Das Experiment


  • Ich habe alles davon gehört! Jede einzelne Note! Das heißt, dass ich das komplette Werk dieses Komponisten, den ich wirklich verehre, gehört habe.
    Von vorn bis hinten habe ich jede einzelne CD durchlaufen lassen.
    Und was hat es bewirkt?
    Sowas mache ich nie wieder!
    Das Fazit ist ernüchternd: Was unbekannt ist, ist zurecht in Vergessenheit geraten. Schätze sind da nicht zu heben. Auch ein Genie hat Allerweltsmusik gemacht. Musik für die Flötenuhr muss der Nachwelt nicht unbedingt überliefert werden.
    Aber nun im Ernst: Die Symphonien sind ohne Frage einzigartig und phantastisch, also auch auf diesen Aufnahmen. Fidelio ist toll, auch ohne Bilder und in allen Fassungen. Die Klavierwerke sind hörenswert bis göttlich. Das Violinkonzert und die Klavierkonzerte kann man immer wieder hören. Aber all die Brotarbeit muss man einfach nicht kennen.
    Es war über lange Strecken einfach nur anstrengend, langweilig. Ja, dieser Heros wurde für mich zunehmend banal. Das kam auch dadurch, dass nat´ürlich die Hits alle am Anfang waren. Und am Ende kamen immer mehr Lieder, schottische und walisische und was weiß ich.
    Beethoven musste halt sein Geld verdienen. Das wird hier sehr deutlich. - Und irgendwie ist es einfach schrecklich und ernüchternd, zu erkennen, wie ein Genie krampfhaft arbeitete, um zu überleben.
    Ich werde so etwas nie wieder tun!!


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Ich bin nicht so in den Einzelheiten des Broterwerbs Deines Heros Beethoven, lieber Klaus2, drin, aber dass der Bonner Meister nur des Mammons wegen auch für uns belanglos erscheinende Musik komponiert haben soll, will mir als Schlußfolgerung dann doch nicht in meinen kleinen Kopf. Irgendwie schwebt mir vor, dass L.v.B. finanziell durch adlige Gönner abgesichert war - wenn auch mit dem Kampf um Erhaltung der "Apanagen".


    Daß Beethoven auch viel "Kleinkram" mit wenig Ewigkeitswert schrieb, nehme auch ich an. Ich persönlich schränke aber ein, daß mir von der Menge walisischer und schottischer Lieder viele gefallen.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Das ganze Beethoven-Werk an einem Stück?
    Wie kommt man auf solche Ideen?
    Gerade bei Beethoven ist eine vernünftige Dosierung angebracht. Und jawoll, er hat Brot und Butter Musik geschrieben, na und?
    Selber schuld und man sollte immer Herr seines eigenen Tun sein, solange es um Freizeit geht.

  • ber nun im Ernst: Die Symphonien sind ohne Frage einzigartig und phantastisch, also auch auf diesen Aufnahmen. Fidelio ist toll, auch ohne Bilder und in allen Fassungen. Die Klavierwerke sind hörenswert bis göttlich. Das Violinkonzert und die Klavierkonzerte kann man immer wieder hören. Aber all die Brotarbeit muss man einfach nicht kennen.

    Gehören Deiner Meinung nach auch die Streichquartette, die Klaviertrios und die Violinsonaten zur "Brotarbeit"? Ich hoffe nicht. :no:

  • Die Volksliedbearbeitungen sind Musik zum Musizieren, nicht zum dutzendweise nacheinander anhören. Abgesehen davon habe ich eine große Schwäche für einige, die ich für verborgene Schätze halte; es gibt auch schon einen Thread dazu. Beethoven wurde für diese Arbeit ganz gut bezahlt, jedenfalls hat er sie offensichtlich durchaus ernst genommen.


    Zwar habe ich keine solche Komplettbox, aber zB auch von den Schottischen etc. Liedern eine GA. Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass es von Beethoven sehr viel Gebrauchsmusik gibt. Auch die anderen Lieder sind oft keine zentralen Werke, aber m.E. durchaus hörenswert und insgesamt eher unterschätzt. An Kammermusik für Bläser o.ä. gibt es nicht so viel und auch die frühen virtuosen Klaviervariationen gehen auf zwei CDs oder so.
    (Die wenigen Jugendwerke wie die Klavierquartette und die "Kurfürstensonaten" finde ich für einen Teenager erstaunlich und sehr hörenswert.)


