Meine persönliche Referenzaufnahme - Vol. 3 - Haydns Londoner Sinfonien

  • Dies ist nun bereits der dritte Thread einer geplanten Serie - wo jeder, der sich berufen fühlt SEINE persönliche Referenz zu einer Werkgruppe eines der führenden Komponisten nominieren kann. Die Beteiligung der ersten beiden Folgen ist einigermaßen zufriedenstellend, sodaß eine Fortsetzung durchaus sinnvoll erscheint
    Wir sind nun bei Haydns Sinfonien angelangt. Auf Grund der Fülle an Werken habe ich eine Eingrenzung auf die Londoner Sinfonien vorgenommen
    Eine (möglichst ausführliche) Begründung, WARUM man gerade diesen oder jene Gesantaufnahme gewählt hat ist im Falle dieses Threads leider obligat - sie hat sich in den beiden ersten Thrads duirchaus bewährt.
    Ich bin der Meinung, daß hier - da es sich ja um eine SUBJEKTIVE Auswahl handelt, keine besonderen Kenntnisse vonnöten sind. Derzeit ist eine Diskussion über einzelne Ergebnisse nicht angedacht - mach aber sein - daß in einigen Wochen - nachdem hier die meisten Statments abgeschlossen sind - eine solche hier - oder (wahrscheinlicher) in einem separaten
    Thread nachgereicht wird.
    Auf vielseitigen Wunsch wurde die Anzahl möglicher Nominierungen auf DREI Referenzen Pro Person ausgeweitet, wo allerdings jede einen eigenen Beitrag bekommen sollte und die Wahl - wie schon weiter oben geschrieben - begründet werden sollte. Es ist natürlch keine Verpflichung das Limit, von 3 Nominierungen auszunützen...


    Viel Spaß bei der Qual der Wahl


    mfg aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Seltsam - warum geht es hier nicht wieiter ? Ist doch ein intertessantes Thema !


    Ich hatte es zuerst auf CD mit Karajan (DG) in der GA der Londoner Sinfonien versucht. War ganz ordentlich und als Einstieg voll OK. Mir wurden ja hier bei Tamino 2004/5 die Levieten gelesen, als ich mit Solti-Einzelaufnahmen ankam ( ;) hat sich erledigt).


    Viel später wurde ich auf die ganz exqusit klingende, zügige und recht sportive Aufnahme mit Harnoncourt/CGBO (WARNER) aufmerksam, die Karajan an Ausdrucksgehalt und Brio abgelöst hat. Obwohl ich die letzten Sinfonien mit Karajan, der das Vorbild Beethoven betonte, gar nicht so schlecht fand. Eigendlich sollte Harnoncourt mein Favorit sein ... aber ...


    Es kamen 2008 noch die Jochum Aufnahmen auf LP (DG) dazu. Aber die haben mich schon klanglich nicht vom Hocker gerissen; obwohl das von der Int eine gute runde Sache ist. Auf CD wollte ich mir die aber nicht gönnen, denn die Ecken und Kanten spielt für meinen Geschmack Harnoncourt besser aus.


    Der Tag war gekommen mich für die Pariser Sinfonien zu interessieren.
    Es wurde die abgebildete SONY-Hammer-BOX mit den Pariser und Londoner Sinfonien mit Bernstein/New Yorker PH (SONY) gekauft:
    Einmal mehr war ich von der frischen Spielfreude bei den Pariser Sinfonien sehr angetan. :thumbsup: Dieser emotionale fabelhaft spielfreudige Eindruck setzte sich aber auch bei den Londoner Sinfonien fort.
    Da anzahlmässig die Wertschätzung der Bernstein-Aufnahmen einzelner Londoner noch höher liegt, als bei Harnoncourt (WARNER), ist das meine persönliche Referenzaufnahme für die Londoner Sinfonien (Nr.93 - 104) - für die Pariser Sinfonien (Nr.82 - 87) sowieso:



