Bernd Alois Zimmermann: "Die Soldaten"

  • Aus Anlass der Münchner Neuinszenierung von Bernd Alois Zimmermanns „Die Soldaten“ eröffne ich einen Thread zu dieser Oper. Ich tue dies mit ungutem Gefühl, denn ich bin keineswegs ein Kenner dieses Werks, der Musik von Zimmermann im allgemeinen oder des Musikdramas der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich hoffe daher, dass sich die wirklichen Experten hier zu Worte melden. Ich kann nur sagen, dass mich der Besuch der Münchner Aufführung vor einigen Tagen tief beeindruckt und emotional aufgewühlt hat.


    Im Tamino-Forum findet man neben den Basis-Infomationen im Opern-Führer ZIMMERMANN, Bernd Alois: DIE SOLDATEN nur einige wenige Anmerkungen im Thread über Zimmermann Bernd Alois Zimmermann - ein Grenzgänger zwischen den Zeiten und einige interessante Äußerungen in diesem Thread: www.tamino-klassikforum.at/ind…page=Thread&threadID=5870, der der Frage gewidmet ist, welche Opern nach 1945 berühmt werden. Die Frage, ob die „Soldaten“ in das Standard-Repertoire eingehen, wird dort eher verneint, zu aufwändig seien Aufführungen. Andererseits erlebt diese Oper in den letzten Jahren geradezu eine Aufführungs-Welle: Im Rahmen der Ruhr-Triennale 2005-2007 in der Bochumer Jahrhundert-Halle, 2013 am Opernhaus Zürich – diese Inszenierung wird in Kürze auch an der Komischen Oper Berlin Premiere haben – und die Neuproduktion an der Bayerischen Staatsoper München. Allerdings scheint die Aufführung dieses Werks auf den deutschen Sprachraum beschränkt zu sein, oder sind Euch Aufführungen in anderen Ländern bekannt? Woran könnte es liegen, dass diese Oper international wenig Beachtung findet?


    Werden Zimmermanns „Soldaten“ in hundert Jahren in einem Atemzug mit „Lulu“ und „Wozzeck“ genannt werden und Bestandteil des Opern-Kanons sein? Wie empfindet Ihr die Tonsprache dieses Werks? Berührt es Euch emotional so stark wie mich? Kann jemand etwas zu den kompositorischen Finessen sagen? Die Diskussion ist eröffnet!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Aus Anlass der Münchner Neuinszenierung von Bernd Alois Zimmermanns „Die Soldaten“ eröffne ich einen Thread zu dieser Oper. Ich tue dies mit ungutem Gefühl, denn ich bin keineswegs ein Kenner dieses Werks, der Musik von Zimmermann im allgemeinen oder des Musikdramas der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich hoffe daher, dass sich die wirklichen Experten hier zu Worte melden. Ich kann nur sagen, dass mich der Besuch der Münchner Aufführung vor einigen Tagen tief beeindruckt und emotional aufgewühlt hat.


    Im Tamino-Forum findet man neben den Basis-Infomationen im Opern-Führer ZIMMERMANN, Bernd Alois: DIE SOLDATEN nur einige wenige Anmerkungen im Thread über Zimmermann Bernd Alois Zimmermann - ein Grenzgänger zwischen den Zeiten und einige interessante Äußerungen in diesem Thread: www.tamino-klassikforum.at/ind…page=Thread&threadID=5870, der der Frage gewidmet ist, welche Opern nach 1945 berühmt werden. Die Frage, ob die „Soldaten“ in das Standard-Repertoire eingehen, wird dort eher verneint, zu aufwändig seien Aufführungen. Andererseits erlebt diese Oper in den letzten Jahren geradezu eine Aufführungs-Welle: Im Rahmen der Ruhr-Triennale 2005-2007 in der Bochumer Jahrhundert-Halle, 2013 am Opernhaus Zürich – diese Inszenierung wird in Kürze auch an der Komischen Oper Berlin Premiere haben – und die Neuproduktion an der Bayerischen Staatsoper München. Allerdings scheint die Aufführung dieses Werks auf den deutschen Sprachraum beschränkt zu sein, oder sind Euch Aufführungen in anderen Ländern bekannt? Woran könnte es liegen, dass diese Oper international wenig Beachtung findet?


    Werden Zimmermanns „Soldaten“ in hundert Jahren in einem Atemzug mit „Lulu“ und „Wozzeck“ genannt werden und Bestandteil des Opern-Kanons sein? Wie empfindet Ihr die Tonsprache dieses Werks? Berührt es Euch emotional so stark wie mich? Kann jemand etwas zu den kompositorischen Finessen sagen? Die Diskussion ist eröffnet!


    Ich kann mich erinnern, dass die Bochumer Inszenierung (nach einem Bericht des NEW YORKER) in New York gezeigt und begeistert aufgenommen wurde.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Andererseits erlebt diese Oper in den letzten Jahren geradezu eine Aufführungs-Welle: Im Rahmen der Ruhr-Triennale 2005-2007 in der Bochumer Jahrhundert-Halle, 2013 am Opernhaus Zürich – diese Inszenierung wird in Kürze auch an der Komischen Oper Berlin Premiere haben – und die Neuproduktion an der Bayerischen Staatsoper München.


    Nicht zu vergessen in 2012 sogar Salzburg inkl. Fernsehübertragung: 3sat am 26.8.2012 - B.A.Zimmermann: Die Soldaten - aus Salzburg.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Die Anzahl der Gesamtaufnahmen dieser Oper ist sehr überschaubar. Es gibt genau zwei lieferbare Aufnahmen auf CD:


    Die Kölner Uraufführungsproduktion unter Michael Gielen in Mono.
    Ein Mitschnitt einer Stuttgarter Aufführung von 1990 (?) unter Kontarsky.