    Ich hatte nie den Eindruck, dass diese Nebenwerke in der Überzahl seien. Oder dass jemand behauptet hat, alle Schottischen Lieder, Schauspielmusiken und Bläserkammermusik seien überragende Meisterwerke...


    Dazu sollte man vielleicht auch noch sagen, dass Beethoven meistens sehr bewusst ausgewählt hat, welche Werke er "offiziell" mit Opusnummer veröffentlicht hat. Zwar gab es zwischendurch später auch mal Veröffentlichungen von oft weit älteren Werken, um Geld zu verdienen, aber etwa bei op.1 und 2 hat er offensichtlich bewusst ausgewählt und z.B. ein älteres Trio, das ursprünglich inkludiert werden sollte, weggelassen, weil es ihm wohl zu leichtgewichtig erschien (das ist, glaube ich dann WoO 38 oder 39 Es-Dur). Wenn auch nicht so pathologisch selbstkritisch wie Brahms war sich Beethoven sehr wohl bewusst, welche Werke er für wesentlich hielt und welche für "Brotarbeiten".

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Hallo Klaus,


    ehrlich gesagt käme ich nie auf die Idee mir so eine Beethoven-Komplett-Box zu kaufen, geschweige denn - nacheinander anhören zu wollen.
    Gerade von Beethoven habe ich (nach Schostakowitsch) an zweiter Stelle die meisten CD´s. Das liegt zunächst mal an den zahlreichen Vergleichsaufnahmen.


    Vor Jahren habe ich mich auch mal für den "unbekannten Beethoven" interessiert und die abgebildete 9CD-Box "Unbekannte Meisterwerke" bekommen. Natürlich alles (nichtvokale) mal kurz angetestet und was mich interessiert auch komplett gehört (siehe Rückseite mit dem Inhalt der CD-Box).
    Aber es ist dann doch beim Klavierkonzert op.61A (nach dem VC) = schöne Aufnahme mit Webersike/Masur, Meeresstille und glückliche Fahrt op.112 und den frühen Jugendwerken aus der Bonner Zeit, wie das KK WoO7 und Musik zu einem Ritterballett WoO1 geblieben, was ich aus der Box noch hören würde.
    ;) Dazu gibt es von Beethoven zu viele andere Meisterwerke, als dass man seine wertvolle Zeit damit verbringen muss.



    EDEL Classics, 1968-1979, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe die beiden Beiträge, die sich besonders auf die Missa solemnis beziehen, in den entsprechenden Thread verschoben. Meinem Verständnis des Eingangspostings nach geht es um "Haupt"- und Nebenwerke im Oeuvre Beethovens.


    Keine der Messen noch Fidelio oder die 9. Sinfonie ist ein Nebenwerk, das Beethoven zum Broterwerb komponierte. (Angesichts der langen und mühevollen Geschichte von Leonore/Fidelio und der Missa dürfte eher das Gegenteil der Fall sein: Wenn es Beethoven um den schnellen Gulden gegangen wäre, hätte er diese Projekte abgebrochen.)
    Ganz gleich, was überforderte Choristen von ihnen halten. Derartige Kritik gehört daher m.E. in die Threads zu den jeweiligen Werken.

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  • Fidelio ist toll, auch ohne Bilder und in allen Fassungen.


    Das ist leicht übertrieben. Es gibt in dieser Box lediglich den FIDELIO und die gewöhnlich als Erstfassung verstandene LEONORE. Im Einzelnen gibt es viele Unterscheidungen, dass man von mehreren Fassungen sprechen muss. Um darauf einzugehen, würde hier der Rahmen gesprengt. Selbst die Forschung ist sich nicht über alle Details einig. Zurück zum Thema: Ich glaube, ich hätte auch kapituliert vor diesem Brocken und wahrscheinlich nie mehr Beethoven gehört, wenn ich da durch gewesen wäre. Was ich nicht teile, ist die Einschätzung mancher Stücke als zweit- oder drittrangig - nur, weil sie uns nicht so geläufig sind. Selbst die vielen Lieder lassen sich nicht so einfach abtun. Wie schon vor mir gesagt, ich halte auch nichts von derlei Gesamtausgaben, die dann doch keine sind. Meistens bleibt auch die künstlerische Ausführung etwas auf der Strecke. Lieber weniger, dafür besser.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Beethoven musste halt sein Geld verdienen. Das wird hier sehr deutlich. - Und irgendwie ist es einfach schrecklich und ernüchternd, zu erkennen, wie ein Genie krampfhaft arbeitete, um zu überleben.


