponist und Musiker bei den meisten seiner Zeitgenossen gehabt hat.


    Zitat

    Aber das hängt eher mit meinem eher französisch geprägtem Geschmack zusammen


    Telemanns Musikerkollege Johann Mattheson dichtete folgendes über ihn:


    "Ein Lully wird gerühmt, Corelli lässt sich loben;
    nur Telemann allein ist übers Lob erhoben."


    Das drückt zum einen natürlich eine besondere Wertschätzung aus (die Mattheson übrigens auch Bach entgegengebracht hat), zum anderen weist dieses kurze Gedicht aber auf eine besondere Leistung Telemanns hin: Natürlich konnte er im französischen Stil komponieren, auch im italienischen, aber er konnte auch diese beiden Stile zu einem ganz neuen, eigenen verschmelzen.


    Viele Grüsse von Fugato

  • Guten Abend


    erwähne Gottfried Heinrich Stötzel; geb. 1690 in Grüntal/Erzgebirge. 1707 als Student in Leipzig Mitglied des von Telemann gegründeten "Collegium musicum". Ging 1713 nach Venedig und studierte bei J.D. Heinichen. Hatte zuletzt über 30 Jahre das Amt eines Kapellmeisters in Gotha inne, wo er 1749 starb .
    Komponierte hauptsächlich Vokalmusik, wenig Instrumentalmusik.
    Bekannt u.a. seine Brockes-Passion



    Mitzler stellte ihn über J.S. Bach !



    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • Reinhard Keiser, ich sage nur Reinhard Keiser, der seinerzeit keineswegs im Schatten Bachs stand, sondern hochgeschätzt war und - gemeinsam mit Mattheson und Telemann die Hambeurger Oper am Gänsemarkt und damit das Operngeschehen im norddeutschen Raum bestimmt hat.
    Lange Zeit tatsächlich weitgehend vergessen, gibt es in jüngerer zeit ja glücklicherweise wieder Einspielungen von einigen seiner Werke, insbesondere seiner Opern:


    »Croesus« natürlich, »Massaniello furioso« und »Der geliebte Adonis«. Aber auch Kantaten und seine Markus-Passion :angel: sind wieder erhältlich.


    Was mir an Keisers Werken besonders gefällt, ist sein Gespür für dramatische Konstellationen und Entwicklungen, seine umsichtige und manchmal schon modern anmutende Zeichnung der Charaktere, die farbige Instrumentation - und die gelungene, niemals alberne Verbindung von tragisch-dramatischer und komischer Handlung (letzteres trifft naklar nur auf die Opern zu).

  • Guten Abend,


    Christian Schieferdecker, 1679 in Teuchen bei Weißenfeld geboren, erfuhr eine Musikausbildung bei Johann Schelle an der Leipziger Thomasschule. Am Leipziger Opernhaus wurden 1700 mit "Justnus" und "Modea" zwei Werke Schieferdeckers aufgeführt. Ab 1702 in Hamburg als Cembalist am dortigen Opernhaus tätig, lernte er R. Keiser kennen. 1707 wurde Schieferdecker in Lübeck Nachfolger von D. Buxtehude und wurde sein Schwiegersohn "post mortems". Er heiratete, wie es sein Arbeitsvertrag vorsah, die Tochter von Buxtehude. 1732 verstarb er.


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard
    Christian Schieferdecker... Er heiratete, wie es sein Arbeitsvertrag vorsah, die Tochter von Buxtehude.


    Der war also der arme Kerl? :wacky:

  • Wenn man hier schon "enzyklopaedisch" vorgehen will:


    Der Geburtsort von Keiser heisst TEUCHERN und nicht Teuchen. Die Stadt "Weißenfeld" heisst WEISSENFELS, sie war übrigens der Alterssitz von Heinrich
    Schütz, dessen Vater hier dereinst Bürgermeister war. In Weissenfels lebte und starb auch einer der großartigsten Dichter deutscher Frühromantik: Novalis !


    Christian Schief(ferdecker), wahrscheinlich über die mütterliche Linie mit Keiser verwandt, wurde in der Tat der Nachfolger Buxtehudes und stammt ebenfalls aus TEUCHERN !Daß der zum Zeitpunkt von Buxtehudes Tod 22 jährige Bach ernsthaft auf der Kandiatenliste für die Nachfolge des Werkmeisters und Organisten aller Lübecker Hauptkirchen gestanden hat, gehört ins Reich der Legende, ebensowie die von Mattheson geschriebene nette Geschichte seines Besuches, den er gemeinsam mit Händel Buxtehude 1703 abstattete.


    Übrigens machten die Lübecker mit Schieferdecker einen guten Griff
    und ich kenne nicht ein einziges Werk von ihm, das es nicht mühelos mit dem Schaffen seiner berühmteren Zeitgenossen aufnehmen kann. (Auch wenn diskografisch davon nichts spürbar ist.... X(


    Stölzel wiederum wurde in Grünstädtel/Erzgebirge, geboren das heute ein Stadtteil von Schwarzenberg ist. Einen Ort Namens "Grüntal" gibt es zumindest im Erzgebirge nicht !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Blackadder


    Der war also der arme Kerl? :wacky:


    Na ja, ob wirklich armer Kerl ?
    Man kennt ja Buxtehudes Tochter nicht näher :baeh01: :baeh01:


    Bach, Händel und Mattheson sollten ja -einer alten Legendfe nach !- dankend abgelehnt haben :lips:


    Buxtehude hatte übrigens sieben (!) Töchter :beatnik:
    Er heratete auch dem Brauch nach die Tochter seines Amtsvorgängers Franz Tunder. Solche Bräuche sollen heute in der profesionellen Musikbranche nicht mehr üblich sein, oder :baeh01: :baeh01:


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • Guten Tag


    Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Wenn man hier schon "enzyklopaedisch" vorgehen will:


    Techern Grüntal etc.
    Das hat man davon, wenn man blind Booklet- und (zwielichtigen) Internettexten vertraut :no: :no:


    Gott sei Dank ist das hier ein "Klassik-Experten-Forum" :jubel: :jubel:


    Zitat

    , gehört ins Reich der Legende, ebensowie die von Mattheson geschriebene nette Geschichte seines Besuches, den er gemeinsam mit Händel Buxtehude 1703 abstattete.


    Wie vieles aus der Zeit. Aber manche Legenden hören sich hübsch an und haben manchmal einen wahren Kern :yes:




    Zitat

    Übrigens machten die Lübecker mit Schieferdecker einen guten Griff
    und ich kenne nicht ein einziges Werk von ihm, das es nicht mühelos mit dem Schaffen seiner berühmteren Zeitgenossen aufnehmen kann. (Auch wenn diskografisch davon nichts spürbar ist.... X(


    Leider, habe von ihm nur eine Overtüre als CD. Einige Treffer zeigen die entsprechenden Seiten aber doch an, will mal mir was besorgen davon.



    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    noch ein etwas älterer Zeitgenosse Bachs:


    Philipp Wilhelm Erlebach
    Geb. 1657 im ostfriesischen Esens, gestorben 1714 in Rudolstadt, einer kleinen Residenz. Dort war Erlebach erst als gräflicher Kammerdiener, seit 1681 als Capelldirektor und schließlich als Capellmeister tätig. Komponierte geistliche Konzerte, Kantaten, Historiien, Arien, , Messen, Motetten, Fest- und Huldigungsmusiken, , Bühnenwerke und Balette zum gottesdienst, als fürstlicher belustigung bey den mahlzeiten, täntzen, aufzügen und comödien.


    Habe von ihm diese ausgezeichnete



    Aufnahme mit Sonaten und Arien :jubel: :jubel:


    Gruß aus der sonnigen Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Daß der zum Zeitpunkt von Buxtehudes Tod 22 jährige Bach ernsthaft auf der Kandiatenliste für die Nachfolge des Werkmeisters und Organisten aller Lübecker Hauptkirchen gestanden hat, gehört ins Reich der Legende, ebensowie die von Mattheson geschriebene nette Geschichte seines Besuches, den er gemeinsam mit Händel Buxtehude 1703 abstattete.


    Tatsächlich? Daß Händel nicht zu Buxtehude gepilgert ist, wußte ich ja; aber, daß der gute Bach auch nicht dort war, ist mir neu - und bringt beinahe mein Weltbild durcheinander...
    Naja, da hat er jedenfalls etwas verpaßt. Ich werde heimlich weiter daran glauben, weil die Vorstellung doch etwas wirklich schönes hat.


    Viele Grüße,
    Klawirr

  • Zitat

    daß der gute Bach auch nicht dort war, ist mir neu - und bringt beinahe mein Weltbild durcheinander...


    Dein Weltbild kann ganz bleiben, denn Bach WAR natürlich bei Buxtehude, allerdings, was die Komplexität des Lübecker Jobs anging, ganz sicher NICHT, um ihn zu beerben. Die Bedingungen, die zur Ausübung dieser Tätigkeit
    durch die Stadt Lübeck definiert wurden, konnte der damals 22jährige Bach nicht erfüllen, selbst wenn er gewollt hätte. Details zum Thema Buxtehude/Bach guggsdu bitte hier !


    Das Vokalschaffen Dietrich Buxtehudes (1637-1707)

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo allerseits,


    weiter oben habe ich geschrieben:


    Zitat

    Diese kleine Episode macht deutlich, welches Ansehen Bach als Komponist und Musiker bei den meisten seiner Zeitgenossen gehabt hat.


    Wie wäre es mit einem neuen Thread "Bach im Schatten seiner Zeitgenossen"? Er würde diesen Thread sozusagen auf den Kopf stellen, um zu zeigen, dass die Situation zu seinen Lebzeiten ganz anders war als heute. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das ein ergiebiges Thema ist...


    Viele Grüsse von Fugato

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