Joachim Raff Symphonie Nr. 10 op. 213 "Zur Herbstzeit"

  • 1876 beendete Johannes Brahms seine 1. Symphonie, an der er viele Jahre gearbeitet hatte, 1877 folgte sogleich die zweite. Wie schon an anderer Stelle kolportiert, begann der Stern von Raff und seinen Symphonien zu sinken, als die von Brahms den Konzertsaal eroberten. Diese Entwicklung ist Raff natürlich nicht verborgen geblieben und er hat darauf reagiert, mit seiner letzten Symphonie, der 1879 komponierten 10. op 213 "Zur Herbstzeit".
    Passend zur herbstlichen Stimmung ist diese Symphonie eine "brahmsische" geworden, d.h. Raff hat sich die klanglichen Errungenschaften von Brahms 2. relativ schnell angeeignet und ein Werk geschrieben, dass zumindest in den ersten drei Sätzen immer mal wieder ein wenig nach Brahms klingt.



    Der Kopfsatz "Allegro moderato" mit dem Untertitel "Eindrücke und Empfindungen" ist durchsetzt von einer herbstlichen leicht resignativen Stimmung. Im folgenden "Gespenster-Reigen" wird noch einmal eine romantische Welt heraufbeschworen, der eine melancholische Heiterkeit anhaftet. Als "Elegie" folgt ein sehr eindrucksvolles Adagio, dessen Hauptthema traurig-sehnsuchtsvoll daherkommt und wunderschön entwickelt wird. Das ist ganz große Musik. Diese drei Sätze zeigen Raff noch einmal auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Ein ganz klein wenig fällt das Finale ab; es ist bei weitem nicht schlecht komponiert, aber das Jagdhornmotiv ist doch etwas belanglos. Die eingestreuten verträumten Szenen sind aber wieder sehr schön. Und das Ganze wird zu einer triumphierenden Coda geführt, bei der die Pauken auftrumpfen dürfen und der Sturm aus Beethovens Pastorale kurz hereinweht.

  • Wie schon gewohnt bei Joachim Raff, sind auch in der Sinfonie Nr 10 „Zur Herbstzeit“ die einzelnen Sätze mit Namen versehen, die das zu Hörende unterstreichen sollen, ohne dass es sich wirklich um Programmmusik handelt. Die Sinfonie wurde 1879 komponiert und im November 1880 in Wiesbaden uraufgeführt, allerdings schon 1881 überarbeitet. Der 3. Satz wurde ausgetauscht und der 4. umgeschrieben. Ziemlich genau ein Jahr nach der ersten Uraufführung folgte die jene der umgearbeiteten Version am gleichen Ort und mit gleichem Orchester und Dirigenten.
    Ich möchte hier ein wenig die Unterschiede zwischen lutgras Hörerlebnis und meinem subjektiven aufzeigen, was ja diesen Thread erst interessant macht.
    Natürlich höre ich auch die herbstlichen Farben dieser Sinfonie, indes ist das Werk meiner Meinung nach besser (und weniger kompakt) orchestriert, als die Sinfonien von Brahms. Eigenartigerweise empfinde ich den ersten Satz nicht als resignativ, sondern ehr als herbstlich warm und ausgeglichen, die Sonne scheint zwar, sie wärmt, aber sie brennt nicht herab.
    Der zweite Satz „Gespensterreigen“ beginnt mit Pauken, die mit Violinen kontrastieren. Ein typischer Raff-Satz, Es mögen hier zwar Mendelssohn und Berlioz Pate gestanden haben, das Kind indes ist von Raff. Ein Flirren, ein Flackern, ein übermütiges Tänzeln das aber plötzlich ins nichts verpufft.
    „Elegie“ ist die treffende Bezeichnung des dritten Satzes –und traurig- sehnsuchtsvoll ist er in der Tat.
    Mit Hörnerschal und einigermaßen fröhlich verheißungsvoll beginnt der Finalsatz „Die Jagd der Menschen (Auszug, Rast, Jagd, Halali, Rückkkehr)“ Sehr gut beschreibt Raff meiner Meinung nach, die Temposteigerungen, nachdem die Jagt begonnen hat – und auch das Bedrohliche aus der Sicht der Tiere – Beinahe ein musikalisches Inferno meine ich hier zu hören – da überlebt kein Wild, das dem Tempo der Meute nicht gewachsen ist. Als die Jagd zuendet ist wird das durch triumphierende Fanfaren verkündet…..


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred



    *PS manche Divergenzen in der Beurteilungen können natürlich zum Teil daruf zurückzuführen sein, daß lutgra und ich verschiede Aufnahmen gehört haben.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was mir am Kopfsatz dieser Sinfonie so unglaublich gut gefällt, ist die untergründig wehmütige Stimmung der Musik. Es ist dies nicht nur eine ziemlich gelungene Vertonung des Themas "Herbst". Sondern es sind Qualitäten, die ich mit Größen wie Mozart und Schubert verbinde: Musik, die vordergründig nicht traurig ist, deren Textur aber durchzogen ist von Wehmut und einem Hauch Vergänglichkeit. So erinnert mich der Kopfsatz tatsächlich leise an Schubert, was bei Raff ansonsten eher nicht vorkommt. Verhaltene Lyrik und unterschwellige Trauer - tolle Musik!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • In der Tat: Ich besitze derzeit nur die abgebildet Aufnahme der Sinfonie Nr 10. Die alte Marco Polo Aufnahme war vergriffen, und ich hatte diese gewählt - in der Meinung sie sei aus der "TUDOR RAFF Serie" -ist sie aber nicht - nur die Aufmachung täuscht. Es handelt sich hier um eine Einzel CD mit Aufnahmen auis der Analog-Ära mit dem Radio-Sinfonie Orchester Basel unter Francis Travis - was indes der Tonqualität keinen Abbruch tut. Auch die Interpretation halte ich für gelungen. Mein Manko ist indes lediglich, daß ich keine Vergleichsaufnahme zur Verfügung habe, was sich in Bälde ändern wird.

