Joseph Joachim RAFF - Sinfonie Nr 3 op. 153 "Im Walde"

  • Raffs Sinfonie Nr 3 ist wahrscheinlich seine beliebteste und bekannteste, sie wurde sogar noch gespielt, als alle anderen- die Nr 5 „Leonore“ vielleicht ausgenommen - längst der Vergessenheit anheim gefallen waren. Die viersätzige Sinfonie wurde 1869 komponiert und überarbeitet und erlebte ihre Uraufführung am 17. April 1879 in Wiesbaden. Sie lässt ein wenig die Bewunderung des jungen Raff für Felix Mendelssohn-Bartholdy aber auch für Beethoven erahnen


    Raff gelingt es meisterhaft die Naturstimmung des friedlichen Waldes zu beobachten und musikalisch umzusetzen, sowohl die Themen sind geschickt erfunden als auch die Orchestrierung meisterhaft. Bis in die heutige Zeit ist Raffs sinfonisches Schaffen unterbewertet, auch von „Konzertführern“ die meiner Meinung nach diesen Namen überhaupt nicht verdienen…….


    Die Einteilung der Sinfonie erfolgte in 3 Abteilungen (4 Sätzen)
    1. Abteilung: Allegro – Am Tage. Eindrücke und Empfindungen.


    2. Abteilung: In der Dämmerung.
    Teil A (2. Satz): Träumerei, Largo
    Teil B (3. Satz): Tanz der Dryaden, Allegro assai.

    3. Abteilung: Allegro – Nachts. Stilles Weben der Nacht im Walde. Einzug und Auszug der wilden Jagd mit Frau Holle und Wotan. Anbruch des Tages.


    Raff selbst hat – im Gegensatz zu sonstigen Gepflogenheiten eine relativ genaue Beschreibung seiner Sinfonie hinterlassen – in der blumigen Sprache des 19. Jahrhunderts.


    Hier eine kurze Textprobe zur ersten Abteilung:

    Zitat

    "Den Wanderer lockt es wie mit fernem leisen Grüßen zum Walde, dem er auf bekannten Pfade zuschreitet. Bald tritt er in den smaragdenen Dom, den die ragenden Wipfel über im wölben; ihn befällt jener leise Schauer, welchen man beim Eintritt in unsere gotischen Tempel empfindet, deren Pfeilerbündel uns an die Gruppen schlanker Stämme gemahnen, unter denen wir im Walde dahinschreiten. Da raschelts im Laube, es ist das erschreckte Wild, das den Tritt des Jägers zu vernehmen glaubt. Der Wanderer schreitet ruhig weiter und gibt sich seinen Empfindungen hin, auf seinen Lippen tritt eine einfache Weise, die nicht ohne Melancholie ist........ "etc etc


    Er selbst schätzte die Sinfonie als besonders gelungen ein. Um sie effektiver zu verbreiten fertigte er eigenhändig einen Klavierauszug an - ebenso wie später von seiner Sinfonie Nr 5 "Leonore"


    Wir bedienen uns indes der Tonaufzeichnung...
    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auch wenn ich mit Joachim Hanslick in vielen Punkten seiner Kritik unterschiedlicher Meinung bin, so möchte ich sie dennoch aus historischem Interesse ausschnittweise veröffentlichen. Die Schreibweise wurde der heutigen angepasst, um weniger altertümlich zu wirken. Die Kritik selbst stammt von 1871


    Zitat

    Im Philharmonischen Konzert wurde eine Programm-Sinfonie von joachim Raff mit mäßiger Teilnahme und kargem Beifall gehört. Es ist etwas rätselhaftes um die künstlerische Karriere Raffs, einies Musikers, der doch unstreitig Talent besitzt, alle Handgriffe der Technik kennt, und auch sonst über eine vielseitige Bildung verfügt und trotzdem mit jedem Werke vereinzelt, gleichsam neu anfangend, vor dem Publikum steht. Dabei ist Raff von erstaunlicher Produktivität: Er hat bereits Opus 160 überschritten. In jedem seiner Stücke gibt es höchst anregende Partien, und dennoch hat kein einziges sich in den Konzertprogrammen festgesiedelt, ist kein einziges in Fleisch und Blut der Nation gedrungen. Es fehlt eben der tiefere musikalische Gehalt, die innere Wahrhaftigkeit.
    Auch in der mit geistreichem Raffinement ausgeklügelten und virtuos instrumentierten "Waldsinfonie" vermissen wir allzusehr den substanziellen musikalischen Kern. Die instrumentale Ausdehnung dieser Sinfonie und ihr instrumentaler Luxus stehen in keinem Verhältnisse zu dem kargen musikalischen Ideengehalt. Am leichtersten mag man sich mit dem ersten Satze befreunden, der neben und über den blendenden Orchester-Effektenund Effektchen doch noch einigermaßen sinfonischen Bau und Charakter hat. Aber je weiter wir hören, desto mehr überwuchert dieses aufdringlich flimmernde Detail, diese unersättliche Tonmalerei und Überladung mit einem Schmuck, der kaum mehr erkennen lässt, was denn eigentlich geschmückt wird. In diesem Sinne sieht man in Raffs "Waldsinfonie" den Wald vor lauter Bäumen nicht. Der von den ersten drei Sätzen ermüdete Hörer wird nun schliesslich vom vierten über Gebühr gepeinigt. Dieses Finale trägt die umständliche Aufschrift. "Nachts - Stilles Weben der Nacht im Walde - Einzug und auszig der wilden Jagd mit Frau Holle und Wotan - Anbruch des Tages."
    Der Komponist arbeitet dieses Pensum mit einer entsetzlichen Gewissenhaftigkeit aus. Er stürzt uns in ein wahres Kaleidoskop von Klangfarben und poetischen Bildern - er malt und dichtet soviel, so bunt und so lange, dass wir am Ende vor lauter Poesie und Malerei nicht mehr wissen was Musik ist.


