Die Beethoven-Zyklen der Wiener Philharmoniker — Welcher ist der beste?

  • Das Erscheinen des Beethoven-Zyklus der Wiener Philharmoniker unter Christian Thielemann hat vor einiger Zeit große Wellen geschlagen. Von manchen als "der Beethoven fürs 21. Jahrhundert" bezeichnet, von anderen als müder Abklatsch vergangener Zeiten, lieferte er zumindest Gesprächsstoff. Die Wiener Philharmoniker legten mit Thielemann ihre mittlerweile sechste Gesamtaufnahme der neun Beethoven-Symphonien vor. Es bietet sich an dieser Stelle an, einen kurzen Überblick über diese sechs Zyklen zu liefern.



    Hans Schmidt-Isserstedt (Decca, 1965—1969)


    Der erste und zugleich heutzutage wohl vergessenste komplette Zyklus stammt aus den 60er Jahren und wurde erstaunlicherweise mit dem heute vergleichsweise unbekannten Dirigenten Hans Schmidt-Isserstedt (1900—1973) eingespielt. Auf dem Markt wird diese Gesamtaufnahme vermutlich eine marginale Rolle spielen, da sie seit Jahren vergriffen ist und nur als Japan-Import erhältlich ist. Einzelne Symphonien sind aber relativ problemlos und kostengünstig auf dem Gebrauchtmarkt zu haben. Interessant wäre zu wissen, wie weit dieser Zyklus zu LP-Zeiten verbreitet war. Ich könnte mir vorstellen, dass der kurz danach erschienene Böhm-Zyklus ihn bereits damals weitgehend verdrängte (?).



    Karl Böhm (DG, 1970—1972)


    Anlässlich des Beethoven-Jahres 1970 entschloss sich die Deutsche Grammophon, eine neue Gesamtaufnahme der Beethoven-Symphonien herauszubringen (der erste Karajan-Zyklus hatte damals auch schon fast ein Jahrzehnt auf dem Buckel). Man entschied sich, wie die Decca kurz davor, für die Wiener Philharmoniker und verpflichtete den eher als Mozart-Spezialisten bekannten Karl Böhm. Dieser Zyklus war zu LP-Zeiten vielleicht populärer als danach. Jahrelang war er nur über DG France, dann über die australische Eloquence-Reihe zu beziehen. Erst 2013 (!) kam er auch auf dem deutschen Markt offiziell in einer CD-Box heraus. Problemlos erhältlich waren davor eigentlich nur die "Pastorale" (DG "The Originals") und die streng genommen nicht zum Zyklus gehörige späte Digitalaufnahme der Neunten von 1980.



    Leonard Bernstein (DG, 1977—1979)


    Bereits wenige Jahre danach erschienen bei der Deutschen Grammophon gleich zwei neue Beethoven-Zyklen: Karajan mit den Berliner Philharmonikern (1976—1977) sowie Bernstein mit den Wiener Philharmonikern (1977—1979). Letzterer wurde zugleich auch gefilmt und liegt heute sowohl auf CD als auch auf DVD vor. Bereits hier handelte es sich streng genommen nicht mehr um "echte" Studioaufnahmen, sondern um Live-Mitschnitte mehrerer Konzerte, die später im Studio nachgebessert wurden. Soweit ich das überblicke, war der Bernstein-Zyklus bereits seit dem frühen CD-Zeitalter ständig erhältlich.



    Claudio Abbado (DG, 1985—1988)


    Ab Mitte der 80er Jahre erschien eine neue Gesamtaufnahme, diesmal unter Claudio Abbado, wieder bei der Deutschen Grammophon. Dieser Zyklus ist auch heute eher als Einzel-CDs zu bekommen, eine Neuveröffentlichung der Box in Anbetracht des kürzlichen Ablebens des Dirigenten aber wahrscheinlich.



    Sir Simon Rattle (EMI, 2002)


    Anderthalb Jahrzehnte vergingen, bis bei EMI der nächste Wiener Beethoven-Zyklus erschien. Mit Sir Simon Rattle hatte man den Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker verpflichten können. Bereits beim ersten Erscheinen des Zyklus hagelte es Kritik, was mehrere Gründe hatte. Insgesamt konnte sich diese Gesamtaufnahme m. E. nie wirklich etablieren.



    Christian Thielemann (Sony, 2008—2010)


    Knapp zehn Jahre später kam bei Sony der nächste und bislang letzte Zyklus heraus. Mit Christian Thielemann hatte man einen der umstrittensten lebenden Dirigenten ans Pult der Wiener Philharmoniker gebeten. Diese Gesamtaufnahme wurde, wie schon bei Bernstein, ebenfalls verfilmt und erschien als CD und DVD sowie erstmals auch auf Blu-ray.