    So kann ich momentan lediglich meine aktuellen Höreindrücke im Vergleich mit jenen von 2014 vergleichen.Ich fand den ersten Satz diesmal als sehr unterschiedlich von den Eindrücken her, was sich eigentlich ja auch im Satztitel widerspiegelt. Die Aufnahme ist sehr dynamisch und plastisch und unterliegt Stimmungsschwankungen, zwischen eher düster verhalten und "auftrumpfend" Sehr eindrucksvoll interpretiert ach der gespenstische 2. Satz, man könnte sagen in mendelssohnscher Manier, aber das trifft es nicht wirklich, denn solche Sätze finden sich bei Raff immer wieder, sind also gewissermaßen eines seiner Markenzeichen. Mein Eindruck von heute ist so gut wie identisch, wie jener vor fast 10 Jahren. Das gilt auch für den dritten Satz, dessen resignativen Grundton - in teilweise trügerischen Wohlklang eingebettet - ich diesmal - vermutlich auf Grund meines Alters (?) ich eindringlicher empfunden habe. Ebenfalls eindringlicher als einstempfand ich den Finalsatz in seiner Aussage. Nich nur "vernügliche Jagmusik mit Halalil-Klängen, sondern ein wirkliches dahinjagen - "Lützows wilde verwegene Jagd" (Das Gedicht von Thodor Köner, nicht die Vertonung von Carl Maria von Weber" Das Bedrohliche, gehetzte ist nur schwach kaschiert, auch hier gibt es ein "gespenstisches Moment" - speziell ab der Mitte des Satzes steigert sich das Szenarium zu einem Inferno, über das auch das triumpierende Finale nicht hinwegtäuschen kann - und es vermutlich auch nicht soll.

    Ein höchst hörenswertes Werk, an dem kein wirklicher Liebhaber der Romantik vorbeigehen kann.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Entgegen meiner ursprünglichen Annahme und Erklärung hier im Forum besitze ich DOCH die 10 Sinfonie Raffs "Zur Herbstzeit". Sie lag noch - unbeachtet - vor mir am Schreibtisch (da mit der kurz zuvor beschriebenen Sinfone Nr 8 gekoppelt) - während ich sie in meinen Regalen suchte...

    Somit steht einem Vergleich nichts mehr im Wege. Allerdings muß ich sie dazu erst anhören, und das habe ich bis vor einigen Minuten gemacht. Ich habe schon bei meinen Vergleichen einiger Aufnahemen mit jenen von Marco Polo/Naxos angedeutet, daß ich die Bamberger Aufnahmen nicht für optimal (aber durchaus passabel) halte. Gutes Mittelmaß - von mir aus - ansonst weder musikalisch von den Klangfarben her, noch interpretationsmäßig eine Aufnahme, die mich mitreisst. Das kann man natürlich nur im Vergleich mit anderen Aufnahmen feststellen - ansonst könnte man vielleicht wirklich meinen, Raff sei nicht besonders interessant.

    Daher vorerst in Aller Kürze: Dort wo es um die besonders einschmeichlnden aber auch um prägnanten "Klangfarben" geht - da haben die Aufnahmen aus Kosice die Nase vorn. Deshalb habeich auch - wo ich sie hatte - diese Aufnahmen für meine Hörsitzungen herangezogen. Dank der Wiederauflage einiger Sinfonien auf dem Label NAXOS werde ich nun in der Lage sein meine Sammlung zu ergänzen - oder vielleicht sogar zu komplettieren (Muß mal nachschaun was ich hab- was noch fehlt - was es jetzt gibt -und was noch kommt)

    Aber hier ist der Vergleich mit der - ebenfalls von Tudor - veröffentlichten Analogaufnahme mit dem Radiosinfonieorchester Basel - am Programm

    Der Erste Satz kommt unter Stadlmair "herbstlich milder" heraus, was die Aufnahme "typischer " Macht. Das ist der geringügig milderen und "belangloseren" Interpretation zu verdanken, was sich in diesem Satz positiv auswirkt, Francis Travis ist hier vielleicht eine spur zu dynamisch. Ganz besonders im 2. Satz ist der Unterschied sehr gut zu bemerken. Während der Gespenster-Reigen bei Travis geradezu beängstigend wirkt, erscheint er bei Stadlmair (natürlich nur im Vergleich) eher harmloser.

    Über den dritten Satz kann ich nichts sagen, Aber interessant ist wiederum der vierte. Stadlmairs Aufnahme beginnt weniger aggressiv als Travis, es beginnt geradezu mit einer klischeehaften Jagddarstellung. Es fehlt das gehetzte Moment. (Natürlich ist es da - aber schaumgebremst). Allerdings bringt er dann bei der Darstellung von Schüssen - die so realistisch sind, daß man sich unwillkürlich ducken will - jene Spannung in die Aufnahme, die dem Rest der Aufnahme fehlt. Was nicht besagen soll, daß diese Spannung vom Komponisten gewollt ist. Es ist schade daß die Aufzeichnungen zu denSinfonien, die Raff angeblich gemacht - aber nie veröffentlicht hat - verloren gegangen sind. Oder Raff hat sie selbst absichtlich vernichtet.(?) Der Hörer sollte sich selber ein Bild machen.......


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !