Aufnahmen des 21. Jahrhunderts — Jean SIBELIUS: Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43

  • Die neue Reihe "Aufnahmen des 21. Jahrhunderts" lädt dazu ein, sich daran zu beteiligen. Um "Schlüsselwerke" der Klassik soll es gehen, und es ist wohl recht unstrittig, dass die Zweite von Sibelius ein eben solches darstellt. Sowohl das wohl berühmteste Werk des Komponisten als auch die bei weitem bekannteste nordische Symphonie überhaupt, erfreute sie sich bereits im 20. Jahrhundert einer mehr als respektablen Aufnahmetätigkeit (die frühesten Aufnahmen datieren aus den 30er Jahren, also noch deutlich zu Lebzeiten von Sibelius). Auch Dirigenten, die sich ansonsten kaum mit dem großen Finnen beschäftigt haben, hatten sie im Repertoire. Im angloamerikanischen Raum dank des Einsatzes von Beecham, Barbirolli und Toscanini schon seit 80 Jahren Standardrepertoire, eroberte sie sich im Laufe der Jahrzehnte diesen Platz auch auf dem Kontinent, trotz einseitiger Pamphlete gegen den Komponisten (etwa Adorno oder Leibowitz).


    An die hundert Aufnahmen dieses Werkes wird es mindestens geben, und aus den letzten dreizehn Jahren — also dem uns hier primär interessierenden Zeitraum — gibt es, wie ich anhand einer kurzen Recherche feststellen durfte, doch auch so einiges (u. a. Segerstam, Vänskä, Jansons, Elder, Davis, Berglund, Järvi, Dudamel, Inkinen, Volmer), so dass sich eine Diskussion über Sibelius' op. 43 in diesem Rahmen doch geradezu anbietet. Das baldige Jubliäumsjahr 2015 (150. Todestag) dürfte die Auswahl noch erweitern.


    Kann eine seit dem Jahr 2000 gemachte Aufnahme aber den großen alten Referenzen des 20. Jahrhunderts gefährlich werden, sie gar vom Thron stoßen? Die Diskussion wird es erweisen.


    Beste Grüße
    Joseph


    SINFAU21J

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zuerst fragte ich mich beim Lesen des Titels, ob ich überhaupt "Aufnahmen dieses Jahrtausends" besitze, aber dank Josephs Aufzählung fielen mir spontan doch etliche Aufnahmen ein.
    Allzu detailliert kann ich für den Moment leider nicht einsteigen, da ich die Aufnahmen vor längerem hörte, also nicht mehr in allen Einzelheiten präsent vor Ohren habe.



    Da wäre zuerst Mariss Jansons:


    -eine igs. sehr gelungene Aufnahme, bei der man höchstens kritisch anmerken könnte, daß zum einen die Spielzeit der CD nicht üppig ausgefallen ist und zum anderen, daß Jansons in seiner früherer EMI-Aufnahme mit dem Oslo Philharmonic Orchestra noch frischer, noch intensiver musizieren ließ.



    -die für mich wohl beste Einspielung des neuen Jahrtausends (von Sibelius' 2. Sinfonie). Eine klar strukturierte, gefühlvolle, rasante, aber niemals sentimentale Aufnahme.


    -ein weiterer Finne dirigiert Werke des (musikalisch) berühmtesten Finnen. Die spezifischen Einzelheiten der 2. Sinfonie habe ich nicht mehr exakt im Ohr, aber die Gesamtaufnahme insgesamt als ausgesprochen stimmig abgespeichert.

    Dann noch:



    -eine für mich enttäuschende CD, bei der ich wenig Inspiration und Wagemut, also die Attribute, die "Spitze" von "Mittelmaß" unterschieden, vernommen habe.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert,


    interessant was Du zu Paavo-Järvi (TELARC) schreibst - das hätte ich so gar nicht erwartet.
    :thumbup: Das Erscheinen dieser CD hat mich aber vor vielen Jahren auf den Komponisten TUBIN gebracht und zur Bestellung der Tubin-Sinfonien _ GA (BIS) unter seines Vaters Leitung Neeme Järvi geführt.
    Ich hatte in die Tubin-Hörschnipsel rein gehört und war hocherfreut.


    Vladimir Ashkenazy gehört zu meinen favorisierten Sibelius-Aufnahmen ... allerdings auf Decca.
    Er hat beim Label EXTON auf SACD alle Sibelius-Sinfonien im 21.Jhd mit dem Royal Stockholm PO neu aufgenommen:



    EXTON, 2010, DDD


    ... leider sind die sauteuer ... liegen nur als Einzel-SACD vor ... und da müsste mich erst einmal jemand überzeugen, ob die Anschaffung im Vergleich zu seinen TOP-Philharmonia-Aufnahmen (Decca) überhaupt lohnt und Vorteile bringt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    die Aufnahme hatte ich seinerzeit hauptsächlich wegen Deiner Empfehlung im Thread über Tubin gekauft, aber auch das Werk hat mir nicht so doll gefallen.


    Mir fehlt bei Järvi das Expressive, die Leidenschaft, es ist mir alles zu sehr "heruntergespielt", zu sehr auf Sicherheit bedacht. Und das ist mir bei Sibelius' 2. Sinfonie zu wenig.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Mittlerweile bekamen wir doch schon eine ganz stattliche Anzahl an Aufnahmen zusammen. Das Problem ist für mich, dass viele der Aufnahmen des 21. Jahrhunderts, die ich als sehr empfehlenswert einschätze, nicht offiziell herausgebracht werden. Ich denke an diverse Mitschnitte von Mariss Jansons mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (2006, 2007) sowie besonders Lorin Maazels (New York Philharmonic 2009 und 2013, Los Angeles Philharmonic 2010). Im Januar 2013 dirigierte Maazel in New York eine formidable Aufführung, die in ihrer Monumentalität höchstens von Bernstein (Wien 1986) erreicht wird. Fast 53 Minuten genehmt er sich, aber er schafft es, diese Spielzeit mit einer enormen Spannung zu füllen, vom ersten bis zum letzten Takt. Zahlreiche (sinnvolle) Rubati sind derart ausgeklügelt eingesetzt, dass man meint, ein neues Werk zu hören, selbst wenn man diese Symphonie schon lange kennt. Ich befürchte, dass diese herausragende Aufnahme nicht auf CD erscheinen wird. Ein Jammer und eigentlich einen eigenen Thread wert ("Live-Mitschnitte, die leider niemals kommerziell herauskommen").


    Von den offiziell auf CD erschienenen Aufnahmen ist m. E. Segerstam besonders gut. Der bereits erwähnte Inkinen ist in der Tat auch mehr als respektabel. Dasselbe gilt für Elder.


    Müsste ich aber anhand der kommerziellen Aufnahmen des 21. Jahrhunderts einen Vergleich mit den älteren anstellen, dann wäre mein Wahl bei diesem Werk eindeutig im 20. Jahrhundert (z. B. chronologisch: Toscanini, Beecham, Horenstein, Garaguly, Barbirolli, Roschdestwenskij, Szell, Kondraschin, Berglund, Bernstein usw. usf.).


    Ich warte darauf, dass sich Thielemann dieses Werkes annimmt. Vergeblich? Müsste ihm doch eigentlich liegen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões