Muss man selbst musizieren/singen/tanzen, um Musik (er)leben zu können???

  • Hallo Taminos,


    zunächst möchte ich sagen, dass ich dieses Forum sehr gern habe und ich Dank vieler Threads neue Komponisten und Einspielungen entdeckt habe und ich mich auch oft nur durch Threads treiben lasse und mich die teilweise witzigen oder trockenen, ausführlichen oder einsilbrigen, rechthaberischen oder lehrbaren, arroganten oder bescheidenen, rüpelhaften oder manierlichen, usw oder usw, Beiträge unterhalten. Ich hoffe, dass Forum bleibt so wie es ist! Zu meiner Frage, aus reinem Interesse.


    Wer von Euch musiziert oder singt auch selbst; egal ob professionell, halbprofessionell oder im privaten Kreis? Und wenn ja, welches Instrument?


    In diesem Forum werden sehr viele Anregungen / Tipps geliefert, aber auch Musikkritik betrieben. Musik ist meiner Meinung nach sehr lebendig und Rythmus und Harmonie dabei essentiell. Jemand, der weder musiziert noch singt, kein Rythmusgefühl in sich trägt und auch, selbst in den eigenen vier Wänden, nicht aus sich herausgehen kann, MUSS doch Musik und in unserem Fall Alte Musik / Klassik, anders wahrnehmen als wie jemand, der zumindest eine der vorher genannten Dinge lebt. Musik wirkt meiner Ansicht nach dann am besten, wenn man sie spürt, sie haptisch über ein Instrument spürt, sie beim eigenen Gesang spürt oder sich selbst beim Tanz hineinsinken lässt. Es gibt auch Musiker, professionelle Musiker, die technisch in der Oberliga sind, aber beim Gefühl, beim Leben / Erleben der Musik happert es.


    In der Oper gibt es Menschen mit Partituren in der Hand, dann gibt es Menschen, die nur so gut wie möglich die Bühne sehen wollen und dann gibt es Menschen, denen die hinterste Ecke reicht, Hauptsache sie können der Musik lauschen und wenn möglich gehen sie auch mit. Hat einmal eine alte Dame hinter mir in der Loge gemacht. Ich wollte mit ihr Sitzplatz tauschen, aber sie lehnte ab. Aber, jeder von diesen Menschen muss doch die Musik anders empfinden, oder nicht?
    Können die Menschen, die zwar Partituren lesen können, aber selbst nicht Musik machen, keinen Rythmus in sich tragen, dann auch die Musik richtig verstehen?



    Eine Freundin von mir spielt wunderbar die kleine Geige in einem Orchester, nur würde sie selbst nie eine CD oder Platte kaufen. Ich glaube sie hat ein paar CD´s, wobei die Hälfte davon Popularmusik ist. Sie meint, dass sie Musik lieber selbst macht, als nur zu hören. Vergleichbar mit Menschen, die gern hobbymäßig Fußball spielen, sich aber selten bsi nie Fußball im Fernsehen ansehen. Auch ein interessanter Ansatz.


    In diesem Forum gibt es soviele Mitglieder, die sich untereinander austauschen, aber wenn bei Jedem der Zugang zur Musik, aus den oben genannten Gründen, verschieden ist, wird es interessant, wenn darüber gefachsimpelt wird. Muss ein Musikkritiker auch zwingend selbst musizieren können?


    Gruß, Peter

  • Deine Eingangsfrage kann man getrost mit Nein beantworten.
    Es gibt hier sehr viele Forenmitglieder, die selber nicht musizieren und trotzdem einen sehr tiefen und intensiven Zugang zur Musik haben. Aber das Spielen eines Musikinstruments kann den eigenen musikalischen Horizont erweitern, vertiefen und ergänzen.
    Ich habe vor gut 2 Jahren mit dem Klavierspielen angefangen. Seitdem nehme ich regelmäßig Unterricht. Alleine das musiktheoretische Wissen, das ich neben dem Spielen vermittelt bekomme, erweitert mein musikalisches Empfinden. Und für mich ist es ein tolles Gefühl, dass selbst ein so abgedroschenes Stück wie Für Elise oder Bachs C-Dur Präludium aus dem WTK I auf einmal ganz anders (im positiven Sinn) klingt, wenn ich es selber spiele. Und der positive Effekt des praktischen Musizierens auf Körper und Geist ist durch viele wissenschaftliche Studien belegt. Ich empfinde beim Klavierspielen Entspannung, Freude und die Lust auf noch mehr Musik. Dabei ist es mir wichtig, ohne Zwang zu musizieren. Ich will damit ja auch kein Geld verdienen oder jemanden beeindrucken. Leistung muss ich im Job und im Alltag schon genug bringen. Da will ich es in meiner Freizeit locker angehen lassen. Das gilt für das eigene Musizieren sowie für das Musik hören.

  • Hallo,


    ich glaube, man kann diese Frage nicht sinnvoll beantworten, weil Musik hören, empfinden, sich von ihr emotional tief bewegen lassen, eine so individuelle Angelegenheit ist, dass ein "Über-einen-Kamm-scheren-Urteil" zu falschen Annahmen kommt.


    Wie kann ich mich in einen Menschen hineinversetzen, der die von dir genannten "Tätigkeiten" noch nie ausgeübt hat, wenn ich selber seit meiner Volksschulzeit im Schulchor mitsingen durfte und seit meinem pubertären Alter in guten bis sehr guten A-cappella-Chören gesungen habe.


    Wie ist es erklärlich, dass eigentlich gute Organisten aus dem deutschsprachigen Raum z. B. bei der Registrierung von franz. Orgelmusik kläglich versagen, während es Schüler/innen aus dem asiatischen Raum an deutschen Musikhochschulen perfekt hinbekommen? Das hat nun wenig mit Übung zu tun (darin diese Menschen meist haushoch überlegen sind), das ist eine Frage des Hineinfühlens in eine für sie an sich fremde Musikkultur.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich habe vor etlichen Jahren gelernt wie man Blockflöte spielt, ich fürchte ich würde heute bei diesem Instrument jämmerlich scheitern.
    Als Kind hatte ich meiner Mutter mal eine Freude mit einer selbsteingespielten Musikcassette machen wollen.
    Ich hörte mir nur die ersten zwanzig Sekunden des eingespielten 2 minütigen Stückes für Blockflöte an, dannach habe ich diese Idee dann ganz schnell wieder verworfen.
    Ich hatte vor Jahren einmal angefangen über die Schule Tennisstunden zu nehmen, richtig gelernt habe ich es nie, ich brauchte immer zwei Felder zum Spielen, sehr zur Freude meiner Mitspieler auf dem Nachbarfeld.
    Da ich auf diesem Wege aber die Regel gelernt habe, sehe ich mir, vor Jahren Intensiver, heute eher seltener ( aus Zeitmangel ) gern Tennisübertragungen an.


    Aber zur Eingangsfrage, nein ich gehe nicht davon aus, daß man selber richtig singen können muß um beurteilen zu können ob ein Anderer richtig singen kann, oder ein Instument beherschen muß um orchestrale Musik gebührend genießen zu können.
    Ich besitze zwar eine recht gute Sprachtechnik ( was die Projektion der Stimme anbelangt, das heißt mich ohne schreien zu müßen in einem größeren Raum auf eine größere Entfernung verständlich zu machen ), aber ich würde nie soweit gehen zu behaupten, das ich deswegen ein begnadeter Sänger wäre.
    Ich hatte vor Jahren mal einen Sänger nach einem Vorsingen gefragt, was man aus meiner Stimme machen könne, bzw. wie diese ungefähr klingen könnte wenn er mit ihr fertig sei.
    Er konnte mir darauf keine Antwort geben, folglich habe ich es gelassen.
    Soviel zum Thema Erfahrungsschatz und die Kunst andere beurteilen zu können.

  • Ich bilde mir ein, ganz gut mit Djemben und Bongos umgehen zu können (mit Tablas allerdings eher nicht, trotzdem: das Gefühl für Rhythmus, meine ich, ist vorhanden), singe im Chor und kann nicht eine einzige Note lesen, was ich allerdings heilen möchte, wenn ich irgendwann in den nächsten 10 Jahren in Rente gehe. Selbstredend kann ich auch keine Partitur entziffern.


    Um zu beurteilen, ob jemand gut spielt oder nicht, reicht meine Hörerfahrung aus - zumal, wenn es wirklich darauf ankäme, ein Instrument spielen zu können, um es zu verstehen, jeder Musiker auch nur ein kleiner Teilexperte wäre - ein Trompeter könnte nicht beurteilen, ob ein Bassist ordentlich spielt, ein Gitarrist müßte bei Klarinette passen, ein Pianist bei Geige etc.


    Und niemand auf der ganzen Welt, nicht einmal der Dirigent, könnte ein ganzes Orchester beurteilen.


    Ich meine, irgendwer hat hier als Motto den doch sehr passenden Spruch: Man muß nicht fliegen können, um ein guter Ornithologe zu sein.

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  • Muß man selbst Koch sein, um mit Genuß zu essen? Muß man Bier brauen oder Wein machen können, um verschiedene Geschmacksnuancen zu unterscheiden?


    Ich meine nein! Im Gegenteil - es besteht die Gefahr, bestimmte Vorurteile zu nähren, wenn man sich eindeutig auf bestimmte Geschmacksrichtungen festlegt.


    Als Kind habe ich (freiwillig) die Strapaze auf mich genommen, wöchentlich 2x zum Unterricht zu gehen und ein Instrument zu lernen. Ich lernte Noten und die Tonarten, die Musikzeichen, die verschiedenen Schlüssel, lernte vom Blatt zu spielen usw. Es hat mir nicht geschadet. Das Instrument war die Zither - und ich wurde sogar bei öffentlichen Konzerten im Rahmen der Talentesichtung bester Instrumentalsolist des Bezirkes Gera - als Zitherspieler gegen Klavier,- Akkordeon und Geigenspieler! Mein Lehrer wollte mich dann zum Klavierunterricht schicken mit der Perspektive, aufs Konservatorium zu gehen.


    Daraus wurde nichts. Im Zeitalter der deutschen Schlager waren Zitherspieler Exoten und beim weiblichen Geschlecht nicht erste Wahl. Und ab der 10. Klasse wurde mein Interesse daran größer als mein Interesse am Zitherspiel.


    In der Oberschule bescheinigte man mir eine gute Stimme, ich ging in den Oberschulchor, und wir wurden 1961 Preisträger eines Chorwettbewerbes. Nach dem Abi war es mit dem Chor aber Schluß.


    Beim Chemiestudium gab es an meiner Hochschule ein Tanzorchester, welches altersmäßig ständigen personellen Veränderungen unterlag. Eines Tages fehlte ein Saxophoner. Ich ließ mir die Tonleiter zeigen, übte 3 Monate jeden Abend in der Mensa, und dann konnte ich einsteigen. Meine Notenkenntnis war nicht umsonst!! Als dann unser Schlagzeuger dem wachsenden Alkoholkonsum (wir bekamen für jeden erfüllten Musikwunsch immer etwas zu trinken auf die Bühne, besonders während der jährlichen Ernteeinsätze in Mecklenburg) nicht gewachsen war und die Stöcke immer fallen ließ, kam ich in den Genuß, das Schlagzeug bedienen zu dürfen. Ich hab halt mehr vertragen. Und zu sehr später Zeit habe ich auch gesungen, waren ja eh alle blau und merkten meine Fehler nicht so.


    Mir hat aber mein Musikunterricht geholfen, selbst Musik zu machen. Und er hat wesentlich dazu beigetragen, nach der Elvisperiode und der Verflachung der Unterhaltungs- und Tanzmusik klassische Musik zu erobern, passiv. Ich war ja auch schon seit meiner Kindheit eifriger Theaterbesucher.


    Zusammenfassend: Es schadet nicht, wenn man selbst musizieren kann, um Musik zu erleben. Übrigens mußte ich als Schlagzeug-Ersatzmann Rhythmusgefühl haben. Das geht mir nun sehr zum Leidwesen meiner Frau völlig ab. Tanzen ist für mich eine Strafarbeit!!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Danke für Eure Meinungen! Ihr habt aber alle praktische Erfahrungen, interessant!


    Ich habe einmal von professionellen Musiker (Klassik) erfahren, dass die Meinungen der
    "Laien" und "Masse" wichtiger sind und näher gehen, als die Meinungen der Musikkritiker.


    Zitat

    Es schadet nicht, wenn man selbst musizieren kann, um Musik zu erleben.


    Das denke ich auch, schon allein deswegen um ein Gespür dafür zu bekommen, wie
    schwer die Arbeit der Musiker ist!


    Zitat

    Als Kind hatte ich meiner Mutter mal eine Freude mit einer selbsteingespielten Musikcassette machen wollen.
    Ich hörte mir nur die ersten zwanzig Sekunden des eingespielten 2 minütigen Stückes für Blockflöte an, dannach habe ich diese Idee dann ganz schnell wieder verworfen.


    Das kenne ich auch. Ich selbst spiele Flöte und Ukulele (Laute folgt, wenn sie fertig ist) und ich kann meine Tonbandaufnahmen
    auch nicht hören, obwohl ich das Spiel persönlich manchmal als gut empfinde. Meine Lehrer meinen
    auch öfter, "Na bitte, das war jetzt richtig gut!"


    Und wieder kenne ich eine begnadete, rein professionelle Sopranistin (Klassik), die ihren aufgenommenen Gesang
    nicht selbst hören kann. Sie verweigert Aufnahmen anzuhören, weil sie der Meinung ist, dass es einfach nicht
    gut ist, obwohl die Masse begeistert ist.


    @ zeiterbass: es zählt die Begabung sich hineinzufühlen zu können, unabhänig davon, ob man selbst Musik macht oder nicht????

  • Hallo,
    das mit der Begabung für Einfühlungsvermögen ist so eine Sache, es kommt darauf an, ich was man sich einfühlen soll - in einen Pkw-Fahrer ist relativ einfach, weil viele Menschen darin Erfahrung haben, in einen Sachverständigen für Forensik z. B. dürfte ungleich schwerer sein - oder???

