BERIO, Luciano: EIN KÖNIG HORCHT

  • Luciano Berio (1925-2003):


    EIN KÖNIG HORCHT
    (UN RE IN ASCOLTO)

    Musikalische Aktion in zwei Teilen - Libretto vom Komponisten nach Italo Calvino


    Uraufführung am 7. August 1984 in Salzburg, Kleines Festspielhaus


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Prospero (Bassbariton)
    Regisseur (Tenor)
    Freitag (Sprechrolle)
    Protagonistin (Sopran)
    Sopran I und II
    Mezzosopran
    Drei Sänger (Tenor, Bariton, Bass)
    Krankenschwester (Sopran)
    Gattin (Mezzosopran)
    Doktor (Tenor)
    Advokat (Bass)
    Singender Pianist
    Ein Akkordeonspieler
    Je ein Mime, Bote, Bühnenbildner mit Assistenten
    Eine Schneiderin, eine zu zersägende Dame
    Akrobaten, Clowns, Tänzer (stumme Rollen)
    Tänzer, Artisten, Theaterpersonal, Journalisten, Krankenträger, Geister


    Die Handlung vollzieht sich im Jetzt in Irgendwo.



    INHALTSANGABE


    ERSTER TEIL
    Simultanbühne mit einer Insel und Prosperos Arbeitszimmer.


    Prospero ist Theaterchef und „Der horchende König“ zugleich. In seinem Arbeitszimmer träumt er von einem besseren Theater, ein stets und immerwährendes Problem.


    Währenddessen bereitet sich das gesamte Theaterpersonal, der Regisseur mit seinem Bühnenbildner und dessen Assistenten, die Sänger, Tänzer und Clowns, inmitten eines wuseligen Durcheinanders auf eine Probe von Shakespeares „Sturm“ vor. Durch den Auftritt der "Protagonistin" tritt von einer Sekunde zur anderen Ruhe ein; ohne Störung trägt sie ihre Arie vor. Doch der Regisseur ist nicht zufrieden und Prospero, der aus seinem Arbeitszimmer kam und zunächst beobachtend zugehört hat, unterstützt ihn in seiner Kritik. Die vermutete Einigkeit zwischen den beiden weicht allerdings sehr schnell einem lautstarken Diskurs, der Meinungsverschiedenheiten offenlegt.


    Dann geht die Probe weiter und bietet in den Aktionen des Schauspielers "Freitag", der drei Sänger, der zu zersägenden Dame und der Clowns vollkommene Harmonie. Trotzdem bricht der Regisseur die Probe plötzlich abrupt ab. Die Akteure verlassen die Bühne und machen den Bühnenarbeitern Platz, die eine Meeresdekoration aufzubauen haben.


    Derweil denkt Prospero, der in sein Arbeitszimmer zurückgekehrt ist, über sein Theaterverständnis nach; am Fortgang der Probe von Shakespeares „Sturm“ beizuwohnen, hat er das Interesse verloren. So hört er weder die Arie der Mezzosopranistin noch bekommt er die komische Szene zwischen Freitag und dem Mimen mit, die den Streit Prosperos mit dem Regisseur imitatorisch nachspielen. Plötzlich fühlt sich Prospero unwohl, er sackt, wie bei einem Schwächeanfall, in seinem Stuhl zusammen und ist von seinem nahen Tod überzeugt.



    ZWEITER TEIL
    Gleiches Bühnenbild.


    Wer den Anfall des sich allein in seinem Dienstzimmer aufhaltenden Prospero bemerkt hat, bleibt unklar. Irgendjemand muss es aber dem Regisseur und dem Mimen zugetragen haben, denn die halten sich zu Beginn des zweiten Teils im Direktionszimmer auf. Und beide reagieren sofort: Sie fordern Arzt und Krankenwagen an und versuchen während der Wartezeit den Herrn Theaterdirektor zu beruhigen.


    Fragen über Fragen: Wie kann man dem „König Prospero“ helfen? Die Diskussion wird da abrupt unterbrochen: Es eilen auch noch Prosperos tief besorgte Gattin in Begleitung ihres Rechtsanwalts herbei - vom „Lauffeuer“ informiert? Die Theaterleute habe eine Idee und holen einen Königsthron und einen Königsmantel aus den Kulissen herbei; den Mantel hängt man Prospero um und krönt ihn zum König des immer noch zu probenden Stücks. Hilft das Theaterspielen? Jedenfalls vermischt sich an dieser Stelle die Realität vom Sterben Prosperos mit der Fiktion jenes Theaterstücks. Nachdem die zweite Sopranistin ihre Arie vorgetragen hat, tritt die Protagonistin mit einem bewegenden Abschied auf Prospero auf. Die Schauspieler legen ihre Kostüme ab - Prospero stirbt.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Die Azione teatrale UN RE IN ASCOLTO ist ein Auftragswerk der Salzburger Festspiele. Für das Libretto ließ sich Italo Calvino durch den Essay „L'Écoute“ von Roland Barthes inspirieren und die Figur des Prospero stammt aus Shakespeares „Sturm“ von 1611. Zudem übernahm Calvino in seinem Text Gedanken aus Friedrich Hildebrand von Einsiedels und Friedrich Wilhelm Gotters „Die Geisterinsel“ von 1797 und Wystan Hugh Audens „The Sea and the Mirror“ von 1945.


    Bereits in der UN RE IN ASCOLTO vorangegangenen Oper „Una vera storia“ hatten Berio und Calvino archetypische Theaterfiguren in ein Verdis „Trovatore“ nachgebildetes Geschehen verstrickt, die den Wahrheitsgehalt des Gebotenen ständig in Frage stellt. Auch UN RE IN ASCOLTO stellt immer wieder die Frage nach den Möglichkeiten des modernen Musiktheaters. Berio zeichnet Prosperos Welt mit einer schwirrenden Musik, während kräftige Farben dem eigentlichen Theaterspiel, den bunten Concertati, vorbehalten sind. Für die zu probende Oper wählt Berio dagegen archetypische Versatzstücke wie Arien und Ensembles, die er neu zusammenmontiert.


    Die von Lorin Maazel dirigierte und von Götz Friedrich inszenierte Uraufführung mit Theo Adam in der Titelrolle (sowie Heinz Zednik, Helmut Lohner, Patricia Wise, Karan Armstrong, Sylvia Greenberg, Rohangiz Yachmi, Samy Molcho, Thomas Moser, Alfred Muff, Georg Tichy, und anderen) wurde 1984 auch an der Wiener Staatsoper gezeigt. Es folgten Inszenierungen 1986 der Mailänder Scala, 1989 in London und 1991 in Paris.


    © Manfred Rückert für Tamino-Opernführer 2013
    unter Hinzuziehung des bei der Universal Edition erschienenen Librettos

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    MUSIKWANDERER

    Einmal editiert, zuletzt von musikwanderer ()


  • Aufnahme: 7.8.1984, live, Salzburg, UA
    Dirigent: Lorin Maazel
    Wiener Philharmoniker
    Mitglieder des Chores des ORF Wien
    Chorleitung: Erwin Ortner
    Inszenierung: Götz Friedrich


    Akkordeonspieler: Emil Rieder
    Avvocato: Georg Jonescu
    Bariton-Solo: Georg Tichy
    Bass-Solo: Alfred Muff
    Dottore: Helmut Wildhaber
    Infermiera: Gabriele Sima
    Mezzosopran-Solo: Rohangiz Yachmi
    Mimo: Sammy Molcho
    Moglie: Anna Gonda
    Pianist d. S. I: Stephen Lano
    Pianista: Steven Harrap
    Prospero: Theo Adam
    Protagonista: Patricia Wise
    Regista: Heinz Zednik
    Soprano I: Karan Armstrong
    Soprano II: Sylvia Greenberg
    Tenor-Solo: Thomas Moser
    Venerdi: Helmut Lohner


    Format: Doppel-CD
    Label: Col Legno (Harmonia Mundi)


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Meinen herzlichen Dank für den Hinweis auf eine Aufnahme von Berios "Azione" an Harald. Ich fand nichts bei den Werbepartnern. Da das eingestellte Cover keine Verlinkung auf eine entsprechende Ausgabe bei Amazon und jpc zuläßt, darf ich davon ausgehen, daß "zur Zeit" nichts zu bekommen ist!?


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • aber auf dem marketplace von amazon ab und zu gebraucht - zu Fantasiepreisen: Asin-Nr.: B00002668I

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)