Beethoven: Streichquartett Nr. 1 op. 18 Nr 1 in F-dur - CD-Rezensionen und Vergleiche (2013)

  • Mit diesem Thread startet ein geplantes Projekt, welches vorsieht, daß die Mitspieler sich über eine oder mehrerer Aufnahmen dieses Werkes Rezensionen verfassen können, wobei als Threaduntertitel jeweils der Name der entsprechenden Streichquartett-Formation stehen sollte. Es ist durchaus zulässig innerhalb dieser Rezension auf andere Einspielungen Bezug zu nehmen. Sollte ein Mitglied eine existierende Aufnahme bereits rezensiert haben, so besteht durchaus die Möglichkeit, eine weitere mit gleichem Streichquartett zu verfassen - soll heissen, es ist durchaus möglich, ja sogar erwünscht, daß es im Laufe des Threads zu mehreren Besprechungen ein und der selben Aufnahme von verschiedenen Autoren kommt, die einander zum Teil auch widersprechen. Fürs erste sind die Quartette Nr 1 bis Nr 16 vorgesehen. Der jeweilige Einleitungsthtread ist kurz und stereotyp gehalten und wird von mir verfasst. Er wird bei gegebenem Bedarf erweitert. Die Zahl 2013 soll den Thread von allen bisherigen unterscheiden. Die neue Serie soll das Thema sozusagen auf den Stand der Zeit bringen unter Einbeziehung der neuesten Aufnahmen


    Viel Spaß bei den Besprechungen
    wünscht Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dann fange ich mal mit dem Artemis Quartett an.


    Die Qualität des Klanges ist unglaublich. Wie bei JPC beschreiben, glaubt man, direkt beim Spiel dabei zu sein. Da gibt es kein Verstecken, keine Zurückhaltung, herrlich. Die Interpretation steht ganz für sich, man wird mit der Musik quasi konfrontiert, es gibt kein Entrinnen, für jemanden, der sich beim Musikhören z.B. schöne Landschaften erträumt, ist das nichts.


    Nackt steht die Komposition vor uns, ohne Erbarmen, in einem flüssigen Stil, der Seinesgleichen sucht.


    Einfach Top!

  • Dann die Aufnahme des ABQ. Sie stammt aus der GA von Emi Classics, diese braune Papp box, in den einfachen Papp Hüllen. Damals war sie sehr günstig.


    Ich habe hier die Streichquartette kennen gelernt, einfach entspannt auf der Couch von oben nach unten gehört.


    Was sofort auffällt ist die erste Geige, die absolut die Akzente setzt. Sie erlaubt sich oft Vibrato, während die anderen Instrumente den "Hintergrund" bilden. Die Sologeige "schießt" in den Tönen auch sehr hoch, ist absolut der Boss im Ring.


    Gerade im zweiten Satz ist das sehr von Nachteil. Während Artemis eine "Klangraum-Atmosphäre" schafft, mit absolut gleichberechtigten Instrumenten, bleiben die anderen Instrumente beim ABQ doch sehr verhalten, der Klangkörper wird nicht ausgeschöpft. Schön sind die Stellen, wo alle Instrumente gleichzeitig die gleichen Sequenzen spielen, sehr ausgewogen und harmonisch.


    Diese Harmonie ist eine große Stärke dieser Aufnahme und wer meint, man bräuchte nur eine Interpretation, verpasst was.

  • Mit diesem Thread startet ein geplantes Projekt, welches vorsieht, daß die Mitspieler sich über eine oder mehrerer Aufnahmen dieses Werkes Rezensionen verfassen können, wobei als Threaduntertitel jeweils der Name der entsprechenden Streichquartett-Formation
    stehen sollte.

