Marathonkonzerte - was ist davon zu halten?

  • Alle 17 Streichquartette des polnisch-russischen Komponisten Miecyszlaw Weinberg spielt das Danel Quartett an einem Wochenende Anfang Juli in fünf Konzerten. Damit setzen sie eine "Tradition" fort, die es schon seit einigen Jahren gibt. Möglichst das komplette Oeuvre eines Komponisten in möglichst kurzer Zeit dem Publikum nahezubringen. Schon vor zwanzig Jahren machte das Emerson String Quartet von sich reden, als es alle 6 Bartokquartette an einem Tag aufführte und das mehrfach. Das Pacifica Quartet hat die nicht minder schwer zu spielenden und zu verdauenden 5 Quartette von Elliott Carter ebenfalls mehrfach an einem Tag aufgeführt. Und Zyklen mit allen Beethoven- oder Schostakowitschquartetten werden vielerorts gegeben, oft natürlich über eine Saison oder zumindest mehrere Wochen verteilt. Aber ich habe mich schon neulich bei einem Konzert mit dem Henschel Quartett und drei Beethovenquartetten gefragt, ob das wirklich so zielführend ist. Mir gefallen Konzerte mit drei Quartetten aus unterschiedlichen Epochen und/oder von unterschiedlichen Komponisten jedenfalls wesentlich besser. Wie seht ihr das? Habt Ihr mal an so einem Marathonkonzert teilgenommen und was hat es Euch gegeben?

  • ... nein, an einer solchen Veranstaltung habe ich noch nie teilgenommen, würde dies auch nicht tun und kann es auch nicht empfehlen.
    "Vergleichende" Programme unterschiedlicher Komponisten aus verschiedenen Epochen, z.B. Symphonik von Haydn gegen solche des frühen Beethoven und diese -evtl. nach der Pause- kombiniert mit einer Brahms-Symphonie, dies fände ich sinnvoller, wie Du ja schon zutreffend festgestellt hast. Eine solche Konzertzusammensetzung ist natürlich rel. konservativ, ähnlich wie die Abfolge Ouvertüre, Instrumentalkonzert und schließlich Symphonie nach der Pause, beruht aber auf langjähriger Erfahrung, sowohl der Konzertveranstalter wie auch der Rezipienten. Mammutveranstaltungen und Marathonkonzerte sind natürlich spektakulärer; ob der Zuhörer letztendlich hiervon aber wirklich einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn in musikalischer und/oder musikhistorischer Hinsicht erlangt, wage ich zu bezweifeln.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Nur Werke eines Komponisten führen ja nicht automatisch zu "Marathons". Je ein Quartett von Haydn, Schubert, Bartok ergibt nicht unbedingt ein längeres Konzert als drei von Beethoven. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass, gerade bei Solo- und Kammermusik eher "homogene" Programme für die Künstler wegen der stilistischen Homogenität etwas einfacher zu bewältigen sind.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Na, 6 mal Bartok sind aber schon knapp drei Stunden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Auffassungsgabe dafür ausreicht. Und ich kenne die Quartette. Viele sind ja schon mit einem überfordert.

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  • 6x Bartok in einem Konzert ist "Marathon", das sehe ich genauso. Aber halt nicht drei Beethoven- oder vier Haydn-Quartette in einem Konzert.

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  • Theorie und Praxis. In Ausnahmesitutationen mögen solche Marathonkonzerte möglich sein. Im laufenden Ochesterbetrieb ist das unmöglich. Da darf das Konzert einschließlich Pause max. 2 Stunden dauern. Danach muss Schluss sein, weil alle Bus und Verkehrsverbindungen bereits bei Programmplanung auf die Koordination von Konzertende und Verkehrsverbindungen abgestimmt werden.


    Herzlicht
    Operus

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  • Aber halt nicht drei Beethoven- oder vier Haydn-Quartette in einem Konzert.

    So wollte ich auch nicht verstanden werden. Ich hatte ja im Eingangsbeitrag erklärt, was ich darunter verstehe. 17 x Weinberg in drei Tagen.

  • Ich bin heute nur mehr ein Konservenhörer und -Sammler.
    Aber in meiner Jugend war ich ein eifriger Konzertgeher. Einerseits besaß ich ein Abonnement der "Jeunesse-Konzerte", dann gab es in geringerer Qualität Freilichtkonzerte im Arkadenhof des Wiener Rathauses (mit schlechter Akustik IMO) Und - vor allem - bekam ich jede Menge Freikarten. Hiermit war eine gewisse Verpflichtung verbunden - nämlich sie bei Angebot auch anzunehmen und zu konsumieren. Andernfalls wäre der Nachschub ausgefallen, denn die Karten bekam ich nicht aus Nächstenliebe, sondern um Konzertsäle zu füllen, wenn das Konzert nicht ausverkauft war. Das waren nicht etwa - wie man vielleicht annehmen könnte - Karten von Konzerten deren Programme oder Interpreten niemand hören wollte, sondern oft auch Karten, die liegen geblieben waren, weil sie einfach zu teuer waren. So kam ich beispielsweise zu einem Zyklus aller Schubert-Klaviersonaten mit Alfred Brendel, zweite Reihe, nahe beim Pianisten. Dieser Zyklus - es muss in den frühen 80er Jahren gewesen sein - fand innerhalb weniger Tage statt - und ich durfte auch nicht einen Abend auslassen. Ich muß sagen, das war schon sehr ermüdend, denn ich hatte stets bis 18 Uhr Dienst. Und es war nebenbei zu anderen "Verpflichtungen" dieser Art. Allerdings ist Schubert aus meiner Sicht schon angenehmer zu hören als Weinberg. Generell mochte ich indes kein "zusammelgewürfeltes" Programm diverser Epochen, sondern ein geschlossenes Ganzes, beispielsweise Mozart und Haydn kombiniert etc.
    Zu den "Weinberg" - Marathonkonzerten: Es mag sein, daß es sich organisatorisch nicht anders regeln lässt - und wenn es Musikliebhaber gibt, die die Quartette alle einmal am Stück hören wollen - dann sollte man ihnen die Chance bieten. Selbst muß man ja nicht alle Konzerte besuchen - sondern man kann ja eines davon auswählen.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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