XY dirigierte die Oper der Inszenierung angemessen. Das heißt, ohne besondere Spannung oder großer Emotionen. Solide aber mehr auch nicht.

  • Dieses Zitat von Gregor hat mich sofort inspiriert zu einigen Fragen: die Namensnennung spielt keine Rolle, denke ich, weil dieser Satz sicher oft mit einem Dirigenten in Verbindung gebracht wird.


    Glaubt ihr, dass moderne Regieführung sich auf die Interpretation des Dirigenten auswirkt oder ist das nicht eher eine Projektion, dass man die eigene Langeweile beim Betrachten der Ausstattung auf das Musikempfinden überträgt?
    ich kann den Fall erzählen, wo Dietfried Bernet die "spanische Stunde" von Ravel dirigiert hat und die Inszenierung hasste. Er weigerte sich einfach, auf die Bühne zu sehen, was den Sängern gegenüber ein sehr unfaires Verhalten ist.



    und noch wichtiger


    was haltet ihr von typischen "Hausdirigenten", die an den grössten Opernhäusern das Repertoire betreuen, aber sonst kaum in Erscheinung treten?


    sind das für euch zweitklassige Vorstellungen, wenn kein Star am Pult steht?



    Und:
    ist es nicht der riesige Nachteil des Repertoiresystems, dass man sich als Musiker gezwungen sieht, immer und immer wieder dieselben Stücke aufzuführen?
    zB: Die "Vorliebe" der Wiener Philharmoniker für Belcanto Oper dürfte bekannt sein...
    nur zu sagen, das ist eben ein Teil des Berufs, das muss man auf sich nehmen - das führt doch gerade zu einer Abwertung als "lästige Pflicht, die erledigt werden muss"!
    und das bringt mich zu den Anfangssätzen zurück: ohne besondere Spannung und Emotionen, Solide...
    was erwartet man sich denn bei einer Repertoirevorstellung? z.B: der 12. Carmen oder 18.Zauberflöte innerhalb einer Saison?
    ganz zu schweigen von der Anzahl, die sich nach 20 Berufsjahren ergibt...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • nur zu sagen, das ist eben ein Teil des Berufs, das muss man auf sich nehmen - das führt doch gerade zu einer Abwertung als "lästige Pflicht, die erledigt werden muss"!
    und das bringt mich zu den Anfangssätzen zurück: ohne besondere Spannung und Emotionen, Solide...


    Wenn das die Einstellung eines Musikers ist, dann frage ich mich, wie die Einstellung eines Chirurgen ist, der in der Woche 10 Blinddärme rausholt, oder die eines Autoschlossers, der am Tag mehrere Durchsichten machen muß.


    Wenn das lästige Pflicht ist, möchte ich mir lieber den Blinddarm vom Autoschlosser holen lassen. Grauenvoll diese Vorstellung. Ein Musiker, der so denkt, hat den Beruf verfehlt!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • klar... 10 Blinddärme pro Woche, gerechnet auf 15 Dienstjahre... ergibt eine hübsche Menge... Wir hoffen, dass der Chirurg mit voller Konzentration dabei ist


    im Ernst, denkst du, dass sich ein Musiker auf seine 250. Zauberflöte freut?
    und ausserdem ist man irgendwann in dem Alter, wo man den Beruf nicht mehr wirklich wechseln kann, oder?

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Zitat: "XY dirigierte die Oper der Inszenierung angemessen. Das heißt, ohne besondere Spannung oder großer Emotionen. Solide aber mehr auch nicht."


    Lieber Tastenwolf, ich würde dieses Zitat nicht zu ernst nehmen und keine weiterleitenden Schlussfolgerungen ziehen. Warum? Kritiken, die ich lesen, finde ich oft belanglos und nichtssagend. Nur selten noch wird auf den Dirigenten und die sängerischen Leistungen eingegangen. Es wird viel zu viel Raum auf die Inzenierung verwendet, auf die Handlung und auf biographische Einzelheiten der Komponisten. Zuletzt habe ich Kritiken über die neue Zarenbraut in der Berliner Staatsoper gelesen. Die waren in Teilen noch etwas - nämlich devot und anbiedernd.


    Dennoch - ein interessantes Thema hast du uns aufgetan.


    Gruß und Dank Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat

    Glaubt ihr, dass moderne Regieführung sich auf die Interpretation des Dirigenten auswirkt oder ist das nicht eher eine Projektion, dass man die eigene Langeweile beim Betrachten der Ausstattung auf das Musikempfinden überträgt?


