Klavierabend mit Maurizio Pollini am 4.8.- italienischer Geschmack und Eleganz in Vollendung beim SHMF


  • Schumann: Kreisleriana op. 16;
    Concert sans Orchestre op. 14
    Chopin: Sonate Nr. 2 b-Moll op. 35;
    Berceuse Des-Dur op. 57;
    Polonaise As-Dur op. 53


    Das Schleswig-Holstein-Musikfestival bietet ja in jedem Jahr interessante Konzerte mit bekannten und weniger bekannten, aber keineswegs weniger guten Künstlern, aber der Klavierabend, den Maurizio Pollini am 4.8. dem Publikum geschenkt (ja, dieses Wort ist genau richtig) hat, war schon ein ganz besonderer Leckerbissen. Für sein Programm hatte er Werke von Schumann und Chopin gewählt, und obgleich ich nicht unbedingt der allergrößte Schumann-Fan bin, muss ich sagen, dass die Art, wie Pollini gerade dessen Werke interpretierte, mich sehr beeindruckt hat. Die stellenweise - wie ich meine - doch etwas wirre Kreisleriana erfuhr eine "Systematisierung" - allerdings im besten Sinne, dennoch büßte sie von ihrer Leidenschaft und dem Liebesleid, dass Schumann wohl im Schaffensprozess durch die hindernisreiche Liebe zu Clara Wieck erfahren hat, absolut nichts ein. Das relativ selten gespielte Concert sans Orchestre in der Fassung von 1836 war geradezu überwältigend und hat mich bewogen, mich mit diesem Stück näher zu beschäftigen.


    Nach der Pause "bekannte" Pollini sich dann zu seiner großen Liebe Chopin. Die B-Moll-Sonate spielte er anrührend, brillant und ohne Rubato-Orgien. Gerade im berühmten dritten Satz gestaltete er das düstere Thema des Marche funèbre im wunderbaren Gegensatz zum zweiten, sehr lyrischen Thema des Satzes und betonte die hoffnungsvolle Seite des Satzes. Pollini ist ja häufig eine gewisse "Nüchternheit" oder -schlimmer noch - aalglattes Spiel vorgeworfen worden, dies konnte ich aber nicht einmal ansatzweise bestätigen. Im Gegenteil, seine Interpretation ist voller Gefühl, voller Poesie, verzichtet aber auf Effekthascherei und Selbstdarstellung. Letztere hat ein Künstler dieses Kalibers wohl auch kaum nötig.


    Noch vor der Berceuse und anschließenden Polonaise musste das Publikum der fast ausverkauften Musik-und Kongresshalle seine Begeisterung über eine so gelungene Interpretation mittels heftigem Applaus und Bravo-Rufen loswerden, was auch völlig verständlich war. Pollini bedankte sich für den frenetischen Beifall mit zwei Zugaben und gab im Anschluss geduldig Autogramme, was sicherlich angesichts der beträchtlichen Schlange doch eine längere Angelegenheit gewesen sein dürfte.


    Ein fantastischer Abend mit einem echten Grandseigneur des Klaviers, der mir in bester Erinnerung bleiben wird.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Liebe Strana, es ist immer ein wundervolles Gefühl einen solchen Abend live miterlebt zu haben! Ich freue mich sehr für dich!! :)

  • ...musste das Publikum der fast ausverkauften Musik-und Kongresshalle seine Begeisterung über eine so gelungene Interpretation...


    Wie, da kommt einer der besten drei bis fünf Pianisten unserer Zeit mit einem sehr schönen Programm, und es ist nicht ausverkauft?


    Wieviele Leute gehen denn in die Halle rein??

  • Da trägt er seine alten "Sterne" vor. Die Kreisleriana hörte ich von ihm in den 1970igern im längst abgerissenen Düsseldorfer Schumann-Saal - zuletzt in Köln die Fantasie op. 17 nach Stockhausen und Schönberg. Die Schumann-Sonate ist eine seiner absoluten Glanznummern (meine Referenz) und der Chopin natürlich auch überragend! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Wie, da kommt einer der besten drei bis fünf Pianisten unserer Zeit mit einem sehr schönen Programm, und es ist nicht ausverkauft?


    Wieviele Leute gehen denn in die Halle rein??

    Also offiziell 1900. Wenn ich "fast ausverkauft" sagte, dann meinte ich wirklich nur ein paar wenige leere Stühlchen, die unter den Massen hervorlugten. Wobei man natürlich nicht sagen kann, ob das von vornherein nicht verkaufte oder aus anderen Gründen leer gebliebene Plätze waren. Die Muk war wirklich gut gefüllt, und Pollini ist angemessen empfangen worden.



    Da trägt er seine alten "Sterne" vor

    Ja, das glaube ich, so hörte es sich auch an.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)