Johann Georg Pisendel - ein Freund von Antonio Vivaldi

  • Johann Georg Pisendel wurde am 26.12.1687 als Sohn des Kantors und Organisten Simon Pisendel in Cadolzburg (bei Nürnberg) geboren.
    Wie viele Musiker des Barock wurde er Chorknabe und erhielt hier seine erste musikalische Unterweisung.
    Allerdings wurde er nicht in den Chor einer Gemeinde aufgenommen, sondern in den Chor der Ansbacher Hofkapelle.
    Dort muß er mit dem berühmten Komponisten und Virtuosen Guiseppe Torelli (1658-1709), der dort als Kapellmeister angestellt war, Kontakt gehabt haben.



    Johann Georg Pisendel


    In der Ansbacher Hofkapelle wirkte er noch lange als Geiger. Neben seiner musikalischen Tätigkeit besuchte er das Gymnasium. 1709 brach er zum Studium nach Leipzig auf.
    Er besuchte den Hof in Weimar und lernte dort Bach kennen, der dort als Organist tätig war.
    Über sein Studium ist wenig bekannt, doch aber, das er sich sehr eifrig an dem von Georg Philipp Telemann gegründetet "Collegium Musicum" beteilligte.
    Damals wurde das kleine Orchester von Melchior Hoffmann (1685 - 1715) geleitet, als er um 1710 nach England aufbrach übernahm Pisendel die Leitung.


    Der Hof in Dresden wurde auf den jungen Konzertmeister aufmerksam, besser gesagt der dortige Konzertmeister und Geiger Jean Baptiste Volumier ( ca. 1670 - 1728 ).
    Er bot ihm die Aufnahme in die Dresdner Hofkapelle an.


    Doch bevor Pisendel nach Dresden ging, besuchte er noch Darmstadt, die dortigen Komponisten (Graupner und Vivaldi) müssen auf ihn einen ungeheuren Reiz ausgeübt haben.
    Auf dem Weg dorthin besuchter er in Eisenach Georg Philipp Telemann, mit dem er seit je her befreundet war.


    In Dresden wurde er mit allen Ehren überschüttet, neben Volumier hatte er einen Ehrenplatz, nach dessen Tod übernahm er dessen Posten als Konzertmeister der Dresdner Hofkapelle.
    Seine Besoldung wurde auf die ungeheure Summe von 1200 Talern jährlich erhöht.
    1731 wurde Johann Adolph Hasse Hofkapellmeister des Dresdner Hofes (meisten war er jedoch abwesend), doch zu dieser Zeit hatte Pisendel der Dresdner Hofkapelle einen legendären Ruf verschafft.
    Diese Orchester wurde zum meist beachtetsten und bewundertsten in ganz Europa!
    Man denke nur an die vielen "Concerti per la Orchestre di Dredsa" von Telemann, Vivaldi und so vielen anderen.
    Die Qualität Opernaufführungen war weit über die Grenzen bekannt.


    Dies war natürlich nur deshalb möglich, weil die sächsischen Kurfürsten, Friedrich August I. (genannt August der Starke) und sein Sohn Friedrich August II. (beide waren auch unter den Namen August II. bzw. August III. Könige von Polen) sich die standesgemäße Musik etwas kosten ließen.



    August der Starke


    Pisendel reiste auch nach Italien, in Venedig lernte er Vivaldi persönlich kenn. Er studierte sogar eine Zeitlang bei ihm - Vivaldi komponierte daraufhin sogar einige Werke die ausdrücklich für Pisendel bestimmt waren.
    Dies hatte zur Folge, das in Dresden Vivaldi sehr häufig gespielt wurde - umso verwunderlicher, dass man ihm dort keinen Posten näher trug...


    Pisendels eigenes Werk ist im Vergleich zu seinen Zeitgenossen eher klein.
    Dies mag zum einen daran liegen, das die Tätigkeit als Konzertmeister ihn eher an die Aufführungen der Werke anderer Komponisten (Vivaldi, Heinichen, Veracini etc...) band, als dass er selbst Zeit gehabt hätte eigenes zu Komponieren.
    Dennoch hat er es getan - und es hat sehr lange gebraucht bis seine Werke seiner eigenen Kritik stand hielten: Seine Instrumentalmusik hat eine außerordendliche Qualität. Man berichtete:


    "Nie war er mit seiner eigenen Arbeit zufrieden, sondern wollte immer noch verbessern; ja er arbeitete sie wohl mehr als einmal um"


    Zu seinen Schülern gehört die Créme der künftigen Hofkapelle Friedrich II, genannt der Große:
    Die Brüder Carl und Heinrich Graun, die Brüder Franz und Georg Benda und natürlich Johann Joachim Quantz.


    1755 starb der hochgeachtete und bewunderte Meister in Dresden.


    Wie die meisten wahren Größen der Musikgeschichte, so ist auch Pisendel Heute kaum noch bekannt, dennoch sollte seine Musik in keiner Sammlung fehlen, die Qualität seiner Werke verbietet es regelrecht ihn zu übergehen:


    Eine Aufnahme die mir besonders gut gefallen hat:



    Pisendel - Dresden Concerti
    Freiburger Barockorchester / Goltz


    Neben einigen sehr beeindruckenden italienischen Concerti (die natürlich mit der vollen Kapelle zum Einsatz kommen) wird hier Pisendel auch als Kenner des frz. Stils dargestellt - eine Imitation von Rebels "Caracteres de la Danse"


    Die Dresdner Hofkapelle war sehr reich instrumentiert, und das kosteten die Dredner Hofkomponisten schamlos aus :D

  • DerLullist:


    Zitat

    Die Dresdner Hofkapelle war sehr reich instrumentiert, und das kosteten die Dredner Hofkomponisten schamlos aus


    Na sie wären dumm gewesen, hätten sie das nicht gemacht ! :D
    Bedauerlicherweise ist der Bestand an Pisendelschen Werken leider sehr klein und auch die Chance, daß noch nennenswertes anderenorts gefunden wird, ist gering da sowahl August der Starke wie auch sein Sohn und Nachfolger eifersüchtig darüber wachten, daß die Werke der sächischen Hauskomponisten das Herrscherhaus auch per Kopie nicht verliessen !