    Das hängt sicher sehr von der Persönlichkeit des Dirigenten ab. Manchem wird es egal sein, vereinzelt wird ma sich vermutlich sogar mit der Regie identifizieren - und dann wird es solche geben, deren Qualität durch die Inszenierung beeinflusst, bzw beeinträchtigt wird. Letztlich auch eine Frage des Geldes......Ob der Musiker Langeweile oder Frust etc empfindet ist weniger eine Frage der Umstände, als eine der eigenen Persönlichkeit.


    Zitat

    was haltet ihr von typischen "Hausdirigenten", die an den größten Opernhäusern das Repertoire betreuen, aber sonst kaum in Erscheinung treten?


    Das ist unterschiedlich, aber im Allgemeinen machen die ihre Sache recht ordentlich - oft sogar ausgezeichnet.
    Mir fällt dazu unwillkürlich der Name Rudolf Moralt ein.
    Nicht jeder, der das Zeug dazu hätte, strebt an, die ganze Welt zu bereisen und jeden Tag in einem anderen Hotel zu übernachten.
    "Stars" sind oft nicht "besser" als ihre Kollegen, sonder robuster und flexibler...


    Zitat

    st es nicht der riesige Nachteil des Repertoiresystems, dass man sich als Musiker gezwungen sieht, immer und immer wieder dieselben Stücke aufzuführen?


    Das kann man so oder so sehen. Manch einer wird vorziehen immer wieder dieselben Belcanto- Verdi- und Mozart-Opern zu spielen, als gezwungen zu sein sich mit Musik zu Opern des späten 20. Jahrhunderts befassen zu müssen. Nein - nicht nur hören - auch spielen und das eigene Instrument malträtieren....

    Zitat


    was erwartet man sich denn bei einer Repertoirevorstellung? z.B: der 12. Carmen oder 18.Zauberflöte innerhalb einer Saison?


    Der Ersthörer wird vermutlich auch von einer ordentlichen, routinierten Aufführung begeistert sein - der Stehplatz-Dauerbesucher wird jeden Fehler zum Anlass nehmen, zu mäkeln,
    Wirkliche Sternstunden der Oper sind nicht planbar, auch nicht durch beste Besetzungen zu erzwingen - sie sind unerwartet einfach da - aber selten....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ich finde das Zitat deswegen so gut, weil es eine allgemeine Erfahrung beschreibt, die wir alle kennen.
    (damit meine ich jetzt nicht die Vorwurf, einer schlechten Regie angemessen zu dirigieren...)


    oft erleben wir gerade eben solide Leistungen, nicht mehr. Solide bedeutet auch fehlerfrei und durchaus korrekt, aber man fühlte sich nicht emotional angesprochen.


    ich wollte diesen Zusammenhang zeigen, dass im Extremfall langweilige, aber solide Leistungen auf ein Problem im Musikerberuf hindeutet, nämlich die Quantität an Musik.
    Während ein Klassikfan sich an seinem Lieblingswerk kaum satthören kann, ist es für Musiker anstrengend, die als zu einfach empfundenen Routinearbeiten zu erledigen.
    (das findet man doch in allen Berufen... )


    und ich sehe die unangenehme Seite des Repertoiresystems eben in der Wiederholung.


    ich könnte weitergehend auch die Unterschiede der Orchestermusiker beschreiben... zB: Blechbläser haben während der Zauberflöte mehr Pausen als Einsatztakte... (wenn ich die Celesta spiele, ebenfalls) dieses Warten ist oft viel anstrengender, als dauernd zu spielen.
    die 2.Violinen haben bei Mozart oft unangenehme schnelle Begleitfiguren... hier kommt es zur Ermüdung aufgrund der Überlastung.


    das Beispiel vom Triangelspieler ist ja bekannt.... oder auch der (umstrittene) Beckeneinsatz in Bruckners 7. Symphonie.... ziemlich schwierig, zuerst 20 Minuten regungslos zu sitzen und dann im richtigen Moment derart laut spielen zu müssen!

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Ich muß hierzu ganz offen bekennen, das Gefühl der langeweile überkommt mich seltener in der Oper, vielmehr überkommt es mich beim hören von CDs, zu meist neueren Datums.
    1.Beispiel: Die neue Domingo CD, belangloses Dirigat, die Musik wir einfach nur abgespult.
    2.Beispiel: Die neue Anna Netrebko CD hineingehört im Metropolitan Opera Store.
    Auch hier belangloses Dirigat ohne höhen ohne tiefen, einfach so heruntergeleiert und dann auch noch zu schnell ( Arie der Elisabeth aus Don Carlo ), nach dem Motto je eher wir hiermit fertig sind um so besser für alle beteiligten.
    Frau Netrebko dunkelt hier ihre Stimme künstlich ein, leider auch nicht gerade ein Pluspunkt, die Arien aus dem Trovatore sind dann gelungener, dannach habe ich das Geschäft verlassen.


    3. Beispiel: Roberta Invernizza singt Vivaldi Arien, wunderschön gesungen, herrlich begleitet, es klang alles so schön, so schön gleich , eine Arie wie die nächste.
    Bei der dritten wechselte ich im Flugzeug wieder zu spannenden Literaturverfilmungen, ich glaube es war Iron Man um einigermaßen wieder wach zu werden.
    Die neue Andrea Bocelli CD stand auch noch zur Disposition.
    Ein kurze Zwischenbilanz meiner letzten Hörerlebnisse, die leider fast alle mehr oder weniger als abschreckendes Beispiel dienen könnten zukünftig keine CDs mehr zu kaufen.

  • Repertoireaufführungen müssen nicht langweiliger sein als die Premiere, auch sogenannte Hausdirigenten haben oft, zumal wenn sie von grandiosen Gesangssolisten mitgerissen werden, recht spannende Abende hingelegt.


    Aber natürlich gibt bzw. gab es auch Repertoireaufführungen, in denen man es bereute, anwesend gewesen zu sein.


    Hausdirigenten waren zumeist sehr versierte Orchesterleiter und Sängerbegleiter, wenn ich da hier in Wien an Klobucar, Krips, Varviso, Walberg oder Stein melancholisch zurückdenke ...

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • @SvenDanke, das ist ein neuer und fast erschreckender Aspekt, wenn dir das so deutlich auffällt.


    nachdem es bei der Fabrikation von Klassik Hit CDs - anders würde ich den musikalischen Anspruch manchmal nicht bezeichnen - fast gleichgültig ist, wer die Orchesterbegleitung liefert, muss man sich nicht wundern, wenn hier wirklich nur Töne abgeliefert werden zum Klang der berühmten Stimme.
    Wer hat nochmal bei der Neuvertonung der Carusoaufnahmen dirigiert? ich müsste nachlesen, denn gemerkt habe ich es mir nicht...


    Ein musikalisches Zusammenspiel findet dann nur auf technischer Ebene statt. Schade...


    ich würde aber von der Extremreaktion abraten ... vielleicht gibt es unter den Tamino Empfehlungen ja noch einiges Hörenswerte zu entdecken.
    :thumbup:



    Milletre:
    worauf ich auch noch hinaus will, ist, dass diese Position von z.B: ersten Kapellmeistern manchmal eine sehr undankbare ist, man muss eine Produktion eines anderen "Stardirigenten" nachdirigieren, also teilweise auch nachahmen... und ist mit Aufgaben oft so sehr eingedeckt, dass die eigene Karriere und Möglichkeit, bekannt zu werden, zu kurz kommt.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • im Ernst, denkst du, dass sich ein Musiker auf seine 250. Zauberflöte freut?


    Auch im Ernst. Ich glaube, der Automechaniker wird bestimmt nicht über seinen 250. Öl- oder Räderwechsel vor Freude Purzelbaum schlagen. Ebenfalls nicht der Koch, der sein 250. Wiener Schnitzel in Arbeit hat, oder die Kassiererin an der Kasse, die die Ware des 250. Kunden piepsend über den Scanner schiebt, oder...

    Repertoireaufführungen müssen nicht langweiliger sein als die Premiere

    Das stimmt. Ich durfte gestern aktuell eine großartige Repertoireaufführung live erleben.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • chrissy:


    damit kommen wir immer näher zum Punkt, dass man diesen Musikern zwar keine Pflichtverletzung vorwerfen kann, weil sie - wie der Automechaniker, der Koch, die Kassieren und der Chirurg etc. ihre Arbeit ja korrekt abliefern.


    nur ist Musizieren eben auch zu einem Teil von persönlichem Engagement bzw. emotionaler Beteiligung abhängig, ob der Automechaniker oder der Koch während der Arbeit vor sich hin flucht, oder nicht, ist mir egal, solange das Schnitzel schmeckt und das Auto repariert wurde.
    Korrekte Ausführung allein reicht nicht...
    deswegen entstehen dann uninspirierte Aufführungen oder sogar CDs.


    wie gehen wir damit um?

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • damit kommen wir immer näher zum Punkt, dass man diesen Musikern zwar keine Pflichtverletzung vorwerfen kann, weil sie ihre Arbeit ja korrekt abliefern.
    nur ist Musizieren eben auch zu einem Teil von persönlichem Engagement bzw. emotionaler Beteiligung abhängig,

    Lieber Wolfgang
    Da kommen wir der Sache tatsächlich näher und ich ahne wohl, was und wie Du das meinst.
    Wenn ich Dich also richtig verstehe auf was Du raus willst, es reicht nicht die Noten exakt und perfekt zu spielen /zu singen, sondern man muß als Interpret selbst mit Herz und Seele dabei sein, leidenschaftlich alles geben, sich selbst einbringen und die Noten /die Partie leben. Wenn Du das so meinst, da gebe ich Dir absolut recht.
    Und unsererseits kommt dann hinzu, daß wir uns mit der Interpretation des Ausführenden identifizieren, mit ihm gefühlsmäßig auf einer Wellenlänge sind, weil wir diese Interpretation genau so fühlen. Wir spüren, jeder für sich natürlich unterschiedlich, ob hier nur die Noten sauber wiedergegeben werden, oder ob als Draufgabe noch das "Herzblut" des Interpreten eingeflossen ist.
    Ein eigenes Beispiel. Eine meiner favorisierten ganz großen Lieblingssängerinnen ist "Mirella Freni".
    Ganz sicher gibt es Sängerinnen, die die Traviata oder die Mimi mindestens ebenfalls so hervorragend singen. Nur, was sie für mein Empfinden allen anderen voraus hat, sie singt nicht nur die Noten schön und exakt, sie lebt die Partie, sie ist die Mimi.
    Habe ich Dich richtig verstanden?
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • nur ist Musizieren eben auch zu einem Teil von persönlichem Engagement bzw. emotionaler Beteiligung abhängig (...)

    Ich denke, das trifft auf jeden auszuübenden Beruf zu! Wer seinen Lebensunterhalt nicht mit Liebe zum Beruf verdient, wird kaum Erfüllung finden (sagen die Püschologen, was ich bestätigen kann). Da hat der Berufsmusiker keine Sonderstellung. Den sogenannten Berufsalltag gibt es in jeder Sparte, da geht es überal mal rauf, mal runter. Provokant wäre die Gegenfrage: Wer Berufsmusiker wird, weiß um den auf ihn/sie zukommenden Alltag (mit der zitierten zweihundertfünfzigsten Zauvberflöte). Schreckt das ab? Wenn ja, sollte ein anderer Beruf gewählt werden...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Wer Berufsmusiker wird, weiß um den auf ihn/sie zukommenden Alltag (mit der zitierten zweihundertfünfzigsten Zauvberflöte). Schreckt das ab? Wenn ja, sollte ein anderer Beruf gewählt werden



    Sag ich doch! Und welcher Musiker spielt die Zauberflöte 250 mal? Und wenn, dann sind doch immer Pausen dazwischen, es kommen neue Dirigenten, neue Sänger, neue Mitspieler im Orchester.... Wenn ein Musiker dann keine Reiz mehr empfindet, die Zauberflöte nach vielleicht 30 Berufsjahren zum 251. mal zu spielen, dann stimmt was nicht.


    Um einen Vergleich zur Rockmusik (Chrissy, Ohren gespitzt!!) zu machen: Die Stones haben "Satisfaction" sicher schon mehr als 500 x gebracht, und jedesmal war das Publikum elektrisiert. Soll das ein "klassischer" Musiker nicht auch so sehen?


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Nur selten noch wird auf den Dirigenten und die sängerischen Leistungen eingegangen. Es wird viel zu viel Raum auf die Inzenierung verwendet, auf die Handlung und auf biographische Einzelheiten der Komponisten.


    Das wird wohl daran liegen, dass viele dieser rezensierenden Journalisten auch nicht vom Fach sind. Sie können schlicht nicht über die Leistungen von Dirigenten oder Sängern schreiben, weil da kein Wissen vorhanden ist, weil da keine Parameter zur Einordnung musikalischer Leistungen existieren.


    Das hat auch mit der Gestaltung des Feuilleton-Bereichs insgesamt zu tun: Underground-Performance-Bühne neben großer (Staats-)Oper, Kleinkunstfestival neben Symphonie-Konzert, vielleicht gehen da in mancher Redaktion auch Spezialkompetenzen verloren, weil sicher 'bereichsübergreifend' geschrieben werden muss.
    Und möglicherweise fehlt unter den jungen, angehenden Kulturjournalisten auch der harte Kern der Klassikliebhaber, die es früher zweifelsohne häufiger gegeben hat. Der jüngere, urbane Kulturredakteur geht halt auch mal in die Oper, aber eben auch zu vielen anderen Veranstaltungen, die mindestens ebenso sehr zusagen.


    Über Handlung und Komponistenbiographie kann man immer schreiben: Ersteres bekommt man eh' mit und kann's im Programmheft ablesen und den zweiten Aspekt liefert ein Blick in ein biographisches Buch (oder in Wikipedia :stumm: )


    Grüße
    Garaguly

  • Man kann sicher nicht von einem Künstler, der gerade vor der 250. Vorstellung eines Werkes steht, erwarten, daß er mit dem Vorsatz auf die Bühne geht, nie Dagewesenes abzuliefern und das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Zumal er vielleicht gerade noch darüber nachdenkt, ob sein Kind nun wirklich kein so hohes Fieber mehr hat oder ob er auch wirklich im Bad das Wasser zugedreht hat, oder, oder...
    Was man von einem Künstler erwarten kann, ist das gleiche, was man von einem Kinderarzt, einem Sanitärinstallateur, ... erwarten kann: Daß er nämlich seine Aufgabe ernst nimmt und so gut es ihm möglich ist auch erfüllt. Das sich das Ergebnis dann "solide" und "nicht außergewöhnlich" nennen lassen muß, ist doch ok. Sind wir nicht maßlos verwöhnt, wenn wir immer nur "das Beste", "Sensationelles" und "nie Dagewesenes" haben wollen?


    Ich hatte während des Studiums Gelegenheit, im Leipziger Operettentheater "Kulissen zu schieben" und habe mir natürlich nicht nehmen lassen, alle Vostellungen dann auch aus den Kulissen heraus zu verfolgen. Da blieb es nicht aus, daß ich auch das eine oder andere Gespräch der Sängerinnen und Sänger mitbekommen habe. Dies hat meine Meinung über diesen Berufsstand auf ein realistischen Maß "eingenordet". Kurz, das sind Menschen wie wir auch, die Ihren Beruf lieben oder eben auch nicht so sehr, die ihre guten und schlechten Tage haben und von denen trotzdem immer auf den Punkt gefordert wird, ihr Bestes zu geben.





    :hello:
    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Sind wir nicht maßlos verwöhnt, wenn wir immer nur "das Beste", "Sensationelles" und "nie Dagewesenes" haben wollen?

    Danke, das wollte ich, wenn auch etwas umständlich, ausdrücken...


    dabei liegen wir mit der Einschätzung des Besten, sensationellen etc. ja durchaus richtig.


    es gibt einen künstlerischen Alltag, in dem nur "Normalmass" geboten wird.


    und jetzt würde mich interessieren, wer bereit ist, das zu akzeptieren und den Erhalt des Musikbetriebs zu fördern?


    für mich gibt es den feinen Unterschied zwischen einer perfekten Einspielung eines Werks und einer Livedarbietung.
    letztere mag bei weitem nicht so gut sein, aber sie entsteht im Moment des Hörens und ist genauso schnell auch wieder vorbei.
    das ist für mich der Reiz der Musik - die Konservierung kann diese Atmosphäre nie ersetzen.


    gerade die Aufführung einer Oper ist vom perfekten Zusammenspiel so vieler Menschen abhängig, dass es praktisch nie zu einer fehlerfreien Liveaufführung kommt.


    Ich glaube, es wäre sehr leicht, zu argumentieren, dass ein kleineres Opernhaus schon allein aus Kostengründen nicht schafft, erstklassige Qualität bieten, die im Vergleich mit den modernsten Einspielungen bestehen kann.
    Viele Politiker wären froh, wenn man die Theater endlich zusperren könnte.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • es gibt einen künstlerischen Alltag, in dem nur "Normalmass" geboten wird.
    und jetzt würde mich interessieren, wer bereit ist, das zu akzeptieren und den Erhalt des Musikbetriebs zu fördern?


