Das romantische Violinkonzert - Hyperions zweite Serie

  • Das Sammeln scheint ein Urtrieb des Menschen zu sein und die Marktwirtschaft bedient natürlich gerne jegliche Art von Sammeltrieb. Dies scheint auch ein Prinzip der erfolgreichen Hyperion-Reihe "Das romantische Klavierkonzert" zu sein, die inzwischen über 60 Folgen hat und sicher viele Klavierkonzertaufnahmen von weitgehend un- oder kaum bekannten Komponisten in die Sammleregale gespült hat. Ob die auch alle verkauft worden wären, wenn sie unabhängig einer solchen nummerierten Reihe erschienen wären, ist eine interessante aber nicht zu klärende Frage.


    Was beim Klavierkonzert gut funktioniert - hat man sich bei Hyperion gedacht - müsste doch auch bei anderen Instrumenten klappen, so dass es inzwischen auch eine Reihe mit Violinkonzerten (bisher 14 Folgen) und Cellokonzerten (bisher 4 Folgen) gibt. Was wohl als nächstes kommt? Horn, Klarinette, Trompete?


    Die kürzlich veranstaltete Sonderaktion beim Werbepartner hat einen Schwung an CDs aus allen drei Serien in meine und vermutlich weitere Taminosammlungen gespült und da mir die Streichinstrumente näher sind, eröffne ich jetzt mal Parallelthreads, in denen Aufnahmen auch aus diesen Serien vorgestellt werden können. Solange das Geschäftsmodell funktioniert, wird es da immer wieder neuen Nachschub geben.

  • Es wäre in der Tat erfreulich, würde sich die Serie der Cellokonzerte ebenso reichhaltig wie bei den Violinkonzerten fortsetzen. (Die Klavierkonzerte dürften unschlagbar sein in quantitativer Hinsicht!)


    Was mir besonders gefällt, ist die Tatsache, dass man bei den Klavierkonzerten kleine und mittlere Perlen auch in denkbar entlegenen Gefilden gesucht hat. Erfreulicherweise gibt es doch nicht wenige Pianisten - gerade aus dem angelsächsischen Bereich -, die hier erkennbar gerne Pionierarbeit leisten. Denn die siebenundzwanzigste aktuelle Einspielung von Chopin, Schumann, Brahms oder Tschaikowsky bereitzustellen, scheint mir gerade nicht in der Zielsetzung der Reihe zu liegen.


    Romantische Cellokonzerte, die nicht nur wenige Hörer kennen, scheinen mir nicht viele zu existieren. Lassen wir uns daher überraschen, was es sonst alles gibt!


    Bläserkonzerte - da fürchte ich, dass man wohl eher summarisch eine Serie begründen sollte, will man sich denn auf das 19. Jahrhundert beschränken. Dies mag jedoch an meiner Ignoranz liegen. Mittlerweile besitze ich alle vier CDs mit dänischen Klavierkonzerten. Gekannt hatte ich zuvor kein einziges, attraktiv sind sie praktisch alle:



    Doch das nur nebenbei. Wegen der Violinkonzert-Reihe muss ich erst schauen. Ich bin mir aber sicher, dass ich schon zugegriffen habe. :)


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ich habe bei dem Angebot neulich nur eine CD der Reihe gekauft: Glasunov und Schoeck. Nun ist Glasunovs ein ziemlich bekanntes Konzert, wovon es massenhaft Aufnahmen gibt. Schoecks relativ frühes Werk hatte ich vom Radio? besser in Erinnerung; es ist zwar hörenswert, aber soo viel verpasst man m.E. auch wieder nicht.
    Saint-Saens Konzerte (u.a. Stücke) für Violine und Orchester habe ich neulich ebenfalls gekauft, aber nicht von Hyperion. Zwar scheint mir das 3. zu Recht das mit Abstand bekannteste zu sein, aber der Rest ist auch hörenswert. Ich bin aber insgesamt kein allzu großer Fan der typischen virtuosen Konzerte des 19. Jhds., daher war ich bei all diesen Reihen bislang eher zurückhaltend. So habe ich vor ein paar Jahren mal ein entsprechendes Vox-CD-set gekauft, aber wohl nur einmal angehört...


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    (...) es ist zwar hörenswert, aber soo viel verpasst man m.E. auch wieder nicht.

    Sicher - und bei Klavierkonzerten der zweiten bis dritten Reihe ist das oft genauso.


    Nur: Ich benötige keine fünfzehnte Gesamteinspielung der Beethoven-Sinfonien, nur um festzustellen, dass die neue von 2010 eher an Schuricht erinnert als an Leibowitz, ohne an die beiden anderen heranzureichen. Ein unbekanntes Klavierkonzert interessiert mich einfach. Ich kann mir die Noten anschauen, kann die Ähnlichkeiten zu Schumann und zu Brahms feststellen, kann sagen, was mich anspricht und warum, kann wiederum feststellen, dass es aus ganz bestimmten Gründen weder an den einen noch an den anderen heranreicht, kann vielleicht sogar grübeln, wo ich das Thema schon so ähnlich gehört habe.


    Im Zweifelsfall ist die Entdeckung eines doch recht eigenwilligen Personalstils (oder einer schönen Melodie ...), wovon ich nichts geahnt habe, für mich interessanter - vielleicht auch einfacher - als die (meines Erachtens ohnehin seltene) Entdeckung einer besonders eigenwilligen (und gelungenen!!) neuen Beethoven-Sicht auf die Sinfonien.


    Das mag aber alles subjektiv sein und tut meiner Hochachtung vor Musikenthusiasten wie William B.A. (und anderen) keinerlei Abbruch. Speziell bei den Beethoven-Sonaten reizt mich der Vergleich seit einiger Zeit auch sehr.


    :hello: Wolfgang

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  • Nur: Ich benötige keine fünfzehnte Gesamteinspielung der Beethoven-Sinfonien, nur um festzustellen, dass die neue von 2010 eher an Schuricht erinnert als an Leibowitz, ohne an die beiden anderen heranzureichen. Ein unbekanntes Klavierkonzert interessiert mich einfach.

    Also, mir geht das genauso und ich bin inzwischen auch an einem Punkt angelangt, wo ich bestimmte Stücke kaum noch hören kann, dazu gehören auch einige Beethoven und Brahms Sinfonien oder einige Klavierkonzerte. Und wenn ich mir die Zahl der im Regal stehenden Gesamtaufnahmen anschaue, dann weiß ich, davon werde ich viele gar nicht mehr hören. Deshalb habe ich auch vor, diese wegzugeben.
    Mein Vorsatz ist, mir in Zukunft bis auf wenige besondere Aufnahmen nur noch neues Repertoire zuzulegen. Und oft entdeckt man, dass der Abstand zwischen den berühmten Meisterwerken und denen von sog. Kleinmeistern gar nicht so groß ist. Und letztere klingen frisch und neu und die anderen kann man kaum noch hören.

  • Ich will den Reihen ihre Verdienste gewiss nicht absprechen. In diesem speziellen Fall sind es eben auch meine persönlichen Präferenzen, die mich dazu bringen, dass mir einige "Stichproben" ausreichen; eine Folge mit Cellokonzerten (Volkmann, Gernsheim, Dietrich, Schumann) habe ich neulich ebenfalls gekauft und die finde ebenfalls lohnend.
    (Dagegen haben mich zwei Spohr-Violinkonzerte aus cpos Reihe erheblich gelangweilt....)


    Allerdings besteht ja kein entweder-oder zwischen weniger bekannten Konzerten des 19. Jhds. und der 15. Aufnahme einer Brahms-Sinfonie (so viele habe ich normalerweise auch nicht... nicht ganz, eher so 10... ;)). Es geht auch weder-noch (oder bei Garaguly sowohl-als auch...).

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    (Bob Dylan)

  • Der englische Komponist Charles Villiers Stanford ist am ehesten für sein 7 Symphonien bekannt, von denen ich aber höchstens zwei oder drei kenne. Stanford hat als Komponist der ausgehenden Romantik natürlich auch diverse Solokonzerte geschrieben, darunter 1899 ein großes für die Violine.



    Stanford war kein Innovator sondern hat die vorgegebenen Formen mit seinen Inhalten gefüllt. So hat das 38-minütige Werk die klassischen drei Sätze. Stanfords Klavierkonzert habe ich kürzlich denen empfohlen, die auch der Suche nach Tschaikowsky's 4. Klavierkonzert sind. Das Violinkonzert würde ich als ein BraBruTsch bezeichnen. Natürlich reicht die melodische Erfindung von Stanford nicht ganz an die Vorbilder heran, aber neben viel formelhaftem gibt es doch auch die eine oder andere Stelle die aufhorchen lässt. Sicher kein ganz großes Stück, aber eines gelegentliches Hörens wert - vor allem wenn man den anderen etwas überdrüssig geworden ist. Kein Geringerer als Fritz Kreisler hat das Stück gespielt.


    Der 35-jährige englische Geiger Anthony Marwood hat sich inzwischen recht gut als Solist etabliert und muss sich nach dem hier gebotenen sicher nicht vor bekannteren Namen verstecken. Das Orchesterspiel unter Martyn Brabbins und die Aufnahmetechnik erfüllen die von Hyperion gewohnten hohen Maßstäbe.


    Ich glaube, ich habe eine recht genaue Vorstellung davon, was mich bei den ebenfalls bei Hyperion erschienenen Cellokonzerten Stanfords erwartet :D

  • Zuerst einmal vielen Dank für die Eröffnung dieses und des "CelloThreads". Natürlich war der - vermutlich unverhoffte Erfolg der Serie "The Romantic Piano Concerto" ein gewisser Anstoß das Erfolgsrezept weiter auszureizen - aber vermutlich dachte man auch schon an die Zeit, wo man das gesamte Klavierkonzert-Repertoire des 19. Jahrhunderts abgegrast haben würde.
    Die Serie mit den Violinkonzerten eröffnete man 1998 strategisch recht geschickt mit Saint Saens und seinen 3 Violinkonzerten. Zum einen ist Saint Saens nicht ganz unbekannt, zum anderen sind seine Werke aber auch nicht unbedingt dem Mainstream zuzurechnen.
    Die Drei Violinkonzerte sind indes recht unterschiedlicher Natur, sodass auch für Abwechslung gesorgt ist.
    Ich werde indes hier nur einige Zeile zum Violinkonzert Nr 1 in A-dur op20 schreiben, welches in Wirklichkeit Saint Saens zweites Klavierkonzert war, das Konzert, welches als Nr 2 geführt wird ist indes ein Jahr älter, bekam aber eine höhere Opuszahl, da zwischen Komposition und Uraufführung 20 Jahre vergangen waren.
    Das Werk (op20) wurde 1859 komponiert und dem damals erst 15 Jahre alten Geiger Pablo de Sarasate gewidmet, allerdings erst am 4. April 1867 in Paris uraufgeführt.
    Das relativ kurze Konzert kommt gleich zur Sache und beginnt mit einem Überraschungseffekt. Die Themen sind eingängig, die Solostellen besonders präsent, besonders auf einen Solisten zurechtgeschnitten, der mit seinem Solopart glänzen möchte -. Genau das war es was der Widmungsträger von einem Violinkonzert einforderte. Allerdings versteht es Saint-Saens meisterhaft die Balance zwischen bloßer Virtuosität und musikalischer Substanz zu wahren. Es ist verwunderlich, dass sich das Werk nicht mehr im heutigen Konzertleben hakten konnte, vielleicht aber doch durch seine kurze Gesamtspieldauer (11-14 Minuten) zu erklären.
    Ich habe übrigens in verschiedene Aufnahmen des Werkes hineingehört und bin zu der Überzeugung gekommen, daß die hier vorliegende Einspielung vermutlich die überzeugendste ist - was auch für die Aufnahmetechnik gilt....

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Henri Vieuxtemps war neben Nicolo Paganini und Joseph Joachim vermutlich der berühmteste Geiger des 19. Jahrhunderts. Wie seine Kollegen hat er auch Konzerte für sich und sein Instrument geschrieben, m.W. insgesamt 7. Im Gegensatz zu denen der Kollegen haben sich aber zwei davon (4. + 5.) dauerhaft im Repertoire etablieren können (ja, Paganini 1 inzwischen auch). Zahlreiche Aufnahmen von Größen wie Heifetz, Perlman etc liegen vor. Das liegt sicher u.a. an der höheren musikalischen Substanz dieser Werke. Die Konzerte von Paganini klingen für mich immer wie für die Geige umgeschriebene Belcantoarien. Die Konzerte von Joachim kenne ich nicht gut genug, um zu sagen, was denen fehlt.


    Hier jetzt also die ersten beiden, die in umgekehrter Reihenfolge komponiert wurden. Das sind typische romantische dreisätzige Violinkonzerte. Wer hören will, wie gut Chloe Hanslip (der ich kürzlich ein Portrait bei den großen Geigerinnen widmete) ihr Instrument spielen kann, sollte diese CD mal hören. Da sind wir absolut in der Topliga des Geigenspiels angekommen :rolleyes: . Von den Konzerten gefällt mir das kürzere, zweite besser, das erste ist vielleicht einen Tick zu lang (allein der 1. Satz hat 24 min). Hörenswert sind beide, fest im Repertoire verankern werden sie sich vermutlich nicht.

  • Den beiden auf Folge 7 befindlichen Violinkonzerte dürfte man außerhalb Russlands nur selten im Konzertsaal begegnen. Also wieder ein ideales Feld für unsere Hyperion-Reihe.


    Das knapp 20-minütige Arensky-Konzert ist sicher keiner der ganz großen Würfe der Violinkonzertliteratur. Aber wer den ständig wieder eingespielten Gattungsbeiträgen von Tschaikovsky, Dvorak und Bruch überdrüssig geworden ist, findet hier mal eine Alternative, die sich als gelegentlicher Partner zu diesen Konzerten auf CD sicher eher eignet als die gefühlt 598. Aufnahme des Mendelssohn-Konzertes. Ich finde das Konzert vergleichbar interessant wie das von Glasunow, das immerhin gelegentlich eingespielt wird. Vier Sätze hat das Werk, die allerdings nahtlos ineinander übergehen. Geigerisch dankbar, melodisch gefällig, wenn auch nicht unbedingt eingängig, ist dies ein unproblematisches Werk.



    Ilya Gringolts und dass BBC SO unter Ilan Volkov agieren auf gewohnt hohem Niveau. Das zweite Konzert auf der CD von Taneyew ist mit über 40 min mehr als doppelt so lang. Ich bin gespannt, ob das über die Zeit trägt.



    P.S. 9 der bisher 16 Folgen bietet der Werbepartner aktuell um die Hälfte reduziert an.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hyperion sei Dank, neben der Klavierkonzert-Reihe gibt es Gleiches auch bei den Violinkonzerten. Mir hat es davon das Reger-Konzert angetan:



    Max Reger
    Konzert für Violine und Orchester A-Dur op. 101
    Konzerthausorchester Berlin
    Tanja Becker-Bender, Violine
    Dirigent: Lothar Zagrosek

    Reger meinte, sich bei der Komposition dieses gigantischen Werkes (fast eine Stunde) an Brahms und Beethoven zu orientieren und aufbauend auf einer "durchsichtigen" Instrumentation das Hauptgewicht auf "eindringliche Melodik"zu legen. Der 1. Satz braucht fast so viel Zeit wie das e- Moll-Konzert von Mendelssohn, beginnt in brahmsischem Klang, warm und voll und entwickelt sich episch. Die Solovioline ist stark gefordert mit virtuoser Spielerei, die aus den Themen abgeleitet ist. Träumerische Stimmung bestimmt den 2. Satz mit langen melodischen Linien der Violine. Schließlich das Finale nicht mit pulsierendem Zigeunerblut a la Brahms, sondern mehr mit gelassener Heiterkeit und stillerer Lebensfreude. Das Soloinstrument ist hier besonders stark am orchestralen Geschehen beteiligt. Das ganze Konzert ist eine wahre Herausforderung für die Violinisten, die Geige kommt nur selten zur Ruhe. Dabei gibt ist die Thematik nicht gerade "eingängig", neben der technischen Schwierigkeiten auch ein Grund dafür, dass dieses Konzert nach wie vor nur eine Nebenrolle im Konzertrepertoire spielt.
    Ich habe die Solistin mit diesem Konzert und gleichem Orchester live im vorigen Jahr erlebt, auf der CD sind neben dem Konzert auch die Zwei Romanzen für Violine und kleines Orchester op. 50 enthalten, die schwärmerisch-wehmütig mit kantabler Violinstimme gestaltet sind.


    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Das zweite Konzert auf der CD von Taneyew ist mit über 40 min mehr als doppelt so lang. Ich bin gespannt, ob das über die Zeit trägt.

    Die Antwort auf diese Frage lautet Jein.