    Hinzu kommt Wilhelm Furtwänglers "Rumpf-Zyklus" (EMI, 1950—1954), der allerdings streng genommen nur die 1., 3., 4., 5., 6. und 7. Symphonie umfasst; der Rest kann mit Live-Aufnahmen ergänzt werden (2. 1948, 8. 1954, 9. 1951, 1952 oder 1953).

    Welcher dieser Zyklen ist eures Erachtens der beste? Welche Einzelaufnahmen ragen hier oder dort besonders heraus? Gibt es überhaupt einen eindeutigen Sieger?


    Liebe Grüße
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wo anfangen bei solch einem Vergleich, fragte ich mich auch, und habe mich entschlossen, mit der heute wohl populärsten Symphonie, der Fünften, gewissermaßen den Startschuss zu geben. Verglichen wurden vornehmlich der Kopfsatz sowie das Scherzo und das Finale.


    Einander gegenübergestellt wurden folgende Aufnahmen: Furtwängler (1954), Schmidt-Isserstedt (1968), Böhm (1970) und Abbado (1987). Zusätzlich habe ich mir erlaubt, die Live-Aufnahme von Klemperer (1968) dazuzunehmen, was, wie sich zeigen wird, interessante Ergebnisse zutage förderte. Die Aufnahme wurde von Testament sowie vor Jahren auch von der DG veröffentlicht.



    Zunächst einmal die Spielzeiten der fünf Aufnahmen:


    Furtwängler (28.02.-01.03.1954): 8:33 (m. Wh.) - 11:17 - 6:03 - 9:42


    Klemperer (26.05.1968): 8:58 (m. Wh.) - 11:31 - 6:26 - 12:31 (m. Wh.)


    Schmidt-Isserstedt (16.-21.09.1968): 8:10 (m. Wh.) - 10:30 - 6:02 - 9:02


    Böhm (04.1970): 8:37 (m. Wh.) - 10:58 - 6:16 - 9:21


    Abbado (10.1987): 7:57 (m. Wh.) - 10:11 - 5:24 - 11:04 (m. Wh.)


    Alle Dirigenten beachten interessanterweise die Wiederholung im Kopfsatz, aber nur bei Klemperer und Abbado gilt dies auch für den Finalsatz. Abbado hätte ohne diese die schnellste Spielzeit. Von den älteren Aufnahmen ist Schmidt-Isserstedt am flottesten, gefolgt von Böhm und Furtwängler. Klemperer ist eindeutig am langsamsten, was nicht nur an der Beachtung der Wiederholungen liegt.


    Was fällt auf? Bezüglich des Klanges fällt die Furtwängler-Aufnahme als einzige Mono-Aufnahme natürlich ab. Es ist ein ordentlicher, nicht herausragender Klang, ein wenig "eng" und nicht sehr räumlich, aber noch akzeptabel. Durch diesen Nachteil zieht die Einspielung hier den Kürzeren. Der ursprüngliche Rundfunkmitschnitt, der das Klemperer-Konzert (es wurden noch die Vierte und die "Coriolan"-Ouvertüre gespielt) dokumentiert, hat ein überraschend natürliches und räumliches Klangbild (Grundlage war die Veröffentlichung von Testament). Die Decca-Einspielung von Schmidt-Isserstedt ist klarer, direkt, vielleicht sogar etwas zu direkt. Der Unterschied wird im direkten Vergleich mit der DG-Aufnahme von Böhm deutlich, die dunkler und etwas halliger daherkommt. Abbado schließlich hat eine gute Akustik, was sicherlich auch an der deutlich späteren Entstehungszeit liegen dürfte.


    Zur eigentlichen Interpretation:


    Furtwängler ist hier im Studio gar nicht so langsam, wie es das Klischee will. Sein Zugriff ist von Anfang an packend. Typisch für diesen Dirigenten werden die Blechbläser besonders betont, vermutlich auch die Pauken. Allein, die Tontechnik macht hier einen Strich durch die Rechnung, manches kann man eher "erfühlen" als wirklich hören. Diese Studioeinspielung unterliegt in meinen Augen eigentlich allen mir bekannten Live-Aufnahmen des Dirigenten von diesem Werk. Insofern trifft das Klischee "Furtwängler war live viel besser" hier durchaus zu. Im Ganzen wirkt dieses Studioprodukt weniger intensiv als etwa die berühmte erste Nachkriegsaufnahme von 1947 mit den Berliner Philharmonikern. Selbst die Überleitung vom Scherzo zum Finale gerät mit 43 Sekunden überraschend schnell.