    Auf DVD ist neben der Stuttgarter Aufführung auch die erwähnte Produktion der Salzburger Festspiele erhältlich (auch als BluRay):




    Weiterhin gibt es einen Mitschnitt der Bochumer Produktion auf DVD, die man nur direkt beim Online-Shop der Ruhr-Triennale bestellen kann:


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Hallo,


    ich hatte damals die Stuttgarter Inszenierung gesehen - äußerst beeindruckend - aber ich kann so etwas nur live sehen - kann mir nicht vorstellen , dass das auf DVD oder gar CD auch nur halbwegs so gut "rüber kommt".


    Gruss


    Kalli

  • Nachdem bislang niemand sich zu dieser Neuinszenierung an der KOB geäußert hat, mache ich nun einmal den Anfang.
    Zunächst einmal ein Kompliment an die hier so verfemte Komische Oper, dass sie sich zu diesem Riesenwerk entschließen konnte. Es sind sage und schreibe 120 Musiker nötig, die natürlich nicht im Orchestergraben sitzen können. So machte man aus der Not eine Tugend und siehe da: Das Orchester verwandelt sich in ein Soldatenheer in Tarnanzügen auf der Bühne. Auf dieser befindet sich ein mächtiges Stahlgerüst, das gut geeignet ist für das Stahlgewitter, das sich darauf und darin ereignen wird.
    Zimmermann schrieb nur diese eine Oper, deren Handlung, basierend auf dem gleichnamigen Schauspiel von Lenz, ihn tief bewegt hat, Er war selber Kriegsteilnehmer an der Westfront und auch in Russland, diese Jahre hat er innerlich niemals verwinden können, sie blieben ihm ein Trauma. Und so geht es hier auch nicht um irgendwelche Kriegshandlungen, sondern schlicht um die Verrohung, die Entmenschlichung von Soldaten. In seiner Oper wird eine Welt porträtiert, in der der Geist des Militärischen bis ins Private hineinreicht und Beziehungen verunmenschlicht. Aus der Lenz'schen Komödie wird ein apokalyptisches Trauerspiel.
    Der Regisseur dieses großen Operndramas ist Calixto Bieito, eigentlich bekannt für bluttriefende und sexualbestimmte Entartung. Hier macht er alles richtig und übertreibt das Ganze in keiner Weise. Das Werk ist für ihn geschaffen. Im Mittelpunkt der Handlung stehen ein unschuldiges Opfer und eine Welt, in der Gemeinheit und Härte alles Zarte vernichtet. Da der Orchestergraben abgedeckt ist, können die Akteure sich bis ganz nach vorne an die erste Reihe bewegen und Eindruck hinterlassen. Wir sehen animalische, martialische Szenen. Soldaten sudeln sich im Schlamm, Blut spritzt, dazu eine Liebesgeschichte ohne Happy End. Das Mädchen Marie (perfekt dargestellt und mit großartiger Stimme Susanne Elmark) träumt vom sozialen Aufstieg, aber endet bei den Soldaten, als Hure. Die Offiziere sind arrogant und jenseits irgendwelcher menschlicher Regungen, brutal und gewissenlos, auch wenn der Feldprediger (Joachim Goltz) hin und wieder versucht, sie auf einen tugendhafteren Pfad zu bewegen. Dazu passt es, dass jemand zum reinen Vergnügen ausgepeitscht wird oder eine Frau bis auf die Wäsche ausgezogen und mit Blut übergossen wird. Sicher nichts für zarte Gemüter. Auch nicht die Musik. Sie ist aggressiv, aber auch mitunter sensibel mit leisem Geigengezirpe und Schlagzeuguntermalungen. Wie überhaupt das Schlagwerk überdimensioniert ist, da schiebt sich schon mal ein Teil des Gerüstes mit einem ganzen Paukenwagen und drei Spielern nach vorne. Dazu braucht es einen zweiten Dirigenten, der in der ersten Publikumsreihe die Schlagzeugbatterie, postiert in der unteren Gerüstebene, kontrolliert. Musik und Handlung sind immer synchron , das passte perfekt. Sicher, Zwölftonmusik ist nicht jedermanns Geschmack, meiner auch nicht, aber hier hatte alles seinen Sinn, da braucht die Musik nicht schön zu sein, zumal Zimmermann auch einen Ausflug zu Bach-Chorälen unternimmt, die das Erbarmen beschwören sollen. Im großen Sängerensemble gab es keine Ausfälle, hervorheben möchte ich nur neben Susanne Elmark in der Hauptrolle noch Noemi Nadelmann als Gräfin, Tom Erik Lie als Stolzius, Martin Koch als Desportes, Jens Larsen als Wegener und Christiane Oertel, Mutter von Stolzius. Eine großartige Leistung lieferte Dirigent Gabriel Feltz, der die komplizierte Orchesterpartitur sicher im Griff hatte.
    "Die Soldaten" galten lange als unaufführbar, sie sind es, auch nach dieser Produktion, die in Kooperation mit dem Opernhaus Zürich entstand, nicht mehr.


    Mit allseits besten Grüßen
    :hello:
    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • ich hatte damals die Stuttgarter Inszenierung gesehen - äußerst beeindruckend - aber ich kann so etwas nur live sehen - kann mir nicht vorstellen , dass das auf DVD oder gar CD auch nur halbwegs so gut "rüber kommt".


    Ja du hast recht, nach meinem Erlebnis bin ich ebenfalls der Auffassung, eine CD kann den Inhalt nicht annähernd wiedergeben.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

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