Joseph Joachim Raff: Symphonie Nr. 7 op. 201 -"in den Alpen"

  • Mit der 7. Symphonie legte Raff 1875 wieder eine etwas umfangreichere Symphonie vor, 50 min dauert das Stück bei Werner Andreas Albert. Und es ist wieder eine der bemerkenswerteren Werke geworden, ähnlich wie bei Beethoven scheinen bei Raff die ungeraden Symphonien die innovativeren zu sein. Und wieder gibt es ein Programm. "In den Alpen". Die einzelnen Sätze lauten 1. Wanderung im Hochgebirge. Andante 2. In der Herberge. Andante quasi allegro. 3. Am See. Larghetto. 4. Beim Schwingfest - Abschied. Allegro.


    Irgendwie muß Raff da etwas missverstanden haben. ER IST KEIN PROGRAMM MUSIKER. Seine Musik braucht diesen Titelkram überhaupt nicht. Der führt eher zu Missverständnissen. Nichts klingt hier für mich spezifisch alpin, die Symphonie könnte auch "Am Meeresstrand" oder "Am schönen deutschen Rhein" heissen. Er hätte es einfach lassen sollen.



    Nun aber zur Musik. Der erste Satz ist gleich ein sehr wertvoller und bringt nach einer recht langen majestätischen Einleitung (Raffs Alpenpanorama !) eine seiner schönsten melodischen Einfälle. Und dieser recht lange Satz gefällt mir mit jedem Hören besser. In der Herberge geht es weder erschöpft noch lustig zu, sondern es herrscht eine eher schwerblütige Tanzstimmung, die dann sogar in eine Walzerszene übergeht (was hat die in den Alpen zu suchen?). Das Larghetto stammt wie der 1. Satz aus der obersten Schublade des Joachim Raff und ist raffiniert instrumentiert. Und diesmal gelingt auch der Finalsatz, ein fröhlicher und schwungvoller Ausklang mit eingängiger Melodik teils aus dem ersten Satz wieder aufgenommen. Ein Abschnitt in der Mitte rechtfertigt in diesem Fall tatsächlich den Titel "Beim Schwingfest".


    Ich habe zwei Aufnahmen gehört und kann mich nicht ganz entscheiden, die von Albert macht mehr aus dem 1. und 3. Satz, d.h. nimmt sie etwas langsamer, das Finale hat bei Stadlmair etwas mehr Schwung. Aber beides sind sehr gute Darbietungen, was für ein Luxus.


    Diese Symphonie würde ich mit der 3. und 5. zu der Gruppe der überzeugendsten Raff Symphonien zählen, später wird noch die 9. dazukommen. Aber die "Vier Jahreszeiten" muss ich mir erst einmal vornehmen.


  • Ich gestehe, daß mir schoon lange kein Thema soviel persönliche Freude gemacht hat, wie jenes um den Komponisten Joachim Raff. Das hat viele Gründe. Einer davon ist, daß ich dadurch Gelegenheit (oder die Verpflichtung ?) habe, viel von diesem Komponisten zu hören.Mein besonderer Dank geht hierbei an Lutgra, der das Thema immer wieder am Laufen hält - schneller als ich ihm folgen kann. Ich war einigermaßen überrascht, daß er den Thread mit der 7. so schnell eröffnete - und war daher völlig unvorbereitet. Ich kramte meine alte Marco-Polo Einspielung mit dem Slovak State Philharmonic Orchestra unter Urs Schneider hervor und beschloss, die offensichtlich nicht in meiner Sammlung befindliche Tudor-Aufnahme mit den Bamberger Symphonikern unter Stadlmair zu bestellen. Im letzten Moment entdeckte ich sie noch originalversiegelt im Regal der noch ungehörten und daher nicht einsortierten Käufe........
    Wie Lutgra bereits schrieb ist der erste Satz majestätisch - und ich persönlich kann mir hier durchaus eine Alpenstimmung vorstellen. Aber Lutgra hat recht: Titel sind bei dieser Sinfonie nicht erforderlich - Es muß nicht sein. Vermutlich ist hier noch der Einfluß von Liszt zu spüren, der ja keine Sinfonien, sondern Sinfonische Dichtungen geschrieben hat, die teilweise ja von Raff instrumentiert wurden. Im zweiten Satz - und zwar am Beginn - erinnert mich das Thema an eines aus einem Ballett von Tschaikowski (kann das sein ?) Es wäre interessant, wenn dies jemand bestätigen oder verneinen könnte. Alles in allem eine wunderbare Sinfonie, wo wirklich eine romantische und Stimmung erreicht wird - und der für Raff typische volkstümliche Ton durchschimmert - den ich persönlich so liebe, mit allem was so dazugehört und den ausser Raff vielleicht noch Weber in einigen seiner Opern beherrscht.
    Ich hatte ursprünglich vor nur eine der beiden CDs abzuhören - und allenfalls ein paar Stichproben in der zweiten zu machen.
    Tatsächlich hörte ich voller Begeisterung beide Aufnahmen hintereinander. Sie schwanken sehr in der Spieldauer. Die Aufnahme unter Stadlmair ist ausgezeichnet, jene unter Schneider fast noch eine winzige spur beeindruckender, durch die langsameren Tempi. Aber das hiesse Erbsen zählen. Davon abgesehen ist die Marco Polo Aufnahme derzeit nur gebraucht (ca 22 Euro) erhältlich - oder neu zu Wucherpreisen zwischen 99 und 150 Euro. Möge eine bald erscheinende Wiederauflage auf Naxos die Spekulanten auf ihren Exemplaren sitzen lassen.......
    Ungeachtet ob man Raff nun in die Erste Reiche stellt oder nicht - Die 7. Sinfonie "in den Alpen" hat Raff eine klangschöne romantische Sinfonie geschaffen, die man IMO gehört haben sollte....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das 'Problem' der Programme gibt es bei Raff ja sehr häufig. Größtenteils schreibt er absolute Musik, die allenfalls ein wenig außermusikalische Anregung gefunden haben. Aber, wie lutgra oben schon geschrieben hat, braucht Raffs Musik diese Titel nicht. Sämtliche Titel-Sinfonien würden auch ohne funktionieren, oftmals sind die Titel ja auch sehr wage. Die Musik ist an sich nicht anders als in den titellosen Sinfonien Nr. 2 & 4. Selbst die 5. Sinfonie, in der immerhin hörbar der Inhalt einer Ballade umgesetzt wird, würde ziemlich gut als absolute Musik funktionieren.