    Habe ich weiter oben geschrieben, ich sei mit Hanslick in vielen Punkten unterschiedlicher Meinung, so stimmt das nicht ganz - viele ist aus meiner Sicht zutreffen. Lediglich ich das Resume halte ich für (bewusst !!) falsch.
    Hanslick nimmt die Vorzüge Raffs und stellt sie als Makel dar. Dazwischen verteilt er Scheinkomplimente, welche sich auf Dinge beziehen, die ohnedies nicht zu übersehen sind, um selbst glaubwürdiger zu wirken und dann seine hinterhältigen Spitzen umso glaubwürdiger placieren zu können. Vielleicht macht sich jemand - und im schlimmsten Falle auch ich selber - die Mühe seine persönlichen Eindrücke über dieses Werk, das neben der 5. Sinfonie Raffs ("Leonore") als beliebteste gilt, zu Papier (bzw. auf den Bildschirm) zu bringen - Immerhin gibt es bereits 3 Einspielungen davon - und eine 4 wird mit hoher Wahrscheinlichkeit folgen...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    clck 76

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe mir heute die Sinfonie Nr 3 "Im Walde" erneut angehört - und sie sehr genossen. Eigenartrigerweise ist der Eindruck bei Raffs Sinfonie . je nach Befindlichkeit des Hörers (also mir) sehr unterschiedlich - und auch die gewählte Aufnahme ist nicht unwichtig.

    Der Unterschied zwischen guter - handwerklich sauber gemachter - Sinfonie und "Meisterwerk" erschliesst sich oft nur nach längerem Hören und mit der "richtigen" Aufnahme. So würde ich beispielswise die "Standardeinspielung" von "Raffs Sinfonien mit den Bambergern unter Hans Stadlmair als gute, aber nicht aussergewöhnliche Aufname sehen. Das wurde mir heute einmal mehr bewusst, als ich die hier erwähnte Sinfonie vorerst in der genannten Besetzung, und sofort danach in der Aufnahme mit dem Milton Keynes City Orchestra (1975-2019) unter seinem Gründer Hilary Davan Wetton.

    Zeitlich geben sich die beiden Aufnahmen nicht viel, Allerdings ist die Gewichtung der ersten beiden Sätze unterschiedlich,

    Wetton ist im ersten Satz fast eine Minute schneller als Stadlmair, lässt sich aber im zweiten Satz mehr Zeit - was IMO dem Werk guttut.

    Die Helios/Hyperion Aufnahme hat mich mehr beeindruckt, vor allem deshalb, weil hier Attacke (wo erforderlich) voll spürbar ist - ohne indes je harsch zu werden.

    Das Werk ist IMO edelste Romantik. Der dritte Satz ist eigentlich "Mendelssohn pur", wogegen mich der Finalssatz ein wenig an Berlioz erinnert...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die 3. Sinfonie war das erste und lange Zeit einzige Werk Raffs, das ich kannte. Damals, beim erstmaligen Hören blieb mir vor allem das faszinierende Finale in positiver Erinnerung.

    Zusammen mit der 5. und 9. Sinfonie gehört sie inzwischen zu meinen Lieblingssinfonien Raffs. Eins Sinfonie, die "Im Walde" heißt und so klingt, ist natürlich der Inbegriff von Romantik. Freilich geht es mehr um Stimmungen und Empfindungen, ganz im Sinne von Beethovens Pastorale, als um Tonmalerei. Auch Mendelssohn, der ohnehin bei Raff oft als Vorbild zu hören ist, findet seinen Niederschlag. Wie von Alfred schon erwähnt ist das am deutlichsten im spukhaften Scherzo der Fall.

    Das Finale bleibt mein Lieblingssatz: Was für eine vielseitige Rhapsodie. Ein bunter Wirbel mit Choral-Coda. Genau das, was Hanslick offensichtlich als ungebührlich empfindet, begeistert mich an dieser Musik. Das wilde Treiben, ein Motiv ist ja sogar Vorbild für den 3. Satz aus Tschaikowkys Pathetique, ist im besten Sinne fantasievoll und virtuos. Der Gegensatz zum choralhaften Tagesanbruch ist immens.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)