    SONY, 1958-1975, ADD


    Ganz herausragend, ja einmalig, auch die dazwischenliegende Sinfonie Nr.88 - und von den Londonern die Nr.97, 99, 101. Aber was solls - alle mit Bernstein sind überdurchschnittliche Klasse und bieten Hörspass pur !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • ich besitze nicht die abgebildet Box, sondern deren Vorgängerin, welche ausschliesslich die Londoner Sinfonien Haydns enthält - ohne Nr 88 und 91 - ansonsten aber identisch ist. Für mich ist sie quasi der idealfall einer Aufführung von Haydns späten Sinfonien. Das mag aber natürlich auch damit zusammenhängen, daß Eugen Jochum (der hier sämtliche in dieser Box enthaltenen Sinfonien dirigiert) und Karl Böhm mein Haydnbild geprägt haben. Die späten Haydn-Sinfonien ziehe ich immer in "moderner" Besetzung - großorchestral - vor, wogegen meiner Meinung nach die frühen und mittleren durch HIP Interpretationen mit kleiner Besetzung gewinnen.
    Die Aufnahmen entstanden - eine symbolische Anspielung - ebenso wie die Kompositionen an sich in London, und zwar in den frühen siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Aufnahmetechnik ist gut, aber nicht hervorragend, die Interpretation entspricht in etwa dem Geschmack der Zeit, ist aber trotz des großen Orchesters relativ spritzig....
    Jochums Haydn sollte man - zumindestens Einzelveröffentlichungen davon - in der Sammlung haben, denn er galt zu Lebzeiten als ausgesprochener Haydn-Spezialist.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    PS: 2 weitere Favoriten werden folgen....

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  • Eine besonders hörenswerte Aufnahme scheint mir diese Box zu sein, die Marc Minkowski vorgelegt hat. Er ist ein ausgewiesener Barock-Spezialist, hat dann sein Repertoire auf viele andere Bereiche ausgedehnt. Er legt hier einen sehr straffen, schwungvollen, jedoch auch sensiblen und klangschönen Ansatz vor, auch klangtechnisch bleiben da keine Wünsche offen. Haydns Symphonien leuchten frisch, beherzt, fast wild auf.


  • Ich denke nach wie vor, dass fast alle hier genannten Aufnahmen Bearbeitungen Haydnscher Sinfonien für romantisches Sinfonieorchester sind und nicht im Entferntesten wiedergeben, was Haydn wollte. Es gibt genügend Alternativen, wie z.B. vom Freiburger Barockorchester oder von La petite Bande.


    Meine Einstellung zu den Haydnschen Sinfonien ab 88 ist sowieso nicht positiv. Ich kenne den ganzen Haydn sehr gut, der Höhepunkt ist für mich die Serie "Sturm und Drang", also die 40er. Ab 88 geht es für mich in der zunehmenden Anpassung an den Publikumsgeschmack für Haydn reichlich bergab.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

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  • Ich kann mich leider der Meinung des sehr verehrten Dottore nicht anschließen, sondern werfe ebenso wie Wolfgang (teleton) diese Box

    ins Rennen, die ja nicht nur die Pariser und die Londoner Sinfonien beinhalten, sondern darüber hinaus auch noch die späten Messen. Ich bin nicht der Meinung, dass ein größeres Sinfonieorchester nicht das wiedergeben kann, was Haydn wollte, wie ich auch der Meinung bin, dass heute kein Mensch wissen kann, was Haydn wollte. Ich schließe mich im Übrigen Wolfgangs Argumentation an und denke, dass Bernstein sehr wohl unter Beweis gestellt hat, dass er Haydn adäquat wiedergeben konnte, und dass Haydns Musik es sehr wohkl hergab, von einem größeren Orchester wiedergegeben zu werden.
    Nicht, wie viele spielen, ist m. E. wchtig, sondern wie gut sie spielen, und die New Yorker sind nun mal exzellent, ob bei Haydn, Beethoven oder Mahler.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auch im Falle der so völlig verschiedenen HAYDN-Sinfonien könnte ich mich niemals für die Interpretation durch einen Dirigenten oder ein Orchester entscheiden, auch nicht für die späten Londoner Sinfonien. Auch den besten HAYDN-Dirgenten - einer von Ihnen m. E. ganz gewiß JOSEF KRIPS - liegt nicht jedes Werk immer gleich gut und gelingt nicht immer alles optimal, zumal wenn es mit verschiedenen Orchestern gespielt wird. Deshalb gibt es für mich unter den vielen Einspielungen unter diesen Sinfonien auch einige Präferenzaufnahmen mit unterschiedlicher Besetzung.


