Gerade habe ich wieder ein bisschen im Thread von JL "Heimliches Flüstern" gelesen, der wurde vor etwa einem Jahr ins Forum gestellt. Gegenstand der Betrachtungen war eine Veranstaltung in Hamburg.
Natürlich ist es problematisch über einzelne Konzerte zu berichten, die andere nicht miterleben konnten, aber in dem angeführten Beispiel handelte es sich um etwas Besonderes, das heißt, um einen Abend, der kein eigentlicher Liederabend im üblichen Sinne war, JL sprach von einem gestalteten Liederabend. Auch ich kenne solcherart Gestaltungen, denen ich jedoch eher kritisch gegenüberstehe, aber das ist ein anderes Thema...
Der besondere Liederabend kann natürlich auch grundsätzlich jeder Liederabend sein, der irgendwo mit irgendjemandem mit irgendeinem Programm stattfindet, wenn man das jeweils aus rein persönlicher Sicht so empfindet. Vielleicht wenn Max Mustermann im Gemeindehaus von Hinterdorf die Winterreise singt...
Anfang dieses Monats war ich beispielsweise in einem Liedernachmittag gewesen, wo neben Beethoven und Strauss auch sechs Lieder von Gabriel Fauré dargeboten wurden - das war aus meiner Sicht dann auch schon etwas Besonderes, weil man es nicht an jeder Ecke hört.
Wir tauschen uns hier normalerweise über Musikkonserven aus, weil sie praktisch jedem zugänglich sind. In diesem Thread sollte die reale Welt von Lieder-Veranstaltungen ein Podium haben; ich bin ganz sicher, dass sich hieraus Anknüpfungen für durchaus interessante Diskussionen ergeben können.
Mit einem Beispiel von gestern Abend möchte ich beginnen; wobei ich subjektiv sicher bin, dass es ein ganz besonderer Liederabend war, und objektiv ließe es sich wahrscheinlich auch beweisen, wenn man aktuelle Programme vergleicht.
Das »Besondere« war ja schon, dass es - genau gesehen - kein Lieder- sondern ein Balladenabend war. Christoph Prégardien - der Sängerinterpret des Abends - erklärt, dass die Unterscheidung nicht immer so ganz einfach sei, aber meint: »Jede Ballade ist ein Lied, aber nicht jedes Lied ist eine Ballade« (so in einem Gespräch mit Sabine Fallenstein SWR2).
SWR2 Abendkonzert - LIVE
Christoph Prégardien (Tenor)
Michael Gees (Klavier)
Carl Loewe:
"Der Nöck" op. 129 Nr. 2 (August Kopisch)
Franz Schubert:
"Der Zwerg" D771 (Matthäus von Collin)
Franz Liszt:
"Es war ein König in Thule" R 594 / S278 (J. W. von Goethe)
Carl Loewe:
"Der Erlkönig" op. 1 Nr. 3 (J. W. von Goethe)
Franz Lachner:
"Die Meerfrau" (Nr. aus "Sängerfahrt" op. 33 (Heinrich Heine)
Michael Gees:
"Der Zauberlehrling" (J. W. von Goethe)
Franz Liszt:
"Die Loreley" R 591 (Heinrich Heine)
Hugo Wolf:
"Ritter Kurts Brautfahrt" (J. W. von Goethe)
Franz Lachner:
"Der wunde Ritter" (Nr. 5) aus "Sängerfahrt" op. 33 (Heinrich Heine)
Wilhelm Killmayer:
"Schön Rohtraut" (Eduard Mörike)
Franz Lachner:
"Ein Traumbild" (Nr. 12) aus "Sängerfahrt" op. 33 (Heinrich Heine)
Carl Loewe:
"Edward" op. 1 Nr. 1 (Johann Gottfried Herder)
Robert Schumann:
"Belsazar" op. 57 (Heinrich Heine)
Carl Loewe:
"Tom der Reimer" (Theodor Fontane)
Hugo Wolf:
"Der Feuerreiter" (Eduard Mörike)
Musikjournalisten fragen ja stets nach, ob die Ballade noch en vogue sei - eine Mode aus der Großväterzeit? Frau Dr. Brüning formulierte letztes Jahr in einen Gesprächskreis von Musikjournalisten: »Die Ballade ist noch verschwundener als das Lied«.
Und nun tauchen diese Balladen wieder auf - wie Phönix aus der Asche, gleich zum Beginn der SCHWETZINGER SWR FESTSPIELE. Das Abendprogramm einfach beeindruckend, die Interpreten ebenfalls bestens disponiert, und das Publikum nicht minder.
Wann hört man heute noch Lieder von Franz Lachner? »Tom der Reimer« von Loewe?
Für Leute, die sonst alles kennen, gab es als Überraschung »Der Zauberlehrling« in der Komposition von Michael Gees, der Pianist des Abends in Personalunion mit dem Komponisten.
Das Publikum war von den Darbietungen enthusiastisch begeistert und durfte zu diesem auch quantitativ großen Programm noch drei Zugaben genießen:
Gustav Mahler
"Rheinlegendchen" aus des Knaben Wunderhorn
Franz Schubert
"Der Erlkönig" D328 (J. W. von Goethe)
Franz Schubert
"Nacht und Träume" D827 (Matthäus von Collin)
Hier erschien dann ein an diesem Abend noch nicht gehörter Komponist - Gustav Mahler. Die zwei ersten Zugaben wurden heftig beklatscht; aber nach dem Ende des letzten Stückes rührte sich zunächst keine Hand...
es war eine auffordernde Handbewegung Prégardiens nötig - erst dann taten die Leute kund, dass ihnen auch dieses so sensibel vorgetragene Stück gefallen hatte. Es war ein besonderer Abend; auch wenn man es nicht nur subjektiv betrachtet.
Auch andere Forianer werden ähnliche Erlebnisse haben; mit etwas gutem Willen lässt sich immer etwas Besonderes heraushören - bitte berichtet darüber, dann besteht die Chance, dass das ein Thread wird, der über längere Zeit Bestand hat.