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Peter,


    erst einmal an dieser Stelle ein herzliches Willkommen.
    Vielleicht wäre es gut, ein oder zwei Instrumente spielen zu können, um manches im musikalischen Bereich noch leichter durchdringen und dessen Schwierigkeiten besser verstehen zu können. Ich wollte in meiner Jugend gerne ein Tasteninstrument lernen, aber dazu war einfach kein Geld (sowohl für ein Instrument noch für den Unterricht) vorhanden. Auch noch bis ins mittlere Alter waren die Finanzen für den Lebensunterhalt notwendiger als für ein Instrument und Unterricht. Später fiel es mir schwer, das noch richtig zu lernen und ich habe mir lediglich im Selbststudium ein paar Stücke der leichten Muse auf einem Keybord selbst beigebracht.
    Aber ich habe aus der Schule wenigstens ein paar Notenkenntnisse mitgebracht, die zwar auch nicht ausreichen, um eine Partitur lesen zu können. Wenn ich sonntags vor einer Kirche oder einem Wirtshaus singen würde, würden mir die Leute 2€-Stücke zuwerfen - damit ich aufhöre. Wie ich dennoch die Liebe zur klassischen Musik gewonnen habe, obwohl diese in meinem Ersatzelternhaus eher als schrilles Geheule abgetan und unterbunden wurde, magst du in meiner Vorstellung nachlesen. Ich möchte es hier nicht wiederholen.
    Nach und nach habe ich mir dann ein paar Schallplatten - vor allem mit Opernmelodien - zugelegt. Ich war immer begierig nach Neuem. Aber erst, als die CD zu günstigen Preisen zu erstehen war, konnte ich es mir leisten, zuzuschlagen und mir eine umfangreichere Sammlung der verschiedenen klassischen Musikrichtungen von der Renaissance bis weit in die Moderne zuzulegen. Auch der Rundfunk hat viel dazu beigetragen, dass ich Musik immer intensiver erlebt habe. Ich glaube, da hat jeder andere Erfahrungen, wie du auch aus den hier schon eingestellten Beiträgen sehen kannst.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich habe einmal von professionellen Musiker (Klassik) erfahren, dass die Meinungen der
    "Laien" und "Masse" wichtiger sind und näher gehen, als die Meinungen der Musikkritiker.

    für einen Profi gibt es mehrere verschiedene Urteile:
    das eines Kritikers - mit der Aussagekraft eines handelsüblichen Wahrsagers... kann zutreffen, kann helfen, kann völlig daneben sein, kann vernichtend sein...


    das eines Agenten - man nimmt an, dass es unterstützend sein sollte, aber manchmal ist das Gewinnstreben grösser als die musikalische Urteilsfähigkeit (z.B. auf die Frage eines Sängers, ob er eine dramatische Partie probieren sollte, wenn es ein aktuelles Angebot eines Theaters gibt...) (hier spreche ich nur von Beobachtungen und von Erzählungen anderer)


    das eines Kollegen - mit der Bandbreite zwischen wohlmeinenden ehrlichen und den sonstigen Kollegen. Nur ehrliche Kollegen sagen, wenn etwas wirklich schlecht war... das wären dann die wertvollsten Kritiken, was fachliche Dinge betrifft.


    und dann die Publikumsreaktionen, die eigentlich nur erfolgen, wenn die Leistung positiv war. (mit Ausnahme des Buh-Schreiens... welches ich letztlich oft berechtigt finde)
    Eine spontane emotionale Reaktion sagt mir, wenn eine Interpretation angekommen, rübergekommen ist.
    Allerdings sind Urteile - aus dem Bauch heraus - oft glasklar... z.B: habe ich bei einer Premiere Leute belauscht, die gerade das Stück besprachen... der eine sagte trocken: die (lustige) Witwe? die war ja ausgeschrien... (und ich konnte das Urteil nur insgeheim bestätigen, obwohl ich es der Sängerin nie so gesagt hätte ... aber es war zutreffend... ein Merkmal ist zB. wenn Sänger an Reflux leiden, dann singen sie meist zu schwere Partien... )
    Ich vertraue den Urteilen von Amateuren deshalb gerne, weil ich annehme, dass sich keine Hintergedanken und keine schädlichen Absichten darin verbergen.


    Eigentlich wollte ich genau dieses Thema auch schon bearbeiten... unter dem Aspekt:selbst zu musizieren ist in ähnlicher Weise eine Bereicherung und Vertiefung des musikalischen Verständnisses wie analytische und theoretische Kenntnisse...
    es ist überhaupt nicht nötig, selbst musizieren zu können um Musik hören zu können, finde ich.

    - zumal, wenn es wirklich darauf ankäme, ein Instrument spielen zu können, um es zu verstehen, jeder Musiker auch nur ein kleiner Teilexperte wäre - ein Trompeter könnte nicht beurteilen, ob ein Bassist ordentlich spielt, ein Gitarrist müßte bei Klarinette passen, ein Pianist bei Geige etc.

    das ist richtig... was denkt ihr, welche Spannungen in einem Orchester herrschen können? ..welcher Ärger entstehen kann, wenn man sich bei einem falschen Einsatz, einem falschen Ton, oder einem technischen Fehler (z.B: Hornkiekser) nach dem betreffenden Kollegen umdreht.
    die Unterscheidung zwischen einer auf die Musik bezogenen Aussage (mehr piano, oder weniger Ritardando, oder Intonationsfehler) und instrumentenspezifischer (wie etwas zu spielen ist...) ist wichtig.
    Obwohl die Kollegen mit anderen Instrumenten ja ähnlich unbefangen urteilen wie Laien.
    Bei gemeinsamer Kammermusik lernt man viel über andere Instrumente.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

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  • Man muss es nicht, aber es hilft. Ich kann bis heute mit Klaviermusik (außer Schubert und Brahms) nicht viel anfangen und bin auch nicht in der Lage, zu entscheiden, ob da ein guter oder nicht so guter Pianist am Werke ist. Bei der Chormusik ist das anders. Ich singe seit 30 Jahren in Kammerchören, da gewinnt man doch einen tiefen Einblick in die Musik. Für einen Nur-Hörer ist z.B. die Polyphonie (Josquin, Palestrina, Tallis, Victoria) oft schwer zu hören. Aber wenn man das mal gesungen hat und die Strukturen versteht, ist es nicht mehr schwer. Vor allem begeistert es mich als Sänger, dass jede Stimme gleichberechtigt ist. Das ist z.B. bei der Klassik nicht so. Die Krönungsmesse von Mozart ist z.B. ein großartiges Werk - aber nicht für mich als Chortenor. Man ist eigentlich nur Füllstimme für den Sopran, und es ist viel zu leicht. Das Problem bei Bach ist, dass er auf die Chorstimmen keine Rücksicht nimmt; er behandelt sie wie Instrumente. Das erfordert viel Üben, dafür macht es dann doch Spaß, ein Stück wie "Jesu, meine Freude" bewältigt zu haben. Die idealen Komponisten für mich als Chorsänger sind Schütz und Brahms. Schütz komponiert ideal auf den Text, jede Stimme ist selbstständig und der Klang ist sehr differenziert, von intim bis hin zur Gabrielischen und Monteverdischen Klangpracht (so steht der Schwanengesang der Marienvesper nicht nach).
    Die großen Chorwerke habe ich früher auch gesungen; aber heute mag ich sie nicht mehr so, obwohl wir gerade hier in meiner Gemeinde den Messias proben. Bei den großen Mahler- und Beethovenwerken ist man ja doch nur eine Chorameise; außerdem spielt das Orchester alles mit.
    Ein Vorteil des Singens in einem guten Chor ist der, dass man nicht von vorneherein sehr viele Chorwerke ausschließen muss, weil etwa der Chor technisch gar nicht in der Lage dazu ist, das zu singen. Ich denke an Chorwerke wie die "Missa Papae Marcelli" von Palestrina, die "Exequien" von Schütz, die "Johannespassion" von Bach, "Warum ist das Licht gegeben?" von Brahms, "Odi et amo" von Orff, "Agnus Dei" von Penderecki, "Hymn to St. Cecilia" von Britten und vieles mehr. So gewinnt man durch das Singen eine gute Kenntnis der Musikgeschichte.
    Auch die Beurteilung von Chormusik ist leichter, wenn man selber singt. Man hat schnell das Gefühl für Qualität. Dieses Gefühl habe ich bei Klaviermusik überhaupt nicht und bei Orchestermusik nicht sehr stark. Da staune ich oft, wenn hier im Forum die Kollegen Interpretationen von Sinfonien vorlegen (das ist jetzt keineswegs ironisch gemeint, denn in dieser Hinsicht ist mein Hören nicht so entwickelt).
    Ein letzter Satz: die meisten Komponisten haben für Laien geschrieben und wollten von ihnen gehört werden.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich teile zwar die Meinung, dass der Ausübende Musik anders empfindet als der Hörer - aber meiner Meinung nach eher entspannter.
    Als Hörer habe ich nicht das Problem, dass ich zittern muss an der Stelle X wieder den falschen Ton zu spielen, wie bei den letzten drei Proben, oder dass meine Stimme beim hohen C versagt. Ich bin auch nicht damit konfrontiert, dass ich als Laienmusiker zwar genau weiß wie ich mir diese oder jene Stelle einer Klaviersonate vorstelle, aber es manuell nicht fertigbringe, diese Vorstellung zu realisieren. Der ausübende Musiker ist stets mit technisch-manuellen Problemen der "Herstellung" von Musik befasst, das ist Arbeit - kein Genuss. Der Musikhörer ist mit dergleichen nicht belastet, sucht sich seinen Künstler aus - und genießt. Perfektionisten, die sich an kleinen Fehlern stoßen, haben zudem noch die Möglichkeit, aufgezeichnete Musik zu hören, wo alle Fehler durch Schnitte ausgemerzt wurden..


