Mikis Theodorakis - der moderne Grieche

  • Der Komponist Mikis Theodorakis (geb. 29. Juli 1925) wurde an wenigen Stellen bei Tamino schonmal erwähnt. Den Einstieg möchte ich mit seiner Sinfonie Nr.7 beginnen, die ich als erstes Werk von ihm kennengelernt habe.

    Dies hat absolut nichts mit "Sirtaki" zu tun !


    Irgendwo hatte ich gelesen, dass die Sinfonie Nr.7 "EAPINH" (1982) an emotionaler Power (sinngemäss; dort mit anderen Worten) kaum zu überbieten ist. Da man die CD fürn halben Euro bestellen konnte, wollte ich das hören. Die CD traf wenige Tage später aus GB ein. Verwundert war ich dann erst einmal, dass es sich um eine Chorsinfonie mit Solisten handelt, was ja eigendlich nicht "so mein Ding" ist. Die gesungenen Texte beinhalten, kurz gesagt, Geschehnisse des 2.Weltkrieges von 1940 - 1948, nach dem Krieg. Sind IMO aber austauschbar und ohnehin bei dem "Lateingesang" nicht zu verstehen.


    Aber besonders der 1.Satz Spring Symphony 20:30 ist der Wahnsinn. Mit Pauken und astreinen "modernen" Effekten geht es zur Sache; da ist "richtig was gebacken". Die Choreinlagen erinnern an Monumentalfilmmusik aus Römischen Filmen, jedenfalls nichts ungeniessbares.


    Der 2.Satz The Exekution of Athina Part 1 6:35/Part 2 16:09 wird zunächst durch eine Spopranstimme getragen - hat mich weniger vom Sockel. In Part 2 steigert sich das Geschehen etwas - interessante Orchesterfarben mit Vibraphonunterstützung. Der wirkliche Ausbruch, den ich hier erwarten würde, fehlt mir.


    Der 3.Satz The March of the Ocean 9:05 mit emotianal gesteigertem Chor innerhalb des Satzes.


    Der 4.Satz ist ein kurzes Finale - The Lady of Vineyards 2:14 "Ohrwurmschmalzfinale" a´la Operdramaturgie (nicht mein Geschmack) aber effektvoll angelegt mit Gänsehautfeeling (wers mag).


    :thumbsup: Mir hat die Sinfonie Nr.7, besonders der Part I, der moderner Zukunftsweisender wirkt als der Rest, ganz ausgezeichnet gefallen.
    Jedenfalls gefällt mit die Theodorkis 7 ungleich besser als die beiden Chorsinfonie Nr. 7 und 8 von C.Penderecki, die mit zu weihevoll kirchlich daherkommen und die ich eher als zu brav einstufen würde (das Wort "langweilig", wie des öfteren in Kritiken gelesen, möchte ich für Pende nicht verwenden !).


    -->
    Dresden PO
    Beethoven Chor der Kreuzschule Dresden + Solisten, wie Gunther Emmerlich, Bass
    Christian Hauschild
    SOUNDWINGS, 1984, ADD


    Die Aufnahme wurde wenige Tage nach der UA 19.Mai 1984, am 24.Mai 1984 in Analogtechnik gemacht.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Danke für die Anregung, lieber Wolfgang.


    Die Aufnahme ist bereits bestellt. Ich bin jetzt wirklich gespannt.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Da ich einige der "Folk"Musik von Theodorakis kannte und schätzte, hatte ich vor vielen Jahren eine oder zwei CDs, die es damals bei 2001 günstig gab, bestellt. Ich meine, es wäre auch die "Frühlingssinfonie" Earini dabei gewesen. Ich muss aber gestehen, dass ich die CD anscheinend schon vor langer Zeit wieder abgestoßen habe... weil mir das anscheinend nicht so besonders zugesagt hat. Vielleicht sollte ich bei Gelegenheit doch mal wieder einen Versuch wagen.


    Am bekanntesten sind wohl seine chorsinfonischen Werke, "Canto General" (nach Neruda) u.a. Sie liegen u.a. aufgrund Zusammenarbeit mit seinerzeitigen DDR-Ensembles und Labels wohl auch in ordentlichen Einspielungen vor. Hier gab es schon einmal einen thread dazu:


    Theodorakis: Oratorien

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mit Theodorakis Sinfonie Nr.7 (gem.Beitrag 1) gebe ich mich nicht alleine zufrieden. Irgendwo hatte ich gelesen, dass seine erste von Schostakowitsch geprägt sei - Mikis schreibt dies auch selber im Textheft der CD (das ist Vorbildlich gehalten und in drei Sprachen (auch deutsch !). Von daher ist meine Interesse und die Erwartung natürlich besonders hoch ...


    Die Sinfonie Nr.1 ist in drei Sätze eingeteilt: Allegro - Andante - Allegro 14:13 - Andante 9:50 - Allegro moderato - Adagio - Allegro 13:44. Von der Sonatensatzform will Theodorakis nichts wissen (Ist ja OK !) - er verarbeitet, sagen wir lieber verwendet auch 4 Themen. Der programmatische Hintergrund sind Gedanken an den Albanienkrieg 1940 und andere quälende Erfahrungen die M.T. im Textheft (recht umständlich) beschreibt.


    Mit der Anlehnung an Schostakowitsch´s Tonsprache trifft das am Rande zu, was Klangfarben und Instrumentation angeht. Natürlich alles geniessbar. Doch die Ausdrucksstärke, die sich bei Schostakowitsch meist schon nach wenigen Takten einstellt und den Hörer zu packen vermag, fehlt hier völlig. Mehr als ein "ganz nett" und anhörbar, kann ich leider nicht feststellen. Einen aufgebauten Höhepunkt in den Sätzen suchte ich vergebens.
    ;) Von daher kann man auch hier wiedereinmal sagen: Kein Wunder das er so wenig bekannt, selten gespielt wird und auch seine eigenen Werke oft selber dirigiert und dann mit Orchestern, die nicht zu den Spitzenensembles gehören.



    INTUITION, 1995, DDD


    Ein Ausflug nach Griechenland, der sich nicht so interessant gestaltet, wie ich dachte. Dieses mal --- Kein MUSS !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die griechische Euro Tragödie hat mich bewogen, mich mit griechischer Musik zu beschäftigen.


    Erstaunt hat mich bei meiner Recherche, dass Mikis Theodorakis fünf Opern komponiert hat. Bis auf die erste Oper Die Metamorphosen des Dionysos (nach Gedichten von Kostas Karyotakis und eigenen Texten) hat er Stoffe der griechischen Antike umgesetzt. Die Tonsprache ist gemässigt modern: Antigone, Elektra, Medea, Lysistrata






    Das St. Petersburg State Academic Capella Orchestra & Choir hat sie unter der Leitung des Komponisten eingespielt.


    Die Einzelaufnahmen von drei Opern der antiken Stoffe (ohne Lysistrata) gibt es auch zusammengefasst in dieser Box:



    Mikis Theodorakis hat der Frankfurter Allgemeinen ein Interview gegeben (25. 06. 2015). Titel: Wo sollen wir Hoffnung hernehmen? Wenn man danach googelt, findet man schnell zum Text.


    Am 29. Juli konnte er seinen 90. Geburtstag feiern.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Jetzt muß ich doch ein bisserl stänkern...
    Theodorakis in allen Ehren: Wer einen Tanz so erfindet, daß selbst viele Griechen glauben, eine Khatchaturian-Nachahmung sei ein originaler Volkstanz, hat schon was Geniales.
    Aber wir wollen festhalten, daß Theodorakis nicht einfach ein aufrechter Linker ist. Für seine Kombination von politischen Ansichten mit künstlerischem Schaffen gab's 1983 den Lenin-Friedenspreis, der vor 1956 nicht von ungefähr Stalin-Preis hieß. Im Jahr 2003 verurteilte der Zentralrat der Juden Griechenlands einige Äußerungen von Theodorakis als antisemitisch. Der Grund war, dass sich Theodorakis selbst als Antisemiten bezeichnet hat. Allerdings entschuldigte er sich dafür und erklärte, das sei ein Versprecher gewesen. Der Zentralrat der Juden Griechenlands akzeptierte die Entschuldigung. Allerdings bezeichnet sich Theodorakis weiterhin als Antizionisten, was bedeutet, dass er die Existenz des Staates Israel an sich ablehnt, also nicht verfehlte politische Entwicklungen in Israel kritisiert, sondern der Nation die Existenzberechtigung abspricht.
    Dazu kommt, daß Theodorakis sich immer zu Wort meldet, wenn das Thema nur weit genug links ist, ob es nun vernünftig ist oder nicht - das hat ihm die Ehrenmitgliedschaft in der Europäischen Linkspartei eingetragen.
    Jetzt die große Frage: Würde man sich um Theodorakis kümmern, würde er seine politische Überzeugung nicht wie ein Schild (ich schreibe mit Absicht "ein Schild" und nicht "einen Schild") vor sich hertragen?
    Ich bin der Überzeugung, er hätte, wie jeder Kleinmeister, ein paar Anhänger, aber er wäre mit Sicherheit nicht diese quasi statuarische Gestalt. Die Erfindung des Sirtaki (1964) auf der Basis des Säbeltanzes (1942) ist zweifellos ein Wurf. Aber man braucht nur die "Antigone" oder die "Elektra" zu hören, um zu begreifen, wie schwach Theodorakis ist: Da melodisieren Singstimme und Orchester endlos dahin in immer gleicher Instrumentierung und immer gleicher harmonischer Dichte und immer gleichem Tempo, ohne daß sich etwas heraushebt, ohne, daß sich klare Konturen ergäben. Die Orchesterwerke sind geglätteter Schostakowitsch, Vokalwerke wie "Axion Esti" sind von erschreckender Simplizität und erinnern an die schlimmsten Versuche sowjetischer Massenmusik. Dass er diesem Werk die Verse des genialen Odysseas Elytis zugrundelegt, macht die Sache nur noch schlimmer.
    Insgesamt also gewiß kein schlechter Komponist, sondern einer der Mittelklasse, wie er speziell in der Sowjetunion häufig vorkam und dort Amirow, Falik oder Taktakischwili hießen. Die waren auch gute Handwerker, denen fallweise ein Reißer einfiel, den man als Hintergrundmusik für Restaurants oder kulturell ambitionierte Kaufhäuser verwenden kann.
    Tragisch an der Sache ist, daß Theodorakis' politische Ambition so stark ist, daß sie alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, was griechische Musik betrifft - was dazu führt, daß wir wirklich bedeutende griechische Komponisten wie Nikos Skalkottas oder sehr gute wie Theodore Antoniou und etliche andere praktisch nicht wahrnehmen. Einzig und allein Iannis Xenakis sticht neben Theodorakis heraus - aber den verstehen die meisten, trotz der griechischen Titel, wohl eher als Franzosen.

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