    Holger, das ist KEINE Reszension, was Du da eingereicht hast! :S

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  • Beethoven. Streichquartett Nr. 1 F-dur op. 18 Nr. 1
    Hungarian Quartet: Zoltán Székely, Michael Kuttner, Violine, Dénes Koromzay, Bratsche, Gábor Magyar, Cello;
    AD: 1966
    Spielzeiten: 7:03-9:48-3:25-6:46 -- 27:02 min.;


    Es ist dies mein erster Hörbericht über ein Streichquartett, und da ich schon länger kein Streichquartett mehr gehört hatte, musste ich mich erst wieder daran gewöhnen, wie modern Beethovens Streichquartette klingen.
    Mir fiel auch vom ersten Ton an auf, dass das ungarische Quartett im Kopfsatz hörbar langsamer spielte als z. B. das ABQ, das ich zum Vergleich bereitlegte. Da ich auch hier den ersten Satz bis zur Reprise hörte, kam die kürzere Spielzeit bei den Ungarn wohl nur dadurch zustande, dass sie in diesem Satz die Wiederholungen ausließen.
    Gleichzeitig fiel mir auf, wie rauh der Ton bei den Ungarn war, was den ersten Satz, der auf mich einen etwas düsteren Eindruck machte, mit seiner kühnen Melodik weit in die Zukunft blicken ließ. Dies ließ mich auf die Idee kommen, dass Beethoven die Streichquartette vielleicht auch als Experimentierfeld für musikalische Ideen benutzte, die er vielleicht zu diesem Zeitpunkt in seinen Klavierwerken noch nicht vortragen mochte.
    Dieser Eindruck verstärkte sich bei mir noch im zweiten Satz, dem Adagio affettuoso appassionato, der noch dramatischer und voller dunkler Leidenschaft klingt, ein ausladender Satz von fast 10 Minuten Dauer. Die Ungarn ließen m.E. diesen Satz in der nötigen Zeit zur Entfaltung kommen. Dies ist m.E. schon Beethoven reinsten Wassers.
    Auch im Scherzo geht dieser Eindruck weiter mit "unerhörten" Rhythmen und im Trio mit eigenartigen Oktavsprüngen, die m.E. zu den musikalischen Eingebungen gehören, mit denen man gemeinhin nicht rechnet, bei Beethoven aber jederzeit rechnen muss.
    Im Finale hellt sich die Stimmung etwas mehr auf, ist aber m.E. keineswegs rückwärtsgewandt, sondern auch echter Beethoven.
    Abschließend möchte ich noch bemerken, dass mir das Zusammenspiel des Hungarian Quartett sehr ausgewogen erschien und dass die einzelnen Stimmen gut herauszuhören waren
    Zur Erhellung der Tempogestaltung möchte ich am Ende die Spielzeiten des H. Q. denjenigen des ABQ gegenüberstellen:


    H. Q. : 7:03-9:48-3:25-6:46 -- 27:02 min.;
    ABQ: 8:44-9:23-3:18-6:20 -- 27:45 min.;


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Beethoven. Streichquartett Nr. 1 F-dur op. 18 Nr. 1
    Hungarian Quartet: Zoltán Székely, Michael Kuttner, Violine, Dénes Koromzay, Bratsche, Gábor Magyar, Cello;
    AD: 1966
    Spielzeiten: 7:03-9:48-3:25-6:46 -- 27:02 min.;


    Lieber Willi,


    Danke, daß Du mir hier zu Hilfe eilst! :) Die Aufnahme, die ich besitze (oben abgebildet) ist von EMI France 1955 - habe ich schon ewig lange nicht mehr gehört. Da muß ich demnächst mal wieder reinhören. Auf der Box steht noch das Preisschild drauf 89.99 DM (!) - ich habe sie aber damals viel günstiger bekommen, als das Geschäft in Düsseldorf aufgelöst wurde (Ausverkauf)! Das sind diese merkwürdigen Geschichten eines Sammlers.... :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hagen Quartett: 8:14 - 8:20 - 3:14 - 6:08


    Artemis Quartett: 9:07 - 8:50 - 4:00 - 6:42


    Belcea Quartett: 9:16 - 11:18 - 3:26 - 6:17


    Es gibt nur ein Tempo und das ist das richtige, sagte Furtwängler und das gilt natürlich auch und gerade für Beethoven. Aber durch die HIP Bewegung hat sich unser Gefühl für das richtige Tempo bei Beethoven auch verändert. Nicht bei jedem, aber bei vielen.


    Also zum Tempo beim ersten Streichquartett und unseren drei Formationen:


    Mir sind die Hagens im ersten Satz Allegro con Brio zu schnell, das ist mir zu hastig. Natürlich kann man argumentieren, das sei jugendlicher Überschwang, aber ich finde es zu schnell. Artemis und Belcea liegen da m.E. genau richtig.


    Der zweite Satz trägt die Bezeichnung Adagio affettuoso ed appassionato. Sowohl Hagen als auch Artemis gehen das m.o.w. zügig an, aber ist das, was sie spielen, ein Adagio? Belcea lässt sich wesentlich mehr Zeit, auch die Pausen sind länger, es ist sicher an der Grenze, aber Furtwängler würde es vielleicht so dirigieren. Man könnte argumentieren, es sei zu sehr von den späten Quartetten her kommend interpretiert, aber ich mag Beethovens langsame Sätze langsam gespielt, deshalb mag ich die meisten HIP Aufnahmen auch nicht. Also für mich ist Belcea hier klar vorne.


    Bei den beiden anderen Sätzen sind die Tempounterschiede nicht so groß und alle können überzeugen.


    Zum Klang des Quartetts:


    Belcea und Artemis sind homogener, Lukas Hagen spielt sich doch deutlich in den Vordergrund, da gibt es natürlich eine lange Tradition, aber ich bevorzuge einen ausgewogenen Klang. Belcea und Artemis klingen auch erdiger und satter in der Tiefe, was natürlich auch an der Tontechnik liegen kann. Hagen schreckt auch am wenigsten vor unschönen Klängen zurück, wobei auch die beiden anderen zulangen, wenn es geboten ist.


    Resumee: alle drei hörenswert und spieltechnisch natürlich hervorragend, meinem Beethovenbild kommt aber die Interpretation des Belcea Quartetts am nächsten.

  • Mir sind die Hagens im ersten Satz Allegro con Brio zu schnell, das ist mir zu hastig. Natürlich kann man argumentieren, das sei jugendlicher Überschwang, aber ich finde es zu schnell.


    Viele lassen sich bei Beethovens "Allegro con brio" zu einem zügigen oder hastigen Tempo verleiten - das ist auch bei den Klaviersonaten so. Aber das ist ein Fehlschluß...


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat

    lutgra: ... aber ich mag Beethovens langsame Sätze langsam gespeilt,...

    Dann sind wir schon zwei, lieber lutgra. Wo langsam draufsteht, muss auch langsam drin sein.
    Deshalb war ich so überrascht, als ich die Zeiten des Kopfsatzes bei den Ungarn und bei ABQ verglich, denn das Hungarian Quartett schien mir doch sisgnifikant langsamer zu spielen. Beim Gegenhören fiel mir dann auch auf, dass die Reprise bei ABQ fast zwei Minuten später begann, was nur daran liegen konnte, dass das H. Q. Wiederholungen ausgelassen hatte.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber Holger, lieber William,


    die von Euch vorgestellten Aufnahmen des Hungarian String Quartets scheinen übrigens nicht die gleichen zu sein. Die Box, die Holger hat, ist die Mono-Aufnahme aus den 50ern. Ich nehme an, in der großen Beethoven CD-Box sind die späteren Stereoaufnahmen drin. Letztere besitze ich seit einiger Zeit als 10 LP-Box (unter Sammlern recht gesucht). Aber ich bin noch nicht dazu gekommen, Sie anzuhören.


    Schöne Grüße
    Lutz



    Drei begeisterte Reviews zur Mono-Ausgabe findet man hier:


    http://www.amazon.com/Beethove…002SBM/ref=pd_sim_sbs_m_2


    Ich fühle, dass mich schon wieder eine gewisse Schwäche überkommt.

  • Ich habe gestern abend die Beethoven-Box des Artemisquartetts ausgepackt und mit op. 18 Nr. 1 angefangen. Der Klang hat mich richtig umgehauen. Ganz wunderbar, wie die einzelnen Instrumente (insbesondere auch das Cello) herauszuhören waren. Ich war dann regelrecht verunsichert, weil ich der Meinung war, das die Belceas ebenfalls phantastisch gut klingen.
    Daher habe ich das Quartett direkt anschliessend nochmal mit dem Belceas SQ gehört. Zu meiner Beruhigung konnte ich feststellen, dass die genauso gut klingen. Eine grossartige Qual der Wahl.


    Allerdings würde ich mich z. Z. wohl für Artemis entscheiden, kann es aber nicht recht begründen warum. Und der Hinweis auf den langsamen zweiten Satz der Belceas macht mich wieder neugierig. Vielleich höre ich das Quartett heute abend gleich noch mal.


    Allerdings, was wird dann aus der Entdeckungsreise durch Beethovens Klaviersonaten? Und den Cellosuiten und...


    LG,
    Thomas

    "Lassen Sie sich ruhig fallen, bei Bruckner fallen Sie immer nach oben"
    Günter Wand

  • Allegro con brio IST bei Beethoven immer ein sehr schnelles Tempo, ich bin auf Gegenbeispiele gespannt :D


    Leider sind meine CDs fast alle schon eingepackt, so dass ich kein Vergleichshören anstellen kann. Rein zufällig habe ich noch eine ziemlich historisch klingende Aufnahme (frühe 60er, aber keine Studioaufnahmen, sondern mono-Funkmitschnitte; es gibt anscheinend auch eine Supraphon-Studioaufnahme) mit dem Vlach Quartett zur Hand. Die sind mir mit 7:11 (ohne Wdh., mit wären das etwa 9:40-50) schon eher zu langsam. Da hängt bei diesem Satz für mich aber nicht so viel dran; ich weiß nicht mehr, ob ich das Hagen Q. zu schnell fand.
    Der langsame Satz ist mit "appassionata" charakterisiert (anekdotisch soll er was mit Romeo und Julia zu tun haben). Jedenfalls ist das einer der dramatischsten langsamen Sätze (nicht nur) beim jungen Beethoven und die Figurationen sollen offenbar sehr bewegt sein. (Das Vlach Q. ist hier mit 8:44 nicht langsamer als moderne Aufnahmen (im Finale mit unter 6 min sogar sehr flott). Zu der Interpretation will ich nicht so viel sagen, da ich z Zt. nicht vergleichen kann und den Klang doch recht gewöhnungsbedürftig finde (was teilweise an der Aufnahme, teils aber auch an dem tatsächlichen Klang des Ensembles liegen mag).


    Das Quartett ist mein Favorit aus op.18, besonders die Mittelsätze finde ich überragend und hochoriginell. Das ruppige, zwischen Moll und Dur schwankende Scherzo (das im Trio noch wilder wird!) hätte Beethoven auch noch viele Jahre später so ähnlich schreiben können. Der Kopfsatz ist ein bißchen obsessiv in der thematischen Arbeit und das Finale auch ein bißchen "verbissen" (etwa die kontrapunktische Episode), aber beide sind energische und packende Sätze, die ich auch sehr mag.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die mMn weitaus schönste Einspielung, die ich kenne, hat mir bereits Thomas Sternberg weggeschnappt (Artemis-Quartett), auch die Einspielung des ABQ wurde erwähnt. Da ich meine Guarnieri-Einspielung meinem Vater abgetreten habe, bleibt mir also nur meine 1951 Einspielung vom Budapest Streichquartett (BSQ).


    Die Einspielung ist natürlich noch Mono und beim Klang muss man überhaupt Abstriche machen, aber ihr op. 18/1 kann sich durchaus hören lassen. Ich finde allerdings, dass gerade das F-Dur Quartett aus op. 18 praktisch ein Selbstgänger ist, da es überaus viel attraktives Material enthält. Eine Streichquartettformation müsste sich sich schon ordentlich anstrengen, einem das Werk zu vermiesen. Am mitreißendsten ist wohl der leidenschaftliche langsame Satz, der auch noch 10 Jahre später von Beethoven hätte geschrieben werden können. Das BSQ spielt denn auch diesen Satz sehr engagiert und mit 9:59 liegen die Russen mit ungarischem Namen praktisch gleichauf mit dem ABQ. Das Artemis-Quartett spielt den Satz um eine Minute schneller, was der Kohärenz mMn zuträglich ist. Ich habe dennoch an der Interpretation des BSQ nichts zu monieren. Aufgrund der schlechten Tonqualität wird man trotzdem wohl eher zu einer anderen Einspielung greifen wollen.
    Das BSQ wiederholt die Exposition des ersten Satzes nicht und spielt den A-Teil des Scherzos nach dem B-Teil nur einmal. Dadurch sind die Spielzeiten in in diesen Sätzen kürzer als beim Artemis-Quartett. Das Tempo ist etwas langsamer.

  • Der zweite Satz trägt die Bezeichnung Adagio affettuoso ed appassionato. Sowohl Hagen als auch Artemis gehen das m.o.w. zügig an, aber ist das, was sie spielen, ein Adagio?


    Ich denke, Beethoven hat unter Adagio schon ein rascheres Tempo verstanden als etwa Bruckner oder Mahler. Allerdings können wir ohne Metronomangaben nur mutmaßen. In Mendelssohns a-Moll Quartett aus 1827 gibt es eine interessante Tempovorschreibung: "Adagio ma non lento", was so viel heißt wie "Adagio aber nicht zu langsam". Vielleicht sollte "Adagio" auch einen gewissen Affekt ausdrücken und nicht nur eine reine Tempoangabe sein?

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  • Ich beginne mit der lange Zeit als Referenz gehandelten Studio-Aufnahme des Alban-Berg Quartetts von ca 1981.(Enthalten auf der hier abgebildeten Gesamtaufnahme, zuletzt in der Serie "Red Line" auch auf Einzel-CD erhältlich - zusammen mit den Quartette 2 und 3)
    Sehr ausgewogen, ein wenig zum schnellen neigend und durchaus weiter Dynamik. Die räumliche Ortung ist nicht ganz so pronounciert wie bei neueren Aufnahmen - aber die Instrumente sind gut voneinander getrennt. Mir fällt beim Hören des ersten Satzes immer wieder das Wort "beherzt" oder auch "harzig" ein. Und auch "intellektuell" und "eigenwillig" - keine geschönte, keine weiche oder süssliche Wiedergabe - gelegentlich an den passenden Stellen ein wenig schroff - aber nicht über Gebühr. "Schöner Klang" bleibt nicht auf der Strecke, er wird ausgekostet - aber nicht bis an die Grenze.
    Ein Quartett, aber VIER Individualisten. Zu Recht wurde diese Aufnahme bei ihrem Erscheinen gelobt und sie wurde auch immer all jenen empfohlen, die fürs erste nur EINE Aufnahme der Beethoven Streichquartette erwerben möchten. Dieser Empfehlung kann ich mich ohne Einschränkung anschliessen.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zu der Interpretation des ABQ: schroff sind sie höchstens im Scherzo, ansonsten deutlich weniger kantig als das Artemis-Quartett. Der Primarius (Pichler) sticht - wie bereits von Thomas Sternberg erwähnt - schon sehr deutlich heraus mit dem Vibrato. Das war allerdings zu dieser Zeit offensichtlich so üblich (heute und in den 1950ern eher weniger, denke ich). Sicher eine gute Einspielung aber Referenzstatus hat sie für mich keinen. Aus den 1980er Jahren fehlen mir jetzt Vergleichsaufnahmen, um zu eruieren, ob sie damals als Referenz hätten gelten müssen. Meiner Erinnerung nach spielten die Guarnieris recht ähnlich.

  • Zitat

    Felix Meritis: ...bleibt mir also nur meine 1951er Einspielung vom Budapester Streichquartett..

    Lieber Felix, die kannst ruhig eine Einspielung rezensieren, die hier schon einmal rezensiert worden ist. Laut Alfreds Eingangsposting ist dies sogar ausdrücklich erwünscht. Also ruhig ran an ABQ.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Felix, die kannst ruhig eine Einspielung rezensieren, die hier schon einmal rezensiert worden ist. Laut Alfreds Eingangsposting ist dies sogar ausdrücklich erwünscht. Also ruhig ran an ABQ.


    Liebe Grüße


    Da hast Du recht, das hatte ich wieder vergessen. Der Threadstart-Text ist kurz aber dicht gespickt mit Auflagen... ;).


    Ich finde aber, wie in meiner Rezension angedeutet, dass dieses Quartett wenig Spielraum für "originelle" Interpretationen lässt, daher wenige Einspielungen kontrovers sein werden. Bei den späten Quartetten sieht das ganz anders aus.....

  • Beim Artemis Quartett kommt mir der langsame Satz auch nicht schnell vor, obwohl die Spielzeit kurz sein soll. Es liegt wohl an dem voluminösen Klangbild, das die vier erzeugen. Man muss sich nur mal damit beschäftigen, wie das Cello und die Bratsche zur Geltung kommen, ein Traum!


    Auch für mich ist der zweite Satz der Favorit bei Nr.1.


    Grüße Thomas

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  • Zu der Interpretation des ABQ: schroff sind sie höchstens im Scherzo, ansonsten deutlich weniger kantig als das Artemis-Quartett. Der Primarius (Pichler) sticht - wie bereits von Thomas Sternberg erwähnt - schon sehr deutlich heraus mit dem Vibrato. Das war allerdings zu dieser Zeit offensichtlich so üblich (heute und in den 1950ern eher weniger, denke ich). Sicher eine gute Einspielung aber Referenzstatus hat sie für mich keinen. Aus den 1980er Jahren fehlen mir jetzt Vergleichsaufnahmen, um zu eruieren, ob sie damals als Referenz hätten gelten müssen. Meiner Erinnerung nach spielten die Guarnieris recht ähnlich.


    Die Guarneris spielen mit viel Vibrato und teilweise starken Rubati, klar - insbesondere bei Opus 18 muss man das natürlich mögen. Andererseits sind sie fast genauso glasklar durchhörbar wie das Artemis-Quartett - eine Überpräsenz der ersten Violine gibt es überhaupt nicht -, wohingegen man die Mittelstimmen beim ABQ häufig eher erahnen muss (ich habe mit dem ABQ von Beethoven nur op. 133 und einige auf youtube gehörte Einzelsätze, und da ist mir genau das Klangbild aufgefallen, das Ihr hier geschildert habt - ich vermute, bei op. 18 ist es dann das gleiche). Die Reprisenüberleitung im ersten Satz von op. 18,1 hat beim Guarneri-Quartett meine Kinnlade herunterklappen lassen, als ich sie das erste Mal gehört habe, so viel genauer war sie ausmodelliert als beim Gewandhaus-Quartett, meiner einzigen Aufnahme bis dahin...


    Die Guarneri-Box ist auf jeden Fall eine sehr interessante Alternative, wenn einem Artemis zu kühl ist (teuer ist sie ja nicht gerade). Ich würde sie nach dem, was ich vom ABQ kenne, deutlich vor jenes setzen, aber das ist sicherlich eine Frage der Präferenzen - und da steht gute Durchhörbarkeit bei mir ganz oben.

  • Das Vegh Quartett hat sich auf Tonträger zweimal mit Beethovens Streichquartetten auseinandergesetzt, einmal in den 50er in Mono, einmal Anfang der 70er in Stereo. Ich kenne nur die Stereoaufnahmen und habe gerade 18/1 gehört. Wenn man mal ein wenig recherchiert oder wie ich schon sehr lange Rezensionen verfolgt, stellt man fest, dass es zum Vegh Quartett und Beethoven zwei Arten von Meinungen gibt: die einen finden, das dies mehr oder weniger die Aufnahmen schlechthin seien, die näher als fast alle anderen zum Kern von Beethovens Schöpfungen führen. Die anderen bemängeln gewisse technische Mängel des Spiels (Intonationstrübungen etc.) und finden die Aufnahmen dann meist nur mittelmäßig und überschätzt. Typische Beispiele findet man z.B. auf der amerikanischen Seite des Werbeträgers. David Hurwitz (ww.classicstoday.com) vergibt klar die Höchstwertung von 10 Punkten.



    Ich will hier gar nicht diskutieren, wer denn recht hat. Mir hat diese 18/1 sehr gut gefallen. Das Quartett klingt sehr ausgewogen, alle vier Stimmen gleichberechtigt und der analoge Vinyl-Klang ist für meine Ohren hervorragend. Kleinere technische Mängel kann man tatsächlich ausmachen, aber mich stört es nicht bei so beseeltem Spiel. Das Adagio wird übrigens auch hier deutlich zügiger genommen als bei den Belceas, so dass deren Version dieses Satzes sicher eine Sonderstellung einnimmt.