    Bei Klemperer, der ja leider keine Gesamtaufnahme mit den Wiener Philharmonikern machte, wird vom ersten Takt an deutlich, dass wir hier eine sehr bedeutungsschwere Interpretation vor uns haben. Spannungsfördernde Rubati zeigen das Genie des Dirigenten, der sehr detailverliebt zur Sache geht. Es ist erstaunlich, wie problemlos sich die Wiener Philharmoniker seinerzeit dem typischen "Old Klemp Style" anpassen konnten. Verglichen mit den beinahe zeitgleich entstandenen Aufnahmen von Schmidt-Isserstedt und Böhm, erkennt man sie gar nicht wieder. Sehr akzentuiert, jede Kleinigkeit betonend, offenbart sich hier ein Musterbeispiel des "Monumentalstils" Klemperers. Zwar ist die Aufnahme nicht ganz so extrem wie die ein Jahr später entstandene in München, doch muss man wohl fraglos vom Spätstil des Dirigenten sprechen. Die Überleitung etwa ist mit 50 Sekunden nur unwesentlich langsamer als in München, aber genauso fesselnd. Im Finale liefert Klemperer eine Lehrstunde in der Durchhörbarkeit der Blechbläserpassagen.


    Die nur wenige Monate später entstandene Aufnahme von Schmidt-Isserstedt ist aus ganz anderem Holz geschnitzt. Die Tempi sind deutlich straffer, der Stil weniger pathetisch, ohne ins Beliebige abzugleiten. Der Ansatz ist deutlich "moderner". Leider sind die Pauken stellenweise so gut wie gar nicht vernehmbar, trotz Decca-Tontechnik. Teilweise hat man den Eindruck, als würde ein wenig "drüber gespielt", es wirkt weniger tiefergehend als bei Klemperer. Ziemlich schwach ist die Überleitung zum Finalsatz (44 Sekunden), für mich ein Höhepunkt, gestaltet. Im direkten Vergleich vermag mich die Einspielung nicht so absolut zu packen.


    Bei Böhm ist der theoretische Ansatz dem Schmidt-Isserstedts nicht so unähnlich. Er ist in jedem Satz nur marginal langsamer. Und doch, in der Ausführung offenbaren sich dann doch Unterschiede: Zum einen wirkt das Orchester dunkler timbriert, woran natürlich die Tontechnik ihren Anteil haben wird. Böhm bringt mehr Pathos ins Spiel, ohne in Klemperer'sche Extreme zu verfallen. Die Pauken sind sehr düster. Überhaupt überwiegt im Kopfsatz ein eher melancholischer Charakter. Sehr gut gelingt Böhm der schöne Übergang zwischen dem Scherzo und dem Finale (46 Sekunden), wo der Paukist nun brillieren kann. Die Posaunen im letzten Satz gehen leider ein wenig im Gesamtklang unter.


    Der jüngsten der hier vorgestellten Aufnahmen, jener von Abbado, merkt man die spätere Entstehungszeit auch interpretatorisch an. Sehr energisch und unpathetisch geht er zur Sache. Trotz der ziemlich zügigen Tempi ist er, hier Klemperer gleich, sehr detailliert. Man hört Dinge, die man zuvor kaum wahrnahm. Schon einem historisch korrekten Ansatz verpflichtet, lässt der Dirigent alle Wiederholungen spielen. Insgesamt wirken die Wiener Philharmoniker hier bereits deutlich kammermusikalischer. Rasant wie die ganze Einspielung auch die Überleitung zum Finalsatz hin, die Abbado in gerade 41 Sekunden absolviert. Ein weiterer Höhepunkt ist dann das Finale selbst.


    Fazit:


    Persönliche Reihung: Klemperer - Abbado - Furtwängler - Böhm - Schmidt-Isserstedt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Danke lieber Joseph II. für diesen interessanten Thread. ich selbst bin augenblicklich nicht in der Lage überall woran ich hier im Forum Interesse habe wirklich nutzbringend teilzunehmen (damit meine ich "vergleichendes Hören") aber ich kann ein wenig über die Wirkung von Aufnahmen zum Zeitpunkt ihres Erscheinens schreiben, da ich diese Zeit ja - wenngleich damals sehr jung - noch miterlebt habe. Und damit sind wir bei der Aufnahme die um 1962 herum schlechthin DIE Referenzaufnahme war - jene unter Herbert von Karajan mit den BERLINER Philharmonikern (für DGG). Man mag einwenden, diese Aufnahme habe hier nichts verloren, da sie ja nicht dem Threadtitel entspräche - aber das ist nicht wirklich richtig - denn quasi ALLE hier besprochenen Aufnahmen hatten unter der Popularität der Karajan Aufnahme zu leiden.
    Die Isserstedt-Aufnahme der Sinfonien wurde mehr oder weniger kaum wahrgenommen - Lediglich die Klavierkonzerte mit Backhaus habe ich um ca 1967/68 - damals bereits als Midprice -Veröffentlichung der Serie Aspekte kennengelernt.


    Karl Böhm: Ich hatte auf LP lediglich die Sinfonien NR 5 und 6 (damals 2 getrennte Langspielplatten - erschienen 1970 und 1972) und war von ihnen wegen ihres dunkleren und fülligeren Klanges gegenüber der Berliner Aufnahme schlechtweg begeistert. Indes- die Platten waren damals teuer - und man hatte schon alle Beethoven Sinfonien unter Karajan. Weitere Käufe wurden aufgeschoben - und an eine Komplettbox erinnere ich mich damals eigentlich nicht.


    Die Abbado-Aufnahmen haben mir bei ihrem Erscheinen eigentlich nicht wirklich gefallen, ich empfand den Klang als dick und die Interpretation dröge - Vermutlich würde ich heute einen anderen Eindruck haben - ein oder 2 CDs aus der Serie sollte ich eigentlich haben.


    Einige Aufnahmen der Rattle Aufnahmen habe ich in meiner Sammlung - zudem war ich bei einer der Aufnahmesitzungen im Wiener Musikverein - es war ein Sonntagvormittagskonzert - anwesend. Die Aufnahmen sollen auf Wunsch der Wiener Philharmoniker entstanden sein - und das Orchester klang moderner und aggressiver als man es von den Wienern gewohnt war (eher auf der Aufnahme als im Konzert) "Das ist nicht mehr MEIN Beethoven " sagte mein unbekannter Sitznachbar in der Loge zu mir....
    Die Aufnahmen waren meiner Meinung nach besser als ihr Ruf. Man vermisste den typischen Klang der Wiener Philharmoniker und man reagiert sauer auf die Behauptung einer Fachzeitschrift, welche die Aufnahme als jene des beginnenden Jahrhunderts bezeichnete. Die Konkurrenz zerlegte die Einspielung indes nach Strich und Faden. Aus meiner Sicht war weder das eine noch das andere richtig. Ich selbst boykottierte diese Aufnahme lange Zeit, weil hier nämlich erstmals das klangverschlechternde COPY-CONTROL System zum Einsatz kam. Erst als EMI von diesem System abrückte begann ich einige der Aufnahmen einzeln - und inzwischen zum Midprice - zu kaufen.


    Christian Thielemann:
    Er kann aus verschiedenen Gründen punkten. Zum einen lässt er den Wiener Philharmonikern ihren KLang und ihre Eigenart. Zum andern wird bei Abhören der Aufnahme klar, daß er weder "wie Furtwängler", noch "wie Karajan" dirigiert, sondern, daß er durchaus seinen eigenen Stil pflegt. Seine Gegner haben dieses Märchen in die Welt gesetzt um ihm zu schaden - und sie haben das Gegenteil erreicht. Die Aufnahme rückte in den Focus, Kritikerpapst Joachim Kaiser adelte sie durch seine Aufmerksamkeit, die er der Aufnahme schenkte, die Wiener Philharmoniker ihrerseits machen aus ihrer Zuneigung zu Thielemann keinen Hehl. Sony hat ein dunkles aber recht räumliches Klangbild abgeliefert.


    Ich würde keinen absoluten Sieger orten - und es auch gar nicht versuchen. Man sollte froh sein, daß es solch eine Auswahl gibt.
    BTW. Die Bernstein Aufnahme habe ich - im Gegensatz zu manchen anderen komplett. Sie ist bis heute ungehört, da ich immer seinen CBS Aufnahmen gegenüber den späteren Aufnahmen der DGG den Vorzug gegeben habe. Aber sollte ich in die LAge kommen , einen hier beschriebenen Vergleich zu hinterfragen - so habe ich sie zur Verfügung.


    Schriebe ich hier, daß ich der 5. Beethoven unter Karl Böhm den Vorzug gäbe - so wäre das ungerecht. Zwar habe ich diese Aufnahme anlässlich des Threads nach langer Zeit wieder gehört - und meine Begeisterung von einst wurde bestätigt - indes ist natürlich doch auch Prägung im Spiel.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Bernstein Aufnahme habe ich - im Gegensatz zu manchen anderen komplett. Sie ist bis heute ungehört, da ich immer seinen CBS Aufnahmen gegenüber den späteren Aufnahmen der DGG den Vorzug gegeben habe. Aber sollte ich in die Lage kommen , einen hier beschriebenen Vergleich zu hinterfragen - so habe ich sie zur Verfügung.


    Ich bin ja auch grosser Anhänger der Bernstein-GA von CBS mit den New Yorker PH (SONY). Möchte aber auch seine wiener GA (DG) nicht missen !
    Höre Dir mal die Beethoven-Sinfonie Nr.1 mit Bernstein / Wiener PH an, wie vollendet und frisch er diese Erste gestaltet und wie TOP diese von den Wiener PH gespielt wird.
    Ich will jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen, aber - Ja, diese ist IMO der New Yorker Aufnahme sogar noch vorzuziehen !


    8-) So etwas würde ich nie ungehört brach liegen lassen !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Josef,


    es ist zwar kein kompletter Zyklus, aber ganz herausragende Aufnahmen der Sinfonie Nr.3,5,7 - :thumbsup: die frühen Aufnahmen von 1958 mit den Wiener PH und Georg Solti.


    Die Fünfte ist ihm hier besser gelungen, als in seinem späteren Aufnahmen mit dem CSO. Diese hat die referenzwürdigen Qualitäten wie meine Favoriten Bernstein / Bayerisches RSO (DG), Karajan / Berliner PH (DG) und P.Järvi (SONY, 2010) - auch wenn den hier einige weniger gerne sehen ! Die Prägung kommt bei uns allen ins Spiel ...



    Decca, 1958, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Wenn man auch Einzelaufnahmen gelten lässt (meinetwegen kein Problem), dann gibt es tatsächlich noch einige interessante Ergänzungen zu machen.


    Von Solti gibt es neben den von Wolfgang genannten Aufnahmen noch eine späte der 5. Symphonie von 1990:



    Dann natürlich noch der unvermeidliche Carlos Kleiber mit der 5. und 7. Symphonie von 1974 bzw. 1975:



    Höchst interessant und an anderer Stelle von mir schon lobend erwähnt, ist auch Szell mit der 5. Symphonie von 1969, eine Aufnahme, die teleton voll liegen könnte:



    Auf keinen Fall vergessen darf man Knappertsbuschs wuchtige Aufnahmen der "Eroica" von 1962 (nicht 1961, wie fälschlicherweise auf dem Cover) und der Siebten von 1954:



    Von Klemperer gibt es neben der Fünften auch die 4. Symphonie aus demselben legendären Konzert von 1968:



    Nicht unter den Tisch fallen darf in dem Zusammenhang auch Karajan mit der Siebten von 1959:



    Weiter oben schon kurz erwähnt, will ich nochmal gesondert auf Böhms letzte Aufnahme der 9. Symphonie von 1980 verweisen, die nicht Teil des Zyklus war:



    Es gäbe noch einiges mehr. Hier findet man die vollständige Auflistung in der kompletten Diskographie der Wiener Philharmoniker, eine eigentlich unverzichtbare japanische Seite, wo in akribischer Kleinstarbeit alles zusammengetragen wurde.

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    – Luís de Camões

  • Ganz so stiefmütterlich wurde der Böhm-Zyklus dann noch nicht behandelt. Seit ca. 1990 waren nicht alle, aber mindestens 1,4,7 und 9 auf DG Resonance CDs zu haben, die 6. kam dann mit Schuberts 5. bei Originals. (Und die französischen Doubles waren ebenfalls erhältlich.)


    Was "Teil-Zyklen" betrifft, so hat Felix Weingartner 3, 7-9 (und evtl. noch eine der ersten beiden) in den 1930ern mit dem Orchester aufgenommen, ein historisch wichtiges Dokument:



    Erich Kleiber die 3. und die 9. in den 1950ern.


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich habe jetzt nochmal in die Aufnahmen von Szell (1969) und Thielemann (2010) hineingehört. Ersterer liefert ein Klangspektakel ersten Ranges ab. Furios und mit viel Energie, dabei niemals gehetzt wirkend. Das ist offensichtlich eine Kunst. Thielemann ist formal langsamer, hat m. E. aber tlw. unschlüssige Tempi. Mal ist er recht breit, um dann in einer unorganischen Weise wieder das Tempo anzuziehen, dass es arg gewollt wirkt. Das Blech geht in der nagelneuen Thielemann-Aufnahme an wichtigen Stellen gnadenlos unter. Wie anders klingt das über 40 Jahre früher bei George Szell! Besonders im Finalsatz weiß dieser durch kluge Tempoverlangsamung die Steigerung bis ins Unendliche zu steigern. Bei Thielemann dagegen arg poliertes Spiel, Crescendi sind wohl fürs Publikum im Rentenalter eingeebnet. Es fehlen einfach die echten Highlights. Schön runterspielen reicht nicht bei dieser Konkurrenz mit demselben Orchester. Und wer ernsthaft meint, mit Thielemann wäre der Böhm-Zyklus quasi neuaufgelegt worden, meint es wirklich böse mit Karl Böhm. Seiner ist packender, was allerdings in den Live-Aufnahmen viel eher noch zum Ausdruck kommt. Ich kann an dieser Stelle nur abermals auf die ganz späte und letzte Aufnahme der Siebten von 1980 verweisen, in der der 86jährige Böhm ein Musterbeispiel an kraftvollem Zugriff abliefert. Eine Böhm-Kopie wird man nicht gleich, indem man dessen (wohl altersbedingtes) Bücken beim Dirigieren imitiert. Ohne jetzt auf Äußerlichkeiten zuviel Wert zu legen, aber Thielemann sieht nicht wirklich würdevoll aus bei seinem Dirigat.

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    – Luís de Camões

  • Chronologisch sind wir bereits bei Weingartner angelangt, daher möchte ich auch Franz Schalk mit der 6. nicht unerwähnt lassen.