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Als Hörer habe ich nicht das Problem, dass ich zittern muss, dass meine Stimme beim hohen C versagt.

    Dieser Aussage kann ich nur bedingt zustimmen. Natürlich betrifft es einen als Hörer /Zuschauer nicht direkt. Aber indirekt schon. Wenn man nämlich selbst die Partie genau kennt, weiß man auch um die schwierigen, heiklen Stellen. Und aus eigenem Erleben kann ich sagen, daß ich als Zuschauer oft nervös war, richtig mitgegangen bin, die Daumen gedrückt habe, bis sie weh taten... Vor allem, wenn es sich um den eigenen Lieblingssänger handelte. Und was war das dann für mich selbst für eine riesige Freude und Erleichterung, wenn alles bestens geklappt hatte.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • chrissy:
    das ist eine sehr schöne Art von aktivem Zuhören!
    solche Zuhörer wünschen sich viele Sänger!

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Meine Herren Vorredner haben ja schon viele Aspekte der Fragestellung erläutert und fast alles gesagt, so dass ich für meine Person ergänzend sagen kann, dass das für mich Minimale, die Notenkenntnis und Kenntnisse in der Instrumentenkunde sowie mein langjähriger Chorgesang, mit doch sehr geholfen haben, mich in die Musik hinein zu versenken. Vor allem auf dem Gebiete des Gesanges hilft es mir, bestimmte Lieder (Schubert) oder Arien (Mozart, Beethoven) sowie geistliche Vokalwerke (Bach, Mozart, Mendelssohn, Händel u. a.) besser zu verstehen, wenn ich sie selbst singe.
    Letzteres konnte ich am gestrigen Abend wieder feststellen, als wir in meinem Stammchor aus Bachs Weihnachtsoratorium den Eingangschor "Jauchzet, frohlocket" und die Choräle aus der ersten Kantate wiederholten und im jetzigen Stadium der Vorbereitung an der dynamischen Ausgestaltung und Phrasierung arbeiteten.
    Ebenso hilft es mir, gewisse Notenkenntnisse erworben zu haben, nicht zuletzt jetzt hier in Tamino in der neu begonnenen Arbeit in den Beethoven-Sonaten-Threads.
    Letztlich hilft mir die jahrzehntelange Beschäftigung mit der Instrumentenkunde auch, die Orchesterinstrumente in Orchesterstücken und in allen anderen Werken, in denen das Orchester beteiligt ist, besser zu verstehen und ihren harmonischen Zusammenklang zu begreifen.


    Liebe Grüße


    Willi :yes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • das ist eine sehr schöne Art von aktivem Zuhören! solche Zuhörer wünschen sich viele Sänger!

    Lieber Wolfgang
    Deine verständnisvolle Antwort und Bewertung hat mich sehr gefreut. Hier merkt man den anerkennenden Berufsmusiker. Denn wenn ich das irgendwann mal vermutlich richtig mitbekommen habe, arbeitest Du wohl u. a. als Korrepetitor.
    Ergänzend noch ein persönliches Wort an Dich:
    Vor vielen Jahren habe ich mal ein Jahr klassischen Gesangsunterricht gehabt. Der erhoffte große Tenor ist leider nicht aus mir geworden. Ich glaube, ich habe nach dem Jahr schlechter gesungen als vorher. Das aber nur nebenbei erwähnt. Was ich eigentlich sagen will, dieses Jahr hat mir trotzdem viel Interessantes und Wissenswerte gebracht, bezüglich Theorie über das Singen. Auch kleine Tricks, Hilfsmittel und Technik, wie man z. B. einen Ton nach vorn, in die "Maske" bringt, oder das leichte Verändern eines Vokals. Auch das war für mich als Zuschauer /Hörer immer interessant, da einiges bei den Sängern auf der Bühne zu beobachten und mitzubekommen.
    Ich meine, wenn man eine Partie drauf hat und sie (gedanklich) mitsingen kann, erlebt, empfindet und spürt man die Musik viel lebendiger, sehr viel intensiver, berührender und leidenschaftlicher.
    Was das persönliche "Daumendrücken" betrifft, falls es Dich interessiert, schau in den Thread "Sängerporträt- Der ital. Tenor Ruggiero Orofino" (Btr. 15 u. 16).
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zitat

    Chrissy: Auch kleine Tricks, Hilfsmittel und Technik, wie man z. B. einen Ton nach vorn, in die "Maske" bringt, das leichte Ändern eines Vokals.

    Das kann ich auch bestätigen, lieber Chrissy. Ich habe zwar keinen professionellen Gesagnsunterricht gehabt, und aus mir wäre auch garantiert kein großer Tenor geworden, aber es hat mir ungeheuer geholfen, dass ich seit 19 Jahren mit einem Chorleiter zusammenarbeite, der auch ein guter Stimmbildner ist und seit nunmehr zweieinhalb Jahren singe ich auch in seinem zweiten Chor mit sowie in beiden Chroalscholen. Das heißt zweimal in der Woche während des Einsingens auch stimmbildnerische Übungen und ständige Hinweise auf richtige Singpositionen oder Artikulationsfeinheiten. Gestern Abend sagte er z.B. wieder, in Bezug auf Anfangskonsonanten: "Ihr seid vokalverliebt, aber Konsonanten sind auch schön". Insofern sind es viele kleine Einzelheiten aus der Praxis, wenn auch nur eines Chorsängers, die uns helfen, die Musik besser zu verstehen.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Insofern sind es viele kleine Einzelheiten aus der Praxis, die uns helfen, die Musik besser zu verstehen.

    ... zu empfinden, zu erleben und letztlich richtig und wahrhaft zu genießen.
    Das hast Du wirklich, auch anhand Deines Beispiels, schön und treffend gesagt, lieber William.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • chrissy:
    ich arbeite derzeit als Korrepetitor in St.Gallen.
    ich hoffe, der Gesangsunterricht war keine allzu grosse Enttäuschung und du singst noch immer.


    darüber könnte ich einen heftigen Thread starten: mit ungefähr diesem Titel: Gesanglehrer - Scharlatane und gerissene Betrüger


    wieviele Opfer es wohl gibt, denen man mit klingenden Worten den Bühnenerfolg in naher Zukunft in Aussicht gestellt hat... unter der Voraussetzung, wöchentlich zweimal 80€ zu zahlen...
    und die Ärmsten haben sich monatelang mit mittelmässigen Übungen gequält...
    die wirklich guten Gesangslehrer sind nicht die teuersten... ich finde es fast verdächtig, wenn der Preis die 100€ Grenze überschreitet. Auch viele Kammersängerinnen mit grossem Namen unterrichten nicht in derselben Qualität, wie sie früher gesungen haben...


