Über den "Ruhm" von "Klassikgrößen" - einst und jetzt

  • Wieder ist es ein anderer User, der mir das Thema für einen Thread quasi vor die Füsse gelegt hat, im konkreten Fall "Dreamhunter" Er schrieb im Thread über verblassenden Ruhm von Dirigenten:


    Zitat

    Was mich schon an der Fragestellung per se interessiert - sprechen wir vom verblassenden Ruhm in Insiderkreisen und Klassikliebhabern oder beim "normalen", nicht-Insider-Publikum? Ich denke, dass außergewöhnliche Interpreten wie z.B. Jochum oder Krips in Insiderkreisen nichts von ihrem Ruhm verloren haben, allerdings dem breiten Publikum kaum mehr was sagen. Ich denke, dass dem "Otto Normalverbraucher" von den Dirigenten des vorigen Jahrhunderts sicherlich Karajan, wahrscheinliche auch Böhm, Bernstein, Toscanini im Gedächtnis geblieben sind. Regional dann noch Celibidache, Toscanini, Solti. Aber die meisten anderen sind wahrscheinlich jetzt schon vergessen...


    Da müsste man sich nun schon wieder die Frage stellen - was ist ein "Nicht-Insider-Publikum"?
    Ich würde sagen, daß es sich von "Otto Normalverbraucher " erheblich unterscheidet .- denn "Otto Normalverbraucher hört höchstens Crossover, das er für Klassik hält.......


    Wenn wir uns hierüber geeinigt haben, dann geht es weiter im Thema.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • OK - Stellen wir uns mal die Frage inwieweit es heute noch "Berühmtheiten" der Klassischen Musik gibt, die GENERELL von der "Allgemeinheit" als solche anerkannt werden, bzw deren Namen überhaupt noch bekannt sind. Gemeint sind hier INTERPRETEN, keine Komponisten.
    Das gilt für alle Zeitalter, sein Einführung der Schallplatte - bis heute.
    Ich würde provokativ mal sagen - das sind sehr wenige.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da würden mir als erstes die drei Tenöre Pavarotti, Domingo und Carreras einfallen. Die kennen auch Leute die nicht so intensiv klassische Musik hören. Oder eine Maria Callas. Diese sind halt " einzigartig " die kennt auch wie Alfred vorher geschrieben hat der " Otto Normalverbraucher " und man erkennt ihre Stimmen sofort. Bei den heutigen Sängern habe ich manchmal das Gefühl das das alles Fließbandprodukte der Klassikindustrie sind und keinen großen Wiedererkennungswert haben und es nur danach geht wer am besten aussieht.

  • In Abwandlung des bekannten Zitats "Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze" würde ich formulieren: "Dem Künstler flicht die Nachwelt keine Kränze". Stellt man die Frage nach der Bekanntheit von Malern, Bildhauern, Schauspielern, Schriftstellern dem sogenannten Normalbürger werden erstaunlich unbefriedigende Antworten herauskommen, wie dies bei Künstlern aus dem Bereich der Klassik ebenfalls der Fall sein wird. Ja ich wage die Behauptung, selbst bei Politikern und Sportlern werden den für diese Bereiche nicht besonders Interessierten nicht all zu viele Namen einfallen. Am ehesten haben Künstler eine Chance, wenn sie mit dem Beginn einer Epoche verbunden werden, wie z. B bei Sängerinnen und Sängern. Caruso und Schaljapin mit dem Beginn der Tonaufzeichnung oder solche, die eine neue Ära prägten, wie Elisabeth Schwarzkopf und Dietrich Fischer-Dieskau im modernen Liedgesang, Grace Bumbry die erste schwarze Venus. Martha Mödl, Astrid Varnay,Birgit Nilsson Anja Silja, Wolfgang Windgassen, Hans Hotter, Josef Greindl, Hans Sotin sind untrennbar mit dem Begriff Neubayreuth verbunden. Mit den drei Tenören Luciano Pavarotti, Placido Domingo und José Carreras begannen die modernen Massen-Events unserer Zeit. Auch wenn Sänger mit tragischen Ereignissen, wie Josef Schmid, Peter Anders, Fritz Wunderlich verbunden sind, werden sie über ihr großes Können hinaus idealistisch verklärt. Im deutschsprachigen Raum, auf den ich mich jetzt bewußt begrenze, haben Sängerinnen und Sänger, die Lieblinge der Medien und der Produzenten der Tonaufzeichnungen waren, die Chance, lange im Gedächtnis der Allgemeinheit zu bleiben. Hier fallen meiner Frau und mir ganz spontan ein: Anneliese Rothenberger, Erika Köth, Renate Holm, Rudolf Schock, Fritz Wunderlich, Josef Metternich, Dietrich Fischer-Dieskau, Hermann Prey, Günter Wewel und Gottlob Frick.
    Über großes Können und Unverwechselbarkeit der Persönlichkeit und Stimme sorgen also die Verbindung mit weiteren spektakulären Ereignissen am ehesten für das Prädikat: Unvergessen-Unvergänglich.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Manchmal bekomme ich ja den Eindruck vermittelt, ich lebte in einer anderen Zeit und würde Zeitströmungen nicht mehr richtig mitbekommen - oder mitbekommen wollen.
    Im speziellen Falle bin ich mir aber sicher die Hand am Puls der Zeit zu haben. In meinem letzten Job hatte ich viel mit Studenten aller Studenrichtungen zu tun, die neben ihrem Studium auch im Museum jobbten um ihr Taschengeld aufzubessern. Daß kein einziger davon (es waren im Laufe der Jahre einige hundert) sich ernsthaft für klassische Musik interessierte war noch hinzunehmen, daß indes Namen wie Pavarotti und Gruberova - und auch Callas und Caruso* !!!kein Begriff waren, ist eher erschreckend. Daß man unter solchen Umständen vermeidet nach Furtwängler oder Wunderlich zu fragen mag verzeihbar sein......


    mfg aus Wien
    Alfred


    *) Caruso ist schon bekannt - als Name von Pizzerias
    Melba kennt man nicht - weder die Sängerin, noch die Süßspeise

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Und das in Wien ??


    Im Ruhrgebiet hätte ich das so vermutet (obwohl, der Pott ist oft besser als sein Ruf), aber in einer der Hauptstädte klassischer Kultur?

  • Manchmal bekomme ich ja den Eindruck vermittelt, ich lebte in einer anderen Zeit und würde Zeitströmungen nicht mehr richtig mitbekommen - oder mitbekommen wollen.
    Im speziellen Falle bin ich mir aber sicher die Hand am Puls der Zeit zu haben. In meinem letzten Job hatte ich viel mit Studenten aller Studenrichtungen zu tun, die neben ihrem Studium auch im Museum jobbten um ihr Taschengeld aufzubessern. Daß kein einziger davon (es waren im Laufe der Jahre einige hundert) sich ernsthaft für klassische Musik interessierte war noch hinzunehmen, daß indes Namen wie Pavarotti und Gruberova - und auch Callas und Caruso* !!!kein Begriff waren, ist eher erschreckend. Daß man unter solchen Umständen vermeidet nach Furtwängler oder Wunderlich zu fragen mag verzeihbar sein......


    Und das in Wien ??
    Im Ruhrgebiet hätte ich das so vermutet (obwohl, der Pott ist oft besser als sein Ruf), aber in einer der Hauptstädte klassischer Kultur?


    In der Tat kann das Ruhrgebiet kulturell mit anderen Regionen "dieses unseres schönen Landes" mithalten. Aber auch hier ist der Mehrzahl der Studenten an Klassik nicht interessiert. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber: Wenn ich persönlich auch nur fünf Studierende (Kinder von Bekannten) kenne, mit Alfreds Erfahrungen weder mithalten noch konkurrieren kann, dann muss ich sagen, die kennen Pavarotti, Domingo, Carreras (woher wohl? :thumbsup: ), denen sagt der Name Furtwängler (woher wohl? :thumbsup: ) etwas und auch Callas ist ein Begriff. Wunderlich und Gruberova - geschenkt. Der Tenor ist für Uninteressierte schon zu lange tot (die CD-Schwemme nehmen sie wohl kaum wahr) und Gruberova zu speziell.


    Was mich (siehe Avatar) beruhigt: Die Fünf kennen alle Musik von Mozart: Die eine das Rondo alla turca, der andere "Komm lieber Mai" und alle die "Kleine Nachtmusik" - na ja, die ersten Takte. Ist doch was...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Man kann natürlich alles von zwei Seiten betrachten und sisch die Frage stellen, was früher denn ANDERS war ?
    Hätte ich die Neugung zum Sarkasmus und Zynismus, würde ich sagen, daß leider heute eine Personengruppe zu den Schlüsselpositionen der Gesellschaft erhalten hat, der das früher verwehrt war. Diese prägt nun - ob bewusst oder unbewusst - das was man "Gesellschaft" nennt. Die wirkliche "Gesellschaft" indes hat sich zurückgezogen - sie existiert wohl - aber sie hat sich aus den "öffentlichen Leben" zurückgezogen und einer Gesellschaft von Neureichen , Technokraten, Geldadeligen und Salonlinken das Ruder überlassen.
    Typisch dafür sind die Antworten die ich hier erhalte, wenn ich solche Leute ins Forum locken möchte.
    "Das möchte ich nicht, wer weiß mit wem man es da zu tun hat. Ich habe ein Opernabonnement, binn Mitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien - der Rest interessiert mich nicht"
    Oder- auf die Frage an einen Musikfreund ob er über Internet verfüge: "Ja - aber nicht zu hause - da habe ich andere Beschäftigungén, meine Schallplatten, meine Bücher und oftmals Gäste - das Internet hab ich in der Firma - und das ist Aufgabe meiner Sekretärin"
    Man könnte es überspitzt formulieren: Das sind 2 Welten die sich nicht verstehn.


