Händels Orgelkonzerte am Steinway - Provokation oder Geniestreich ?


  • Na, wenn das kein Thema für ein Klassikforum ist !! Da traut sich einer die altbekannten Orgelkonzerte von Händel aufs Klavier zu transkribieren. Und derjenige ist nicht "irgendwer" sondern ein wohlbekannter Pianist; Mattihas Kirschnereit. Der liefert dann im Booklet auch Informationen über Anstoß und Hindernisse eines solchen Unternehmens.
    Ob sowas "legitim" ist, das muß wohl jeder für sich entscheiden. Ich bin davon überzeit, daß dies ein interessantes Thema ist, allerdings wird es vermutlich erst langsam in Fahrt kommen, denn kaum einer wird schon die neuen Aufnahmen in seiner Sammlung haben. Ja manche werden sich vermutlich sogar sträuben solch eine Aufnahme anzuhören, geschweige denn, sie zu kaufen. Mal sehen - vielleicht irre ich mich aber auch?


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es sei der Hinweis erlaubt, dass Kirschnereit mit seiner "Idee" durchaus nicht alleine dasteht:


    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Danke, lieber MSchenk für diesen Hinweis.


    Das macht den Thread noch interessanter, denn, wie schon Kirschnereith in seinem Booklettext schrieb, sind bei der Übertragung von Orgel auf Klavier zahlreiche Anpassungen, Änderungen, Bearbeitungen nötig. Er verteidigt sein diesbezügliches Vorgehen (imo zu recht), indem er darauf hinweist, dass Händel selbst des öfteren eigene Werke für andere Instrumente angepasst hat, wenn es die Umstände opportun erscheinen liessen.


    Wie immer man dazu stehen mag, wir haben hier ZWEI verschiedene Bearbeitungen zur Diskussion, noch dazu mit verschiedenem Interpretationsansatz. Verwendet Ragna Schirma ein zeitgenössisches Instrument, so entschied sich Kirschnereith für einen modernen Steinway.


    Es gibt nun vielerlei Gesichtspunkte unter denen man die Aufnahmen betrachten kann.


    a) Darf man sowas überhaupt?
    b) Egal zu welchem Schluss man gekommen ist: Ist das Ergebnis überzeugend?
    c) Inwieweit ist das Original noch erkennbar?
    d) auf welchem der beiden Klaviere ist die Trankription besser geglückt?


    etc. etc.....


    mfg aus Wien
    Alfred


    PS: Da Amazon keine Soundsamples für diese Aufnahme zur Verfügung stellt, habe ich den entsprechenden Link in Beitrag 2 durch einen zu jpc ersetzt.......

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • entschied sich Kirschnereith für einen modernen Steinway


    Hammerklavier - moderner Konzertflügel - Hammond-Orgel

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Eigentlich ist eher verwunderlich, dass nicht schon längst vorher jemand die Werke auf dem Klavier gespielt hat. Mit einer Ausnahme (op.7/1) sind meines Wissens alle nur für Manual, also kein Pedal gesetzt. Es gibt zumindest von einigen Aufnahmen auf dem Cembalo (in der Malcolm/Marriner GA werden zwei oder drei auf dem Cembalo gespielt) und eines gibt es von Händel selbst auch als Harfenkonzert (op.4/6). D.h. man muss da, wenn überhaupt, nicht viel eingreifen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Sagitt meint:
    Beide Aufnahme munter,Kirschnereit vielleicht einen Tic lebendiger,aber auch Ragner mit grossen Feuer.
    Die Gretchenfrage,Klavier statt Orgel ?


    Denke an meine Favoritaufnahme mit Chorzempa,meine ich:lieber Orgel

  • Von den Schnipseln her gefiel mir Kirschnereit gut, die Jazz-Bearbeitungen mit Schirmer fand ich eher albern (daher wäre mir die Box eh zu teuer). Kaufen werde ich mir die aber sicher nicht, jedenfalls nicht, bevor sie verschleudert werden. Ich besitze dreieinhalb oder so Gesamtaufnahmen der Orgelkonzerte auf den üblichen Instrumenten, da brauche ich keine Klavieraufnahme.
    Bei Siegbert Rampe habe ich irgendwo gelesen, Händel habe diese Werke (zumindest teilweise) auf einem Claviorganum, einem Instrument zwischen Orgel und Cembalo gespielt. Sollte Rampe mal solch ein Gerät auftreiben oder bauen lassen, würde ich mich vielleicht eher überzeugen lassen, noch eine CD mit dieser Musik anzuschaffen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich kenne bisher lediglich die Einspielungen mit Kirschnereit, kann daher keine Vergleiche anbieten.
    Bei aller Skepsis solchen eigenmächtigen Transkriptionen von fremder Hand gegenüber, muß ich doch sagen, daß ich das Ergebnis (Ich habe soeben erst die Konzerte op 4 gehört, der Rest folgt demnächst) für ausgesprochen geglückt halte, eine Bereicherung des Repertoires, vor allen für jene, die nicht wirklich Freunde der Orgel sind.
    Ich gehe davon aus, daß Kirschnereit kein Einzeltäter bleiben wird, Nachahmer werden folgen. Aufnahmen mit Pianoforte sind - zumindest in meinen Augen - wiederum eine andere Kategorie....
    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die "Transkriptionen" sind nicht eigenmächtiger als das, was bei Bachs "Klavierkonzerten" seit vielen Jahrzehnten üblich ist. Im Grunde sind das größtenteils Konzerte für ein Tasteninstrument, die man weitestgehend einfach so auf einem modernen Flügel spielen kann, da keine Pedalstimme umarrangiert werden muss oder so etwas.
    Da Händel, ähnlich wie Bach, einer der eifrigsten Arrangeure und Recycler gewesen ist, sollte man deswegen sicher kein schlechtes Gefühl haben.