    Die Maske ist wichtig, aber mit Vorsicht zu geniessen... der Ton soll ja nicht in die Nase kommen... die Unterscheidung find ich recht schwierig.
    Ein lustiger Trick ist es: sich beim Singen die Nase zuzuhalten oder in weiterer Folge auch nur die Nasenspitze zu berühren... dabei spürt man an den Vibrationen, welche Töne gut in diesem Raum sind, welche weniger gut...
    wenn du dir gute Sänger anhörst, kannst du auch ohne Lehrer recht weit kommen... permanente Selbstkritik ist eine Basis, nie zufrieden sein mit der Leistung, sich nichts vormachen bei den eigenen Fehlern... wenns einmal gut war, kanns beim nächsten Mals schon ganz anders sein... und immer dran bleiben...
    leichtes Verändern des Vokals - meinst du zB.: dass bei hohen Tönen etwas offener gesungen werden darf, dass ein i in der Tiefe automatisch zum ü wird... ja, auf die Dosierung kommt es an, damit das Wort verständlich bleibt... (sonst haben wir den berühmte Gruss vom Hammel im 2.Akt Rosenkavalier...


    ganz nebenbei die neueste Anekdote von unserer Holländerproduktion: ein kleiner Sprechfehler kann grosse Wirkung haben:
    Schluss 3.Akt: der Holländer erklärt seine Vergangenheit: Denn wiß', Unsel'ge, welches das Geschick, das Jene trifft, die mir die Treue brechen: Ew'ge Verdammniß ist ihr Los! Zahnlose Opfer fielen dem Spruch.... :hello:

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Ich glaube, daß Musik-Hören und ein Instrument spielen sich gegenseitig befruchten. Man hört einfach bewußter ein Klavierstück, wenn man selber Klavier spielt. Man weiß, was es heißt, einen Ton entstehen zu lassen, ihn zu formen, was die Probleme der Gestaltung sind. Man kann die Handschrift eines Interpreten so regelrecht lesen. Andererseits beeinflußt das intensive Hören von Musikkonserven, was es im 19. und noch in der 1. Hälfte des 20. Jhd. so nicht gab, das Spielen sehr.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Zit.: "Ich glaube, daß Musik-Hören und ein Instrument spielen sich gegenseitig befruchten."


    Ja, gewiss! Das ist ja unbestreitbar, weil durch Erfahrung in vielfältiger Weise belegt. Aber dieser Thread fragt ja radikaler, wenn man mal aus den vielen Worten seiner Einführung den Kern herausschält. Er findet sich in der Frage:


    Zit: "Können die Menschen, die zwar Partituren lesen können, aber selbst nicht Musik machen, keinen Rythmus in sich tragen, dann auch die Musik richtig verstehen?"


    Wenn man einmal von dem Aspekt "Rhythmus" absieht, der eigentlich ja eine sozusagen "andere Baustelle" ist, so läuft doch die Thematik dieses Threads auf folgende, hier in diesem Forum höchst relevante Frage hinaus (die sich mir nach den jüngsten "Neuzugängen" an Mitgliedern gerade wieder einmal stellt):


    Ist in dem Diskurs über klassische Musik, der ja zentraler Inhalt dieses Forums ist, derjenige, der Musik in praktischer oder gar professioneller Form ausübt und dies bei Gelegenheit auch in Anschlag bringt, demjenigen, der dazu nicht in der Lage ist, gewissermaßen notwendigerweise überlegen, so dass sein Urteil a priori höheres Gewicht und sachlich solidere Gültigkeit beanspruchen darf?


    Weiter zugespitzt lautet die Frage: Muss derjenige, der, weil er kein Instrument spielt, sondern nur Kenntnisse aus dem Musikunterricht mitbringt und deshalb einen verminderten Dominantseptakkord nicht auf Anhieb als solchen identifizieren kann, sich als Partner in diesem Tamino-Diskurs unterlegen vorkommen?


    Oder, noch weiter zugespitzt:
    Muss derjenige, der nicht Klavier spielen kann, in einem Dialog über Klaviermusik besser schweigen und ihn denjenigen überlassen, die dieses Instrument zu spielen vermögen und darauf auch immer einmal dezent hinweisen?
    Denjenigen also, die zum Beispiel sehr wohl wissen und das auch dialogisch einzubringen vermögen, wie man etwa Debussy im Anschlag und in der Phrasierung behandeln muss, damit man dessen Anspruch, dass der Ton des Klaviers "eine Persönlichkeit" sei, die ihr Leben dem stärkeren oder schwächeren Druck des Fingers zu verdanken habe, gerecht zu werden vermag?


    Bislang habe ich auf Fragen dieser Art hier noch keine Antwort lesen können.

  • ich hoffe, der Gesangsunterricht war keine allzu grosse Enttäuschung


    @ Tastenwolf
    Nein, es war ganz sicher keine Enttäuschung. Im Gegenteil, es hat mir viel gegeben. Ich denke, der Unterricht war auch einer der Mosaiksteine für die Liebe, Begeisterung und dem Verständnis zur klassischen Musik, insbesondere zur Oper. Wie ich oben schon schrieb, habe ich einiges gelernt. Ich habe nach den Anfängen auch Musik kennengelernt, die sich mir vielleicht so nie erschlossen hätte, z. B. die "Winterreise". Mein Lieblingsstück daraus wurde "Der Leiermann" (wunderschön die fahle Klavierbegleitung), den ich singen durfte. Später auch u. a. "Ombra mai fu, Amor ti vieta, La donna e mobile" und auf eigenen Wunsch "Un di felice eterea, mi bale naste in nante..." aus der Traviata. Ein Stück, was ich damals schon ganz sehr mochte und wohl einigermaßen vernünftig gesungen habe.

    ich hoffe, du singst noch immer.

    Ja, natürlich, aber nur noch für mich alleine. Von einer früher mal vielleicht einigermaßen guten Stimme ist nichts mehr übrig geblieben. Und weil wir hier etwas vom eigentlichen Thread- Thema abgekommen sind, will ich zur Entschädigung für die vielleicht gelangweilten Mitleser zum Schluß etwas zum Amüsement beitragen, betr. "eigenem Singen":
    Vor kurzem war mir im Bad wieder mal nach "Singen". Ich weiß nicht mehr genau was, aber es könnte "Un di felice eterea..." gewesen sein. Bei dem später etwas höheren Ton im Text bei "croce", rief meine Frau von draußen "Hör´endlich mit diesem Gefleutsche auf". Darauf ich den bekannten Satz "Singe, wem Gesang gegeben", worauf sie erwiderte "Dir ist aber keiner mehr gegeben". Selbstkritisch muß ich zugeben, sie hat ja nicht ganz unrecht.
    Trotzdem sage ich aber auch, selbst singen, egal ob gut oder schlecht, fördert und erhält die Liebe zur Musik.
    In diesem Sinne, herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • hallo,


    danke für die antworten, es sind sehr interessante betrachtungen angeführt worden. bezugnehmend auf den letzten beitrag, möchte ich UNBEDINGT etwas anfügen. ich wollte nie, und bin auch nicht der meinung, eine derartig radikale behauptung in einer frage stellen. meine frage fällt eher ins philosophische oder psychologische und ist eigentlich "viel lärm um nichts". mich interessiert einfach nur, wie unterschiedlich das musikempfinden von verschiedenen menschen sein muss, die verschiedene voraussetzungen mitbringen, aber ein musikstück hören / sehen. meine frau z.b hat noch nie ein musikinstrument gespielt, aber ich glaube, dass sie musik vielleicht teilweise intensiver (sie liebt bach über alles) erlebt als ich und das, obwohl ich seit jahrzehnten selbst musik mache. sie hört schiefe töne bei aufführungen eher als ich und tanzt beim kochen zu den brandenburgischen konzerten :love: ich würde halt sehr gern in sie hineinsehen können und ihr empfinden mit meinem vergleichen können. und, wenn nicht meine frau zum vergleich dann ein profimusiker wie mein musiklehrer oder halbprofi und dann wiederum mit einem amusikalischen menschen.