    Taneyew hat offensichtlich seiner musikalische Fantasie so viel freien Lauf gelassen, dass ihm klar war, das er das Ergebnis nicht als Violinkonzert verkaufen konnte. Dazu sind die 5 Sätze zu disparat. Das Prelude - Grave - ist ein düsteres, brütendes Stück, bei dem schon nach wenigen Takten die Violine einsetzt und das musikalische Geschehen mit großer Brillianz begleitet. Das ist das stärkste Stück Musik, das ich von Taneyew bisher gehört habe. Der zweite Satz Gavotte: Allegro moderato ist wesentlich leichter gestrickt und klingt eher wie der Finalsatz eines konventionellen Konzertes. Es geht weiter mit einem Andantino Märchensatz, melodisch der vielleicht fortschrittlichste mit klaren Bezügen zur Musik von Scriabin, einem seiner Schüler. Der längste Satz ist ein Thema- und Variationensatz mit 8 Variationen, erinnert an ähnliche Sätze bei Tschaikowsky. Das ganze wird mit einer Tarantella beschlossen, sozusagen einem zweiten Finalsatz. Die Geige ist praktisch ununterbrochen im Einsatz, dies dürfte also live eine Tour-de-Force für jeden Geiger sein. Dass Ilya Gringolts im Studio damit keine Probleme hat, war klar und er spielt tonschön und brilliant. Interessantes Stück, wenn auch insgesamt kein großer Wurf. Dafür sind der 2., 4. und 5. Satz zu konventionell.

  • Wenn es um Violinkonzerte der Romantik geht, dann sollte doch LOUIS SPOHR auf keinen Fall fehlen. Da seine Kompositionen qualitativ sehr unterschiedlich erscheinen, bestehen gegen diesen Komponisten und sein Schaffen häufig Vorurteile, bei denen man es aber nicht belassen sollte. Wenn man sich mit seinem Werk näher beschäftigt, wird man feststellen, daß seine Musik eine Fülle sehr interessanter neuartiger Ideen aufweist, deren Realisierung allerdings oft etwas zu überhastet und überladen erfolgte.
    Fast alle seine Kompositionen dachte und gestaltete er von der Violine her, was verständlich ist, da LOUIS SPOHR neben PAGANINI als einer der größten Violinvirtuosen seiner Zeit galt, und selbst als Komponist wurde er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem Atemzug mit BEETHOVEN genannt. Verschiedene Vorbilder blieben nicht ohne Einfluß auf sein Schaffen. Er war ein großer Verehrer MOZARTs, aber auch französische Opernkomponisten wie SPONTINI, CHERUBINI und MÉHUL beeindruckten ihn sehr. So war es für ihn schwierig, diese so gänzlich verschiedenen musikalischen Eindrücke innerlich zu ordnen und verarbeiten, und zu seinem eigenen spezifischen Stil zu finden.


    Abgesehen von der viel beachteten Oper Faust, op. 60, konnte er auf dem Gebiet der Oper keinen bleibenden Erfolg erzielen, was auch für seine 10 Sinfonien gilt. Dagegen erntete er mit Kompositionen für sein Lieblingsinstrument, der Violine, sei es nun in Form von Kammermusik, wie vor allem Form von Violinkonzerten, bis in die heutige Zeit größere Anerkennung.


    Besonderer Beliebtheit erfreut sich hierbei sein Konzert für Violine und Orchester Nr. 8, a-moll, op. 47 "in Form einer Gesangszene", das auch heute immer wieder einmal im Konzertsaal zu hören ist. In den lyrischen Abschnitten läßt SPOHR hier tatsächlich die Geige rezitativ singen, während das Orchester, ähnlich wie bei PAGANINI, eine untergeordnete Rolle spielt. Besonders wenn man dieses Konzert in der Interpretation mit dem 1995 verstorbenen kanadischen Geiger HYMAN BRESS unter dem Dirigat von RICHARD BECK (alte Einspielung bei L'OISEAU-LYRE) hört, kann man sich für dieses Werk durchaus begeistern. Wenistens ergeht es mir so. HYMAN BRESS spielt dieses schwierige Werk technisch brilliant und mit großer Einfühlsamkeit, Intensität und überzeugender Akzentuierung. Ähnliches gilt auch für SPOHR's Violinkonzert Nr. 9 in d-moll, op. 55, das SPOHR weniger prononciert auf die Solovioline zugeschnitten hat, sondern in diesem auch das Orchester sinfonischer ausgestaltet hat.