    Höre ich die ganz frühen HAYDN-Sinfonien, wie die Nr4, 5 und 6 am liebsten mit dem Dirigenten MAX GOBERMANN und dem ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER, die Sinfonien Nr. 19, 31 und 45 am liebsten mit dem ganz vorzüglichen HAYDN-Dirigenten LESLIE JONES und den LONDONER SYMPHONIKERN (einem Dirigenten, der in Deutschland unverständlicherweise nie die verdiente Aufmerksamkeit fand), die Sinfonien Nr. 22, 39 und 47 bevorzugt mit RAYMOND LEPPARD und dem ENGLISH CHAMBER ORCHESTRA, die Sinfonie Nr. 44 mit VILMOS TATRAI und dem UNGARISCHEN KAMMERORCHESTER, die Sinfonie Nr. 49 mit DAVID ZINMAN und dem NIEDERLÄNDISCHEN KAMMERORCHESTER, und hat für mich für die Pariser Sinfonie Nr 82 die Aufnahme mit ANTAL DORATI und der PHILHARMONIA HUNGARICA Referenzcharakter, und für die Sinfonie Nr. 88 mit EUGEN JOCHUM und den BERLINER PHILHARMONIKERN, die Nr. 92 mit JOSEF KRIPS und den LONDONER SYMPHONIKERN, so ist von den Londoner Sinfonien für mich z. B. die Nr. 94 mit JOSEF KRIPS und den WIENER PHILHARMONIKERN das Maß aller Dinge, und dies im Verein mit der ähnlich hochinteressanten Einspielung durch LEOPOLD LUDWIG und dem PHILHARMONISCHEN STAATSORCHESTER HAMBURG mit einem deutlich langsameren Zeitmaß vor allem im 1. Satz, bei der Sinfonie Nr. 98 ist es wieder EUGEN JOCHUM mit einer alles andere als biederen Interpretation mit den BERLINER PHILHARMONIKERN, bei der Sinfonie Nr. 99 ist es wiederum JOSEF KRIPS mit den WIENER PHILHARMONIKERN, oder z. B. bei der Sinfonie Nr. 101 ist es ANTAL DORATI - ein m. E. zeitlebens permanent unterschätzter Dirigent - mit seiner straffen Rhythmik und seinem prallen, satten Klang, diesmal mit dem LONDON SYMPHONY ORCHESTRA, der mir von den zahlreichen vorliegenden Aufnahmen am besten gefällt.



    wok

  • zu meinem Beitrag Nr. 7 von soeben noch eine Hörprobe von der fantastischen Einspielung der HAYDN-Sinfonie Nr. 99 durch JOSEF KRIPS und den WIENER PHILHARMONIKERN:


    com/watch?v=JD1oQyVvUmo


    wok

  • In dieser Box sind auch die 12 Londoner Sinfonien enthalten. Insgesamt sind es 43 Sinfonien Joseph Haydns, die der verstorbene Frans Brüggen mit den beiden Orchestern Orchestra of the Age of Enlightenment* sowie Orchestra of the Eighteenth Century zwischen 1984 und 1997 eingespielt hatte. Es wird ende Monat eine Neuauflage dieser sehr empfehlenswerten Box erscheinen. Wer eine Aufnahme der historisch orientierten Aufnahmepraxis mit authentischen Instrumenten sucht macht hier keinen Fehlkauf.