    Schließlich sind die Konzerte ebenso für Cembalo wie für Orgel gedacht und diese Instrumente sind voneinander ebenso unterschiedlich wie ein moderner Flügel von beiden. Und die großen Kirchenorgeln, auf denen sie oft gespielt wurden, haben mit der Orgel, die Händel seinerzeit verwendete, nicht viel zu tun. (Die Konzerte waren Pausenfüller in den Oratorien). Ich habe gerade noch mal in die Decca-Aufnahme reingehört, auf der Malcolm zwei Konzerte auf dem Cembalo spielt. Es mag auch daran liegen, dass das (moderne?) Cembalo gegenüber dem mit modernen Instrumenten besetzten Kammerorchester (Marriner) recht leise (wenn auch durchdringend) ist, aber mir gefällt das nach wie vor nicht besonders gut.


    Kirschnereit spielt (nach den Schnipseln) frisch und verzierungsfreudig, aber, obwohl ich kein so großer Orgelfan bin, klingt das für mich dennoch irgendwie "falsch". Teilweise liegt es wohl auch daran, dass die Verzierungen auf einem so kräftig klingenden modernen Flügel keinen rechten Sinn ergeben (das stört mich inzwischen auch bei einigen Stücken Bachs), hauptsächlich aber an der Gewohnheit. Wenn man die Stücke seit 15 Jahren nur auf der Orgel gehört hat, ist das auch kein Wunder. (Dagegen habe ich zB Bachs "Klavierkonzerte" auf einem modernen Flügel kennengelernt.)

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    (Bob Dylan)

  • Ich habe heute die Klavierkonzerte Nr 7-12 (op 7 Nr 1-6) von Händel gehört (die ja seit Menschengedenken als Orgelkonzerte geführt waren)

    und ich muß sagen, daß ich der Klavierfassung den Vorzug gebe - vermutlich wei ich generell kein Freund der Orgel bin und dem Klavier den Vorzug gebe. Ich habe mich während des Hörens der Lektüre des relativ umfassenden Booklets gewidmet und eine Menge an Informationen erhalteN: Jedes einzelne dieser Konzerte wird kurz behandelt, und nochdazu darauf hingewiesen, daß die Zusammenstellung diese sechs Konzerte op 7 - im Gegensatz zu jenen Nr 1-6 (op 4 Nr 1-6) erst nach Händels Tod - nämlich 1761 im Auftrag seines Verlegers erfolgte.Die Konzerte selbst stammen aus verschiedenen Jahrzehnten zwischen 1738 und 1757 und beinhalten teils Versatzstücke, die zuvor nie veröffentlicht wurden. Teils hat Händel sich bei anderen Komponisten bedient (was damals als Ehre für den zitierten galt)- Georg Muffat und Franz Johann Habermann teils ist es nicht sicher dach die Orgelstimmen original waren, teilweise könnten sie später hinzugefügt worden sein. Teilweise gibt es den Vermerk "Organo ad libitum", teilweise hat John Christopher Smith jr. (1712 -1795) vermutlich Ergänzungen vorgenommen oder Sätze hinzukomponiert. Das klingt eventuel respektlos, aber sein Vater (gleicher Name !!) war ein Studienkollege von Händel und ist mit diesem von Deutschland nach England übersiedelt. Händels Freundschaft mit Smith sr. Endete um ca 1750 nach einem Streit, aber der junior dienete Händel weiter als Privatsekretär, Schükler und Freund, und leitete nach dessen Erblindung seine Konzert (wobei Händel - beeugt durch Charles Burney - auch noch bilnd seine Konzerte als Solist spielte und auch improvisierte.)

    Händel vermacht Smith seine Partituren, sein Cembalo, Hausorgel, Musikbücher und eine Menge Geld.


    Es gab also ein sehr enges Vertrauensverhältnis


    Es wäre sicher lohnend, die einzelnen Konzerte - mit Bezug auf die Covertexte von Ulf Brenken - erneut zu hören-

    Allein - Die Zeit wird dies vermutlich nicht zulassen


    mfg aus Wien

    Alfred


    PS: Die Abbildung RECHTS oben stellt eine BOx mit allen 3 verfügbaren CDs dar...

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Es sei der Hinweis erlaubt, dass Kirschnereit mit seiner "Idee" durchaus nicht alleine dasteht:


    Ragna Schirmer macht sich immer enorme Mühe mit ihren Programmen. Da ist es vielleicht sinnvoll, sie einmal kurz selbst zu ihren Aufnahmen zu hören