ZitatJohannes Roehl: Das Stück ist alles andere als formlos.
Dem kann ich vorbehaltlos zustimmen, lieber Johannes. Etwas Formloses könnte ja auch nicht goerdnet werden, wäre quasi chaotisch, und wenn eine gegebene Form wie die Sonatensatzform erweitert oder geändert wird, z. B. durch eine Einleitung erweitert, so bleibt doch die Grundform als eine Art Ordnungsprinzip erhalten, oder wenn die Form verändert wird wie z. B. im Finalsatz der Eroica und zu einem Variationensatz wird, so bleibt doch eine Ordnung erhalten. Ohne eine feste Ordnung, die ein kompliziertes Gebilde wie ein mehrsätziges Musikstück zusammenhält, wäre es als Gesamtorganismus undenkbar. Und Formen verändern sich immer wieder entwickeln sich, werden neuen Situationen, Gebräuchen angepasst.
Ich habe erst letztens noch darüber nachgedacht, als ich begann, mich in Haydns Streichquartettwerk einzuarbeiten. Da hatten die ersten 10 Werke noch eine andere Form als die nachfolgenden. Sie waren fünfsätzige Divertimenti, von denen die meisten einen (temporal) pyramidenförmigen Aufbau hatten. Aber Haydn durchbrach auch da schon mal die Form und setzte den Mittelsatz (Adagio) nach vorn, und etwas später wurde diese strenge Pyramidenform (Ecksätze ungefähr gleich lang und am kürzesten, Menuette ungefähr gleich lang und länger, Mittelsatz am längsten) aufgeweicht, und schließlich wurden die Quartette dann ab Nr. 11 viersätzig, und der lange Satz rückte an die dritte Stelle, und er war auch nicht immer im gleichen Tempo, ebenso wie die anderen Sätze, und dennoch ergab sich jedesmal ein vollendeter musikalischer Organismus. So ließen sich noch viele andere Beispiel aus allen Epochen und aus allen Lebensbereichen finden.
Liebe Grüße
Willi