    Die wirklich exzellenten Beethovenzyklen scheinen eher aus Berlin oder London oder meinetwegen auch Cleveland ;) zu kommen. Wien schuldet Haydn, Mozart und Beethoven noch jeweils mindestens eine herausragende Gesamtaufnahme. Wenn dies kein (eigentlich verwunderliches) Desiderat darstellt!



    Wie sieht es übrigens mit der Scherchen-GA aus? Die Mitglieder des "Orchesters der Wiener Staatsoper" sollen sich ja angeblich eher aus der Volksoper rekrutiert haben. Waren überhaupt Philharmoniker i. w. S. beteiligt?

  • Die Wiener Philharmoniker kommen aus dem Orchester der Staatsoper. Wenn ich mich nicht irre, müssen sie dort mindestens drei Jahre aktiv gewesen sein, um in den Verein der Philharmoniker aufgenommen zu werden. Nach meinem Eindruck- und nicht nur nach meinem - ist es einer der größten künstlerischen Vorzüge der Philharmoniker, dass sie diese starke Opernerfahrung einbringen. :)


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Bei Aufnahmen wie Scherchen/Westminster kommt verkomplizierend hinzu, dass damals anscheinend die genaue Identität des Orchesters absichtlich verschleiert wurde. Die Wiener Philharmoniker sind eine Untermenge des Orchesters der Staatsoper. Es scheint aber fraglich, ob wenn bei Westminster "Vienna State Opera" steht, es sich tatsächlich eher um das der Volksoper oder umd die weniger distinguierten Mitglieder des damaligen Staatsopern-Pools oder gar um ein zusammengewürfeltes Ensemble handelt. In den 50ern war in Wien auch noch Nachkriegszeit und viele Musiker vermutlich froh um jede Verdienstmöglichkeit.
    Genaueres weiß ich allerdings auch nicht.

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    (Bob Dylan)

  • Bei Aufnahmen wie Scherchen/Westminster kommt verkomplizierend hinzu, dass damals anscheinend die genaue Identität des Orchesters absichtlich verschleiert wurde. Die Wiener Philharmoniker sind eine Untermenge des Orchesters der Staatsoper. Es scheint aber fraglich, ob wenn bei Westminster "Vienna State Opera" steht, es sich tatsächlich eher um das der Volksoper oder umd die weniger distinguierten Mitglieder des damaligen Staatsopern-Pools oder gar um ein zusammengewürfeltes Ensemble handelt. In den 50ern war in Wien auch noch Nachkriegszeit und viele Musik vermutlich froh um jede Verdienstmöglichkeit.
    Genaueres weiß ich allerdings auch nicht.


    Das könnte auch mit der NS-Vergangenheit des Orchesters zusammenhängen. In 1938 wurden die Juden systematisch durch NS-Parteimitglieder ersetzt. Zumindest in GB war das aufgrund der dorthin geflohenen jüdischen Künstler bekannt. Vermutlich wollte man daher unter "falscher Flagge" fahren, zumal alle Nazis im Orchester verblieben.

  • Das Verhälnis zwischen dem Orchester der Staatsoper und den Philharmonikern ist ja bekannt, daher auch meine Frage. Wäre die Bezeichnung "Vienna State Opera" tatsächlich zutreffend, könnte man die Einspielung etwas großzügig den Philharmonikern zurechnen, was deren Diskographie durchaus aufmöbeln würde. Falls es sich jedoch um einen doppelten Etikettenschwindel handelt...


    Meines Wissens hatte die Umetikettierung der (de facto) Wiener Philharmoniker bei Schallplattenproduktionen mit bestehenden Vertragsverhältnissen zu tun. Die These von Felix Merites ist allerdings nicht unplausibel. Doch hätten sich die Konsumenten des britischen Tonträgermarktes so einfach hereinlegen lassen?


    Opernerfahrung scheint in der Tat die Musikalität auch in anderen Bereichen zu fördern. Neben den Wiener Philharmonikern muß in diesem Zusammenhang auch die Dresdner Staatskapelle genannt werden.

  • Doch hätten sich die Konsumenten des britischen Tonträgermarktes so einfach hereinlegen lassen?


    Das Provokationspotential ist einfach geringer. Ich vermute (ich weiß es nicht bestimmt), dass die Wiener Philharmoniker damals in GB als Nazi-Orchester galten. Wären sie unter ihrem tatsächlichen Namen aufgeschienen, hätten sich vielleicht viele Briten eher "gezwungen" gefühlt, dagegen aufzustehen. So konnte man die Chose leichter ignorieren, á la "was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß".

  • Nein, das mit dem Nazi-Orchester glaube ich beim besten Willen nicht. Es wurden ja von anderen Plattenfirmen Aufnahmen mit dem Orchester gemacht und dass man bei weit prominenteren Künstlern alle Augen zudrückte, einem Orchester aber entprechende Vorwürfe gemacht haben sollte, kann ich mir nur schwer vorstellen.


