NEU-GIERIG oder NOSTALGISCH ? - Vol 2 - Die Komponisten

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    NEU-GIERIG oder NOSTALGISCH ? - Vol 1 - Die Interpreten
    entsteht hier jener, der sich mit den Komponisten befasst. Immer wieder wird ja beklagt, daß man immer wieder die gleichen Werke auf den Spielplänen findet - und daß immer wieder die gleichen Stücke auf Tonträger gebannt werden - bis zum Überdruß.
    Die Vertreter der zeitgenössischen Musik und vor allem deren Nutzniesser erklären, es gäbe da nur EINE Lösung, und die wäre, ZEITGENÖSSISCHE Musik zu hören. ich meine - man sollte nicht gleich an das Schlimmste denken - und nach anderen Lösungen ausschau halten. Da bietet sich beispielsweise die Musik der sogenannten "Kleinmeister" vergangener Jahrhunderte an, die zwar ebenfalls keinen Platz auf den Spielplänen unserer Tage finden, aber dafür am Tonträgermarkt sehr gut vertreten sind.
    Jeder muß die Entscheidung für sich treffen. Denn man kann auch auf Vergangenes "neu-gierig" sein........
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich denke, dass so mancher Großmeister bei weitem noch nicht "abgenagt" ist. Am betroffensten sind wohl Haydn (wer kennt z.B. alle Opern und Barytontrios?) und Bach (die meisten Musikliebhaber kennen von Bachs Vokalmusik nur h-Moll Messe, die Passionen, Magnificat, Weihnachtsoratorium und eine Handvoll Kantaten). Von Mendelssohn wurde erst vor ein paar Jahren ein anständiges Werkverzeichnis publiziert und weite Teile des Werkes bedeutender Komponisten, wie etwa Rimsky-Korsakows, verbleiben in völliger Obskurität. Eine große Baustelle ist natürlich auch die Musik der deutschen Romantik, wo mir nichts dir nichts einfach 75% des Outputs gekübelt wurde und erst jetzt langsam wieder zum Vorschein kommt. Ich behaupte, dass nicht wenige Werke dieser Zeit locker vorne mitspielen können - v.a. im Vergleich mit den frühen Dvoráksymphonien, der ersten Symphonie Mendelssohns und so mancher Konzertouvertüre Brahmsens.....

  • Ich habe ja schon in allen möglichen anderen Threads mein Interesse an Kleinmeistern aller möglicher Art kundgetan, insofern wüsste ich jetzt nichts Neues zu berichten.

  • Von JS Bach dürften alle verfügbaren Werke (inklusive dutzenden zweifelhafter Autorschaft) eingespielt sein, meist mehrfach. Von Haydn und Händel sind immerhin alle bekannten Werke ediert und die meisten liegen in Aufnahmen vor (wenn auch oft gekürzt oder nicht unbedingt erstklassig). Von anderen Komponisten wie Telemann, Albinoni oder Vivaldi ist nur ein Bruchteil überhaupt (wissenschaftlich oder überhaupt) im Druck erschienen, geschweige denn eingespielt. (Freilich dürften wohl nicht wenige Hörer der Ansicht sein, dass es hier auch keinen Bedarf für nochmal 500 Suiten oder Konzerte gibt...)


    Und tatsächlich dürfte für viele Musikhörer bei den Jubiläen der letzten Jahre überraschend gewesen sein, was Schumann, Mendelssohn und Liszt so alles noch komponiert haben...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Von JS Bach dürften alle verfügbaren Werke (inklusive dutzenden zweifelhafter Autorschaft) eingespielt sein, meist mehrfach. Von Haydn und Händel sind immerhin alle bekannten Werke ediert und die meisten liegen in Aufnahmen vor (wenn auch oft gekürzt oder nicht unbedingt erstklassig)


    Eingespielt ja, aber wer hier im Forum hat sie gehört? Obwohl bei Haydns Opern bin ich mir nicht so sicher, ob alles eingespielt ist. Ritorno di Tobia gibt es meines Wissens auch nur in einer Aufnahme (welche ich natürlich besitze).

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  • Zitat

    Eingespielt ja, aber wer hier im Forum hat sie gehört?


    Nun , von Haydns 104 Sinfonien habe ich etwa 70 gehört. Aber gehört heisst natürlich nicht "erschlossen" oder daß man sie wieder erkennen würde, ein Werk sollte man mindestens 3 mal gehört haben. Aber es ist natürlich auch eine Frage des Lebensalters. Dann ist es meiner Meinung nach nicht wirklich erforderlich, daß jeder "alles" gehört haben muß" - ABER die Wahlmöglichkeit sollte vorhanden sein. Es mag sein, daß jemand nicht damit zufrieden ist, 25 ausgesuchte (die "BESTEN") Haydn Sinfonien zu kennen oder zu besitzen, sondern er will wählen zwischen den "frühen", den "mittleren" oder den "Späten" Andere möchten ALLE Hören, verzichten indes (weitgehend) auf Mozart. Und wieder andere meinen, es genüge ein Dutzend Haydn Sinfonien zu kennen und dafür auch ebensoviele von Pleyel zu kennen. Dann gibt es auch Hörer, die begnüben sich mit wenigen Weren einer alten Epoche überhaupt, sie wollen die "Entwicklung" der Musikgeschichte akustisch vermittelt bekommen. Die Wahlmöglichkeit sollte vorhanden sein - Wie der Einzelne sich dann entscheidet ist seine Sache......
    Ich kann z.B. locker auf alles was nach 1950 geschrieben wurde verzichten., fühle mich aber am Wohlsten bei den heute unbekannten Komponisten des 18. Jahrhunderts.....
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Also die Gretchenfrage ist: Lieber noch ein paar Werke größerer Komponisten oder lieber noch ein paar kleinere Komponisten.
    Da manövriert eben jeder anders. Vergleichsweise habe ich sicher sehr viele Kleinmeister und immer noch recht große Lücken bei den Großmeistern.

  • Eingespielt ja, aber wer hier im Forum hat sie gehört? Obwohl bei Haydns Opern bin ich mir nicht so sicher, ob alles eingespielt ist. Ritorno di Tobia gibt es meines Wissens auch nur in einer Aufnahme (welche ich natürlich besitze).

    Es gibt außer der Naxos-Einspielung anscheinend noch eine unter Dorati (Decca) und eine bei hungaroton (Szekeres). Bei den Opern bin ich mir nicht ganz sicher, glaube aber, dass Dorati in den 1970ern die meisten aufgenommen hat (und evtl. wieder hungaroton ggf. noch fehlende). Gewiss ist das eine massive Diskrepanz zur "Schöpfung", aber nicht so extrem wie bei "Messiah" und "Joseph and his Brethren".


    Die Klaviertrios und Klaviersonaten Haydns habe ich alle mindestens einmal gehört; alle Sinfonien und Quartette wiederholt und bewusst. Bei den Barytontrios reichen mir bislang zwei Auswahl-CDs. Ich weiß nicht, ob ich jemals alle Bach-Kantaten und Orgelstücke angehört haben werden und bezweifle es auch bei den Händelschen Opern. Aber auschließen will ich es nicht.

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  • Es gibt außer der Naxos-Einspielung anscheinend noch eine unter Dorati (Decca) und eine bei hungaroton (Szekeres). Bei den Opern bin ich mir nicht ganz sicher, glaube aber, dass Dorati in den 1970ern die meisten aufgenommen hat (und evtl. wieder hungaroton ggf. noch fehlende). Gewiss ist das eine massive Diskrepanz zur "Schöpfung", aber nicht so extrem wie bei "Messiah" und "Joseph and his Brethren".


    Ich habe mir das Werk vor Jahren per Amazon bestellt und die Hungaroton-Aufnahme war die einzige, die ich zu dem Zeitpunkt bekommen konnte. Natürlich ist dieses Oratorium nicht so schön wie die beiden berühmten, aber hörenswert ist es doch.


    Meiner Meinung nach gibt es nur wenige Komponisten, bei denen es sich auszahlt alles zu hören: Bach, Beethoven - und Haydn/Mozart schon mit Vorbehalt. Die Klaviersonaten Haydns sind jedenfalls ausnahmslos hörenswert, auch die ganz frühen. Weiters alle Kantaten Bachs. Ich bin aber selber säumig bei Bachs Orgelwerk und Haydns Barytontrios.....

  • Meiner Meinung nach gibt es nur wenige Komponisten, bei denen es sich auszahlt alles zu hören: Bach, Beethoven - und Haydn/Mozart schon mit Vorbehalt.


    Zum Glück gibt's ja auch Komponisten, die man schneller durchgehört hat:
    Webern
    Varèse
    Barraqué
    Aber auch bei Mahler und Berg wird man nicht seufzen, wenn man Komplettist ist.
    Bei manchen älteren Komponisten ist nicht gar so viel überliefert, mir fällt jetzt Chambonnières ein, aber das werden ziemlich viele sein.


    Ich überlege, die Ravel-Integrale zu kaufen (14 CDs) - lohnt sich das?

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  • Der Einwand ist natürlich richtig. Auch Debussy kann man, denke ich, vollständig durchhören, ohne auf etwas schlechtes zu stoßen. Bei Ravel zahlt sich das mMn definitv aus. Ich habe nicht alles (keine Integrale), aber wohl zwei Drittel seines Outputs, und alles ist von sehr hoher Qualität. Der Mann hat keinen Mist geschrieben. Auch Chopin passt auf 15-20 CDs.

  • Ich bin mit "meinem" Janacek gut dran, da habe ich und kenne praktisch alles. Allerdings erst ab der Jenufa, weil die Männerchöre davor (es gibt sogar eine CD davon) mir nicht so zusagen. Sarka habe ich zweimal, aber noch nicht so richtig gehört. Praktisch ist bei Janacek auch, dass es alle Werke in absoluten Bestaufnahmen gibt und nicht unbedingt jede neue Aufnahme haben muss.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Zu Haydns Sinfonien: ich habe sie alle und kenne sie alle, jede habe ich mindestens 10x gehört, die Sturm-und-Drang-Sinfonien sogar deutlich mehr. Es hat Jahre gedauert, aber sich absolut gelohnt.
    Mein Fazit: ich besitze Haydn in der Gesamtaufnahme mit Hogwood, danach mit den Experten Kujken, Freiburger Barockorchester, Immerseel, Brüggen, Weil. Anderes kommt mir nicht auf den Plattenteller. Hier im forum gibt es ja viele Anhänger der Aufnahmen mit Bernstein usw. Das sind für mich keine Haydn - Werke, sondern für großes romantisches Sinfonieorchester bearbeitete Sinfonien. Noch eine Bemerkung, die hier nicht so geschätzt wird. Ab 88 scheint Haydn, der Subtile, sich mit den größeren Orchestern auch mehr dem Publikumsgeschmack anzunähern. Die letzten Sinfonien sind nicht schlecht, können sich aber mit den 40ern (Sturm-und-Drang) nicht messen. Meine abolute Lieblingsssinfonie ist 44 (Trauer).
    Für mich hat es sich sehr gelohnt, den Haydn ganz durchzuhören; es war ein Bergwerk voller Gold, das aber nicht da lag, wo ich es vermutet hatte.

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  • Ich glaube auch, dass man von Haydn kein schlechtes Stück finden wird.
    Aber es ist einfach zu viel.


    Nein, ein schlechtes wohl nicht. Unlängst habe ich mir aber eine CD mit Violine/Viola-Duos erschienen bei Brilliant bestellt. Das hat mich schon ein bisschen gelangweilt, muss ich zugeben.

  • Zitat

    Meiner Meinung nach gibt es nur wenige Komponisten, bei denen es sich auszahlt alles zu hören


    Das ist aber auch ein schlechter Denkansatz - sich quasi verpflichtet zu fühlen ALLES zu hören.
    Diese Haltung konnte erst durch die in Mode gekommenen Boxen "Der ganze Haydn" oder " 7 Kilogramm reinster Beethoven" "1 Laufmeter Bach" oder "Mozart bis zum Abwinken" entstehen - wobei 35 Jährige sich überfordert fühlen das alles zu hören - letztlich haben sie es ja gekauft.
    Im Prinzip ist es so, daß man das ganze Leben neues von einem Komponisten entdecken sollte - Sollte die Zeit nicht ausreichen -Pech gehabt. Ich erinnere mich, daß ch gegen Ende 20 übersättigt von den Wiener Klassikern war und eine 3 Jährige Pause eingelegt habe - um so gieriger habe ich dann beim Wiederhören die Werke verschlungen. An sich sollte es so sein, daß man sein ganzes Leben neugierig auf ungehörtes Repertoire - auch von berühmten Komponisten ist - bzw manches neu für sich entdeckt, weil von einem anderen Standpunkt hört.
    Manchmal helfen hier auch neue Moden in Bezug auf die Interpretation.
    Persönlich bin ich neugierig auf unbekanntes Repertoire von Zeitgenossen der "großen Meister Haydn, Mozart, Beethoven uns Schubert. Meine Favoriten heissen hier Rosetti, Pleyel, Vanhal, Vranicky, Salieri, Ries, Boccherini, Clementi, Field, Johann Christian Bach - einige habe ich natürlich hier vergessen - sie mögen mir verzeihen.
    Auf die "Avantgarde " kann ich gerne verzichten - und ab 1950 höre ich Musik nur mehr in Ausnahmefällen.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    clck 212

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das ist aber auch ein schlechter Denkansatz - sich quasi verpflichtet zu fühlen ALLES zu hören.


    Bei mir nicht, denn ich habe von Bach keine einzige "Box" zuhause. Die Kantaten habe ich mir vollständig und weitgehend in zumindest doppelter Abdeckung in jahrelanger Sammlertätigkeit unter Einsparung von Bier und anderen Erfreulichkeiten des Lebens zugelegt. Von Bach habe ich bis auf die Heerscharen von Orgelchorälen, welche er geschrieben hat, praktisch alles. Uns ich finde, es ist nichts dabei, was ich als "überflüssig" bezeichnen würde. In diesem Sinne kann man den ganzen Bach hören, ohne einen "Fehler" zu machen. Von Mendelssohn habe ich selbstverständlich absolut alles, was erhältlich ist (Werke, nicht Einspielungen) und meine, dass da man da einiges nicht kennen muss. Bei Beethoven, den ich bei weitem nicht komplett habe, habe ich bis jetzt auch noch nie eine Niete entdeckt. Das heißt nicht, dass ich jedes Werk von Beethoven mag, aber hörenswert waren so weit alle. Bei Haydn bin ich mir etwas unschlüssig. Die Klaviersonaten, Streichquartette, Symphonien und Klaviertrios sind jedenfalls in der Gesamtheit absolut empfehlenswert.

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