    Zitat 2:


    Zitat

    Dies hatte zur Folge, das in Dresden Vivaldi sehr häufig gespielt wurde - umso verwunderlicher, dass man ihm dort keinen Posten näher trug...


    Vivaldi war Dresdner Hofkomponist "von Hause aus" und er beileferte das sächsische Königshaus reichlich mit Werken, die in der dortigen Bibliothek und auch NUR da, überliefert sind ! Allerdings muss ich dazu sagen, daß die Sichtung der Bestände, vor allem der nach dem 2ten Weltkrieg andernorts ausgelagerten, noch nicht abgeschlossen ist. Eine schöne Auswahl der Vivaldischen "Dresdner Konzerte" findet sich hier :



    Zurück zu Pisendel:


    Die Berührung mit französischer Musik ist wohl in erster Linie Pisendels Vorgänger J.B. Volumier, der möglicherweise ein Schüler Lullys war, zu danken. Im überlierten Werkbestand Pisendels nehmen die farnzösischen Elemente jedoch eher eine untergeordnete Stellung ein, während die "italianità" allgegenwärtig ist. Detailliert darüber nachlesen kann man hier:


    Kai Köpp: Johann Georg Pisendel (1687-1755) und die Anfänge einer neuzeitlichen Orchesterleitung (Schneider 2005 !) sehr empfehlenswert !


    Von Pisendel-Aufnahmen möchte ich auf gar keinen Fall die seiner hochvirtuosen VIOLINSONATEN missen, ein Muss für jeden, der sich mit der Musik der Dresdener Hofkapelle im 18. Jahrhundert auseinadersetzt:



    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Pisendel war zuständig für die Ausführung der Musik. Es finden sich in den von unterschiedlichsten Komponisten geschriebenen Werken für die Dresdner Kapelle aufführungspraktische Eintragungen in Pisendels Handschrift. Auch hat er gelegentlich Änderungen an den Stücken vorgenommen. Sein Urteil war bei vielen willkommen, nicht nur bei Johann Friedrich Fasch, neben Telemann der bei den Zeitgenossen am höchsten geschätzte Komponist von Ouvertüren im französischen Stil, hat Pisendel immer wieder um Rat gebeten bezüglich seiner Kompositionen.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Meine erste hörende Begnung mit Pisendel verdanke ich dieser Aufnahme der Virtuosi Saxoniae und Ludwig Güttler - zwar nicht HIP, aber gut gespielt - Güttler hat als einer der ersten konsequent Schätze aus den Dresdner Archiven gehoben.





    Zwei weitere Stücke von Pisendel finden sich auf dieser empfehlenswerten CD des Freiburger Barockorchesters (auch der Zelenka hier ist sehr gut gespielt!), die preiswert wiederveröffentlicht wurde:


  • Eine weitere Pisendel-CD habe ich mir neulich geleistet, in erster Linie wegen einer Sonate von W.F. Bach, die mit drauf ist, aber auch die Pisendel-Sonaten gefallen mir hier ausgesprochen gut! Eine sehr gute Programmzusammenstellung, weil sie Pisendel in den Kontext seiner Kollegen in Dresden, u.a. Hasse und Heinichen, stellt.


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  • Johann Georg Pisendel (1687 - 1755) war eine der zentralsten Figuren in der Musikwelt Deutschlands in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Seine Karriere begann er als Violinvirtuose, der bei Torelli und Vivaldi gelernt hatte, doch seine wahre Erfüllung als Musiker erfuhr er als Konzertmeister der Dresdener Hofkappelle, der er fast 30 Jahre vorstand. In diesem Zeitraum führte er sein Ensemble an die Spitze der damals existierenden Klangkörper. Selbstverständlich war er hervorragend vernetzt, da er nicht nur mit Vivaldi sondern auch mit Telemann und Bach eng befreundet war. Mit letzterem hatte er gemeinsam in Weimar gedient und es wird allgemeinhin angenommen, dass Bach seine Sei Solo für Pisendel schrieb. Wie für einen profilierten Musiker der damaligen Zeit obligatorisch, komponierte Pisendel auch - allerdings war er sehr zurückhaltend damit, seine Werke zu publizieren. Und das ist ein verdammter Jammer, denn den Violinsonaten nach zu urteilen, welche auf untenstehender CD versammelt sind, war er ein hervorragender Komponist. Auf von mir bisher noch nie so gehörte Weise verbindet Pisendel Bachsche Polyphonie mit italienischem Virtuosenstil. Und das hat mich besonders fasziniert: Pisendel scheint der einzige (bekannte) Komponist zu sein, der zu Lebzeiten J.S. Bachs von diesem stark beeinflusst worden zu sein scheint (wenn man von Bachs Söhnen absieht). Ganz besonders deutlich wird das in der a-Moll Solosonate, welche eindeutig thematische Bezüge zu Bachs Solosonate in a-Moll (BWV 1003) aufweist. Aber auch in den anderen Werken weist die dichte Kontrapunktik, und teilweise die Thematik und Chromatik, auf Bach hin. Muss man gehört haben! Für mich gehören die Pisendel-Sonaten jedenfalls zum Schönsten in der barocken Kammermusik, das ich kenne.