    HYMAN BRESS hat sich vor allem auch einen sehr guten Namen gemacht durch seine ausgezeichnete Interpretation des TSCHAIKOWSKY Violinkonzerts - jenem ebenfalls wunderschönen romantischem Violinkonzert - mit dem NEW PHILHARMONIA ORCHESTRA unter SIR ADRIAN BOULT, durch seine Einspielung der Viiolinkonzerte von JOSEPH JOACHIM und ERNEST BLOCH, BACH's Partiten für Violine Solo, YSAYE's Sonaten für Violine Solo, er führte GLENN GOULD's Kammermusik mit Violine als erster auf. HYMAN BRESS spielte auf einer der schönsten Guaneris von 1737.


    Viele Grüße
    wok

  • Wenn es um Violinkonzerte der Romantik geht, dann sollte doch LOUIS SPOHR auf keinen Fall fehlen.

    Das ist völlig richtig, lieber Wok, allerdings geht es in diesem thread um die entsprechende CD-Reihe bei Hyperion, in der m.W. nach noch kein Spohr-Konzert erschienen ist.


    Macht aber nichts ;) , für Deinen Beitrag bin ich Dir trotzdem dankbar, da Du auch an den fast vergessenen Geiger Hyman Bress erinnert hast, einige Aufnahmen habe ich auch von ihm, auf alle Fälle das Blochkonzert und wenn ich mich nicht völlig vertue auch den Schönberg, ich muß heute abend mal nachschauen.


    Gönnen wir unseren Lesern auch ein Bild von ihm:



  • Samuel Coleridge-Taylor wurde als Sohn eines afrikanischen Arztes und einer englischen Mutter 1875 in England geboren. Er wurde nur 37 Jahre alt und verstarb 1912 an einer Lungenentzündung. Er erlernte früh die Geige und hatte Kompositionsunterricht bei Charles Villiers Stanford. Das Violinkonzert ist seine letzte Komposition, komponiert für die legendäre englische Geigerin Maud Powell, die es auch 1912 bei den "Proms" aufführte, wenige Wochen nach dem Tod des Komponisten. Sie nahm es auch mit auf Tournee nach Amerika, dann geriet es in Vergessenheit.


    Es ist ein klassisches 3-sätziges halbstündiges Violinkonzert, das den Einfluss des Lehrers und im letzten Satz den von Edward Elgar nicht verleugnet. Das Stück beginnt gleich mit einem dramatischen, eingängigen Motiv, aus dem sich dann der Dialog zwischen Violine und Orchester entwickelt. Ein lyrisches Thema kennzeichnet den zweiten Satz, der wie auch das abschließende Allegro dem Violinisten dankbare Aufgaben stellt. Der Geigenpart ist naturgemäß virtuos angelegt. Also eine runde hörenswerte Sache.


    Was fehlt? Vermutlich nur die Bereitschaft der Veranstalter mal so ein Stück zu programmieren statt der alljährlichen Version von Tschaikovsky und Bruch.


    Über Anthony Marwood und Martyn Brabbins muss man nicht mehr viel sagen, ein überaus verlässliches Team in dieser Serie. Derzeit ist die CD beim Werbepartner um 50% reduziert.

  • Hallo lutgra,


    Vielen Dank für den Hinweis, daß es hier um die CD-Reihe bei Hyperion geht. Das Thema hat mich aber so gereizt, daß ich dies übersehen habe! :)


    Finde ich ja toll, daß Du mit dem von mir sehr geschätzten HYMAN BRESS sogar mehrere Aufnahmen hast! Ja, seine SCHÖNBERG-Interpretationen fanden ebenso hohe Anerkennung wie die von DEBUSSY, BUSONI und nicht zuletzt BARTOK (Violinsonaten 1921 und 1922 mit dem ebenfalls exzellenten CHARLES REINER - übrigens auch Klavierpartner von HENRYK SZERYNG in deren fast unübertrefflichen Einspielung von FRITZ KREISLER-Piecen!).


    Vielen Dank auch für das schöne Foto von HYMAN BRESS, das ich sogleich für meine Interpreten-Kartei verwenden werde!


    Herzliche Grüße aus dem seit Tagen extrem heißen Málaga!


    wok

  • Frederic Baron d'Erlanger (1868-1943) hatte einen deutschen Vater und eine amerikanische Mutter, als Sproß einer einflußreichen Bankiersfamilie hatte er wohl nie finanzielle Probleme. Als junger Mann ging er nach London, arbeitete dort im Familienunternehmen, war Mäzen und später im Aufsichtsrat des LPO. Er hat regelmäßig so "nebenbei" komponiert und seine Musik wurde auch aufgeführt. Ein Ballett von 1935 wurde von Dorati mit den LSO eingespielt.


    Sein Violinkonzert schrieb er 1903, u.a. Fritz Kreisler hat es gespielt. Wenn man es hört, weiss man auch warum? Ein lyrisches, betörend sinnliches Violinkonzert ist das, das vielen berühmteren Konzerten (Korngold etc) durchaus das Wasser reichen kann. Über gut 30 min und in drei Sätzen entfaltet sich ein transparenter Orchesterklang über dem die Violine jubiliert. Für Geigenfans echtes Futter und für den hier tätigen Geiger, Philippe Graffin ebenso. A winner.

  • Der andere Frederic auf dieser CD - Frederic Cliffe - war ein englischer Komponist, 10 Jahre älter als d'Etranger, der nur 6 große Kompositionen hinterlassen hat, darunter 2 Symphonien.


    Als sein Violinkonzert von dem Norwich Festival 1896 in Auftrag gegeben wurde, war Cliffe bereits der Komponist zweier anerkannter Symphonien. Das Violinkonzert wurde von dem aus Budapest stammenden Geiger Tivadar Nachéz am 7. Oktober aufgeführt. Die Londoner Premiere wurde ebenfalls von Nachéz anlässlich eines Konzerts der Philharmonic Society sechs Monate später, am 7. April 1897 gegeben. Nach seinem anfänglichen Erfolg war es beinahe ein Jahrhundert lang nicht zu hören, bis Philippe Graffin es zusammen mit dem Lambeth Orchestra unter der Leitung von Christopher Fifield im Mai 2007 wiederbelebte.


    Das Violinkonzert ist genauso grandios wie das von d'Etranger, womit diese CD eine der heißesten Neuentdeckungen auf diesem Gebiet der letzten Jahre für mich ist, inklusive des mir bisher nur dem Namen nach geläufigen Geigers Philippe Graffin. Für Geigenfreaks ein Muss.


  • Lieber lutgra,


    auch ich habe diese Aufnahme seit einigen Monaten in meiner Sammlung und teile Dein Urteil über die hohe Qualität der beiden Konzerte uneingeschränkt. Besser von beiden gefiel mir allerdings das Werk von d'Erlanger. Allein der Beginn des Finalsatzes fasziniert mich bei jedem Anhören, so gelungen und reizvoll unkonventionell finde ich ihn. Mir fällt zumindest auf die schnelle kein anderer Komponist ein, der sein Finale so - ja mysteriös und zugleich verzückt einleitet. Auch ich kann diese Aufnahme nur weiterempfehlen!


    Beste Grüße
    Christian

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Inzwischen habe auch ich die beiden Konzerte gehört - sogar 2 mal.
    Zunächst muß ich Lutgra beipflichten, wenn er sich begeistert über den Solisten äussert. Da ich bereits eine weitere Veröffentlichung aus der Serie - nämlich die Violinkonzerte von Saint Saens besitze - gibt es wohl bald ein "Wiederhören"
    Zu den Werken selbst; Das Violinkonzert von Frédéric d` Erlanger ist wirklich hörenswert. Mich hat vor allem der Mittelsatz begeistert, mit seinen überirdisch schönen Solostellen.


    Auch das Konzert von Frederic Cliffe ist eine veritable Entdeckung - ich würde es nicht hinter jenes von d`Erlanger stellen.
    Es war ein Überraschungserfolg des damals einunddreissig Jahre alten Komponisten und Pianisten, der nicht von seinen Kompositionen sondern von seinen Auftritten als Klaviervirtuose und Organist. Das Violinkonzert wurde vom Norwich Festival 1896 in Auftrag gegeben und noch im gleichen Jahr dort uraufgeführt, die Londoner Uraufführung fan 1897 statt. Das Konzert war der Höhepunkt einer nur wenige Jahre dauernden Erfolgsphase als Komponist, es geriet bald in Vergessenheit und wurde erst im März 2010 für die hier vorgestellte Aufnahme wieder gespielt....


    Eine Bereicherung des Repertoires sondergleichen....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !