Verdis Oberto in Gießen

  • Heute sendete der Wiener Lokalsender Radio Stephansdom dieses Debüt-Werk Verdis, das ich, ich gestehe es, bis dato nur dem Namen nach kannte. Also fiel meine Wahl auf dieses Werk, obwohl der ORF zeitgleich die Sonnambula aus der Met übertrug, und diese Wahl habe ich wirklich nicht bereut. Sie kam aus dem Stadttheater Gießen mit Sängern, die mir durchwegs unbekannt waren, auch den Dirigenten kannte ich nicht.


    Dieses Frühwerk Verdis ist ein herrliches Meisterwerk, das trotz mancher Anklänge an Bellini (no schlecht?) bereits die geniale Meisterschaft des Komponisten zeigt. Furiose Ensembleszenen wechseln hier mit beeindruckenden Solo-, Duett- und Terzettpassagen ab, wobei auch der Chor große Momente hat. Die Facetten reichen von innigen lyrischen Szenen bis hin zu fulminanten dramatischen Momenten, die der Dirigent Michael Hofstetter beeindruckend und souverän gestaltete.


    Die Solisten waren durchwegs ausgezeichnet. Der Bariton Adrian Gans in der Titelrolle präsentierte ein Stimmmaterial von beeindruckender Fülle und Schönheit, dem auch die extremen Spitzentöne mühelos gelangen. Für mich eine Weltklasse-Leistung. Auch die beiden Frauenrollen (Francesca Lombardi Mazzulli und Manuela Custa) waren mehr als beeindruckend, wobe beide Damen noch dazu in exquisiter Stimmschönheit und Ausdrucksstärke schwelgten. Ihre Schlußszene des 2. Aktes war dann der Höhepunkt ihrer mehr als beeindruckenden Leistung. Norman Reinhardt bestach durch seinen stimmschönen und in allen Lagen elegant geführten Tenor, der phasenweise an den jungen Pavarotti erinnerte.


    Diese Produktion von Oehms Classics, OC959 aus 2012, bewies auf beeindruckende Weise, wozu ein Stadttheater wie jenes in Gießen in der Lage sein kann, auch wenn man (oder gerade deshalb) ein Ensemble aufzubieten im Stande ist, das aus jungen, international eher unbekannten Sängern besteht.


    PS: Diese Oper enthält überraschenderweise keine Baßpartie, was unseren lieben Operus nicht sonderlich erfreuen dürfte.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Lieber Milletre,


    ich kannte Von Verdi bisher nur zwei Opern nicht: Oberto und Alzira. Ich gebe dir völlig recht, wenn du sagst, dass auch dieses erste Werk Verdis bereits ein Meisterwerk ist. Aufgrund der Serie aus dem Verdi-Jahr "Tutto Verdi" habe ich mir das Werk vor kuerzer Zeit dann einmal auf youtube angesehen, muss allerdings sagen, dass die Inszenierung grauenhaft war. Sie war zwar durchaus konventionell, aber die marionettenhaften Bewegungen der Figuren, die der Regisseur den Darstellern antrainiert hatte, vor allem die ständig mit gespreizten Fingern nach oben oder nach der Seite ausgetreckten Arme der Leonora (Francesca Sassu), aber auch die oft steif mit ausgestreckten Armen dastehenden anderen Figuren waren entnervend. Ich habe das schnell wieder gelöscht. Es gibt noch eine andere Inszenierung auf DVD, die ich mir wahrscheinlich demnächst zulegen werde, weil mir die Musik sehr gefällt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Das war eine konzertante Aufführung im Dezember 2012. Da ich erst seit wenigen Monaten wieder in der Gießener Gegend wohne, habe ich das nicht mitgekriegt. Aber in jedem Falle ist die Rückkehr von Hoffstetter ein großer Vorteil. (Wobei mich andererseits etwas wundert, dass der nicht anderswo richtig Karriere gemacht hat; er war vor ca. 15 Jahren schon einmal als recht junger Mann GMD in Gießen.) Man muss allerdings einräumen, dass Custer und Lombardi Mazulli anscheinend Gastsänger waren, die nicht zum Ensemble gehören.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • PS: Diese Oper enthält überraschenderweise keine Baßpartie, was unseren lieben Operus nicht sonderlich erfreuen dürfte.

    Lieber Fritz,


    danke für Deinen Bericht über dieses Werk. Auch ich habe jetzt hineingehört und bin ob des Flusses und der Schönheit der Melodien recht beeindruckt. Und selbstverständlich mag ich tiefe Stimmen besonders, aber ich bin ein Stimmenfetischist, der vom Tenor über den Bariton für jede schöne Stimme ob Weiblein oder Männlein dahinschmelzen kann. Nur mit den Countern habe ich so meine Probleme.


    Liebe Grüße nach Wien
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Es ist ganz erstaunlich was an den kleineren Häusern geleistet wird. Das Gießener Philharmonische Orchester hat um die 40 Orchesterstellen. Mit diesem Klangkörper, einen "Holländer" anerkannt gut zu realisieren, ist eine enorme Leistung.



    . Aber in jedem Falle ist die Rückkehr von Hoffstetter ein großer Vorteil. (Wobei mich andererseits etwas wundert, dass der nicht anderswo richtig Karriere gemacht hat; er war vor ca. 15 Jahren schon einmal als recht junger Mann GMD in Gießen.)

    Diesem Dirgenten hat man eine große Karriere vorausgesagt. Erstaunlich und erfreulich, dass er jetzt wieder in Gießen ist und die schwierige Arbeit mit dem knapp besetzten Klangkörper macht. Ich weiß aus langjähriger Erfahrung beim Heilbronner Sinfonie Orchester( 45 Stamm-Musiker und 23 ständige Aushilfen) welche Leistung es ist, mit einem solchen Orchester große Programme zu gestalten. Wir hatten gestern Abend eine "Hommage Á Richard Strauss mit "Rosenkavalier-Suite", "Hornkonzert Nr.1", "Salomes Tanz", "Vier letzte Lieder" und "Till Eulenspiegel." Die Herausforderung wurde glänzend gemeistert, zerrte aber an den Nerven aller Verantwortlichen - auch an meinen. Aber Ende gut - alles gut. Nur wenn wir immer über die Spitzenorchester und die großen Pultstars diskutieren, sollten wir die Leistungen die "David" in der Provinz vollbringt nicht vergessen und besonders würdigen.


    Herzlichst
    Operus

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