    Zitat

    Aber das Spielen eines Musikinstruments kann den eigenen musikalischen Horizont erweitern, vertiefen und ergänzen.


    ganz klar


    Zitat

    ich glaube, man kann diese Frage nicht sinnvoll beantworten, weil Musik hören, empfinden, sich von ihr emotional tief bewegen lassen, eine so individuelle Angelegenheit ist, dass ein "Über-einen-Kamm-scheren-Urteil" zu falschen Annahmen kommt.


    für mich eine der wichtigsten antworten, was meine threadfrage als "viel lärm um nichts" auszeichnet. selbst wenn man musiziert, gäbe es doch wieder gewaltige unterschiede. beispielsweise zwischen mir und meinen nachbarn, die schon die doppelte zeit jazz spielen oder mein musiklehrer, der neben dem privatunterricht am konservatorium ausbildet und wieder einen unterschied zwischen ihm und einem virtuosen.


    Zitat

    Um zu beurteilen, ob jemand gut spielt oder nicht, reicht meine Hörerfahrung aus - zumal, wenn es wirklich darauf ankäme, ein Instrument spielen zu können, um es zu verstehen, jeder Musiker auch nur ein kleiner Teilexperte wäre - ein Trompeter könnte nicht beurteilen, ob ein Bassist ordentlich spielt, ein Gitarrist müßte bei Klarinette passen, ein Pianist bei Geige etc.


    das hat auch was interessantes!!! meine frau kann aber, als dritte und nicht musizierende person, sehr wohl beurteilen, ob der geiger mit gefühl und harmonie spielt und einen perfekten rythmus hat und ebenso ob der trompeter eindrucksvoll das blut zum kochen bringen kann. glenn gould soll doch von der halben musikwelt missverstanden worden sein :whistling:


    Zitat

    Muß man selbst Koch sein, um mit Genuß zu essen? Muß man Bier brauen oder Wein machen können, um verschiedene Geschmacksnuancen zu unterscheiden? Ich meine nein! Im Gegenteil - es besteht die Gefahr, bestimmte Vorurteile zu nähren, wenn man sich eindeutig auf bestimmte Geschmacksrichtungen festlegt.


    Das trifft es ja eben auch!


    Zitat

    das mit der Begabung für Einfühlungsvermögen ist so eine Sache, es kommt darauf an, ich was man sich einfühlen soll - in einen Pkw-Fahrer ist relativ einfach, weil viele Menschen darin Erfahrung haben, in einen Sachverständigen für Forensik z. B. dürfte ungleich schwerer sein - oder???


    das ist schon klar, wobei wir ja von musik reden und ich denke, dass musik machen / erleben in uns allen menschen steckt. von kindheit an und dann wird es entweder ausgeprägter oder es verschwindet. aber irgendwo wird es schon noch ein bisschen gespeichert sein. beim einen mehr, beim anderen ganz wenig. kidner singen und tanzen sehr gern und unaufgefordert, einfach weil ihnen danach ist. zumindest kenne ich fast nur solche kinder.


    Zitat

    es ist überhaupt nicht nötig, selbst musizieren zu können um Musik hören zu können, finde ich.


    das sehe ich genauso!


    Zitat

    an muss es nicht, aber es hilft. Ich kann bis heute mit Klaviermusik (außer Schubert und Brahms) nicht viel anfangen und bin auch nicht in der Lage, zu entscheiden, ob da ein guter oder nicht so guter Pianist am Werke ist. Bei der Chormusik ist das anders. Ich singe seit 30 Jahren in Kammerchören, da gewinnt man doch einen tiefen Einblick in die Musik. Für einen Nur-Hörer ist z.B. die Polyphonie (Josquin, Palestrina, Tallis, Victoria) oft schwer zu hören. Aber wenn man das mal gesungen hat und die Strukturen versteht, ist es nicht mehr schwer.


    mir geht es auch so und bezieht sich beim mir sehr auf alte musik mit laute. dass ich da vielleicht mehr fühle als meine frau hat mit dem großen interesse und der leidenschaft für alte musik an sich zu tun und weil ich eben auch sehr viel alte musik selbst spiele. und ich sooft wie möglich alte musik konzerte besuche.


    Zitat

    Der Musikhörer ist mit dergleichen nicht belastet, sucht sich seinen Künstler aus - und genießt. Perfektionisten, die sich an kleinen Fehlern stoßen, haben zudem noch die Möglichkeit, aufgezeichnete Musik zu hören, wo alle Fehler durch Schnitte ausgemerzt wurden.


    auch eine wichtige aussage! die kleinen fehler machen aber die musik für mich persönlich so menschlich schön und greifbar.



    Zitat


    Letztlich hilft mir die jahrzehntelange Beschäftigung mit der Instrumentenkunde auch, die Orchesterinstrumente in Orchesterstücken und in allen anderen Werken, in denen das Orchester beteiligt ist, besser zu verstehen und ihren harmonischen Zusammenklang zu begreifen.


    das ist eine schöne bereicherung, wenn man sich mit instrumenten auseinandersetzt oder sie gar baut. die schönste und beste flöte von mir ist meine selbstgebaute. der bau der laute, die mensurbestimmung, die stimmung, ... sensibilisieren mein gehör, wenn ich eine laute höre (bilde ich mir ein :whistling: :D )


    Zitat

    Muss derjenige, der nicht Klavier spielen kann, in einem Dialog über Klaviermusik besser schweigen und ihn denjenigen überlassen, die dieses Instrument zu spielen vermögen und darauf auch immer einmal dezent hinweisen?


    ich habe nur ein zitat herausgenommen. so habe ich das gar nicht gemeint. mich interessiert nur, wie unterschiedlich das musikempfinden bei verschiedenen menschen mit unterschiedlichen zugängen sein muss. dabei ich habe genügend andere zugänge / voraussetzungen vergessen, beispielsweise den unterschied von kulturkreisen / gesellschaften. es heißt für mich in keinem fall, dass der eine die musik besser / richtig versteht / empfindet als der andere. ich würde gern eine art auswertung sehen, wenn zig verschiedene menschen mit den unterschiedlichen zugängen z.b eine bach fuge hören und dann alle zusammen darüber reden.


    Zitat

    "Können die Menschen, die zwar Partituren lesen können, aber selbst nicht Musik machen, keinen Rythmus in sich tragen, dann auch die Musik richtig verstehen?"


    mit diesem satz habe ich aber etwas anderes gemeint. wenn jemand nicht musiziert / tanzt / singt usw. weiß er "vermutlich" (da steckt die frage) nicht, dass noten und notenwerte nicht immer so streng gespielt werden, wie am papier stehend. notenwerte, autstärken, geschwindigkeiten usw. variieren minimalst, die musik fängt zu leben an und ein harmonischer rythmus hält das ganze zusammen. deswegen habe ich den rythmus eingebracht. spielt jetzt ein orchester, ein ensemble, ... ein stück aber dann leicht abweichend, anders interpretiert, kommt es zu einem konflikt mit dem zuhörer und seiner partitur. ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt. :S


    liebe grüße!

  • Ist in dem Diskurs über klassische Musik, der ja zentraler Inhalt dieses Forums ist, derjenige, der Musik in praktischer oder gar professioneller Form ausübt und dies bei Gelegenheit auch in Anschlag bringt, demjenigen, der dazu nicht in der Lage ist, gewissermaßen notwendigerweise überlegen, so dass sein Urteil a priori höheres Gewicht und sachlich solidere Gültigkeit beanspruchen darf?