    So schlecht ging es Beethoven ja nie, dass er um sein Überleben komponieren musste. Vielleicht hat Beethoven das Schreiben (eher mit Klaviersatz versehen) der Lieder ja auch Spaß gemacht. Man muss jedes Erzeugnis auch daran messen, was es will und soll. Man wird einen Zeitschriftenbeitrag eines Schrifstellers auch anders bewerten als einen seiner Romane. Für Flötenuhr wurde übrigens auch von Mozart und Haydn Musik geschrieben - teilweise sehr ansprechende.

  • Man sollte möglichst keine Musik hören, die einen langweilt. Es ist nicht hilfreich, wenn man sich mit dem Hören von Schottischen Liedern quält, wenn einem derlei nicht gefällt. Offensichtlich fand dieses Genre zu Beethovens Lebzeiten auch Liebhaber. Und letztlich gilt das noch bis heute - wie das Vorhandensein dieser Aufnahmen beweist.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ich habe das Thema ja nicht aufgebracht, um über die Qualitäten der einzelnen Stücke zu urteilen, sondern eben über das "Experiment". Und es ist halt wirklich Quatsch, so etwas zu tun. Was einem vorher nicht gefällt, wird es dann auch nicht, die Wahrscheinlichkeit, Besonderes zu entdecken, ist auch sehr gering.
    Sich überhaupt so eine Box anzuschaffen, ist wohl der Fehler. Vor allem, weil ich sowieschon genau die Klaviersonaten z.B. alles schon hatte. Und von den Symphonien habe ich einfach bereits genug.
    Ich mach so etwas nie wieder, denke ich.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Naja, wenn Du schreibst, dass es über weite Strecken einfach nur langweilig gewesen ist, fragt man sich schon, auf welche Werke, außer den Liedern, sich das bezieht.


    Wenn ich nichts von Beethoven kennen würde, hätte ich nach dem Eingangsposting den Eindruck, dass von diesem Komponisten 20-30% der Werke hervorragend sind, der Rest langweilige Routine. Mal abgesehen davon, dass ich auch bei "Routine-Arbeiten" wie den "Schottischen Lieder" u.ä. nicht dieser Ansicht bin, ist das in jedem Falle eine recht eigene Position.

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  • Ich mach so etwas nie wieder, denke ich.


    Ein Experiment kann auch ein negatives Ergebnis bringen, wenn die Versuchsanordnung fehlerhaft ist ;) .
    1. Du hast alles auf einen Sitz durchgehört.
    2. Solche Sammlungen sind enzyklopädisch und nicht dafür gedacht, völlig durchgehört zu werden. Man sollte sie eher als "Nachschlagewerke" betrachten.

  • Nachdem ich diese Beethoven-Biographie durchgelesen habe, kann ich sie weiterempfehlen. In dieser Biographie werden zahlreiche Werke Beethovens erwähnt und manchmal habe ich es bedauert, diese Werke nicht auf CD zu besitzen, um sie anzuhören. Die schottischen Lieder werden natürlich auch erwähnt und auch die finanziellen Hintergründe, die Beethoven zu den Kompositionen veranlaßt haben.
    Beethoven war zwar finanziell abgesichert, trotzdem kam es gelegentlich zu finanziellen Engpässen. Als armer Künstler ist er jedenfalls nicht gestorben, sondern er hinterließ ein kleines Vermögen, das er als Altersvorsorge angesammelt hatte.
    Der "komplette Beethoven" auf CD macht gerade bei wenig bekannten Werken als Nachschlagewerk Sinn.

    mfG
    Michael

  • Ich besitze die komplette Ausgabe der Volksliedbearbeitungen, die bei DG als Box erschienen ist.
    Dann habe ich noch einige Auswahl-CDs. Die beste davon (links) ist leider ziemlich teuer, eine solide Auswahl anderer Lieder und Interpreten kriegt man aber sehr günstig. Man kann auch auf youtube eine Reihe der Stücke anhören.



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  • Ein Experiment kann auch ein negatives Ergebnis bringen, wenn die Versuchsanordnung fehlerhaft ist ;) .
    1. Du hast alles auf einen Sitz durchgehört.
    2. Solche Sammlungen sind enzyklopädisch und nicht dafür gedacht, völlig durchgehört zu werden. Man sollte sie eher als "Nachschlagewerke" betrachten.


    Zunächst danke ich Klaus 2 für die Weitergabe seiner aus dem Beethoven-Experiment gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten. Ich war selbst schon vor der Entscheidung gestanden, mir dieses "Kompendium" anzuschaffen, nachdem ich mit Bach (160 CDs) und Mozart (170 CDs) auch durchwachsene Erfahrungen hinter mir habe. Nun überleg ichs mir nochmal. Die Hauptwerke des Titanen hab ich ohnehin schon alle mehrfach.


    Nun glaube ich nicht, daß es überhaupt machbar, also anhörbar ist, die ganze Sammlung sich am Stück einzuverleiben, wie Felix Meritis vermutet. Dies habe ich so auch nicht herausgelesen. Aber ich stimme völlig überein: Ein Gesamtwerk auf Tonträgern nützt nur dann, wenn es in homöopatischen Dosierungen genossen wird.
    So hatte ich mir die Mozartmessen, die Haydn-Symphonien, die Bachkantaten zugeführt. Folgen werden nun die gerade erstandenen Haydn-Streichquartette.


    Auch die Lektüre bei Tamino hat neuerdings bei mir andere Schwerpunkte bekommen. Opernthreads werde ich wohl für geraume Zeit meiden, um wieder Freude für dieses Genre empfinden zu können.
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • ich finde Klaus' Erfahrung durchaus interessant, ohne dass ich mich freiwillig der gleichen "Folter" aussetzen würde. Insbesondere seine Einsicht, dass man selbst von einem Genie wie Beethoven nicht unbedingt "jeden Schnipsel Musik" haben/kennen muss, kann ich nachvollziehen.


    Auch wenn ich mich eher als Mainstream-Klassikhörer sehe, kann ich diese Einsicht partiell nachvollziehen. In den ersten Jahren, als ich anfing, mich für Klassik zu interessieren, dachte ich mehr enzyklopädisch und wollte von einem Komponisten immer möglich das vollständige Werk haben und kennen, also zumindest "alle Sinfonien", "alle Klavierkonzerte" und "alle Klaviersonaten" usw. . Das habe ich aber irgendwann aufgegeben nachdem ich - jedenfalls für mich - festgestellt hatte, dass die weniger bekannten Werke großer Komponisten meistens nicht zu Unrecht weniger bekannt sind... (Natürlich bestätigen hier Ausnahmen die Regel!).


    Heute habe ich mich eher darauf verlegt, von Werken, die ich sehr mag, unterschiedliche Aufnahmen zu kaufen und zu vergleichen - das finde ich sehr spannend. Also lieber 100 CDs mit Aufnahmen meiner 10 Lieblings-Beethoven-Werke als 100 CDs mit 100 verschiedenen Werken, von denen mir dann nur 10 gefallen...

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • ... zB unter den schottischen/irischen Liedern:




    mehr links poste ich nicht, da die offenbar einfach von den CDs "geklaut" sind. Oben von der Naive-Auswahl (bricht anscheinend ein paar Sekunden zu früh ab), unten von der DG-GA.

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  • Es ist ganz sicher so, dass da einige Schätze verborgen sind. AAAber: auf diese, meine Art wird man sie nicht entdecken! Da bin ich mir mittlerweile sicher. Wer ab und zu mit Lust mal ein oder zwei außergewöhnliche Sachen drannimmt, der mag Erfolg haben, aber das was ich getan habe, ist nicht geeignet, das weiß ich jetzt.
    Und ich gebe Uranus auf jeden Fall recht: Die wirklich guten Sachen haben sich größtenteils durchgesetzt, dass ich kleine Nummer da plötzlich so Sensationen entdecke, das ist schon ziemlicher Quatsch!
    Aber was hier auch mehrmals gesagt wurde, die Box als Nachschlagwerk zu begreifen, das gefällt mir gut und versöhnt mich sehr mit meinem Kauf.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Ich habe einst einige ähnliche experimente gemacht, allerdings niemals in dieser (zeitlichen) Konsequenz. Interessanter Weise fand ich bei Mozart nur sehr wenige Werke, die nicht die "gewohnte" Qualität ausstrahlen. Nun frage ich mich: hat Mozart wirklich (fast nur) Gutes geschrieben? Oder hat meine Lebenslange Liebe zu seiner Musik mich "blind" gemacht?


    Das Beethoven Experiment würde ich mir nicht zutrauen. Jedoch gefiel mir diese Aussage von Johannes:


    "Die Volksliedbearbeitungen sind Musik zum Musizieren, nicht zum dutzendweise nacheinander anhören."


    Ich meine, man muss bei jeder Musik mit bedenken, welchen ZWECK sie verfolgt. Und dieser muss, selbst wenn ein Komponist dafür Geld bekam, nicht "nieder" oder weniger anspruchsvoll sein. Gute Unterhaltungmusik zu schreiben, deren Gestus jener eines Meisterwerkes ist, das alle Aufmerksamkeit an sich zieht, ist doch ohnehin verfehlt.


    Eigentlich sehe ich es so: Der (vielleicht einzige) Zweck von Musik ist, im Zuhörer eine bestimmte Stimmung und Empfindung zu erzeugen (mal abgesehen vielleicht von Schul- oder Lehrwerken, und selbst die sollten nicht durch starke Empfindungen von der Konzentration ablenken, sondern eher diese fördern). Und gute Musik ist einfach jene, der es GELINGT, die beabsichtigte Stimmung oder Empfindung intensiv und authentisch hervorzurufen.


    Dies gilt für heutige Musik ebenso wie für vergangene. Und gute Unterhaltungsmusik, die Freude erzeugen soll, darf kein tiefschürfendes, komplexes Meisterwerk sein. Ich denke nicht, dass man einem Komponisten hierfür Vorwürfe machen kann.

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

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  • Eigentlich sehe ich es so: Der (vielleicht einzige) Zweck von Musik ist, im Zuhörer eine bestimmte Stimmung und Empfindung zu erzeugen


    Ich sehe das so:
    Der einzige Zweck von Musik ist, dass es dem Komponisten gelingt, bestimmte außermusikalische Inhalte, seine Stimmungen, Gefühle, Eindrücke etc. in Musik umzusetzen/auszudrücken (Ausnahmen bestätigen die Regel, z. B. WTK, Kunst der Fuge, Einiges von Cage usw.). Wie das beim Hörer ankommt, darauf hat der Komponist keinen (oder nur sehr beschränkten) Einfluss.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich habe einst einige ähnliche experimente gemacht, allerdings niemals in dieser (zeitlichen) Konsequenz. Interessanter Weise fand ich bei Mozart nur sehr wenige Werke, die nicht die "gewohnte" Qualität ausstrahlen. Nun frage ich mich: hat Mozart wirklich (fast nur) Gutes geschrieben? Oder hat meine Lebenslange Liebe zu seiner Musik mich "blind" gemacht?

    Da Mozart vermutlich der Komponist ist, von dem am meisten "Jugendwerke" (ungefähr die erten 200 Köchelnummern oder so) auf Tonträgern vorhanden und halbwegs bekannt sind, finde ich hier schon erhebliche Unterschiede. Natürlich war Mozart schon mit 15 ein sehr guter Komponist, der sich normalerweise auch nicht "überhoben" hat, so dass man kaum ein wirklich schwaches oder gescheitertes Werk finden wird. Aber zu den 12 frühen Streichquartetten hat mal jemand geschrieben, dass man beinahe von Werk zu Werk merken würde, wie er besser wird. Und selbst das m.E. mit Abstand beste frühe Kammermusikwerk, das erste Streichquintett, ist noch meilenweit von den Haydn gewidmeten Quartetten oder den späten Quintetten entfernt.


