Hallo Bernstein-Freunde,
daß in diesem Forum eher ein Ives-Sinfonien – Thread vorhanden ist als für Bernstein´s Sinfonien ist für meinen Geschmack schon sehr verwunderlich. Allerdings ist in anderen Thread´s schon mehrfach über Bernstein´s Werke geschrieben worden.
Leonard Bernstein ist jüdischer Abstammung und diese Thematik prägt und durchzieht sein gesamtes Schaffen. Seine eindrucksvollen Sinfonien sind geprägt von seinem tiefen Glauben, seiner verbundenheit zum Judaismus und enthalten zudem die bernsttypischen Jazzelemente.
Seine Sinfonie Nr.1 „Jeremiah“ schrieb Bernstein im Jahre 1942 für einen Kompositionswettbewerb des NewEngland Conservatory. Bei der Preisvergabe ging Bernstein zwar leer aus, doch der Leiter seiner Dirigentenklasse Fritz Reiner war überaus angetan von der Sinfonie und wollte diese in Pittsburg uraufführen. Er überließ diese Aufgabe dann am 28.Januar1944 Bernstein selbst. Der Erfolg, auch in Boston im Februar 1944 bestimmte die Sinfonie zur besten Neukomposition des Jahres.
Die Sinfonie Jeremiah hat kein direktes Programm. Es wird in gerigem Maß häbräisches Themenmaterial aus der Lithurgie verwendet.
Im ersten dramatischen Satz „Weissagung“geht es um die inständigen Bitten des Propheten an sein Volk.
Der zweite emotionale Satz „Entweihung“ beschreibt die Zerstörung und das Chaos, die durch die heidnische Verderbtheit der Priester und des Volkes ausgelöst wurde.
Der dritte Satz „Lamentation“ für Sopran und Orchester enthält die biblischen Klagelieder Jeremias um sein geliebtes Jerusalem, der am Ende dann Trost bringt.
Die Sinfonie Nr.2 für Klavier und Orchester „The age of aniexty“ (Das Zeitalter der Angst) von 1948/49 ist eine Art Programmmusik, die sich eng an das gleichnamige Gedicht von W.H.Auden hält.
Es wird die Stimmung von 4Menschen in einer Bar geschildert, die dann zusammen in die Wohnung der Frau fahren, weiter feiern und später zu sich selbst finden (absolute Kurzbeschreibung). Das ist von Bernstein sehr gut durchdacht und hat seine kompositorische Berechtigung. Das Ergebnis ist jedenfalls eine höchstinteressante Sinfonie mit vielen Jazzelementen, dramatischen Momenten und ein großes Meisterwerk des 20.Jahrhunderts, das für den Hörer an keiner Stelle uninteressant oder langweilig ist.
Bernstein widmete die Sinfonie seinem Mentor Serge Kussewitzky, der am 08.April 1949 mit Bernstein am Klavier die Uraufführung leitete.
Bernstein erstellte 1965 eine revidierte Fassung, die er als die Gültige und Zufriedenstellende bezeichnete, weil der Klaviersolist im Finale nun eine gewichtige Rolle im konzertanten Gesamtzusammenhang hat.
Die Sinfonie Nr.3 „Kaddish“ für Sprecher und Orchester ist im November 1963 fertig gewesen. Sie basiert auf dem jüdischen Totengebet Kaddish.
Der Zufall wollte es so, das das John F.Kennedy-Attentat in diesem Jahr am 22.11.1963 stattfand und so hat Bernstein diesem ersten katolischen Präsidenten der USA seine Sinfonie gewidmet.
Im darauffolgenden Jahr unter dem Eindruck und der Trauer zum Tode Kennedy´s wurde die schwergewichtigste Aufnahme in der Erstfassung mit Bernstein/NewYorker PH und als Sprecher seine Frau Felicia Montealgre. Die New Yorker Musiker und Frau „Bernstein“ standen unter dem Eindruck der Trauer zu dem Ereignis und so ist eine atemberaubende Interpretation seitens aller Beteiligten entstanden, in der sich die tiefe Trauer wiederspiegelt. Die weibliche Sprecherstimme ist absolut herzzerreißend (zum Glück singt sie nicht). Ausgerechnet paßt auch der Inhalt der Sinfonie um diese Trauer auszudrücken.
Wohlgemerkt --- die Sinfonie wurde 1963 ursprünglich nicht von Bernstein zum Tode Kennedy´s geschrieben.
Bernstein hat 1976 die Sinfonie bearbeitet um unter anderem die Länge der Sprecherauftritte zu reduzieren. So ist die DG-Aufnahme von 1976 mit dem Israel Philharmonic Orchestra in der zweiten Fassung der Sinfonie Nr.3 mit einem männlichen Sprecher (Micheal Wagner) besetzt, eine willkommene Ergänzung zur CBS-Aufnahme von 1965.
Zu den Bernstein-Aufnahmen bei DG und CBS/SONY:
Die 3 Sinfonien habe ich in den 70er Jahren aus dem Rundfunk in der NewYorker-Aufnahme kennengelernt und aufgenommen. Später habe ich mir dann die DG-Aufnahmen mit Bernstein / Israel PO incl. andere Sinf.Werke auf LP gekauft und war von der atemberaubenden Klangqualität auf LP begeistert. Die DG-Übernahme auf CD ist nicht so einwandfrei gelungen, wie man es sonst gewohnt ist – aber auch nicht so schlecht, das man diese nicht kaufen könnte oder sollte, denn die Interpretation ist absolut authentisch.
:] Nun habe ich mir Dank INFO zweier Forumsmitglieder im Thread „Wo kauft ihr Eure CD´s“gelungen, die beiden SONY-CD´s mit den drei Bernstein-Sinfonien (Bernstein / NewYorker PH aus 1961-65) zu bekommen. Das sind die CBS-Aufnahmen, die ich damals im Rundfunk aufgenommen habe und die es auch auf CBS-CD´s gab – sie waren mir damals zu teuer.
Diese CBS-Aufnahmen mit Bernstein sind perfekt und klangtechnisch auf sehr hohem Niveau (meinen alten Bandaufnahmen haushoch überlegen).
Die DG-Aufnahmen geben in kammermusikalischen Passagen machmal hier und da noch mehr Informationen frei und klingen in Schlagzeugpassagen präzisier. Welcher Aufnahme man letztendlich den Vorzug gibt bleibt Geschmackssache – sie sind Beide großartig.
Wenn man die SONY/CBS-Aufnahmen hat braucht man die DG-Aufnahmen nicht unbedingt, aber wenn man, wie ich bisher die DG-LiveAufnahmen hat, dann sind die CBS-Aufnahmen eine wunderbare Ergänzung, besonders wegen der emotionsgeladenen Erstfassung der Sinfonie Nr.3.
Es ist einfach gut, wenn man beide Bernstein-Aufnahmen DG und SONY/CBS besitzt.
Die DG-Aufnahmen der Sinf.Nr.1 und 2 sind live in der Berliner Philharmonie 1977 aufgenommen, die Nr.3 live in Mainz (BRD) und haben ebenfalls eine Qualität, die nur durch einen Dirigenten wie Bernstein erreicht wurde. Bernstein bewegt die Musiker des Israel Philharmonic Orchestra zu Höchstleistungen; nicht anders als 16Jahre zuvor in NewYork.
Die beim Erscheinen so hochgelobte NAXOS-Aufnahme der Sinfonie Nr.2 mit J.Judd ist sauber und perfekt eingespielt (mehr nicht), doch bei genauem und mehrmaligem Hören stellt man doch fest, das kein anderer als Bernstein seine eigenen Werke besser interpretieren konnte. Da werden Emotionen frei gesetzt, die mit dem Tode Bernsteins verpufft sind.
Wie gut das Bernstein in einer Zeit gelebt hat in der er seine Werke in mustergültiger Qualität aufnehmen konnte.