    Meine Antwort, lieber Helmut kurz und bündig: Nein! Der Politikwissenschaftler ist ja auch nicht unbedingt ein guter Politiker. Musiker aus meiner Erfahrung haben oft eine sehr "eigenwillige" Meinung.

    Oder, noch weiter zugespitzt:
    Muss derjenige, der nicht Klavier spielen kann, in einem Dialog über Klaviermusik besser schweigen und ihn denjenigen überlassen, die dieses Instrument zu spielen vermögen und darauf auch immer einmal dezent hinweisen?
    Denjenigen also, die zum Beispiel sehr wohl wissen und das auch dialogisch einzubringen vermögen, wie man etwa Debussy im Anschlag und in der Phrasierung behandeln muss, damit man dessen Anspruch, dass der Ton des Klaviers "eine Persönlichkeit" sei, die ihr Leben dem stärkeren oder schwächeren Druck des Fingers zu verdanken habe, gerecht zu werden vermag?

    Es kommt hier darauf an, worauf sich die Beurteilung richtet. Interpretationsfragen sind schließlich hoch komplex. Ich z.B. traue mir nicht zu, die absolute stimmliche Qualität eines Sängers zu beurteilen, weil ich schlicht gar nichts von Gesangstechnik verstehe. Aber es gibt immer die Möglichkeit, daß man etwas lernt von Menschen, die ein Wissen davon haben und einen auf die wesentlichen Dinge aufmerksam machen. So etwas sollte letztlich auch der Sinn eines Forums sein.


    Nur ein Instrument zu spielen reicht nicht, um "besser" Musik zu verstehen oder zu beurteilen. Ich meinte ja nur, daß es doch den Umgang mit dem Hören verändern kann, daß man bewußter hört.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Sicherlich vertieft es die Beziehung zu einem Werk wenn der Hörende selbst musiziert. Allerdings besteht dann die Gefahr einer Übertragung der eigenen musikalischen und gestalterischen Erfahrungen und Erwartungen auf die Interpretation und das Urteil wird an diesen subjektiven Kriterien ausgerichtet und dementsprechend gefällt. Nach meiner Erfahrung erlaubt die freie Metasicht auf Werk und Interpretation die "objektivsten" Betrachtungen, Schlussfolgerungen und Urteile. Kaum etwas anderes fürchten zum Beispiel Sänger mehr als einen Kritiker, der in grauer Vorzeit einmal Gesang studierte und den ganzen Frust, dass seine Ausnahmestimme nicht genügend geschätzt und seine Karriere niemals begonnen hat, lebenslang in sich herumträgt.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Sicherlich vertieft es die Beziehung zu einem Werk wenn der Hörende selbst musiziert. Allerdings besteht dann die Gefahr einer Übertragung der eigenen musikalischen und gestalterischen Erfahrungen und Erwartungen auf die Interpretation und das Urteil wird an diesen subjektiven Kriterien ausgerichtet und dementsprechend gefällt. Nach meiner Erfahrung erlaubt die freie Metasicht auf Werk und Interpretation die "objektivsten" Betrachtungen, Schlussfolgerungen und Urteile. Kaum etwas anderes fürchten zum Beispiel Sänger mehr als einen Kritiker, der in grauer Vorzeit einmal Gesang studierte und den ganzen Frust, dass seine Ausnahmestimme nicht genügend geschätzt und seine Karriere niemals begonnen hat, lebenslang in sich herumträgt.

    Lieber Operus,


    das ist ein zweischneidiges Schwert, finde ich. Die "Übertragung" hat nämlich darin ihr Positives, wenn man so die entscheidenden Probleme der Ausführung und Interpretation überhaupt erst einmal richtig erkennt und entsprechend weiß, warum sich die Interpreten z.B. mit bestimmten Dingen so abmühen und zu unterschiedlichen Lösungen kommen. Manche "Vorschriften" der Komponisten sind ja von der Art, daß sie sich kaum wirklich realisieren lassen und auch keineswegs immer eindeutig. Die "freie Metasicht" kann auch zu Fehleinschätzungen mangels Kenntnis führen. Wer z.B. die Intonationsprobleme eines Flügels nicht kennt, der wird sich darin täuschen können, daß er fehlende Brillianz und Durchschlagskraft automatisch auf die technische Potenz des Pianisten zurückführt, statt auf das Instrument und die Raumakustik.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich darf in diesem Zusammenhang auf einen Musiker hinweisen, der nicht nur hervorragend Klavier spielte, sondern ebenso hervorragend über (Klavier-)Musik und Komponisten nachdachte und schrieb: Alfred Brendel. Die FAZ schrieb 1992 zum Erscheinen seines Buches "Nachdenken über Musik":

    Zitat

    FAZ: Brendel ist ein hervorragender Pianist. Was für ein phänomenaler Musikkritiker wäre er geworden, hätte er seine Zeit nicht mit Klavierspielen verbracht.

    Ich glaube, Brendel ragt in dieser Hinsicht über eine Vielzahl von Pianisten heraus, ich habe aber auch hier gelesen, dass ausübende Musiker zuweilen eigenartige Ansichten haben. Mir sind selbst solche Musiker begegnet. Einer meiner früheren Chorleiter äußerte sich einmal auf meine Frage, ob wir einmal das Mozart-Requiem einüben sollten, negativ, indem er sagte, er möchte keine "tote" Musik aufführen. Ein anderer sagte auf die Frage nach einer möglichen Aufführung des Verdi-Requiems, er möchte es nicht aufführen, weil es ihm zu "opernhaft" sei.
    Da hat es wenig Zweck, dagegen an zu argumentieren.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ein anderer (Chorleiter, aus letztem Satz ergänzt) sagte auf die Frage nach einer möglichen Aufführung des Verdi-Requiems, er möchte es nicht aufführen, weil es ihm zu "opernhaft" sei.


    Hallo William B.A.


    diesen Chorleiter kann ich nicht nur verstehen, ich bin völlig seiner Meinung.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • diesen Chorleiter kann ich nicht nur verstehen, ich bin völlig seiner Meinung.


    Lieber Horst,


    das ist ja auch ein ästhetisches Urteil völlig unabhängig von der fachlichen Kompetenz des Chorleiters. Die Verweltlichung von geistlicher Musik im Zuge der Säkularisierung ist eine Entwicklung, die nicht bei jedem auf Zustimmung stößt. Darüber kann man trefflich streiten.


    Schöne Grüße
    Holger

  • chrissy

    Zitat


    Vor kurzem war mir im Bad wieder mal nach "Singen". ... Bei dem später etwas höheren Ton im Text bei "croce", rief meine Frau von draußen "Hör´endlich mit diesem Gefleutsche auf". Darauf ich "Singe, wem Gesang gegeben", worauf sie erwiderte "Dir ist aber keiner mehr gegeben". Selbstkritisch muß ich zugeben, sie hat ja nicht ganz unrecht.


    das ist eine Art von manipulativer Kritik, die ich nicht gutheisse... Du könntest dich aber auf die Akustik im Bad ausreden, die die hohen Töne nicht ideal reflektiert. In einer Kirche z.B: singt es sich doch angenehm mit ein paar Sekunden Nachhall...


    ausserdem hast du nicht die Uhrzeit geschrieben-... was ich immer für Ausreden höre, warum bei Vormittagsproben nicht voll ausgesungen werden kann... um 11 Uhr ist meine Stimme noch nicht voll da... (wann kommt sie denn?) bei Abendproben redet man sich dann eher auf die Müdigkeit und die anstrengende Probenzeit aus...