    Hier in der großartigen 7. Sinfonie kann man sich das Alpenpanorama dazu denken, oder man kann es lassen. Das Werk bleibt so oder so eine großartige romantische Sinfonie.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ich nehme eher an, daß Raff erkannt hat, daß Werke mit "Namen" oder "Titeln" besser im Gedächnis der Klassikwelt haften bleiben. Wir sehen das ja sogar bei den "ganz großen" Komponisten vergangener Zeitalter - bis heute....

    Mozarts Klavierkonzert "Elvira Madigan" hat ja mit dem Titel überhapt nichts zu tun, abgesehen davon, daß die Musik in einem Film dieses Titels verwendet wurde - Aber der Titel ist einprägsam und hat das Werk bekannt gemacht.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vorerst - quasi als "PR" ein in einem der Booklets abgedruckten Statement Tschaikowskys anlässlich der Bayreuther Festspiele 1876:

    "Die musikalischen Autoritäten ersten Ranges: glänzten durch Abwesenheit:

    Verdi, Gounoud, Ambroise Thomas, Brahms, Anton Rubinstein, Raff, Joachim, Hans von Bülow waren nicht nach Bayreuth gekommen....."

    Wikipedia schreibt:

    Raff war vielseitig und produktiv und fiel seinen Zeitgenossen durch seinen scharfen Intellekt auf. Er galt zu Lebzeiten als einer der gefragtesten Komponisten des deutschen Kulturraums und wurde von zeitgenössischen Kommentatoren in eine Reihe mit Wagner und Brahms gestellt.


    Kommen wir zurück aufs Werk. Auch wenn Raff behaupte, sich - vor allem im ersten Satz an Schweizerische Volksmelodien aus seiner Kindkeit zurückzuerinnern - so gebe ich Lutgar (Beitrag Nr 1 insofern recht, als daß sich der Bezug und er Musik nicht offenbart und die erklärenden Sinfonieerklärungen und Satznamen nich wirklich notwendig seien. Allerdings sehe ich doch Raffs Absicht durch den "Textlichen Oberbau" Interesse bein potentiellen Hörer zu wecken, und den Werken Charakter zu verleihen. Vielleicht wären "interessantere "Bezeichnungen von mehr Erfolg gekrönt gewesen. Aber man darf auch nicht ausser Acht lassen, daß zu Raffs Intrumentierkunst und festlich wuchtigen Orchesterpassagen eine weitere Eigenschaft seine Sinfonien auszeichnet; Das waren die "volkstümlichen" Motive, die quasi sein gesamtes Werk durchziehen, und ie zu Lebzeiten durchaus dem Zeitgeschmack entsprachen, heute aber völlig aus der Mode sind. (Dennoch empfinde ich sie teilweise als überirdisch schön und höre sie gerne)


    Über die Gründe, warum Raff nach seinem Tod schnell in Vergessenheit gelangen konnte, werde ich in einem der folgenden Beiträge zu erklären versuchen. Die diversen Angaben sind hier durchaus widersprüchlich....


    Dennoch- EINES ist Raff zweifellos gelungen: Einen eigenen Personalstil zu entwickeln, der - beispielsweise - sein Vorliebe für "volkstümliche Szenen" einerseits und eingängige, "erhabene Themen" andrerseits zeigt.


    Mir waren die neuen Threads, bzw das Wiederaufleben der alten, ein willkommener Anlass wieder mal Raff zuhören.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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    Hat den Titel des Themas von „Joseph Joachim Raff: Symphonie Nr. 7 op. 201“ zu „Joseph Joachim Raff: Symphonie Nr. 7 op. 201 -"in den Alpen"“ geändert.