    Klassische Musik als "Massenprodukt" ist vermutlich ohnedies eine Zeiterscheinung des 20 Jahrhunderts - ausgelöst durch die Schallplatte. Es war vermutlich immer nur eine kleine elitäre Minderheit, die sich Konzert- und Opernkarten leisten konnte.
    Das Angebot, diese Bereiche der "breiten Masse" zu öffnen ist nicht wirklich angekommen - und wo es angekommen ist hat diese Gruppe versucht das Niveau auf das ihre herunterzuziehen.
    Stichwort: "Musikstadt Wien" - derzeit ist die von mir zitierte Gruppe in Verbindung mit den "Kulturtouristen" noch stark genug die Wiener Opernhäuser und alle Konzertsäle so gut wie vollständig auszulasten.


    Aber wir sollten uns wieder dem eigentlichen Thema widmen (und ich schliesse mich bei deser "Rüge" nicht aus ;) )ind uns den drzeitigen "Berühmtheiten" widmen. Sicherheitshalber habe ich die bereits unter Apostroph gestellt :baeh01:


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • A.S. Mutter, Netrebko, Lang Lang sind doch popstar-ähnlich bekannt, hätte ich vermutet? Oder jedenfalls Bocelli. Wie auch immer, ich halte es für einen schwachen Indikator, wieviele Klassikgrößen Popstarstatus erlangen, da ich das für eine ernsthafte Beschäftigung mit der Musik eher zwiespältig sehe.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    A.S. Mutter, Netrebko, Lang Lang sind doch popstar-ähnlich bekannt, hätte ich vermutet? Oder jedenfalls Bocelli. Wie auch immer..........


    Eine interessante Feststellung - die mir vor Augen führte, dass man in der Tat die Gegenwart nicht mit der Vergangenheit vergleichen sollte, bzw es seriöserweise nicht kann. Denn obwohl Herbert von Karajan, Leonard Bernstein, Karl Böhm, die Callas, Melba und Caruso ässerst berühmt waren - weit über die Grenzen der "Klassikwelt" hinaus - so wäre mit nie eingefallen, diesen Perönlichkeiten "Popstarstatus" zuzuweisen - indes im Falle der von Johannes genannten Personen funktioniert dies indes schon.
    (und das Statement "ernsthafte Beschäftigung mit der Musik" liefert mir vielleicht schon wieder einen Titel für einen neuen Thread ;):stumm::untertauch: )


    Beste GRüße aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Man ist auch als Kulturpessimist immer wieder erstaunt, wie weit das allgemeine Bildungsniveau auch unter Studenten herabgesunken ist, wie Alfred ja schon andeutete.


    Ein Professor an einer Kunsthochschule -selbst Bildhauer- veranstaltet mit seinen Studenten Ferienkurse bei sich zu Hause. Da oft Aufträge der öffentlichen Hand zu Denkmälern etc. eingehen, diskutiert er anhand von konkreten Beispielen mit den Studenten, wie z.B. eine politische Botschaft konkret in einem Kunstwerk dargestellt werden kann.
    Da er in Unkel wohnt, erschien es ihm naheliegend, mit den Studenten über Willy Brandt zu sprechen, der ja in seinen letzten Lebensjahrenebenfalls in Unkel gewohnt hat und dem hier auch ein kleines Museum gewidmet ist.
    Von ca. 20 Studenten hatte niemand je von Willy Brandt gehört!!!
    Egal was man im Einzelfall von Brandts Politik halten mag, so war dieser doch unzweifelhaft ein weltbekannter Staatsmann---- dennoch diesem "akademischen" Publikum offenbar nicht bekannt.


    Ein Germanistik-Ordinarius erzählte mir, daß eine Studentin, die in seinem Institut arbeiten wollte, noch nie von Joachim Ringelnatz gehört habe.


    Es ist unter diesen Umständen -betrachtet man die Kenntnisse solcher "Akademiker"- nicht verwunderlich, wenn in der "Normalbevölkerung" bei einer Umfrage nach dem Ursprung des Weihnachtsferstes ("was wird an Weihnachten gefeiert?") Antworten kamen wie "der Todestag des Weihnachtsmannes".


    Wie unter diesen Bedingungen der Ruhm von Klassikgrößen insgesamt einzuschätzen ist, mag sich jeder selbst ausmalen.


    Die früher weit verbreiteten, an sich m.E. gruseligen Sendungen wie "Blauer Bock" oder "Anneliese Rothenberger lädt ein" oder "Erkennen Sie die Melodie" hatten zumindest den einen Nutzeffekt, bedeutende klassische Interpreten der breiten Masse vorzustellen, wenn auch natürlich in einem Rahmen, der mit Musikgenuss auf angemessenem Niveau nichts zu tun hatte.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)