    Ein Punkt sind bestehende Verträge mit anderen Labels. Abgesehen davon konnte ein damaliges "Billiglabel" wie Westminster aber ziemlich sicher auch nicht genügend für die offiziellen Philharmoniker zahlen. Und Staatsoper klingt besser als Volksoper.

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  • Das könnte auch mit der NS-Vergangenheit des Orchesters zusammenhängen.


    Ja klar, die NS-Vergangenheit muss ja für alles herhalten... ;)


    Nein, es ist viel einfacher - wie JR schon angedeutet hat. Die Wiener Philharmoniker hatten einen Exklusivvertrag mit der Decca. Wenn man sich also ein Zubrot verdienen wollte, konnte dies nur unter anderer Flagge erfolgen. Zumeist als Vienna State Opera Orchestra (man liest gelegentlich auch die deutsche Version - Orchester der Wiener Staatsoper). Dabei dürfte das vielleicht gar nicht so falsch gewesen sein. Die Herren Professoren unter den Philharmonikern brauchten den Zusatzverdienst wohl weniger als jene, die "nur" Mitglieder des Opernorchesters waren.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Die Wiener Philharmoniker hatten einen Exklusivvertrag mit der Decca. Wenn man sich also ein Zubrot verdienen wollte, konnte dies nur unter anderer Flagge erfolgen. Zumeist als Vienna State Opera Orchestra (man liest gelegentlich auch die deutsche Version - Orchester der Wiener Staatsoper).


    Bevor ich das gelesen hatte, machte auch ich mich nochmal schlau bei einem sehr guten Kenner der Szene. Es ist, wie Theophilus es schreibt.


    Gruß Rheingold

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  • Ich weiß allerdings nicht mehr genau, woher ich die Info habe, dass sogar Staatsoper gelogen gewesen wäre und tatsächlich das Orchester der Volksoper auf diversen Westminster-Platten zu hören sein soll.
    Bei Scherchens Kunst der Fuge steht "Members of the Viennas Symphony Orchestra and Vienna Radio Orchestra".
    Als Solisten tauchen auf den Westminster-Aufnahmen Musiker unterschiedlicher Wiener Orchester auf, zB Willy Boskovsky als Geiger in den Brandenburgischen Konzerten; leider finde ich keine Info zu Bläsersolisten, aber auf den alten LPs dürfte das vermerkt sein.

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  • Na ja, 1958 ist vielleicht wirklich etwas spät gewesen für solche Ressentiments. Allerdings halte ich es schon für realistisch, dass es bis ca. 1950 so ähnlich hätte ablaufen können. Auf der Seite der DG, die diese Aufnahmen neu herausgebracht hat (http://www.deutschegrammophon.…minster-legacy/start.html) steht " In Amerika waren Neuaufnahmen sehr teuer, aber wie EMI bereits erkannt hatte, gab es in Wien Scharen von versierten Sängern, Instrumentalisten und Orchestermusikern, die dringend Geld brauchten; zudem war Österreich ein weniger heikler Standort als das in Ungnade gefallene Deutschland." Das heißt also, dass die Naziverstrickungen deutscher Musiker (nicht nur der berühmtesten Fälle) nach 1945 schon auf Akzeptanzschwierigkeiten in Westeuropa stießen.



    Ja klar, die NS-Vergangenheit muss ja für alles herhalten... ;)

    Wofür denn noch? Für die niedrige Frauenquote der W. Ph. ? ;)

  • Das heißt also, dass die Naziverstrickungen deutscher Musiker (nicht nur der berühmtesten Fälle) nach 1945 schon auf Akzeptanzschwierigkeiten in Westeuropa stießen.

    Das ist nun wirklich ein sehr heikles Kapitel, lieber Felix, angesichts der Tatsache, dass große Teile Westeuropas selbst in die sehr dunkle Epoche, die 1945 zumindest formal endete, verstrickt waren. Aber das gehört hier nun wirklich nicht her und würde nur Josephs schönen Thread zerschießen.


    Gruß Rheingold

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  • Na ja, 1958 ist vielleicht wirklich etwas spät gewesen für solche Ressentiments. Allerdings halte ich es schon für realistisch, dass es bis ca. 1950 so ähnlich hätte ablaufen können

    Nein. du bringst die Dinge durcheinander. Die Vorbehalte gab es natürlich - unabhängig vom Namen, den sich die Musiker gaben. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.



    In Amerika waren Neuaufnahmen sehr teuer, aber wie EMI bereits erkannt hatte, gab es in Wien Scharen von versierten Sängern, Instrumentalisten und Orchestermusikern, die dringend Geld brauchten; zudem war Österreich ein weniger heikler Standort als das in Ungnade gefallene Deutschland.