    Helmut Hofmann:

    Zitat

    "Können die Menschen, die zwar Partituren lesen können, aber selbst nicht Musik machen, keinen Rythmus in sich tragen, dann auch die Musik richtig verstehen?"

    wenn jemand sich Notenlesen in hohem Maße beibringen konnte, dass er einer Partitur folgen kann, dann kann er das bestimmt...denn er hat viel Zeit damit verbracht. Ich weise gern auf das Beispiel von Gilbert Kaplan hin. Ich weiss nicht, ob sich jemand Musiker nennen darf, der nur ein einziges Werk dirigieren kann...
    (ich sollte euch mal was darüber erzählen, wie manche Dirigenten WIRKLICH Partitur lesen... :stumm: )

    Zitat von »Helmut Hofmann«
    Ist in dem Diskurs über klassische Musik, der ja zentraler Inhalt dieses Forums ist, derjenige, der Musik in praktischer oder gar professioneller Form ausübt und dies bei Gelegenheit auch in Anschlag bringt, demjenigen, der dazu nicht in der Lage ist, gewissermaßen notwendigerweise überlegen, so dass sein Urteil a priori höheres Gewicht und sachlich solidere Gültigkeit beanspruchen darf?

    Meine Antwort, lieber Helmut kurz und bündig: Nein! Der Politikwissenschaftler ist ja auch nicht unbedingt ein guter Politiker. Musiker aus meiner Erfahrung haben oft eine sehr "eigenwillige" Meinung.

    auch von meiner (professionellen) Seite her ein klares "Nein". (kurze Nebenbemerkung - - es gibt noch eine deutliche Unterscheidung zwischen Musikern und Musikwissenschaftlern, daher ist der Vergleich unvollständig…wie wäre dieselbe Frage in der Philosophie? muss man das studiert haben, um Kant oder Hegel lesen und/oder verstehen ;) zu können?)


    Musikhören ist eine individuelle Angelegenheit, es gibt keine Wettkämpfe in denen der beste Zuhörer ermittelt werden könnte. (was soll es auch sein - Nachsingen der Melodien nach nur einmaligem Hören? Strukturanalyse und Nachzeichnen der harmonischen Abläufe ?)
    Die Aufgabe, ein Musikstück von einer Aufnahme zu transkribieren erfordert ebenfalls kein Studium, sondern genaues Zuhören. In der Jazz Ausbildung hat diese Tätigkeit eine grosse Bedeutung.


    unter "eigenwillig" kann ich mir wenig vorstellen - ist damit z.B: die traditionelle Haltung der Wr. Philharmoniker gemeint… Spielweise, Repertoireauswahl, Elitebewusstsein…?

    Zitat

    Weiter zugespitzt lautet die Frage: Muss derjenige, der, weil er kein Instrument spielt, sondern nur Kenntnisse aus dem
    Musikunterricht mitbringt und deshalb einen verminderten Dominantseptakkord nicht auf Anhieb als solchen identifizieren kann, sich als Partner in diesem Tamino-Diskurs unterlegen vorkommen?

    Alfred macht weder Theorietest noch Gehörprüfung (Notendiktat…) für Forumneulinge, oder?das muss jeder für sich entscheiden, ob er sich überlegen bzw. unterlegen fühlt. Ich gebe mir Mühe, nicht zu überlegen zu wirken.
    Andererseits sind die professionellen Musiker im Forum doch eher selten… Angst vor der Diskussion mit Laien?das Zeitmangelargument lasse ich nicht gelten… das tatsächliche Arbeitspensum eines Orchestermusikers ist von einer 40 Stunden Woche weit entfernt. (selbst wenn ich die private Übungszeit dazurechne…)

    Zitat

    Oder, noch weiter zugespitzt:
    Muss derjenige, der nicht Klavier spielen kann, in einem Dialog über Klaviermusik besser schweigen und ihn denjenigen überlassen, die dieses Instrument zu spielen vermögen und darauf auch immer einmal dezent hinweisen?
    Denjenigen also, die zum Beispiel sehr wohl wissen und das auch dialogisch einzubringen vermögen, wie man etwa Debussy im Anschlag und in der Phrasierung behandeln muss, damit man dessen Anspruch, dass der Ton des Klaviers "eine Persönlichkeit" sei, die ihr Leben dem stärkeren oder schwächeren Druck des Fingers zu verdanken habe, gerecht zu werden vermag?

    es gibt vermutlich unzählige Ansichten über die Interpretation von Debussy Werken, welche ist die Richtige? und wer will das beurteilen? Musiker oder Zuhörer?Wären wir da nicht bei der Frage, ob Interpreten aufgrund ihrer Sachkenntnis bestimmen sollen, was gut für das Publikum ist?und hiesse das, dass nur Experten hier posten dürfen?

    Ich z.B. traue mir nicht zu, die absolute stimmliche Qualität eines Sängers zu beurteilen, weil ich schlicht gar nichts von Gesangstechnik verstehe.

    das muss man auch nicht im geringsten verstehen... Es gehört zu den zwiespältigen Momenten im Theateralltag, wenn mir jemand erklären will, dass ich nichts von Gesang verstehe, weil ich (z:B ein bestimmtes Stimmfach) nicht singen kann. Aber auch Sänger verstehen von den fachspezifischen Problemen der Kollegen recht wenig... z:B kann eine Soubrette in der Höhe ganz andere Vokale formen als ein lyrischer Sopran (bzw. als eine schwerere Stimme)
    daher gehört auch die Frage, ob man nur bei einem Vertreter des eigenen Stimmfachs Gesang richtig erlernen kann... ich bin nicht dieser Ansicht... lediglich in Extremfällen hilft es, wenn die Lehrerin selbst zB: Brünnhilde gesungen hat, damit sie wirklich gute Ratschläge geben kann.


    eine ganz sichere Methode ist das Körpergefühl... wenn eine Stimme irgendwie unangenehme Gefühle auslöst, oder sich irgendwie seltsam, gezwungen, angestrengt anhört, dann ist etwas faul... es genügt, das festzustellen. Man muss es nicht unbedingt definieren können... das ist eher meine Aufgabe. und die Gesanglehrer sind dann jene, die auch eine Therapie anbieten können.

    Aber es gibt immer die Möglichkeit, daß man etwas lernt von Menschen, die ein Wissen davon haben und einen auf die wesentlichen Dinge aufmerksam machen. So etwas sollte letztlich auch der Sinn eines Forums sein.

    es ist nicht nur das Wissen, auch die Haltung (zur Musik und zu den anderen Menschen) zählt... oder die Art, sich auszudrücken... ((oder, die Zitatfunktionen zu beherrschen :S ))


    das ist ja auch ein ästhetisches Urteil völlig unabhängig von der fachlichen Kompetenz des Chorleiters. Die Verweltlichung von geistlicher Musik im Zuge der Säkularisierung ist eine Entwicklung, die nicht bei jedem auf Zustimmung stößt. Darüber kann man trefflich streiten.

    seitdem mir die Ähnlichkeit zwischen Krönungsmesse bzw. der Missa solemnis 337 mit der Hochzeit des Figaro aufgefallen ist, sehe ich die Kirchenmusik Mozarts in etwas anderem Licht.
    Was Verdi betrifft, finden sich in den Opern so viele religiöse Szenen, dass ich eher umgekehrt behaupte, vieles seiner Opern ist reine Kirchenmusik. (z.B: grosse Teile von Forza del destino, das A capella Gebet und die Bassarie in Nabucco...)
    Spätestens seit dem 2.Vaticanum ist doch musikalisch in einer katholischen Kirche fast alles denkbar... (immerhin betrifft das auch die früher verpönte "protestantische" Musik von Bach)

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

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