    Ich kann jedenfalls nachvollziehen, warum diese Aufnahmen bei Vinylfans gesucht und vor allem als Original Valois Scheiben ziemlich teuer sind. Meine 3 Teldec-Boxen habe ich mit ein wenig Glück recht günstig zusammenbekommen.

  • Allegro con brio IST bei Beethoven immer ein sehr schnelles Tempo, ich bin auf Gegenbeispiele gespannt

    Es gibt ja die Bezeichnungen "Allegro vivace" und "Allegro assai", die ausdrücklich ein "schnelles" Allegro meinen. Das "con brio" ist doch wohl eher eine Ausdrucks- als eine Tempobezeichnung. Dafür spricht z.B. Beethoven op. 7 "Allegro molto e con brio". (Wenn man den Satz wirklich "sehr schnell" herunterrast wie Schnabel und Gulda, dann lassen sich Beethovens Phrasierungsvorschriften schlicht nicht mehr ausführen, so wie sie geschrieben stehen.) Der Kopfsatz von op. 2 Nr. 3 ist ein Allegro con brio, von op. 22 und op. 53 ("Waldsteinsonate") auch. Besonders letzterer bekommt ein allzu geschwindes Tempo gar nicht gut, dann verliert das Sonatenallegro nämlich seinen dämonischen Spielwitz. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Eine weitere Einspielung ist die des Tokyo String Quartetts. Ich beziehe mich mit meinen kurzen Anmerkungen auf die mir zur verfügung stehende Aufnahme von ca 1989. Auffallend gegenüber dem ABQ ist der weichere Klang und die Tendenz der Instrumente miteinander zu einem einheitlichen Klang zu verschmelzen, ein kleines Orchester gewissermaßen. ich empfand das Spiel sehr ausgewogen und harmonisch, auf überbetonte Kontraste verzichtend, Zudem ist das Tempo gegenüber dem ABG in allen Sätzen bemerkenswert langsamer, was dem Stück meiner Meinung nach gut tut. Ich finde man hört hier recht gut den Lehrmeister Haydn, dynamische Akzente klingen nicht aufgesetzt sondern natürlich fliessend. Liebhaber extremer Kontraste werden vermutlich enttäuscht, Genusshörer begeistert sein....

    mir freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    PS: Einmal mehr ist man gezwungen den gesamten Zyklus zu erwerben, was jedoch kein Problem zu sein scheint: Alle 9 CD werden komplett zum Preis einer Vollpreis-CD abgegeben.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Guarneri-Box ist auf jeden Fall eine sehr interessante Alternative, wenn einem Artemis zu kühl ist (teuer ist sie ja nicht gerade). Ich würde sie nach dem, was ich vom ABQ kenne, deutlich vor jenes setzen, aber das ist sicherlich eine Frage der Präferenzen - und da steht gute Durchhörbarkeit bei mir ganz oben.


    Ich bereue es jetzt ein wenig, die Guarnieri-Einspielung an meinen Vater abgegeben zu haben. Damals fand ich die Aufnahmen gut, aber nicht ausreichend komplementär zum Artemis-Quartett, um sie öfters zu hören. Aus dem Gedächtnis habe ich jetzt kaum mehr etwas parat, außer, dass mir op. 18/3 bei Artemis viel besser gefallen hat als bei den Guarnieris. Aber zu dem Quartett ein andermal.....

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  • Damals fand ich die Aufnahmen gut, aber nicht ausreichend komplementär zum Artemis-Quartett, um sie öfters zu hören.

    Hallo Felix,


    genau das "Problem" habe ich auch. Dieser Thread hat mir mal die Möglichkeit gegeben, wieder das ABQ zu hören. Es ist direkt wohltuend, eine andere Interpretation zu hören, aufzunehmen, das es auch anders geht, ohne die Qualitäten anzuzweifeln.


    Aber der Klang der Artemis-Einspielungen hat mich schon geprägt, auch was z.B. die Symphonien und andere Kammermusik angeht.


    Grüße Thomas