    Gewiss sind die allermeisten berühmten Komponisten auch in weniger hervorragenden Werken handwerklich sehr gut und fallen selten unter ein relativ hohes Niveau. Aber selbst wenn ein paar hübsche Stücke dabei sind, hat man m.E. nicht so wahnsinnig viel verpasst, wenn man zB die ersten 20 Sinfonien von Mozart nie gehört hat. Das heißt freilich nicht, dass man normalerweise bereuen würde, sie angehört zu haben, wenn man es denn tut.



    Zitat

    "Die Volksliedbearbeitungen sind Musik zum Musizieren, nicht zum dutzendweise nacheinander anhören. "


    Ich meine, man muss bei jeder Musik mit bedenken, welchen ZWECK sie verfolgt. Und dieser muss, selbst wenn ein Komponist dafür Geld bekam, nicht "nieder" oder weniger anspruchsvoll sein. Gute Unterhaltungmusik zu schreiben, deren Gestus jener eines Meisterwerkes ist, das alle Aufmerksamkeit an sich zieht, ist doch ohnehin verfehlt.

    Diese Sphären waren zur Zeit Beethovens ja noch nicht so scharf getrennt, obwohl die Volkslieder sicher eher in die "Unterhaltungsparte" fallen. Ich meine aber doch, dass man hier auch, zB in dem ersten Lied des zweiten youtube-clips "Sweet were the hours" hören kann, wie sorgfältig Beethoven dieses kleine Stück umgesetzt hat. Leider weiß ich nicht genau, welches Material er bearbeitet hat, man kann vermuten, dass die beiden kontrastierenden Abschnitte "Sweet were the hours..." und der Refrain "Wine, wine, wine, come, bring me wine to cheer me" schon in der Vorlage auftauchen. Aber wie das zugespitzt wird, die schwärmerische Begleitung bei den nostalgischen Abschnitten und das Nachspiel usw. zeigt für mich, dass er diese Arbeit ernst genommen hat. (Wenn ich recht erinnere, stammt ein großer Teil der Bearbeitungen aus den schwierigen Jahren um 1815, als die Geschichte mit dem Neffen begann und Beethoven relativ wenige "große" Werke komponierte, teils aus biographischen Gründen, teils vielleicht auch, weil er sich für das dann folgende "Spätwerk" in mancher Hinsicht musikalisch noch einmal neu orientiert hat.)
    Beim Terzett Womankind (der erste clip) beruht die Wirkung ebenfalls auf Beethovens Satz und Harmonik (wobei ich natürlich wieder die Vorlage nicht kenne). Ebenso wie das oben genannte ist das für mich ein sehr bewegendes Stück, dass mich ähnlich beeindruckt wie "richtige" Lieder (ohne Volksmelodie).

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    (Bob Dylan)

  • Hallo,


    zu Posting Nr. 14: es gibt von Caeyers Buch inzwischen sogar eine preiswerte Sonderausgabe anlässlich des 250-Jahres-Jubiläums des Beck-Verlages (ISBN 978 3 406 65625 5)


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)


  • Für 18,-- erhältlich. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Johannes, ich finde diese Lieder, die du dankenswerterweise vorgestellt hast, wirklich schön und auch gut komponiert! Sie sind abwechslungs- und geistreich. Sie berühren mich innerlich.


    Was übrigens Beethovens eigene Sicht betrifft, so habe ich folgende interessante Informationen gefunden:


    "Thomson [der Verleger der Schottischen Lieder] hatte ... darum gebeten, die Violinstimme so einzurichten, dass sie auch mit der Flöte spielbar sei. Er erhoffte sich dadurch eine Absatzsteigerung. Der Absatz von Beethovens Liedbearbeitungen bliebe weit hinter den ersten Ausgaben mit Bearbeitungen Haydns und Kozeluchs zurück, wofür der Herausgeber Beethovens komplexen Stil verantwortlich machte. Im letzten Brief an Thomson vom Mai 1819 erklärte der wegen der fortwährenden Forderung Thomsons nach Einfachheit verärgerte Beethoven denn auch, dass dies für ihn kein Kriterium sein könne und er sich kaum getraue, diese Werke für seine eigenen auszugeben."


    Quelle: http://www.beethoven-haus-bonn…ellung.id%5d=31568&skip=2


    Man sieht also: Beethoven hatte einen hohen Qualitätsanspruch und wollte sich diesen nicht streitig machen lassen, selbst wo er wusste, das Publikum wäre mit "weniger" sogar zufriedener.


    Lieber Klaus, ich vermute du hast dich an Beethoven schlichtweg überessen! So großartig Beethovens Klaviersonaten beispielsweise sind, wäre es eine Strafe für mich, ohne Pause alle hintereinander hören zu müssen (man kann sich ja auch nicht von Schokolade ernähren...)

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
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  • Zitat Bachiania

    Zitat

    So großartig Beethovens Klaviersonaten beispielsweise sind, wäre es eine Strafe für mich, ohne Pause alle hintereinander hören zu müssen (man kann sich ja auch nicht von Schokolade ernähren...)


    So unterschiedlich sind die Empfindungen: Ich habe vor nicht allzu langer Zeit wieder einmal die vollständigen Sonaten gehört (in der Aufnahme von Korstick) und empfinde es als große Bereicherung, sie hintereinander zu hören, weil man die Entwicklung des Beethoven’schen Klangkosmos so wunderbar nachvollziehen kann. Und ... einzig von Schokolade könnte ich mich auch ernähren :D
    Aber es ist ja gut, daß die Ansichten so unterschiedlich sein können.


    beste Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Ohne Pause alle Scarlatti-Sonaten hintereinander wäre vielleicht so, wie nur Schokolade zu essen. Bei Beethovens Klaviersonaten würde ich das zwar normalerweise auch nicht machen, aber die sind erstens ziemlich abwechslungsreich und zweitens auch nicht soo wahnsinnig viele...


    Der genannte Brief belegt mal wieder den Eigensinn Beethovens und seine Sturheit, selbst bei solchen "Kleinigkeiten".

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  • Lieber Johannes, prinzipiell stimme ich mit dir überein. Jedoch Beethovens Sonaten wirklich konzentriert zu hören ist geistig anspruchsvoll. Für mich sind gerade diese immer wieder ein Musterbeispiel dafür, wie ein Komponist motivische Arbeit verrichtet, wie er innerhalb von Sätzen Klammern schafft und das Material entwickelt, und auch wie er innerhalb ganzer Werke eine zyklische Einheit schafft. Dies bein Hören zu versuchen nachzuvollziehen, sich momentan an das zu erinnern, was war und zu erwarten, was jetzt kommen müsste, um die Struktur nachzuvollziehen (geht natürlich mit dem Notentext wesentlich tiefer und einfacher) ist bei mir nur eine begrenzte Zeit lang "drin".


    Sie freilich einfach zu hören und daneben auch anderes Wahrzunehmen, sich erfeuen lassen von der Kurzweiligkeit und der emotionalen Abwechslung ist wieder anders. Ich habe die Gewohnheit, Werke, die mir gefallen, dann gleich mehrmals zu spielen (z.B. während der Autofahrt) und da kann es dann nach Stunden (ich fahre viel Auto) schon vorkommen, dass ich (in diesem Fall) über ein wenig barocke Kammermusik, ein Schubertlied oder eine Haydn Symphonie recht froh bin ....


    Ich habe übrigens auch alle Haydn Klavierwerke gehört (nicht am Stück). Damit kann man sich auch sehr lange gut gestimmt halten, ohne dass ein Übersättigungseffkt eintritt .... ;)

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Ich habe übrigens auch alle Haydn Klavierwerke gehört (nicht am Stück). Damit kann man sich auch sehr lange gut gestimmt halten, ohne dass ein Übersättigungseffkt eintritt .... ;)


    Volle Zustimmung! Haydns Klaviersonaten sind sogar noch länger und wiederholter "genießbar" als die Beethovens oder Schuberts, weil sie weniger emotionale Hingabe erfordern.

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