    Diese Aussage ist insofern interessant, als sie zwei Dinge verbindet, die in Wirklichkeit nichts miteinander zu tun hatten. Die EMI hat doch damals ohnehin keine Aufnahmen in Amerika gemacht, das kann also kein triftiger Grund für die Aktivitäten in Österreich gewesen sein. Es war sogar noch komplizierter. Die EMI hatte sich nach dem Krieg darauf festgelegt, bis auf weiteres keine Aufnahmen mit deutschen und österreichischen Künstlern zu machen (vielleicht gab es auch eine Blacklist von Künstlern für diese Entscheidung). Walter Legge wollte aber Aufnahmen mit Karajan machen, was von der Firmenleitung nicht erlaubt wurde. Was also tun? Der findige Legge gründete in der Schweiz eine Firma, die als Produzent für die Karajan-Aufnahmen fungierte. Und diese Aufnahmen wurden an die EMI verkauft, die als offizieller Vertrieb agierte, ohne dabei selbst die eigene Maxime durchbrochen zu haben. Damit hatten sie kein Problem....

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Wenn ich einmal auf das Thema zurückkommen darf:


    Es ist kein Geheimnis, dass ich von den bekannten Beethoven-Zyklen der Wiener Philharmoniker den mit Thielemann als Dirigenten favorisiere.
    Mir gefällt das volle, dunkle Klangbild, die Einbeziehung aufführungspraktischer Erkenntnisse hinsichtlich der Spielweise (Artikulation, Dynamik, Phrasierung, Kleindynamik....), Thielemanns rasante Scherzi uvm.
    Wahnsinnig gut finde ich die Pastorale, deren zweiten Satz ich von niemanden derart richtig getroffen gehört habe. Das ist eine Perle der Beethoveninterpretationsgeschichte - und ich glaube, dass sich diese Erkenntnis in den nächsten Jahren vermehrt herumsprechen wird.


    Bei der 9. vermisse ich trotz wohlüberlegter Details und viel Gewicht etwas einen grösseren dramatischen Bogen, wie man ihn vor allem bei Karajan bekommt. Bei der 5. geht es mir ähnlich, wobei man auch sagen muss, dass die Thielemann-Version menschlicher als der im Vergleich etwas kalte Glanz bei Karajan (Karajan DG III) daherkommt. Der ist mir aber erst aufgefallen, als ich die beiden Aufnahmen direkt miteinander verglich. Ich bin froh, dass ich sie beide besitze.


    Für die Symphonien 1,2,4,6,7 und 8 kenne ich kaum etwas, was mich derart anspricht, wobei ich noch sagen muss, dass ich das Finale der 7. auch wieder bei Karajan besonders furios finde.


    Trotz einiger Präferenzen im Einzelnen empfinde ich also zusammengefasst diesen neuen Beethovenzyklus mit Thielemann als besonders gelungen, vor allem im Vergleich zu den anderen Wiener Aufnahmen. Klangtechnisch hat er ohnehin alle Argumente auf seiner Seite.
    Als Blue-ray ist die Produktion sehr zu empfehlen, auch die Gesprächsanteile Thielemanns bei den Bonustracks.


    Danach höre ich übrigens besonders gerne die Wiener Einspielungen mit Claudio Abbado.
    Die Bernstein-Aufnahmen habe ich mir - u.a. auch aufgrund von Meinungen in Tamino- gekauft.
    Meistens entdecke ich beim Hören Dinge, mit denen ich nicht so vollständig einig sein kann, so im Bereich der Phrasierung und für meinen Geschmack manchmal zu schmachtende Übergänge (ganz anders als bei Thielemann, der sie auch auskostet, aber mehr Aufmerksamkeit und Spannung erzeugt), zu lineare Einzeltondynamik. Eine solche gibt es bei Karajan zwar auch, aber er kann es mit anderen Tugenden wieder ausbügeln.



    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Der findige Legge gründete in der Schweiz eine Firma, die als Produzent für die Karajan-Aufnahmen fungierte. Und diese Aufnahmen wurden an die EMI verkauft, die als offizieller Vertrieb agierte, ohne dabei selbst die eigene Maxime durchbrochen zu haben. Damit hatten sie kein Problem....


    An etwas von der Art hatte ich bei meinen Überlegungen gedacht. Jedenfalls, danke für die Erläuterungen!

  • Mein klarer Favorit ist der Beethoven-Zyklus von Bernstein; mitreißend und von tiefer Emotionalität geprägt, gehört er für mich zu den besten Beethoven-Interpretationen überhaupt. Normalerweise lege ich bei Orchesterwerken keinen Wert auf eine DVD, aber Bernstein beim Dirigieren zuzusehen, intensiviert noch das Erlebnis (gilt für Brahms und Mahler gleichermaßen).


    In die Thielemann-Aufnahmen habe ich nur einmal kurz hineingehört und sie dann gelangweilt weggelegt. Von den Einspielungen der letzten Zeit ziehe ich diejenigen von Järvi mit der Deutschen Kammerphilharmonie und von Chailly mit dem Gewandhausorchester der von Thielemann bei weitem vor.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.