    Ich unbedingt, das wollte ich mit meinem Beitrag ausdrücken.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Den Repertoire Alltag z.B. an der Rheinoper kenne ich sehr gut, da ich von einer Aufführungsserie einer Oper auch mehrere Vorstellungen besuche. Ich kann mich an Rigoletto Aufführungen in der alten Ponnelle Inszenierung erinnern, da gab es wunderbare Auffürhungen mit Haussängern und Dirigenten. Dann hatten wir für Zwei Vorstellungen einen Gastdirigenten und da tat einem schon beim Zuhören die Ohren weh. Es wurde aufeinmal an Stellen falsch gespielt, die sonst immer geklappt haben. Beim Schlussapplaus als sich der Dirigent beim Orchester bedanken wollte, waren alle schon aus dem Orchestergraben verschwunden. EIn Geiger der Duisburger Sinfoniker sagte mir mal das die Orchester manchmal wie in dem grade geschilderten Fall auch absichtlich falsch oder uninsperiert spielen würden, wenn die Chemie zwischen Dirigent und Orchester nicht stimmen wurde.
    Der Hausdirigent und die Haussänger haben einfach den Vorteil, das sie sich kennen. Und es ist doch logisch, das man bei einer Ptremiere motivierter ist als in der 100. Tosca Abo Vorstellung.

  • Wer, wie ich, immer ein großer Verehrer eines Hausensembles war, war natürlich auch ein Verehrer der Hausdirigenten. Das bessere Wort dafür ist natürlich Kapellmeister. Milletre hat das sehr schön für Wien beschrieben, diese Dirigenten habe ich auch sehr verehrt. In der legendären Grischa-Barfuß-Ära hatten wir in Düsseldorf Alberto Erede und Arnold Quennet, der keine Weltkarriere gemacht hat, aber in Düsseldorf sehr beliebt war und bestimmt ein sehr glückliches Leben hatte. Wenn er ans Pult trat, wusste man, dass einem eine wunderbare Aufführung zu Teil werden würde.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • es gibt einen künstlerischen Alltag, in dem nur "Normalmass" geboten wird.


    Völlig richtig.
    Hier stimme ich Reinhard zu und habe es in anderen Threads früher schon selbst so geäußert. Auch die Künstler, egal wer, sind nur Menschen. Sie können nicht ihre Sorgen oder kleinen Wehwehchen am Bühneneingang für zwei oder drei Stunden abgeben. Die tragen sie auf der Bühne oder im Orchestergraben mit sich rum.

    jetzt würde mich interessieren, wer bereit ist, das zu akzeptieren und den Erhalt des Musikbetriebs zu fördern?

    Ich! Aus eigenem Erleben. Ich habe ein paar unvergeßliche "Sternstunden" erlebt, aber auch Abende, wo es nicht so lief, wo es Schwierigkeiten und Probleme gab. Und ich bin dankbar dafür, dies auch, selbst an einem großen Haus, erlebt zu haben. Weil es die Natürlichkeit, die Realität zeigte. Nämlich, auch das sind normale Menschen wie Du und ich, nur das sie halt andere Fähigkeiten, einen anderen Beruf haben.

    gerade die Aufführung einer Oper ist vom perfekten Zusammenspiel so vieler Menschen abhängig, dass es praktisch nie zu einer fehlerfreien Liveaufführung kommt.

    Es gibt sie, die "Sternstunden", aber nicht oft. Kleine Fehler oder Pannen werden immer mal vorkommen. Aber fehlerfrei bedeutet perfekt. Und nichts ist auf Dauer so langweilig wie Perfektion.

    Ich glaube, es wäre sehr leicht, zu argumentieren, dass ein kleineres Opernhaus schon allein aus Kostengründen nicht schafft, erstklassige Qualität bieten

    Dem widerspreche ich. Ich habe vorgestern eine Oper in erstklassiger Qualität an einem "kleinen Haus" erlebt. Da ist die "große Semperoper" mit ihrem hauseigenem Ensemble bestimmt nicht viel besser. Und was die Inszenierung angeht, sowieso nicht!

    Viele Politiker wären froh, wenn man die Theater endlich zusperren könnte.

    Die machen ja oft ihr eigenes Theater. Wenn auch keine Sänger, aber Schauspieler gibt es dort mehr als genug!
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • EIn Geiger der Duisburger Sinfoniker sagte mir mal das die Orchester manchmal wie in dem grade geschilderten Fall auch absichtlich falsch oder uninsperiert spielen würden, wenn die Chemie zwischen Dirigent und Orchester nicht stimmen wurde.

    ja, das habe ich auch schon von anderen Orchestern gehört...
    ist aber schwer beweisbar...
    unfair, die Zuhörer dafür büssen zu lassen...



    schön, dass das Thema auf Verständnis stösst. :hello:

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)