    *in den 19 "Sturm und Drang" Sinfonien
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich habe ebenfalls erst sehr spät eine komplette Aufnahme der "Londoner" besessen und alle Werke vorher "einzeln" kennengelernt. Inzwischen besitze ich außer der Fischer- Box (bei der ich nicht genau weiß, ob ich überhaupt eine der Londoner daraus je angehört habe) Scherchen, Harnoncourt, Brüggen und Herbig komplett, aber natürlich zahlreiche Einzelaufnahmen. (Ich kenne allerdings bei den Pariser Sinfonien weit mehr im Verhältnis zu dem, was erhältlich ist.)
    Von meinen "Gesamtaufnahmen" würde ich vermutlich Brüggens als einzige empfehlen. Sie ist etwas langsam in einzelnen Sätzen (zB 93,i) und das Finale von 98 finde ich mit den übertriebenen Tempowechseln (die teilweise vorgeschrieben sind, aber m.E. nicht so) manieriert, aber insgesamt ist das eine abwechslungsreiche, farbige Interpretation. Sie hat als zusätzlichen Bonus eine Alternativfassung des Finales von 103 (bzw. es wird nur diese Fassung mit einer erweiterten Coda gespielt; ich glaube, in Doratis GA sind beide enthalten.)
    Harnoncourt ist nicht "richtig HIP", da Concertgebouw. Jedenfalls hörenswert, aber manches ist, wie zu erwarten, auch etwas seltsam. Die Menuette sind beinahe durchweg sehr schnell (oft mit deutlich verlangsamten Trios), dafür sind einige Finalsätze erheblich breiter als sonst üblich (zB in 101) und ein langsamer Satz (in 99) erhält beinahe Brucknerische Dimensionen
    Herbig ist ein echter Geheimtipp und sehr preiswert. Sehr gute Eterna 1970er Aufnahmequalität, geradlinige Interpretationen mit schönen Holzbläsern. Nicht das letzte Wort, was Originalität und Individualität betrifft, aber zum Kennenlernen ideal.


    An empfehlenswerten Aufnahmen für die einzelnen Sinfonien fallen mir noch ein (dabei muss ich zugeben, einige neuere Zugänge noch nicht recht gehört zu haben; seit dem Haydn-Projekt ca. 2008-10 habe ich hier ein wenig Pause eingelegt, zumal bei den späten Sinfonien, die schon gut vertreten sind)


    93 Dorati
    95 Dorati, Szell
    96 Hogwood
    97 Szell
    99 Gielen
    100 Scherchen (aber ich mag das Stück am wenigsten von allen "Londonern")
    102 Klemperer
    103 Kuijken
    104 Rosbaud, Kuijken, Gielen

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Obwohl ich die letzten Sinfonien mit Karajan, der das Vorbild Beethoven betonte, gar nicht so schlecht fand. Eigentlich sollte Harnoncourt mein Favorit sein ...

    Das kann so formuliert natürlich nicht sein...



    Jochums Haydn sollte man - zumindestens Einzelveröffentlichungen davon - in der Sammlung haben, denn er galt zu Lebzeiten als ausgesprochener Haydn-Spezialist.

    Jochum galt als ausgesprochener Bruckner-Spezialist...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Jochum galt als ausgesprochener Bruckner-Spezialist...

    Das ist natürlich unbestritten.
    Jochum war aber daneben auch ein vorzüglicher Dirigent in Sachen Haydn, Mozart und Beethoven.
    Währen seine Beethoven aufnahmen indes durch jene von Karajan ein wenig ins Abseits gedrängt wurden (wie übrigens so gut wie alle Beethoven-Zyklen aus jener Zeit) und sein Mozart gegenüber den Einspielungen von Karl Böhm ein wenige vernachlässigt wurde, so machte ihn die Londoner Aufnahme von Haydns "Londoner" Sinfonien (plus zwei weiteren) mit einem Schlag zum nahezu konkurrenzlosen Haydn Dirigenten. Natürlich kenne ich auch die Dorati Aufnahme. Aber der Deutschen Grammophon Gesellschaft gelange es, Jochum als "Haydn-Papst" zu etablieren und zu verkaufen. Die Aufnahme ist übrigens seit über 40 Jahren ohne Unterbrechung im Katalog - in diversen Verpackungen - versteht sich.
    Sie kann auch heute noch - HIP hin - HIP her - als eine der besten von Haydns Londoner Sinfonien angesehen werden angesehen werden.


    mit freundlichen GRüßen aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Jochum war aber daneben auch ein vorzüglicher Dirigent in Sachen Haydn, Mozart und Beethoven.

    Das bestreitet auch niemand. Aber diese Komponisten wurden von aller Welt aufgeführt. Hingegen gab es damals nur recht wenige Dirigenten mit regelmäßiger Bruckner-Praxis, und da war in unseren Breitengraden damals (60er und frühe 70er) eben Jochum der angesagte "Bruckner-Spezialist".



    ..., so machte ihn die Londoner Aufnahme von Haydns "Londoner" Sinfonien (plus zwei weiteren) mit einem Schlag zum nahezu konkurrenzlosen Haydn Dirigenten.

    Aber der Deutschen Grammophon Gesellschaft gelange es, Jochum als "Haydn-Papst" zu etablieren und zu verkaufen.

    Mit Verlaub, aber da muss dich deine Erinnerung täuschen. Die Jochum-Aufnahmen mögen durchaus freundlich aufgenommen worden sein (aufgenommen 1971-73), aber von 1969-1972 beginnt und vollendet die Decca die Einspielung aller Symphonien unter Antal Dorati - das bis dorthin größte Aufnahmeprojekt der Schallplattengeschichte. Dieses überstrahlte damals in Sachen Haydn-Symphonien absolut alles, Dorati war der Haydn-Gott der 70er.


    Liest man bei Ulrich Schreiber nach, der einen guten Überblick über den Schallplattenmarkt Mitte der 70er liefert, so wird von ihm Jochum nicht einmal erwähnt. Unter seinen Empfehlungen finden sich alle(!) 7 Dorati-Boxen (insgesamt 48 LPs!) sowie einzelne Aufnahmen von Szell, Klemperer, Beecham(!), Furtwängler und Toscanini. "Trotz geringfügiger Unzulänglichkeiten sind die Aufnahmen Doratis der Konkurrenz weitaus vorzuziehen.".


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Eine berühmte Aufnahme der 12, die hier bisher nicht genannt wurde, im angelsächsischen Bereich aber sofort erwähnt wird, wenn es um diese Symphonien geht, ist die von Sir Thomas Beecham.
    Ein Manko dieser Einspielung ist natürlich, dass die ersten 6 noch in Mono aufgezeichnet wurden, die späteren dann in frühem Stereo. Aber mal von diesem Handicap abgesehen, kann ich nur bestätigen was David Hurwitz über die letzten sechs schreibt:


    They are special, they are wonderful, they are hopelessly anachronistic regarding the text but ideally idiomatic in capturing the wit, grace, and high spirits of the music. It’s true that Beecham minimizes the trumpet and drum contributions and soft-pedals some of the more boisterous moments in the outer movements of Symphonies Nos. 99 and 102 (for instance). But the string phrasing in the slow movements is so beautiful, Symphony No. 100′s military movement so full of pomp and circumstance, the wind playing brimming with characterful fun, and the pacing in general so practically perfect that any complaints seem churlish. For supreme musicianship placed in the service of Haydn’s irrepressible high spirits, these versions remain as fresh and enjoyable as the day they were recorded, despite slightly dated (stereo) sonics. - See more at:

    P.S. Für Dr. Pingel: Dies sind natürlich nicht die authentischen 12 letzten Haydn-Symphonien, sondern Bearbeitungen derselben, deshalb müsste eigentlich auch Haydn arr. Beecham auf der Hülle stehen. Wir sollten Warner daraufhinweisen. :hello:

  • Was Sinfonie 94 und 95 betrifft, so ist meine Lieblingseinspielung nach wie vor die mit Harnonocurt aus Amsterdam
    :hello:


    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

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  • Hallo a.b. aus Insbruck,


    ich finde Du beweist mit deiner Aussage einen guten Geschmack. Ja, auch wenn ich allgemein gar kein Harnocourt-Fan bin, so ist genau diese von Dir abgebildete CD für die Sinfonien Nr.94 (ganz besonders) und 95 mine Lieblingsaufnahme.
    :thumbsup: Diese TELDEC-CD hat dann dazu geführt, dass ich mir die Londoner-Sinfonien-GA (+Nr.68) mit Harnoncourt zugelegt hatte, in der diese CD natürlich enthalten ist (dort eben unter dem Label WARNER):



    WARNER, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Fast alle Aufnahmen von Haydn-Sinfonien vor ca. 1960, inklusive Beecham und Scherchen, sind mit erheblicher Vorsicht zu genießen, da sie oft problematischen Textausgaben folgen. Da fehlen teils ganze Bläserstimmen (die Streicherlastigkeit bei Beecham liegt aber nicht nur daran) usw.
    Ein gut hörbares Beispiel ist zB das Trio im Menuett von 103. Eigentlich sollten das die Klarinetten (evtl. eine Anspielung an Mozarts 39) klanglich bestimmen, allerdings werden sie von Geigen verdoppelt. Auf älteren Einspielungen fehlen die Klarinetten einfach...

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Kann man die Gruppe der "Londoner" eigentlich "in einen Topf werfen"?


    Etwas zähneknirschend würde ich ebenfalls Brüggen als meine Referenz betrachten, auch wenn ihm einzelne Sinfonien etwas schwächeln in meinen Ohren, die 93 bis 95 besonders. Um so gelungener die 97 und 98, so eigenwillig er namentlich im Schlusssatz der 98 liest. Eine der wunderbarsten zehn Minuten der Schallplattengeschichte für mich der zweite Satz der 97,
    der so unerhöhrt sensibel ausgehört ist, dass eine Generalpause Höhepunkt des Satzes sein kann.
    Für mich eine Aufnahme, bei der meine Seele Zeit fände, ins Himmelreich zu gehen.


    Ganz anders geht da George Szell zu Werke, der ja leider nicht alle "Londoner" eingespielt hat.
    Seine Aufnahmen sind für mich die "Nebensonne" neben Brüggen.
    Und gerade die Sinfonien, die ich bei letzterem als schwächer empfinde, packt Szell so überzeugend bei ihrem Schopfe.
    Die 93 mit ihrem "Fagott-Furz" im zweiten Satz, die 94, ebenfalls zweiter Satz, wird mich auch beim tausendsten Hören noch überraschen. Und die 95 fällt auch "mit der Tür ins Haus" wie bei niemandem sonst.


    Szell hat Haydn geliebt- und sehr ernst genommen. Seine Aussage, wer die Einleitung der "Oxford" dirigieren könne, kann alles dirigieren, sagt alles.
    Schwer klingt das allerdings nie bei ihm, leichtgewichtig allerdings auch nicht.
    Und ja, Humor ist eine ernsthafte Angelegenheit!


    Herzliche Grüße,
    Mike


  • Favorit ist Otto Klemperer, aber der hat ja leider nicht alle Londoner Symphonien aufgenommen. Eine bessere 95. gibt es nicht. Und bevor jetzt die Fritz-Reiner-Fraktion wieder kommt: Ja, die Aufnahme ist auch sehr gut, ich hörte sie neulich, aber persönlich gefällt mir Klemperer noch besser. Bei Reiner sind die Pauken leider zu sehr in den Gesamtklang integriert. Bei Klemperer ist bereits allein das Cello-Solo einzigartig.



    Ansonsten gibt es wirklich mehr als genügend sehr gelungene Aufnahmen, von denen ich von den neueren besonders jene von Thomas Fey mit den Heidelberger Sinfonikern hervorheben will. Die gezeigte CD habe ich nicht unabsichtlich ausgewählt: Auch die 82. und 88. — zwar keine Londoner Symphonien — sind formidabel interpretiert.


    Daneben gibt es noch einige Einzelaufnahmen, die ich hervorheben würde: Bei der 94. Knappertsbusch in Berlin, bei der 99. Giulini in Wien, bei der 104. Furtwängler in Buenos Aires (einzige erhaltene echte Aufnahme davon unter ihm).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph,
    ja, der "alte Otto".....stimmt schon- auch wenn er da mittels Beethoven in den Haydn plauzt.
    Ich mag seine Haydn-Aufnahmen trotzdem auch- einen Haydn lieber ernster nehmen als zu leicht.
    Allerdings wird's mir bei Kna und Furtwängler dann doch zu undifferenziert- und das ist ja nun eine Tugend Klemperes, bei aller Schwere differenzieren zu können.


    Die Thomas Fey- Aufnahmen höre ich auch sehr gern-zwischendurch.
    Mich stört sein uneinheitliches Instrumentarium, vieles klingt dann doch einfach knallig, nicht gut ausbalanciert. Mag auch an der Technik liegen.


    Ist vielleicht auch die Frage, wie man Haydn versteht. Ich mag seinen Humor sehr, seine Überraschungen, aber auch sehr sein Schweigen, seine Fähigkeit, Innehalten und Gewahrweden
    in Noten zu setzen. Diese besondere Stille fehlt mir oft bei Haydn-Interpretationen. So auch bei Fey, der mir oft sehr "geschäftigt" daherkommt, statt mal Atmen zu lassen.
    Wer aber mit dem "Papa Haydn" aufräumen möchte, findet bei ihm genau den richtigen Weg.


    Herzliche Grüße,
    Mike

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